Ins Dunkel zu treiben... von Finlass ================================================================================ Kapitel 4: ----------- *** ...ins Dunkel zu treiben... Teil 4 *** Am Abend des nächsten Tages hatten die drei Elben den Rand der Schwertelfelder erreicht. Sie hatten die ganze Zeit kaum gesprochen, denn Iarlîn wich wie immer allen Gesprächen aus und Sigil gab Tareth, der immer noch versuchte, seinen Freund von der Gefährlichkeit seines Fundes zu überzeugen, nur abweisende Antworten. Die Stimmung war angespannt, und Tareth kam es so vor, als sei es die Ruhe vor dem Sturm. Entsprechend froh war er, als sie schließlich zwischen einer kleinen Gruppe Felsen rasteten- hier würden sie früher oder später gezwungen sein, miteinander zu reden. Doch da war auch etwas in Tareths Geist, eine Stimme, die ihn warnte. Vielleicht würde es die ganze Sache nur noch schlimmer machen. Tareth musste lächeln. Schlimmer als jetzt konnte es kaum noch werden. Gedankenverloren nahm er einige Zweige, die sie heute Morgen gesammelt hatten, und entfachte ein kleines Feuer. Der Wind war im Laufe des Tages stärker geworden und kündigte Kälte an. Tareth schauderte auch schon ohne dass es kalt war, und er wollte heute Nacht wenigstens ein wenig schlafen können. Während Tareth also ein Feuer entfachte, saß Iarlîn schweigend auf der anderen Seite des Lagers, mit dem Rücken an einen Stein gelehnt, und starrte in die wachsenden Flammen. Er hatte das Gefühl als seien seine Gedanken ein einziger langer Faden, der vollkommen in sich verwirrt und verknotet war. Schon seit er am Morgen aufgewacht war, versuchte er, das ganze Gewebe irgendwie aufzulösen, doch je mehr er sich bemühte, desto mehr verhedderte sich alles. Und wenn er seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken wollte, kehrten seine Gedanken fast automatisch wieder zu dem verwirrten Gewebe zurück. Jeder neue Gedanke ließ den Faden weiter wachsen, verknotete sich wieder und vergrößerte das Gewirr mehr und mehr, bis sein Kopf irgendwann zu bersten schien. Iarlîns Aufmerksamkeit reichte grade weit genug um zu merken, dass Sigil heute bei ihnen blieb, da es keinen Wald zum Umherstreifen gab. Doch Iarlîn wünschte, dass der blonde Elb sich wenigstens für kurze Zeit entfernen könnte. Vielleicht könnte er dann wenigstens etwas Ordnung in seine verwirrten Gedanken bringen. Vielleicht würde dann diese Stimme aus seinem Kopf verschwinden, diese Stimme, die ihm immer wieder etwas zuflüsterte, die ihm Kopfschmerzen bereitete. Er vergrub den Kopf in seinen Händen und seufzte. Hoffnungslos. "Ich kann dir Hoffnung geben!" flüsterte die Stimme in seinem Geist. "Ich kann dafür sorgen, dass du nie mehr Sorgen haben wirst!" "Halt die Klappe!", fauchte Iarlîn die Stimme in Gedanken an. Doch es brachte nichts. Die Stimme lachte bloß und murmelte: "Glaub mir, du wirst meine Anwesenheit sehr bald zu schätzen wissen!" Iarlîn schnaubte verächtlich. "Niemals!" "Wer weiß?" "Du sicher nicht. Und nun verschwinde endlich!" "Wie du meinst..." Iarlîn konnte förmlich das grinsende Gesicht sehen, das zusammen mit der Stimme immer weiter verblasste. Am Ende blieben nur noch Gedanken zurück, und sie waren noch verworrener als vorher. Es war in dieser Nacht. Die Nacht der Nächte. Ich hatte einen Traum, ja... einen Traum... Damals nannte ich ihn Alptraum, heute nenne ich ihn letzte Warnung. Eigentlich ist es egal, damals hätte ich es erkennen müssen. Jetzt ist es zu spät. Ich war blind. Blind und taub. Vollkommen gefühllos. Jemand hat mir Warnungen ins Ohr geschrieen, und ich habe sie nicht vernommen. Jemand hat "Gefahr" mit großen roten Schriftzeichen in den Himmel geschrieben, und ich habe es nicht gesehen. Jemand hat mit einem Dolch meine Hand durchbohrt, und ich habe nichts gespürt. Ich habe es für einen seltsamen Traum gehalten, einer jener Träume die mich seit langen geplagt hatten. Entstanden aus Erinnerungen, nur noch böse Märchen der Vergangenheit, ähnlich der Furcht kleiner Kinder vor Orks unter ihren Betten. Nicht der Rede wert, man tut besser daran, es sofort zu vergessen. Und so versuchte ich den Traum, diesen seltsamen, furchteinflößenden Traum, zu vergessen, doch noch immer habe ich Bruchstücke von ihm klar vor Augen. Dunkelheit... Es war dunkel, und um mich herum stand alles in Flammen. Ich weiß nicht, was gebrannt hat, aber es scheint mir unwichtig. Plötzlich zog Nebel auf, blutrot, er umwaberte die Flammen, nährte sie, ließ sie höher und höher lodern. Und mit ihm kamen Schattengestalten, umzingelten mich, flüsterten Worte, die ich nicht verstand. Es waren einundzwanzig, genau einundzwanzig. Seltsam, dass ich ihre Zahl so genau kenne, ich kann mich nicht erinnern, sie gezählt zu haben. Sie kamen immer näher, ihre Worte wurden immer lauter, bis sie schließlich schrieen. Und dann... ich weiß es nicht mehr. Damals dachte ich: "Was ich vergessen habe, kann nicht wichtig gewesen sein, denn sonst hätte ich es mir doch gemerkt." Nun glaube ich, dass grade jener Teil der wichtigste gewesen sein muss. Mal nachdenken... "Irgendwie muss es doch möglich sein. Irgendwie..." Tareth starrte nachdenklich in den wolkenbedeckten Nachthimmel. Heute war er mit der Wache dran, im Falle dass Orks sich nähern sollten. Normalerweise hasste er es, aber heute war er froh darüber, denn es gab ihm die Gelegenheit, nachzudenlen. Er war sich nicht bewusst, dass er seine Gedanken leise vor sich hin murmelte, doch glücklicherweise hörte ihn keiner. "Sigil besitzt den Ring... den Einen Ring... Er weiß, dass dieses... Ding... sehr gefährlich ist. Er weiß, dass es ihn das Leben kosten könnte. Isildur hat der Ring den Tod gebracht. Oder war es Zufall? Nein, Zufall gibt es nicht. Also Schicksal... Im Endeffekt auch die Schuld des Ringes. Aber warum erkennt Sigil dies nicht? Weiß er es nicht oder will er es nicht wissen? Vielleicht ist es auch der Ring... Natürlich, er verwirrt seine Gedanken und macht ihn blind für die Wahrheit. Es gibt also nur einen Weg ihm zu helfen... Tareths Gedankengang wurde durch einen leisen Schrei unterbrochen. Alarmiert sprang er auf und sah sich um, bis er Iarlîn entdeckte, der aufrecht dasaß, noch blasser als sonst. Sein Blick traf den Tareths, und dieser bemerkte einen seltsam wirren Ausdruck in den Augen seines Freundes. "Was ist los?" fragte er sanft und kam sich dabei ungeheuer dumm vor. Iarlîn versuchte etwas zu sagen, aber irgendetwas schnürte ihm die Kehle zu. Mit zitternden Händen stützte er sich auf einem der Felsen auf und erhob sich langsam. Doch seine Beine gaben nach, und so war er gezwungen sich wieder hinzusetzen. Tareth schüttelte den Kopf und wartete ab, bis sein Gefährte sich wieder beruhigt hatte, dann erkundigte er sich noch einmal, was denn geschehen sei. Wie zu erwarten, antwortete Iarlîn bloß finster: "Das geht dich nichts an!" Es klang so, als müsste er jedes einzelne Wort regelrecht hinauswürgen. Tareth seufzte. "Nun gut," fing er nach einigem Zögern an, "dann lass uns über etwas anderes reden." "Lass mich raten," murmelte Iarlîn mürrisch, "Sigils Problem?" Tareth überlegte einen Moment. Iarlîns Tonfall nach zu urteilen, würde dieser sein Anliegen kaum zur Kenntnis nehmen. Wahrscheinlich war es besser, bis zum morgigen Tag damit zu warten. Oder war es dann bereits zu spät? "Ach, vergiss es einfach." winkte Tareth schließlich ab. Iarlîn warf ihm einen misstrauischen Blick zu, entgegnete aber nichts. Erst als Tareth sich wieder hingelegt hatte, flüsterte er: "Schlaf! Ich werde sowieso nicht mehr einschlafen können." Tareth nickte dankbar. Vielleicht würde ihm ja im Traum ein Weg einfallen, wie er Sigil helfen konnte... *** Die Sonne stand bereits hoch, als sie ihren Weg durch die Schwertelfelder fortsetzten. Tareth war schlecht gelaunt, da auch der Schlaf nicht die erwünschte Lösung für das Problem offenbart hatte. Wahrscheinlich würde er bei seinem gestern Nacht gefassten Plan bleiben müssen. Er wartete ab, bis sie am späten Mittag rasteten und bat Sigil, die Umgebung zu erkunden, was dieser auch bereitwillig tat. Während sich der blonde Elb entfernte, sprach Tareth vorsichtig Iarlîn an. "Kann ich kurz mit dir reden?" fragte er und verfluchte sich dafür, überhaupt nicht redegewandt zu sein. Iarlîn nickte nur, schien aber nicht sonderlich erfreut zu sein. Tareth beschloss, diese Tatsache einfach zu ignorieren. "Es geht um Sigil..." "Mal wieder." entgegnete Iarlîn beinahe gelangweilt. Tareth biss die Zähne zusammen und unterdrückte seine Wut. Verstand Iarlîn denn nicht, wie wichtig dieses Thema war? "Ich habe nachgedacht," begann er, bemüht ruhig, "und bin mehr denn je überzeugt, dass wir Sigil helfen müssen. Wir müssen ihn von diesem Ding befreien." "Du willst ihm den Ring stehlen." stellte Iarlîn knapp fest. "Abnehmen, nicht stehlen." erwiderte Tareth. "Das ist das gleiche." "Ist es nicht! Es..." Tareth stockte und fuhr dann ruhiger fort, "Egal ob stehlen oder abnehmen, wir müssen ihn von dem Ring befreien. Sonst droht ihm das gleiche Schicksal wie Isildur." "Und was ist, nachdem wir Sigil befreit" Iarlîn sprach das Wort betont spöttisch aus, "haben, du Schlaumeier? Glaubst du nicht, dass wir ebenso wie er vom Ring verführt würden?" "Das glaube ich nicht. Du weißt wie sehr Sigil Gold liebt, und außerdem wissen wir über die Gefahr Bescheid." Iarlîn lachte leise. Es klang kalt und verächtlich. "Narr!" murmelte er, "Niemand kann ihm widerstehen, egal ob er die Bedrohung kennt oder nicht." "Woher willst du das wissen?" gab Tareth zurück. "Ich zumindest fühle mich überhaupt nicht von dem Einen Ring angezogen." "Hör mal, Kleiner, ich habe Dinge erlebt, die du in deinem ganzen Leben nicht einmal ansatzweise sehen wirst. Ich kenne die Macht des Bösen besser als die meisten anderen Leute. Ich habe gesehen, was der Ring anrichten kann. Nein... ihm kann niemand widerstehen..." "Damals existierte Sauron noch. Natürlich war die Macht des Ringes damals gewaltig. Doch das ist über dreihundert Jahre her. Glaubst du nicht, dass er etwas von seiner Kraft verloren hat?" wandte Tareth ein. Iarlîn schwieg. Tareth hatte das Gefühl, dass er nicht zugeben wollte, dass er dieses Mal recht hatte. Irgendwie stimmte ihn dieser Gedanke fröhlich. "Vielleicht." stimmte Iarlîn schließlich unwillig zu, "Aber das gibt uns immer noch nicht das Recht und die Möglichkeit, Sigil den Ring abzunehmen. Du siehst ja, was mit ihm geschieht. Selbst mit weniger Macht kann der Ring uns noch verführen." "Und was willst du dann tun? Warten und zusehen? Wir haben gar keine andere Möglichkeit als Sigil den Ring abzunehmen! Begreif das doch endlich!" Iarlîn schwieg. "Wa...", Tareth stockte. Plötzlich war ihm ein grauenhafter Gedanke gekommen. "Es gibt gar keine Möglichkeiten, nicht wahr? Was wir tun, es ist verkehrt. Nehmen wir Sigil den Ring ab, werden wir wohl auch von seiner Macht verführt. Lassen wir ihm den Ring, wird er daran zugrunde gehen." Iarlîn nickte und Tareth seufzte. Er fühlte sich schrecklich hilflos. Hilflos, weil er nichts tun konnte. Hilflos, weil es keine Wahl gab. Hilflos, weil es kaum noch Aussicht gab, dass die Sache ein gutes Ende nahm. Andererseits... wenn es sowieso keinen richtigen Weg gab, dann konnte man doch auch einen falschen ausprobieren. Im Endeffekt würde alles auf das Gleiche hinauslaufen. Also warum herumsitzen und abwarten, wenn man es doch wenigstens versuchen konnte? Nachdem er dies Iarlîn erklärt hatte, schüttelte dieser den Kopf. "Tu, was du willst! Ich werde mich da heraushalten." "Für so feige hätte ich dich nicht gehalten!" Damit drehte sich Tareth wütend um und stapfte davon. Er achtete kaum auf seine Umgebung, sonst hätte er wahrscheinlich Sigil bemerkt, der sich hinter einem der Büsche versteckt und dem gesamten Gespräch aufmerksam gelauscht hatte. Nun lehnte er sich mit dem Rücken an einen Stein an und starrte nachdenklich in den blauen Himmel. Seine rechte Hand hielt den Ring fest. "Sie wollen dich also haben..." murmelte er und strich zärtlich über den Ring. "Alle beide... Aber du brauchst keine Angst zu haben... Ich werde nicht zulassen, dass sie dich rauben... Oh nein... Sie glauben, dass ich arglos bin... Sie ahnen ja nicht, dass auch ich einen Plan habe..." Im warmen Licht der Mittagssonne blitzte ein Dolch auf. ...Und damit nahmen die Ereignisse ihren Lauf... Der Stein war ins Rollen gekommen, und nun konnte ihn niemand mehr aufhalten. Ich konnte auf seiner steinernen Oberfläche die Gesichter meiner Freunde sehen. Sie blickten mich traurig an, mitleidig. Ich konnte ihren Anblick nicht aushalten und schloss die Augen. Der Stein überrollte mich, denn es war längst zu spät, um auszuweichen. Manchmal lässt sich die Zukunft nicht ändern. Es gibt etwas, das nennt sich Schicksal, und gegen das Schicksal kann man nicht ankämpfen. Es erfüllt sich, ob man nun will oder nicht. Mal ist es nur ein kleines Vorkommnis, und manchmal verändert es ein ganzes Leben... Unser Schicksal war von jenem Moment an festgeschrieben, an dem Sigil den Ring fand. Der Ring... er ist sein eigenes Schicksal. Einmal seines mit dem eigenen verbunden, gibt es nur noch einen Weg: Den Tod. *** Ff. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)