Loneliness von RinRin ================================================================================ Kapitel 2 --------- Kapitel 2 Einige Zeit später standen die drei mit vollen Gläsern an einer aufgestellten Imbissbude der Party und versuchten Jun in ein bisschen Partystimmung zu bekommen. Dies war aber nicht so erfolgreich, wie es sich Jannik und Miriél wünschten. Sie vermissten beide jetzt schon das sonst so lebensfreudige Mädchen, das zwar wenig Freunde hatte, weil sie in den Augen vieler als eingebildete reiche Tochter eines angesehenen Mannes galt, obwohl sie genau das nicht war. Doch solche Klischees hielten sich hartnäckig. Jun war es relativ gleich, denn mit den wenigen, die sie im Moment hatte, war sie mehr als zufrieden. Sie standen die meiste Zeit nur rum und rappelten sich selten auf, eine kleine Runde zu tanzen. Umso schneller verging in ihren Augen die Zeit bis Miriéls Schwester Luthien zu ihnen trat. "Hey, Miriél! Bist du schon wieder hier? Na ja okay... Wo sollte man dich sonst finden.", fragte sie noch mit einem Augenverdrehen und begrüßte dann auch Jannik und Jun, wobei sie Jun eine freundschaftliche Umarmung gab. "Ja ja, und was ist mit dir? Du steckst auch oft hier.", begann Miriél gleich ihre große Schwester zu necken. "Ach, sei doch still. Bin ja auch viel älter als du. Aber du solltest jetzt langsam schon mal heimgehen.. Mum und Dad bekommen sonst wieder nen Anfall, wenn sie rauskriegen, dass du wieder auf der Party bist." Genervt gab Miriél klein bei und meinte: "Ja, schon gut! Bist du nur gekommen, um mich abzuholen, oder was?" Luthien kicherte sie an und gab dann mit einem Grinsen zurück: "Hm... lass mich mal überlegen... JA, bin ich. Irgendeiner muss das ja tun und ich bin ja nicht umsonst deine große Schwester." "Mann, war mir ja klar.. Ich komme schon!", antwortete Miriél murrend. Dann wandte sie sich wieder an Jun: "Wir werden uns morgen früh wohl nicht mehr sehen können, oder?" Als Jun mit einem traurigen Blick in den Augen den Kopf schüttelte, sprach Miriél gleich weiter: "Hab ich mir gedacht.. Ich werd dich vermissen, Kleine!" Luthien und Jannik standen ein bisschen abseits und sahen den beiden Mädchen zu, wie sie sich noch ein letztes Mal umarmten. Nachdem sie sich voneinander lösten, trat auch Luthien noch mal zu Jun und verabschiedete sich von ihr. "Ich werd natürlich auch mal an dich denken, wenn du weg bist. Lass dich aber im Internat nicht unterkriegen. Du schaffst das schon." "Ich hoffe es doch mal.. Ich will immer noch nicht wirklich weggehen, aber ich muss ja." "Du musst ja nur 2 Jahre dort aushalten. Sobald du 18 bist, kann dich dein Vater zu nichts mehr zwingen. Wenn du dann willst, kannst du gern zu uns ziehen. Ich denk mal Miriél würde das auf alle Fälle sehr freuen." Freudig erwiderte Jun: "Bestimmt wird es das. Danke für das Angebot. Wenn du in ein paar Monaten von zuhause ausziehst, denk an mich, wenn du ne neue Wohnung hast, dass ich auch ein eigenes Zimmer bekommen könnte." "Werd ich tun, versprochen! Also dann.. Ich denk wir müssen los. Ciao, meine Süße!" "Danke. Bye, Luthien! Und bye Miriél!" "Tschüss, Jun, Jannik!", verabschiedete sich Miriél noch, und lief ihrer Schwester hinterher. ".....und weg sind sie.", bemerkte Jannik noch, während er seine Freundin in den Arm nahm, die mittlerweile wieder den Tränen nahe war. Jun nickte und schmiegte sich an ihn. "... und ich weiß nicht, wann ich sie das nächste mal wieder sehen kann." "Wird bestimmt nicht so lange dauern. Wir können dich doch bestimmt auch mal besuchen kommen." Jun nickte wieder und ließ sich dann an der Wand hinter ihr auf den Boden rutschen und legte ihren Kopf auf die Knie. Wenn sie traurig war, machte sie diese Geste immer. Und manchmal brachte sie damit Jannik und Miriél zur Weißglut, den Grund deshalb wussten die beiden selbst nicht einmal. Aber Jun mochte diese Sitzart... So konnte sie immer ungestört und schnell ihr Gesicht verbergen. Jannik kniete sich vor sie und streifte ihr sanft die Haare aus dem Gesicht. "Meinst du, es war wirklich so gut auf die Party zu gehen? Mit deiner Stimmung hätten wir lieber daheim bleiben sollen." Schnell schüttelte das Mädchen ihren Kopf. "Nein, ist schon okay. Bei dir hätten wir ja auch nicht gewusst, was wir machen sollen. Und besser als rumsitzen ist es auf jeden Fall.. Außerdem weiß mein Vater ja, wo ich mit großer Wahrscheinlichkeit bin, wenn nicht zuhause.. Und glaub mir, vor morgen früh hab ich keine große Lust mehr ihn zu sehen!" "Kann ich natürlich verstehen." In dem Moment wurde ein älteres Lied gespielt, dass die beiden nur zu gut kannten. Es war nämlich ihr Lied, zu dem sie das erste mal zusammen tanzten. Zufall oder mystische Begebenheit - Jun ließ es dahin gestellt und ließ sich gerne dazu überreden, noch ein letztes mal so unbeschwert in den Erinnerungen zu schwelgen. Mit seiner Freundin also im Arm gingen Jannik und Jun auf die Tanzfläche. Jannik umarmte sie und drückte sie fest an sich, während Jun ihren Kopf an seine Schulter legte und ihre Augen schloss. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie auf ewig mit ihm zusammenbleiben könnte. Sie konnte wie immer ihre Tränen nicht unterdrücken. Deshalb drückte Jannik sie fester an sich und flüsterte leise: "Wir schaffen das schon, Jun. Versprochen! Die 2 Jahre werden schon schnell vorbei gehen." "Ich hoffe es. Aber so große Hoffnung hab ich nicht." "Denk nicht immer so negativ Jun, so kommst du nicht weit. Denk einfach immer daran, dass ich dich liebe!" "Ja, danke. Ich weiß. Ich liebe dich auch!" Die beiden genossen die letzten Takte des Liedes dann in Stille. "Das Lied ist gleich aus.. Wollen wir dann gehen, Jun?", fragte Jannik nach einiger Zeit wieder. "Können wir.. Kommst du dann noch mit zu mir? Ich muss noch ein paar Sachen zusammenpacken und.. ich will nicht alleine sein." "Och Süße! Sicher bleib ich bei dir. Muss aber dann noch meine Eltern anrufen, dass die Bescheid wissen." "Ist gut. Hauptsache ich muss nicht alleine sein" Jannik nickte ihr zu, und drückte sie fest an sich. Dann war auch das Lied zu Ende. Die beiden tranken noch etwas und machten sich dann auf den Weg zu Jun nach Hause. Auch Jannik fiel der Gedanke nun immer schwerer, dass seine Freundin bald weg sein würde, und er sie so schnell nicht wieder sehen könnte. Aber im Stillen versprach er sich, dass er sie trotzdem so oft wie möglich besuchen werde. Das Internat war ja schließlich kein Gefängnis, sondern genau das Gegenteil. Laut Internetseiten über die Schule war sie eine sehr moderne, in der die Schüler genug Anspruch auf ihre Freizeit hatten und auch nachmittags in Kleingruppen etwas unternehmen konnten. Zwar mussten sie einem jeweiligen besonderen Lehrer Bescheid sagen, und auch zu einer vereinbarten Zeit wieder zuhause sein, aber das ließ sich alles irgendwie organisieren. "Hauptsache man bekommt trotzdem Freiheit", war ein Zitat, das eine Schülerin auf dieser Schule mal darüber geäußert hatte. Als die beiden wenige Minuten später bei Jun zuhause ankamen, ließ sie sich zuerst aufs Bett fallen und spürte wie eine Träne ihre Wange runterrollte. Sie ließ ihren Blick in ihrem Zimmer umher schweifen und musste feststellen, dass das Zimmer alles andere als ein Teenie-Zimmer war: Alle Poster von ihren früher heimlich umschwärmten Boygroups, einigen Kinoplakaten, und sonstige Poster waren abgehängt worden, in einem offenen Schrank konnte man sehen, dass er völlig leergeräumt war, bis auf ein paar vereinzelte Kleidungsstücke, und alles übrige, was an Jun erinnerte, war in Kartons überall im Zimmer verteilt, und neben ihrem Bett standen 2 gepackte Koffer. Jannik erkannte das Zimmer seiner Freundin auch nicht mehr wieder. Er wusste zwar, dass die von hier weggehen würde, aber nicht, dass ihr Vater darauf bestanden hatte, dass sie ihren Kleinkram auch in Kartons verpacken sollte. Jun stand wieder auf und ging zu Jannik, der sich in ihrem Schaukelstuhl niedergelassen hatte. Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss, der schon bald zu einer wilden Knutscherei zwischen den beiden wurde. Janniks Küsse würde sie am allermeisten vermissen... Einige Minuten später erhob sie sich wieder und ging zu ihrem CD-Player. Sie legte ihre Lieblings-CD ein und sofort wurde ihr Zimmer von einer ruhigen Melodie, zu der eine tiefe, aber süße Männerstimme einen spanischen Text sang. Es war ihr Lieblingslied und sie konnte es sich stundenlang anhören, wenn ihr danach war. Manchmal bekam es Jannik dadurch sogar mit der Eifersucht zu tun, denn der Sänger war ein wahrlich sehr gut aussehender junger Spanier, der die Mädchenherzen wohl im Sturm eroberte. Es beruhigte Jannik aber, dass Jun ihm immer wieder zu verstehen gab, dass dieser noch so süß aussehen konnte, lieben würde sie sowieso nur ihn, Jannik. Wie auch immer... Jun und Jannik begannen zusammen noch die paar letzte Sachen zusammenzupacken. Als das dann geschehen war, legten sich beide auf das Bett und Jun kuschelte sich eng an Jannik, wo sie kurz drauf auch einschlief. Jannik strich ihr sanft durch die Haare, gab ihr noch einen Kuss auf die Wange, und schlief nach einiger Zeit ebenfalls ein. Am nächsten Morgen wachte Jun schon ziemlich früh auf. Sie stand leise auf, um neben sich ihren Freund nicht aufzuwecken und ging in die Küche. Dort sah sie auf der Küchentheke eine halb ausgetrunkene Tasse und daneben einen Zettel, auf dem ihr Vater ihr eine kurze Nachricht hinterlassen hatte: "Jun, ich musste noch etwas erledigen im Büro. Werde aber rechtzeitig wieder da sein, um dich zum Bahnhof zu bringen!!! Also schlag dir gleich aus dem Kopf, du würdest doch noch ums Internat herum kommen." Jun wurde über diese Nachricht etwas wütend und sagte leise zu sich: "Typisch mein Vater.... Manno.. Ich will da nicht hin." In dem Moment kam auch Jannik in die Küche und begrüßte sie mit einem Kuss. "Hast gut geschlafen, Süße?" "Passt so... Ich konnte einfach an nichts anderes als den heutigen Tag denken.", gab sie mit einem traurigen Blick zu. Jannik schloss sie in die Arme und tröstete sie etwas. Jun freute sich darüber, auch wenn es ihr nicht dabei half, dass sie daheim bleiben konnte. "Ich will noch kurz auf den Dachboden gehen und gucken, ob ich da noch irgendwelche Sachen hab, die ich mitnehmen will.", sagte Jun nach dem Frühstücken zu Jannik. "Und um noch ein bisschen in Erinnerungen zu stöbern, oder?", grinste Jannik sofort. "Genau! Da oben war ich schon oft, wenn's mir etwas mies ging." "Na gut... Aber ,etwas' ist noch bisschen übertrieben." "Ich weiß... Aber trotzdem will ich noch ein letztes Mal in den alten Sachen herum wühlen." "Hab ich ja nichts gegen. Was soll ich währenddessen machen?" "Kannst du in meinem Zimmer noch bisschen die Kartons in eine Ecke stellen? Dad bekommt ne Krise, wenn der das Chaos sonst sieht..." "Geht klar. Und dir viel Spaß beim Stöbern.", grinste Jannik und gab seiner Freundin, die schon dabei war den Schlüssel für den Boden zu holen, einen Kuss. Dann ging Jun auf den Dachboden und Jannik in ihr Zimmer, um etwas Ordnung reinzubringen. Jun liebte es, auf dem Dachboden in den Truhen ihrer Mutter, oder ihrer Großeltern nach Anhaltspunkten ihrer Vergangenheit zu suchen. Vor allem die Erinnerungen an ihre Mutter, die sie hier oben fand, erfreuten sie. So hatte sie beispielsweise auch herausgefunden, dass ihre Mutter ebenfalls sehr gerne auf dem Dachboden gespielt hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Ihre Mutter, Juns Großmutter also, hatte das manchmal sehr aufgeregt, aber Oma Elaine wusste, dass es manchmal nichts Schöneres gab, als sich in Erinnerungen herum zu wälzen. Jun ging sofort in ihre Lieblingsecke, und stöberte herum, als wenn sie etwas suchen würde. Wie sonst auch vergaß sie die Zeit völlig. Nach kurzer Zeit fand sie eine kleinere Truhe ihr gegenüber. Jun fühlte sich peinahe magisch angezogen von dieser. Jun wunderte sich sofort über diese. Denn sonst fiel ihr doch in ihrer Ecke alles auf, nur eben die kleine, braune Truhe erkannte sie noch nie. Sie blies den Staub herunter, um eine Aufschrift lesen zu können. Doch sie erkannte nur einige der verrosteten Goldlettern, konnte aber nicht viel damit anfangen. Eine Jahreszahl fand sie darauf auch: 1912. "Wow... Die Truhe ist ja schon endlos alt. Aber sie sieht trotzdem noch so gut aus. Was da wohl drin ist?! Vielleicht passt zu der ja der kleine Schlüssel, den ich mal gefunden hab... Wo ist er nur?", murmelte Jun sofort leise vor sich hin. Sie suchte auf einem Regal neben ihr und wurde sofort fündig. Dann nahm sie die Truhe und den Schlüssel und ging ans andere Ende des Dachbodens, um sich dort auf einer älteren Matratze niederzulassen. Vorsichtig steckte sie den Schlüssel dann in das Schloss und konnte die Truhe mit etwas Mühe aufschließen. Als sie diese dann aufmachte, kam ihr zuerst mal eine riesige Staubwolke entgegen, wegen der sie erst ein paar Mal hintereinander laut niesen musste. Mit ihrer Hand versuchte Jun dann die Wolke wegzutreiben. Mit einem strahlenden Aufglühen in ihren Augen machte sie sich daran ihren neuen Fund zu durchsuchen. Sie wurde immer mehr begeistert: So wie es aussah, waren in der Truhe alte Tagebücher ihrer Urgroßmutter, Großmutter und auch ein angefangenes ihrer Mutter und andere Urkunden, oder ähnlicher Papierkram, der für irgendjemand einmal sehr wichtig gewesen sein muss. Nebenbei waren auch alte schwarz-weiße Fotos dabei. Jedes Foto zeigte in etwa dieselbe Person. Aber Jun hatte keine Ahnung, wer das war. Aber plötzlich fiel ihr wieder ein, dass ihr die Truhe vorher nie aufgefallen war. "Kein Wunder, sie war ja auch eher unter einem Haufen von anderem Gerümpel.", bemerkte Jun erneut. Sie machte sich darüber keine Gedanken mehr, sondern interpretierte es als "Schicksal" und durchsuchte weiter. Unter ein paar zusammengebundenen Briefen fand sie ein kleines Stofftäschchen. Neugierig drehte sie diese um und leerte den Inhalt auf ihre Hand. Sie war verblüfft, was sie hier nun in ihrer Hand hielt: Eine dünne Silberkette, an der ein kleiner schöner Anhänger hing. Jun nahm die Kette und steckte sie wieder in das Täschchen und das dann wieder zurück in die Truhe. Als Jun die Briefe und Bücher ebenfalls wieder reingelegt hatte, schloss sie die Truhe zu, und ging dann mit ihr runter in ihr Zimmer. "Was hast du da denn gefunden?", fragte Jannik erstaunt, als Jun mit der kleinen Truhe in ihrem Zimmer auftauchte. "Weiß ich auch noch nicht so recht. Da sind anscheinend alte Tagebücher, Briefe, Fotos und ne Kette von meinen Großeltern drin... Wenn nicht gar Dinge von meinen Urgroßeltern." "... Also irgendwie Sachen, die einem sehr am Herzen liegen." Jun nickte und bestätigte ihm diese Vermutung. "Ich würde die Tagebücher zu gerne lesen..." "Eigentlich liest man doch die Tagebücher anderer nicht... aber... deine Großeltern leben ja schon lange nicht mehr." "Eben... Und meine Urgroßeltern auch nicht mehr. Die Truhe ist aus dem Jahre 1912!" "Wow... Schon ziemlich alt. Aber lies halt, wenn's dich so brennend interessiert, was es ja offensichtlich tut." Den letzten Satz fügte er grinsend hinzu. Er kannte seine Freundin nur zu gut, wenn es um irgendwelche alten Erinnerungsstücke ging, die sie gefunden hatte. Schnell war ihre Entdeckerlaune geweckt. So wie auch jetzt. Jun ließ sich die Aufforderung nicht zweimal sagen. Sie hatte die truhe schließlich heute noch finden sollen. Also musste darin auch etwas sein, dass sie wissen sollte. Sie nahm das erste Buch, das anscheinend das erste gewesen sein muss, und begann mit Jannik abwechseln zu lesen. Beide waren fasziniert, wie gut Juns Urur-Großmutter ihr Leben geschildert hatte. Manchmal konnte Jun ihr wirklich nachfühlen, wie es damals war. "... heute habe ich Zale das erste Mal mit der Erlaubnis meiner Eltern treffen dürfen. Sie waren nie davon begeistert, dass ich mich mit einem Jungen traf. Vater meinte immer, ich, seine 17-jährige ,kleine' Tochter, seine Prinzessin, sei für so etwas noch zu jung. Mutter hatte dazu leider nichts gesagt. Deshalb hab ich mich meistens immer heimlich mit Zale getroffen. Aber nun habe ich die Erlaubnis meiner Eltern bekommen, nachdem mein Vater gesehen hatte, in wen ich so unsterblich verliebt war. Mein Vater war auch vom ersten Augenblick an, so scheint mir, begeistert. Kein Wunder! Zale war ein wirklich wundervoller junger Mann. Er war stattlich und groß, hatte blondes Haar und graue Augen, wie der Himmel über uns war. Am Himmel konnte man immer besser erkennen, in welcher Zeit wir lebten.. Irgendwie brach doch wieder ein Krieg aus. Zale wurde auch abkommandiert. Als ich das erfahren hatte bei unserem letzten Treffen, hatte ich den ganzen Abend nur geweint. Er fehlte mir so sehr und ich wollte ihn auf jeden Fall wieder sehen..." Jun schlug das Buch zu und sah mit einem Lächeln ins Nichts. Nachdenklich meinte sie: "Zoe und Zale hatten es wirklich nicht leicht damals... Ich frage mich, ob ihre Liebe ihrer Umgebung standhalten konnte." Jannik zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Aber ich würde es ihnen schon wünschen. Deine Urur-Großmutter beschreibt wirklich gut ihr Leben, aber auch sich selbst. Da könnte man fast schon zu träumen anfangen.", gab Jannik auch offen zu. Jun stieß ihn in die Seite und blickte ihn böse mit einem vielsagenden Blick an. Jannik versuchte schnell sich zu verteidigen: "Aber andererseits weiß man, woher du deine Schönheit hast, meine Süße." "Das klingt doch schon besser. Aber so wie mir erzählt wurde, waren meine Großmütter alle ziemlich hübsch. Ich soll sogar Oma Zoe am ähnlichsten sehen." "Na dann muss Zoe auch eine Wunderschöne gewesen sein... Aber eines versteh ich nicht. Ließ mal die erste Seite noch mal." Jun nahm das Buch strich einmal sanft über die vergilbten Blätter und las die erste Seite nochmals durch: "Dieses Tagebuch gehört: Zoe Sereyanne, geboren am 23.6.1937." "Ja, und? Steht doch in jedem Tagebuch drin." "Ja, schon, aber WIESO steht da ,Zoe Sereyanne'? Du hattest doch gesagt, alle deine Großmütter mütterlicherseits behielten ihren Nachnamen bei... Also müsste das doch Yuralei sein, oder nicht?" "Eigentlich schon. Hab ich auch schon mal meine Großmutter gefragt, aber sie kam nie dazu, mir das zu erklären. Vielleicht steht aber in den Tagebüchern darüber noch was?" "Kann sein. Lass uns..." Weiter kam Jannik nicht, denn in dem Moment schrie eine ihm vertraute Stimme nach Jun: Ihr Vater war gekommen. Schnell versteckten Jun und Jannik die Tagebücher und die Truhe unter dem Bett und setzten sich unschuldig darauf. Gerade noch rechtzeitig. "Da bist du ja! Hast du jetzt endlich alles fertig eingepackt, Jun? In 45 Minuten fährt dein Zug. Und wieso ist die Dachbodentür auf? Ich habe dir doch schon zigtausend Mal gesagt, du sollst die Türe zulassen. Du lernst es wohl nie mehr!" Juns Vater holte schon aus um ihre eine Ohrfeige zu geben, aber er bremste sich noch rechtzeitig, als Jannik aufsprang und ihn mit einem drohenden Blick ansah. "Verräum das Zeug. In 15 Minuten fahren wir los, egal ob du fertig bist oder nicht." Und mit diesen Worten verließ er das Zimmer und ging in sein Arbeitszimmer. Jun lief eine Träne herunter und blickte Jannik an. Der nahm sie in den Arm und versuchte sie zu trösten. "Alles okay, Jun? Dein Vater ist ja echt schlimm... Bloß gut, dass du von ihm wegkommst." Mit einem Augenrollen erwiderte Jun: "Das ist aber auch das einzig Gute. Das von eben musste ich sonst jeden Tag einmal erleben. Danke übrigens.. Du hast mich echt davor beschützt, dass er mich noch mal schlägt." Dann winkte sie ab, und machte sich daran, noch mal nachzuprüfen, ob sie alles in ihren Koffern verstaut hatte. Die Truhe packte sie natürlich auch ein. Sie wollte nämlich auf jeden Fall darin weiterlesen. Jetzt hatte sie schon die Neugierde gepackt und sie wollte herausfinden, wieso ihre entfernte Ur-Großmutter Sereyanne, und nicht auch Yuralei, oder wieso sie selbst nun Yuralei hieß und nicht wie ihre Großmutter Zoe. Knapp eine Stunde später brachte Marek seine Tochter Jun zum Bahnhof und widerwillig nahm er Jannik auch noch mit. Er wollte Jun diese letzte Gelegenheit ihren Freund zu sehen schon noch geben. Jun war ihrem Vater dafür auch sehr dankbar, und mittlerweile hatte sie es auch eingesehen, auf dieses Internat zu gehen. Es war ja wenigstens kein schäbiges, sondern ein recht angesehenes. Aber trotzdem würde sie eine der wenigen Schüler sein, die ähnliche finanzielle Verhältnisse haben, wie sie selbst. Jun und Jannik saßen auf einer Bank bei dem Zuggleis, bei dem sie einsteigen müsste, und redeten noch eine Weile, auch über Juns geheimnisvollen Fund auf dem Dachboden, bis der Zug kam. Jun war wieder den Tränen nahe. Aber jetzt könnte man ihr nicht verbieten ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Sie verabschiedete sich zuerst von ihrem Vater mit einer flüchtigen Umarmung. Sie war doch irgendwo froh, von ihm wegzukommen. Als Jun sich bei ihrem Freund verabschieden sollte, fing sie vollends zu weinen an und konnte sich kaum von Jannik lösen. So war sie eine der letzten, die in den Zug einstiegen. Im Zug selbst nahm sie natürlich gleich einen Platz am Fenster, um Jannik ein letztes Mal noch zu sehen. Die nachfolgende mehrstündige Fahrt zu dem Internat empfand Jun als die reinste Hölle und war die ganze Zeit am SMS schreiben mit Jannik, und auch Miriél. Die beiden fehlten ihr jetzt schon so sehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)