Mad Season von abgemeldet (Eine Joaquin Phoenix-Fiction, mit Viggo Mortensen, Orlando Bloom and many, many more) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Mad Season Prolog "It's easier to leave than to be left behind, leaving was never my proud. Leaving New York, never easy, I saw the light fading out..." [R.E.M. - Leaving New York] Es regnete, als der Bus die 8th Avenue hinunterfuhr und in der späten Rush Hour vorübereilende Passanten nass spritzte, wenn er durch eine der großen Pfützen am Straßenrand fuhr. Ja, es regnete. Nein, es strömte sogar wie aus Gießkannen. Wie an jedem verdammten Tag in dieser Stadt. Ich lehnte mit dem Kopf gegen die kühle Fensterscheibe, die durch die Heizlüftung des Busses leicht beschlagen war und verzierte sie mit meinen Fingerabdrücken, indem ich formlose Konturen mit meinen Fingerspitzen darauf malte. Vielleicht, und dieser Gedanke kam mir nicht zum ersten Mal an diesem Tag, war es eine gute Entscheidung gewesen, New York City, den Großstadtdschungel, der mich mit Haut und Haar hatte verschlingen wollen, hinter mir zu lassen. Vielleicht würde sich mein Leben von Grund auf ändern, vielleicht aber auch im selben Trott weitergehen, Fifty-fifty. Es gab keine kleinen Veränderungen im Leben, so viel hatte ich schon gelernt. Entweder stellte sich alles mir nichts dir nichts auf den Kopf oder jeder Tag ähnelte dem vorangegangenen. Ich persönlich hatte zu jenem Zeitpunkt, am späten Nachmittag des achten Septembers, eine große Veränderung hinter mir. Oder vor mir. Ich konnte es nicht so genau sagen. New York zu verlassen war nicht einfach, aber ein erster Schritt. Die dunkelblaue Reisetasche auf dem Sitz neben mir hüpfte unruhig hin und her, wann immer der Bus Bekanntschaft mit einem Schlagloch machte. Man konnte nicht behaupten, dass ich im renommiertesten Viertel New Yorks gehaust hatte. Wohl eher im Gegenteil. Aber was hätte sich eine jobbende Amerikanistikstudentin auch anderes leisten können, als ein armseliges 1-Zimmer Apartment in Brooklyn? Soweit ich mich erinnern konnte, hatte es auch keine einzige Nacht gegeben, in der es wirklich ruhig in dieser Ecke der Stadt gewesen wäre. Schießereien, Aufeinandertreffen von Gangs, Überfälle, etc., etc.. Das also war der Amerikanische Traum. Ich hatte ihn nie geträumt, aber die tatsächliche Konfrontation mit den Staaten hatte mich wachgerüttelt, obwohl ich mich selbst längst zu den Wachgerüttelten gezählt hatte. Wie auch immer, die letzte Nacht hatte mir endgültig klar gemacht, dass dieser Ort mich krank machte, dass er mich zerstörte, quälend langsam, wie lähmendes Gift. Der kleine silberne Anhänger, den mir Berry vor einiger Zeit als Talisman geschenkt hatte, gab metallene Laute von sich, als er gegen eine der Stangen im Bus schlug, immer im selben Rhythmus. Tick-Tock-Tick-Tock-Tick-Tock. Ich schloss die Augen, was nur dazu beitrug, dass ich schläfrig wurde. Der Bus würde die Stadtgrenze in einer Viertelstunde endgültig passieren und dann weiter nach New Jersey fahren. Trenton, um genau zu sein. Dort würden mich Nora und Berry erwarten, um mit mir rüber nach LA zu fliegen. Hatte ich alles mitgenommen? Ein großer Rucksack ruhte auf meinen Füßen, die voll gestopfte Reisetasche saß geduldig neben mir. Mit Sicherheit hatte ich in der Hektik der vergangenen Stunden irgendetwas vergessen, das mir erst in vier Stunden wieder in den Sinn kommen würde, wenn ich mit den beiden im Flieger saß. Aber es war mir, um ehrlich zu sein, vollkommen egal. Ich wollte nur noch weg von hier, mit Nora und Berry in den Süden fliegen, wo die beiden auch wohnten. Ich hatte Berry vor fast drei Jahren kennen gelernt, als sie die Außenstelle des Verlags, in dem sie beruflich tätig war, in New York City besuchte. Zeitgleich hatte ich dort mein Praktikum absolviert und mich von Beginn an gut mit ihr verstanden. Nora, die bei einem großen Plattenlabel arbeitete und somit über gute Kontakte verfügte, hatte sie nach New York begleitet. Wir drei waren sehr gute Freundinnen geworden und obwohl sie beide in Los Angeles lebten und ich in New York wohnte, hatten wir rege Kontakt gehalten. Deshalb waren auch sie die ersten gewesen, die ich nach dem gestrigen Vorfall angerufen hatte. Tausende von Meilen entfernt und doch waren mir diese beiden am nächsten. Ich rief nicht Luke an, der nur 12 Blocks von mir entfernt wohnte und mein frischgebackener Exfreund war. Er hatte nur zwei Stunden vor dem Vorfall mit mir Schluss gemacht und als ob dies nicht ausgereicht hätte, um mich fertig zu machen, wurde ich auf dem Nachhauseweg überfallen - keine hundert Meter trennten mich bis zu dem Eingang meines Apartments. Es waren vier Männer gewesen. Wahrscheinlich hatten sie mir aufgelauert. Sie hatten mich gegen die Hauswand gepresst, mir eine großkalibrige Waffe an den Kopf gehalten und meine Tasche buchstäblich auseinander genommen, um die paar Kröten einzukassieren, die ich mit mir herumtrug. Ich kann von Glück sprechen, dass nichts schlimmeres passiert ist, als dass ich mir ein paar Prellungen an Schulter und Armen geholt hatte. Wahrscheinlich hatte ich das einem Passanten zu verdanken, der so wagemutig war und die Kerle, die über mich herfallen wollten, aufschrecken ließ. Wenn man in den Nachrichten von gewalttätigen Übergriffen hört, glaubt man, selbst nie betroffen davon zu sein. Aber wenn am Ende die Waffe an deiner Schläfe liegt und dein Leben nur von der Willkür eines Verbrechers abhängt, weißt du, dass jeder ein Opfer sein kann. Die plötzliche Trennung von Luke und der Überfall hatte mich letzten Endes dazu bewegt, zu verschwinden. Die heile Welt, die ich mir immer vorgegaukelt hatte, zerbrach vor mir an diesem Abend in tausend Splitter. Ich hatte nur noch Angst und wollte weg. Nora war sofort aufgelöst vor Schrecken, als ich sie kurz darauf anrief und einen halben Nervenzusammenbruch am Telefon erlitt. Ich fragte mich jetzt, als ich im Bus nach Trenton saß, wie ich ihr nun gegenübertreten sollte und ob ich es überhaupt könnte. Ich musste regelrecht hysterisch auf sie gewirkt haben und wenn sie mich nicht für ein seelisches Wrack hielt, konnte ich schon von einem Wunder sprechen. Sie hatte sofort vorgeschlagen, mich für eine Weile nach Los Angeles zu "entführen", damit ich auf andere Gedanken käme und wieder zu mir selbst fände. Ha. Klingt erstaunlich einfach, ist es aber nicht. Ganz und gar nicht. Der verletzende Klang von Lukes Stimme hallte in meinem Kopf wieder und ich konnte nicht vergessen, was er zu mir sagte: "Weißt du", und er sog an seiner Zigarette, blickte desinteressiert aus dem Fenster, "irgendwie glaub ich, dass das mit uns beiden nichts werden kann. Du spielst einfach nicht in meiner Liga, Schätzchen..." Luke Morrison, 31, Investmentbanker auf Manhattans berühmter Wallstreet. Ich hatte ihn vor gut einem Jahr auf einer Party kennen gelernt und war ziemlich in ihn verschossen. Nach etwa 10 Monaten von ewigem Hin und Her hatte er nun endgültig mit mir Schluss gemacht. Anscheinend glaubte er, ich würde seinem Image schaden und ihn zu viel Geld kosten (obwohl ich nie welches von ihm verlangt oder zu meinem Vorteil genutzt hatte). So furios unsere Beziehung auch gewesen war, nie war er so kalt und gemein zu mir gewesen wie am gestrigen Tag. Anscheinend hatte ich gerade eine ganz besondere "Glückssträhne". Das wirklich Schlimme an der Sache war eigentlich die Tatsache, dass mir Luke noch viel bedeutete. Machte ein Kerl mit dir Schluss, den du sowieso kaum noch ertragen konntest, bist du sogar froh, wenn es vorbei ist. Aber nicht, wenn dein Freund manchmal der einzige Halt in deinem schrecklichen Alltag war. Der silberne Anhänger drehte sich nun um, sodass die Vorderseite wieder zu sehen war - das Symbol für mein chinesisches Sternzeichen: Der Tiger. Symbol für Kraft und Überlegenheit. Ich fragte mich, wo meine Kraft geblieben war. Ich sah dem Regen zu, als New York City hinter mir lag. Noch einen Vorteil barg LA - dort regnete es so gut wie nie. Nach weiteren zwei Stunden monotoner Busfahrt erreichten wir endlich Trenton. Der Verkehr war ungewöhnlich flüssig heute. Wenigstens eine kleine Gegenleistung zu den vergangenen 24 Stunden. Ich richtete mich ein wenig auf meinem Sitz auf und beäugte die regennasse Straße. An der Baker's Lane würde ich aussteigen müssen. Von dort, so hatte mir Berry per Telefon versichert, müsste ich nur gute 500m zu Fuß gehen, um zur Touristeninformation zu gelangen. Dort würden die beiden mich empfangen, sofern ihr Flug aus LA nicht Verspätung gehabt hatte. Ich überlegte, wie ich mich bei den zweien revanchieren können würde. Sie hatten schließlich alles stehen und liegen gelassen, um schnellstmöglich hier her zu kommen und mich abzuholen. Gott, ich musste wirklich einen äußerst labilen Eindruck am Telefon gemacht haben! Dessen sehr beschämt, erhob ich mich, als die nächste Haltestelle angezeigt wurde, schulterte den Rucksack und hievte die Reisetasche mit meinem rechten Arm hoch. Ein stechender Schmerz durchfuhr meine Muskeln, erinnerte mich an die durchlebte Angst des vergangenen Abends. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal von heute auf morgen die Stadt verlassen würde, aber jetzt, wo ich es wirklich tat, wusste ich, dass ich es schon viel eher hätte tun müssen. Mit dem Daumen der linken Hand schob ich meinen Rollkragenpullover ein Stückchen höher und als sich die Bustüren knarrend öffneten und mir der kühle Herbstwind entgegen wehte, trat ich wieder in die Kälte hinaus. Ich sah mich anfangs etwas hilflos um, aber ein kleiner Schilderwald dirigierte mir dann den Weg zur Information. Mittlerweile war es 18 Uhr und die Fußwege waren fast menschenleer. Etwas, das man in New York City wohl nur nach einer Evakuierung erleben würde. Schwer bepackt trottete ich über eine Kreuzung und dann durch einige Gassen, bis ich ein rot leuchtendes "i" über einem kleinen Gebäude sah und direkt darauf zusteuerte. Der Regen hatte nachgelassen. Meine Billigsneaker quietschten, als die nassen Sohlen auf den hellen Fliesen der Information landeten, bei jedem Schritt, den ich machte. Neugierige Blicke waren auf mich gerichtet, teilweise wurde ich kritisch von oben bis unten gemustert. Ich wünschte mir nicht zum ersten Mal ein T-Shirt, auf dem stand: "Bitte nicht füttern", denn in solchen speziellen Momenten fühlte ich mich wie ein Tier im Zoo, das von allen umstehenden Leuten begafft wurde. Meine Griesgrämigkeit, die nachweislich auf die Geschehnisse des letzten Tages zurückzuführen war, legte sich in jenem Augenblick, als ich Berry laut rufen hörte: "Kerstin! Hier rüber! Hier sind wir!". Berry, ein gutes Stück größer als ich und in eine weiße Jacke gehüllt, winkte mich mit dem rechten Arm zu sich. Wie schön es doch war, nach all den turbulenten letzten Stunden ein freundliches Gesicht zu sehen! Ich drängelte mich an einigen Leuten vorbei, um zu Berry zu gelangen, die nur einen kleinen Rucksack auf dem Rücken trug und mich mit ausgebreiteten Armen empfing. Ich ließ die Tasche rücksichtslos fallen und stürmte ihr entgegen. Hilfe, ich war den Tränen nah! Wie sentimental und albern ich mir in diesem Moment vorkam, ist nicht in Worte zu fassen! Ich fiel Berry in die Arme und verbarg mein Gesicht gleich an ihrer Schulter, damit sie mich nicht weinen sah. "Hey, ist das schön, dich wieder zu sehen!", sagte sie und drückte mich ordentlich, strich mir mit der rechten Hand über den Arm. Diese tröstliche Geste brachte auch die letzten Dämme zum Brechen und ich konnte ein leises Schluchzen nicht unterdrücken. "Ist ok", murmelte Berry und zog mich noch ein Stückchen näher an sich heran, dass ich beinahe das Gleichgewicht verloren und sie umgerissen hätte. Ich versuchte, mich zusammenzunehmen und löste mich ein bisschen von ihr, wischte mir verlegen die Tränen mit dem Ärmel meiner Jacke fort. "Entschuldige...", flüsterte ich, aber Berry lächelte nur und wuschelte mir aufmunternd durchs Haar. Normalerweise verabscheute ich so etwas, aber es gab mir ein Gefühl von Geborgenheit, das ich so lange vermisst hatte. "Danke, dass du gekommen bist!", murmelte ich mit Tränen erstickter Stimme und räusperte mich, um wieder normal zu klingen. "Na keine Frage. Bei dem, was du auch erlebst." Ich rang mir ein schiefes Lächeln ab und sah mich um. "Ist Nora nicht mitgekommen?", fragte ich etwas heiser. "Doch, doch, die ist nur schnell mit Viggo zum Geldschalter gegangen, um ein bisschen was für dein Flugticket abzuheben.", erklärte mir Berry. Ich errötete und schämte mich dafür, dass Nora mein Ticket bezahlte. Nicht einmal dazu konnte ich genug Geld aufbringen. Vielleicht hatte Luke doch Recht gehabt, wenn er behauptete, ich läge ihm auf der Tasche. Argh! Und dieses Selbstmitleid half mir kein Bisschen weiter. Ich tapste betreten vor mir hin und Berry schien meine Gedanken zu erahnen, denn sie sagte: "Mach dir keine Gedanken wegen des Tickets. Dafür kriegst du eben kein Weihnachtsgeschenk!", sie streckte kurz ihre Zunge raus, um mir klar zu machen, dass sie scherzte und somit brachte sie mich zum Lachen. "Na also...sie lacht wieder. Das ist schon mal ein kleiner Fortschritt! Du wirst sehen, 1, 2 Monate in LA und du siehst das Leben wieder viel entspannter!" Ihr Wort in Gottes Ohr! Und als ich mich umwandte, sah ich auch schon Viggos große und schlanke Gestalt auf uns zukommen. Er hatte einen Arm um Nora gelegt, die gerade rege in ein Gespräch mit ihm vertieft war, als sie mich plötzlich erblickte und sich fast augenblicklich von ihm losriss. Zurück blieb ein verdutzt dreinschauender Däne, der mir ein bisschen leid tat in diesem Moment. Ehe ich mich versah, war mir Nora um den Hals gefallen und drückte mich an sich. Ihr rotes Haar fiel ihr über die Schulter. "Ach Mensch...was muss man denn von dir hören?", fragte sie und ich erwiderte etwas hilflos ihre Umarmung. "Ja...hab das nicht eingeplant", seufzte ich, schon wieder gegen Tränen ankämpfend. Ja, ich weiß, ich kann furchtbar theatralisch sein. "Wie geht es dir? Bist du verletzt?" "Nee, hab nur ein paar Kratzer abbekommen...nichts, weswegen die Welt untergehen würde. Hallo Viggo.", begrüßte ich Noras Freund, der mittlerweile bei uns angekommen war und etwas bedröppelt dreinschaute. Er nickte mir freundlich zu und schenkte mir ein klägliches Lächeln. Etwas gefiel mir nicht an der Art, wie er mich ansah. Was zum Henker hatte ihm Nora erzählt? Fürchtete er, dass ich manisch depressiv war? Ein Psychopathin, die nachts in sein Schlafzimmer mit dem Hackebeil marschierte, während er gerade mit Nora bei der Sache war? Na gut. Ähnlich hatte ich wahrscheinlich auch am Telefon geklungen. "Tut mir leid, dass ich euch so viele Unannehmlichkeiten bereitet hab", entschuldigte ich mich ehrlich, denn je länger ich mit den dreien zusammenstand, die mich besorgter musterten, als Doktor Freud einen seiner Patienten, desto mehr schämte ich mich für meinen panischen Anruf bei Nora. "Ach Unsinn. Los komm, unser Flug geht in ner knappen Stunde.", Nora packte mich am Arm und zerrte mich mit sich, ohne lange zu fackeln folgten Berry und Viggo. Hätte ich nicht gewusst, dass sie alle sehr spontan waren, hätte ich geglaubt, sie wollten mich einliefern. Das lag aber möglicherweise an meinen überreizten Nerven, dass ich alles und jeden als Bedrohung empfand. Als ich eine gute halbe Stunde später im Flugzeug saß, tat mir jeder einzelne Knochen weh, besonders die geprellte Schulter, die ganz geschwollen war, weil sie die Last des Rucksacks hatte tragen müssen. Berry pfriemelte neben mir an ihrer Tasche herum, während Nora und Viggo sich liebevoll um ein Sahnebonbon balgten. Hach! Die beiden machten mich richtig neidisch. Warum musste man ausgerechnet dann, wenn man gerade frisch von jemandem getrennt war, in unmittelbarer Nähe zu einem verliebten Pärchen sein? Berry hingegen schien das recht wenig zu interessieren. Sie schenkte den beide nur ein fröhliches Lächeln, band ihre ellenlangen Haare zu einem Zopf zusammen und plauderte vergnügt drauf los. Dagegen war nichts einzuwenden, ganz und gar nicht, schließlich war Ablenkung das beste, was mir passieren konnte. Andererseits war es so viel leichter, sich in Selbstmitleid zu suhlen. Schande über mich! Ich sollte 24 sein? Ich benahm mich wie 14, und zwar keinen Tag älter. "Wir könnten den Hauptsitz des Verlags in LA besuchen, wenn es dir besser geht", schlug Berry vor und ich nickte tranceartig. In der Außenstelle in New York hatte ich mich schon fehl am Platze und inkompetent gefühlt, wie würde es dann erst im Herz des Verlags sein? "Wir können auch ordentlich shoppen und an den Stränden von Malibu spazieren gehen", fuhr sie enthusiastisch fort, doch mir wurde ganz flau im Magen. Ich kannte niemanden in LA. Ich war nur einmal kurz in der Stadt gewesen, als Nora ihren 23. Geburtstag gefeiert hatte. Ansonsten war sie mir absolut fremd. Andererseits, wenn ich es realistisch betrachtete - mit New York war ich auch nie richtig warm geworden und vielleicht war dort auch die Großstadtanonymität enormer als in Los Angeles. "Alles ok, Kerstin? Du bist so blass um die Nase, geht es dir gut?", fragte sie besorgt und ich merkte, dass ich schon wieder apathisch vor mich hingestarrt hatte. Wenn das so weiterging, war ich wirklich reif für die Klapsmühle. "Ja, geht schon. Ich bin nur...durcheinander, weißt du...", ich wurde immer leiser, als sich Nora und Viggo zu uns umdrehten. Bitte keine Gruppentherapie! "Ich sag's ja...Männer sind Schweine! Bis auf dich, Schatz", versicherte Nora ihrem Liebsten, als dieser fragend die Brauen hob. Nora schob ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lehnte sich wieder über den Sitz, um mich besser beäugen zu können. "Hat sich Luke, dieser Arsch, noch mal gemeldet?" Ich schüttelte finster mit dem Kopf. "Idiot!", schnaufte Nora verächtlich, "Mach dir nichts draus, in LA laufen haufenweise schnuckelige Typen herum", redete sie weiter und Viggo schenkte ihr einen neugierigen Seitenblick. "Verschweigst du mir etwas, Liebling?", fragte er gekünstelt schmollend. Immer diese Schauspieler! Nora lachte und keine zwei Sekunden später hatten sich die beiden rangelnd und knutschend auf ihre Sitze zurückgezogen. Berry tätschelte meine Hand und lächelte mir aufmunternd zu, als sich das Flugzeug auf dem Rollfeld in Bewegung setzte. 'Na gut', dachte ich mir, 'Du erholst dich schön in Los Angeles, schaltest ab von dem Leben, das du in New York geführt hast, vergisst Enttäuschung, Schmerz und Angst und legst so richtig los'. Gut, auch wenn meist nicht alles so klappen würde, wie man es sich vorstellte, aber ein erster Schritt war getan. Die Maschine hob ab und verschwand alsbald an Trentons Nachthimmel. Die Skyline von New York leuchtete irgendwo unter mir in ihren mystischen, verzaubernden Farben. Aber mir war es gleich. Ich hatte New York hinter mir gelassen. TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)