Der Sohn des Falken von Fafnir (Wer bin ich wirklich?) ================================================================================ Kapitel 5: Der Sohn des Falken ------------------------------ Die Nacht lag noch immer über Fedora und die Sterne und der Mond leuchteten hell. Die Eulen riefen laut und Fledermäuse zogen in Schwärmen durch die Dunkelheit. Ein lauer Wind brachte die kahlen Äste der Bäume in Tysan zum Schwanken und er heulte, wenn er durch die Gassen der Stadt fegte. Es war nichts mehr los, alle Lichter in den Häusern waren erloschen und die fast schon bedrohliche Stille ließ einem die Nackenhaare zu Berge stehen. Tief in den Kellergewölben der Festung Gilgar stand Darpir noch immer im Kerker und er bereute es mit der Zeit, dass er Figaros Hilfe angenommen hatte. Es war immer ein Risiko das zu tun, denn beim Höllenfürst konnte man nie genau wissen was er eigentlich vor hatte... Mit gesenktem Blick schritt der Graf zur Tür und wollte sie öffnen, doch jemand kam ihm zuvor. Etara stand im Rahmen und sah ihren Vrakulus an. "Was machst du noch hier unten? Ich habe Sehnsucht nach dir.", begann sie zu sprechen, bemerkte dann aber Darpirs Gesichtsausdruck, der deutlich angespannt war. "Stimmt etwas nicht, Liebster?", fragte sie sofort und legte ihre Arme um den Oberkörper des Grafen. "Es ist alles in bester Ordnung, ich denke nur nach.", erwiderte Vrakulus und und ging mit der Frau an seiner Seite wieder die steinernen Treppenstufen hinauf. "Bist du dir sicher?" "Ja, doch!", raunte der Gefragte und erhob dabei leicht die Stimme. Etara war erschrocken von diesem Ausbruch und sah schnell zur Seite. Sie hoffte darauf, dass sich Vrakulus entschuldigte, wie immer, doch das tat er nicht. Er ging weiterhin angespannt und stumm neben ihr her. "Es ist spät, geh schlafen, Etara!", wies Darpir sie schließlich an und löste sich aus der Umarmung der Dame. "Schlaf gut...", ergänzte der Graf noch schnell und verabschiedete sich damit. Er würde nicht einschlafen können, da er sich noch immer Gedanken über Figaros Worte machte. Auf was hatte er sich da nur eingelassen? Mit was müsste er diesmal zahlen? Schnell verschwand er in sein Arbeitszimmer und stellte sich, wie immer wenn er Sorgen hatte, vor das große Fenster. Darpir rieb sich die Schläfe und schloss kurz die Augen. In der nächsten Zeit würden also die Nekromanten-Kinder bei ihm auftauchen und sich wahrscheinlich über ihn lustig machen, wenn sie so waren wie ihr Vater. Vrakulus schauderte, als er darüber nachdachte, er hatte ein sehr ungutes Gefühl in der Magengegend. Dass er Angst vor dem Bevorstehenden hatte, wollte er sich allerdings nicht eingestehen. Auch Levian lag noch wach und dachte an eine ganz bestimmte Person. An ihr Ebenholz-schwarzes Haar, ihre wunderschönen Augen und ihren wundervollen Charakter. Der Kommandant fragte sich, was sie ausgerechnet von diesem Kerl wollte...Levian seufzte tief und starrte an die Wand. Vor seinem geistigen Auge sah er das Bild der Frau, die er über alles begehrte, die er aber niemals sein Eigen nennen könnte. Immer wieder wiederholte Levian den Namen seiner Angebeteten - Etara! Derweil kam der junge Falke mit Valenzie der Grenze zu Havish immer näher, doch beide merkten, dass etwas komisch war. Die Elfe hatte immer wieder das Gefühl, dass ihnen jemand durch die Dunkelheit der Nacht folgte und drehte sich manchmal ruckartig um, um zu sehen wer oder was sie da verfolgte. Als sie sich wieder auf den Weg konzentrierte leuchteten rote Augen durch das Geäst auf und fixierten die beiden Reiter mit ihrem Blick. "Arithon, wir müssen vorsichtig sein. In der Nacht treiben sich hier zwielichtige Geschöpfe rum, die vor Morden nicht zurückschrecken. Es sind blutrünstige Kreaturen, also, hüte dich!" Der Junge nickte verstehend und blickte sich darauf recht unsicher um. Die rechte Hand wanderte dabei immer weiter zu dem Griff seines Schwertes, damit er es im Notfall früh genug ziehen konnte. Auch die Elfe zog einen silbernen Stahl aus einem ihrer Stiefel und hielt diesen sicher bei sich. Dem Falkenjungen fiel dabei auf, dass die Elfenfrau mit den wunderschönen, rot-braunen Haaren eine Linkshänderin war. Es überraschte ihn etwas, dass sie trotzdem mit Stichwaffen umgehen konnte. Das war selten. "Valenzie, wann, denkst du, werden wir das Gebirge verlassen?", fragte Arithon deutlich unruhig. "Schon bald, aber wenn wir jetzt Angst zeigen und schnell reiten, werden die Kreaturen eine Hetzjagd beginnen. Und das wollen doch wir beide nicht..." Beide ritten stumm weiter, die Sinne auf ihre Umgebung gestimmt. Bis die Pferde unruhiger wurden und begannen auf der Stelle zu trampeln. "Epona, so beruhige dich doch!", versuchte der Junge sein Ross zu besänftigen, doch die Stute wollte nicht. Auch Valenzies schwarzen Hengst konnte man nicht zum Stillstehen überzeugen. "Arithon, es droht Gefahr. Da bin ich mir ziemlich sicher!", rief die Elfenfrau nun erregt aus und stieg von ihrem Rappen. "Wir müssen kämpfen! Weiter können wir im Moment eh nicht..." "Geht klar, Valenzie!" Sofort sprang Arithon von Epona und zog sein Schwert. Als er sich umschaute, meinte er schwarze Schemen umher laufen zu sehen, doch er hätte sich genauso gut täuschen können. Vorsichtig begehrte er auf und sah zu der Elfe, neben ihm. "Siehst du das auch?" "Ja, sie kommen! Die widerlichsten Wesen, die sich hier rumtreiben - Goblins! Sie sind schnell, gewieft, hässlich und..." "'Und' was?" "Und vorallem sehr gefährlich!", antwortete Valenzie, nachdem sie zu einem Schlag ausholte und eine der Kreaturen niedermachte. Goblins hatten grünliche Haut, eine lange Nase, wie man sie sich eher von Hexen vorstellte, rote Haare und eine gespaltene Zunge. Zudem waren sie sehr klein und flink, was das Treffen schwieriger machte. "Außerdem sind sie gut in Hinterhalten, oder?" Ein weiterer Goblinkopf rollte, nachdem der Falkenjunge einen abschlug. "Richtig! Und jetzt werden die anderen ziemlich sauer sein!", meinte Valenzie trocken und deutete auf die Gestalten, die in der Dunkelheit eher aussahen wie Schatten. Sie näherten sich mit bedrohlichen Bewegungen und gaben Laute von sich, die man eher unter dem Begriff 'Bellen' einordnen konnte. "Wie viele von den Biestern leben hier?" "Genug, die vermehren sich nämlich wie die Kaninchen!" Arithon verzog angeekelt das Gesicht und betrachtete diese grünen Viecher. "Urgh, ich will mir das lieber gar nicht vorstellen..." Valenzie grinste kurz. "Dann sollten wir ihren Artbestand etwas senken!", meinte sie noch und stürzte sich dann ins Gefecht mit den Goblins. Arithon tat es seiner Freundin gleich und stürmte hinterher. Das Getümmel war groß, hier und da flogen die grünen Kreaturen durch die Gegend - was sie normalerwiese nicht taten und konnten - und die nächtliche Luft war erfüllt von dem Bellen der Goblins. In Havish war es hingegen eine ruhige Nacht und Milan und Falcon genossen das sehr. Endlich hatten sie nach so vielen Jahren Zeit für sich und das kosteten die beiden in vollen Zügen aus. Entspannt saß der junge Prinz vor seinem Kommandanten - der für Falcon wohl auch der süßeste war, den es gibt - und lehnte sich an ihn. Er spürte gerne die Wärme des Verführers auf seiner Haut und lächelte sanft. Milan legte seine Arme um den jungen Mann vor sich und küsste sanft über dessen Hals. In diesem Moment schienen alle Sorgen um Dharkaron und die Probleme wegen Graf Darpir vergessen. Bis Falcon jedoch eine Frage stellte, die dem Heerführer der Falken nicht wirklich in den Kram passte. "Milan, bist du dir eigentlich wirklich sicher, dass der Fürst etwas mit Darpir zu schaffen hat." "Ach, Falc, musst du ausgerechnet jetzt eine solche Frage stellen?", nörgelte der Gefragte und sah den Prinzen mit einem wahren Welpen-Blick in die Augen. "Kann das nicht warten, bitte?" Milan vergrub sein Gesicht darauf in der Schulter seines Liebsten und liebkoste sie mit seinen Lippen, um Falcon etwas zu verführen und von der Frage abzulenken. "Kommandant, ich habe Euch eine Frage gestellt und Ihr habt mir zu antworten!" Falcon grinste schelmisch und stupste seinen Freund leicht von sich. Dieser sah den Prinzen fragend an. "Wie sprichst du denn mit mir? Lass dich lieber umarmen! Das ist mir lieber, als dein Befehlston. Und vielleicht sag ich´s dir dann.", antwortete Milan und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei breitete sich ein hämisches Grinsen auf seinen Lippen aus. "Also?" Falcon seufzte. Warum hätte er sich so etwas nicht denken können? Er kannte Milan doch besser, als jeden anderen aus Havish. "Milan, mir ist das ganze sehr wichtig. Lass deine Spielereien. Tu mir den Gefallen." "Du hast Glück, dass ich bei dir nicht nein sagen kann...", meinte der Kommandant etwas enttäuscht, dass er seinen Prinzen nicht überzeugen konnte, diese Angelegenheit noch beiseite zu schieben. "Also, gut...", wollte er gerade beginnen, als sich Falcon doch wieder an ihn kuschelte. "Mein Prinz, das ist Belästigung eines Staatsmannes.", scherzte Milan und sah seinen Liebsten an. "Und du weißt ja, dass..." "Milan, erzähl weiter und lenk nicht ab.", unterbrach der junge Mann seinen Heerführer und blickte ihn ernst an. "Falc, du bist schlimm! Würdest du nicht auch mal eine sorgenlose Nacht genießen?" "Natürlich, aber die werde ich erst haben, wenn ich etwas gegen Darpir tun kann. Und jetzt zum letzten Mal, Milan, erzähl es mir endlich! Das ist ein Befehl!" Der Kommandant schüttelte den Kopf. Dem Prinzen konnte man wirklich nicht mehr umstimmen. Dabei hätte die Nacht noch so schön werden können... "Nun gut, du bekommst ja was du willst." Man merkte deutlich, dass Milan nicht sonderlich erpicht davon war, klein beizugeben, da er ein ziemlicher Sturkopf sein konnte. Aber in diesem Fall war Falcon einfach ein noch größerer als er es war. "Natürlich ist da was zwischen diesem Tylanor und Darpir. Hast du nicht gemerkt, wie er sich verhalten hat, als ich ihm meine Meinung gesagt habe? Er war so klein mit Hut!", erklärte der Kommandant und deutete mit Daumen und Zeigefinger die Größe an. "Milan, du hast ihm deine Meinung nicht 'gesagt', du hast schon fast geschrien. Da wäre ich auch eingeschüchtert. Besser gesagt, ich war es...Wenn ich das anmerken darf." "Du darfst bei mir alles, Falc. Trotzdem, es war nötig!", beharrte Milan und ballte die Faust. "Er hat was damit zu tun! Wenn ihm etwas an Havish und dem zukünftigen König liegen würde, dann hätte er euch...Ich meine, dann hätte er mir von der Entführung berichtet, damit ich euch gerettet hätte." "Milan, das sind Vermutungen. Du kannst es ihm nicht beweisen..." "Noch nicht, Falc, noch nicht..." Der Heerführer rieb sich das Kinn und stierte von der Seite zum Prinzen. "So, und wo das jetzt erzählt wäre können wir doch dort weitermachen wo wir aufgehört haben.", grinste Milan verschmitzt und strich mit der Hand über Falcons Wange. "Wie kannst du nur so locker bleiben. Es geht um meinen Bruder!" "Falc, Dharkaron wurde doch bei Luthien untergebracht. Er war einer der Besten in meinem ganzen Heer, bis er sich dazu bereit erklärte, auf deinen Bruder aufzupassen. Luthien wird ihn gut vorbereitet haben und Dharkaron war sicher in der Lage, sich gegen diese Kreaturen Darpirs zu behaupten." "Ich mach mir trotzdem Sorgen! Was, wenn er nicht hierher findet?" Besorgt biss sich der Prinz auf die Unterlippe und kauerte sich enger an den Kommandanten. "Jeder Falke weiß, wo er hingehört. Und das ist nunmal Havish. Dein Bruder wird es spüren, dass er in die Stadt der Falken muss. Vertrau mir doch einfach." Milan lächelte Falcon aufmunternd an und legte einen Arm über seine Schulter. "Ich habe dir noch nie misstraut. Sonst..." "Ja, sonst wäre ich nie dein Kommandant geworden.", beendete Milan den Satz für Falcon und sah diesem tief in die blauen Augen. "Ich weiß. Du hast es mir schon oft genug gesagt. Und dennoch willst du mir nicht in der Angelegenheit vertrauen, was deinen Bruder angeht." "Mag sein, dass ich dir in dieser Hinsicht kein Vertrauen schenken kann...Aber auch nur, weil du selbst nichts genaues weißt. Das musst du verstehen.", erklärte der Prinz und sah zur Seite. "Und nun sollten wir wieder ins Schloss zurück....Bevor man uns sucht und so hier findet." Der junge Mann löste sich von seinem Geliebten und sammelte seine Kleidung ein. "Verzeih wenn ich dir das sagen muss, aber Falcon, du bist mutlos geworden. So kenne ich dich gar nicht.", sprach der Heerführer und wartete auf eine Reaktion des Angesprochenen. Dieser horchte auf und zuckte bei Milans Worten merklich zusammen. "Was willst du damit sagen?" Auch der Kommandant begann sich wieder einzukleiden, dabei antwortete er aber:"Ich glaube, du weißt ziemlich genau was ich meine. Deine Hoffnung stirbt immer mehr...Glaubst du überhaupt noch daran, dass Dharkaron lebt?" "Milan, warum sprichst du so mit mir?", fragte Falcon leise und sah seinen Freund an. Und er erwiderte ernst den verstörtwirkenden Blick des Prinzen. "Weil ich nicht einfach zusehen kann, wie du deinen Glauben an den Sohn des Falken verlierst! Deswegen!" Milans Stimme war laut und sie hallte noch für kurze Zeit durch Kapelle, in der sie waren. "Das musst du auch verstehen. Ich mache mir langsam aber sicher Sorgen um dich. Glaubst du jetzt noch an deinen Bruder, oder nicht?" "Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler." Langsam fiel der Jüngere auf die Knie und blickte zu Boden. "Aber wärst du nicht auch mutlos, wenn du mit angesehen hättest, wie dein Vater von einem widerwertigen Kerl umgebracht wird?" Der Kommandant schloss kurz die Augen, ging dann auf Falcon zu und umarmte ihn zärtlich. "Wahrscheinlich wäre ich das. Aber wenn ich wüsste, dass es vielleicht noch Rettung geben kann, - wie in diesem Falle Dharkaron - würde ich alle meine Hoffnung in diese Chance auf Rettung legen.", sagte Milan mit ruhiger Stimme und streichelte schließlich über die Wange des Prinzen. "Nun frage ich dich: Ich wen legst du deine Hoffnung?" Bestärkt durch die Worte seines Liebsten blickte Falcon auf und sah in dessen zartes Gesicht. "Ich glaube an den Sohn des Falken, meinen Bruder, Dharkaron, Thronerbe Fedoras und Bringer der Gerechtigkeit. Ich will meine Hoffnung in ihn legen und beten, dass er es mit festem Willen schafft, Graf Darpir niederzustrecken. Und dir, Milan, will ich danken. Danke, dass du mich wachgerüttelt hast!" Der Heerführer der Falken lächelte, zufrieden mit seiner Tat, und klopfte dem Prinzen kameradschaftlich auf den Rücken. "Dazu bin ich schließlich dein Freund. Und jetzt mach, dass du dir deine Stiefel anziehst! Es ist spät und es wird kalt! Und hier drinnen erfrieren willst du doch sicher auch nicht." Falcon schüttelte den Kopf und antwortete:"Nein, gewiss nicht." Der Prinz stand auf und sah Milan nochmals ins Gesicht. "Ich bin froh, dass ich dich habe. Du bist der beste Kommandant, den ich mir vorstellen kann. Und noch dazu der beste Freund, den man sich wünschen kann." Der Kommandant merkte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg und wie diese wärmer wurden. "Du schmeichelst mir, Falc, aber solch lobende Worte habe ich nicht verdient." Milan sah zu Boden, musste aber verzückt grinsen. Das Ausgesprochene machte ihn glücklich. Noch mehr aber, dass Falcon dies zu ihm sagte. Aber da ihm Bescheidenheit förmlich antrainiert wurde, nahm er das Lob eher erfurchtsvoll entgegen und behandelte die Sache so, als wären seine Taten nichts besonderes und als würde er zu Unrecht gelobt. "Du bist zu bescheiden, mein Freund." "Das meinst du.", meinte der Heerführer und sah wieder auf. "Und jetzt halt mal für einen Moment deine Klappe und zieh dir endlich deine verfluchten Stiefel an." Normalerweise hätte so nie Bediensteter oder ein Soldat mit Falcon geredet, aber bei Milan war es etwas anderes, da er schon als Kind mit ihm gespielt hat. Er durfte so gesehen alles zu dem Prinzen sagen, was er begehrte. Und von diesem Recht machte der Kommandant auch regen Gebrauch. Als der junge Prinz endlich seine Stiefel angezogen hatte konnten die beiden den, eigentlich andächtigen, Ort verlassen. Milan streckte sich und atmete die klare Nachtluft ein. "Ah, auf jeden Fall erfrischener, als die in Tysan.", seufzte er zufrieden und lächelte. "Schön wieder zu Hause zu sein...Schande aber auch, dass die Taverne schon geschlossen hat!" Der Prinz schüttelte nur den Kopf und bemerkte trocken:"Elender Säufer..." Doch Milan grinste nur verschmitzt und legte seine rechte Hand auf die Schulter des Prinzen. "Dann bin ich das eben." Derweil kämpften sich Valenzie und Arithon durch die Horde Goblins, die die beiden eingekreist hatte. Die meisten der Kreaturen sprangen die Elfe an und rissen sie durch ihr Gewicht zu Boden. Dort drückten sie ihr die Luft ab und sie kam nur mit viel Mühe wieder auf die Beine. Arithon hingegen versuchten sie zu beißen, doch er schaffte es durch sein schnelles Reaktionvermögen immer wieder, den Bissen zu entkommen und schlug selbst unzählige Male auf die Goblins ein. Einige traf er schwer an der Halsschlagader, die anderen waren zu schnell und gewitzt, als dass sie sich treffen ließen. Wieder wurde die Elfenfrau zu Boden geworfen und diesmal hielte sie die Kreaturen noch besser fest, damit sie nicht entkommen konnte. Der Junge blieb nicht untätig und mit einem mächtigem Schwerthieb schlug er zweien der Goblins in einem Zug die Köpfe von den Schultern. Die anderen waren davon weniger begeistert und hefteten sich mit ihren Krallen an den Körper des Falken. Einige rammten ihre Krallen sogar in den Kopf von Arithon, sodass er laut aufschrie. Er spürte wie sein Blut über seine Kopfhaut rann, bis über seine Stirn. Sein Schädel schmerzte und doch war er froh, dass diese Viecher ihre Krallen nicht allzu tief in ihm versenkt hatten. Nur mit Mühe und Not konnte er die Kreaturen abschütteln und bereitete ihnen ein möglichst schnelles Ende. Auch Valenzie war es mittlerweile Leid und stoch einen Goblin nacheinander ab. Somit ließ es sich nicht vermeiden, dass ungeheure Mengen an tiefschwarzen Blut durch die Luft spritzte und den kargen Gebirgs-Boden bedeckte. Das Gefecht nahm jedoch ein schnelles Ende, da Valenzie in arge Bedrängnis geriet. Goblins schlichen bedrohlich auf sie zu. "Valenzie, pass auf...hinter dir!", versuchte Arithon seine Freundin noch zu warnen, doch da war es bereits zu spät. Die Elfe setzte einen weiteren Schritt nach hinten, spürte aber keinen Boden mehr unter ihrem Fuß. Sie fiel! "Valenzie!", rief der Junge und wollte zum Abgrund stürzen. Aber sein Vorhaben wurde durch weitere der Kreaturen verhindert. Sie stellten sich Arithon in den Weg und ließen ihn nicht durchkommen. "Geht mir aus dem Weg, ihr hirnlosen Viecher!", fauchte der Falke und zückte sein Schwert, an dem noch das Blut der 'Unbenennbaren' und nun das der Goblins klebte. Die Kreaturen bellten nur wütend und spreizten ihre Klauen. Angriffslustig und im vollkommenen Blutrausch standen sie vor dem Jungen und begehrten höchstwahrscheinlich seinen Leib aufzuschlitzen und ihm alle Gedärme hinaus zu reißen! "Ich warne euch ein weiteres Mal, lass mich durch!" "Arithon, lass gut sein...", keuchte eine, ihm wohlbekannte, Stimme. "So schnell stirbt eine Elfe nicht!" Der Falkenjunge konnte seinen Augen nicht trauen, als er die hübsche Elfenfrau sah, wie sie sich die Klippe empor zog und sich aufrappelte. Wenn sie auch etwas mitgenommen aussah, ihre stolze Ausstrahlung hatte sie behalten. Die Goblins drehten sich zu Valenzie um und begannen lauthals zu bellen. Zornig, dass sie es nicht geschafft hatten, sie zu töten, stürmten sie auf die Elfe zu! Die Zähne fletschend und mit gespreizten Krallen. "Arithon, ich regel das hier! Reite du nach Havish und finde die Antwort!", rief sie ihrem Freund noch hastig zu, bis sie mitsamt den übrigen grünen Kreaturen den Abgrund ein zweites Mal hinabfiel. "Nein!", hauchte der Junge stimmlos. Er konnte es nicht fassen, was die Elfe für ihn tat. Schnell eilte er zur Klippe und blickte in die darunterliegende Dunkelheit. "Und was soll ich deinem Mann und deinen Kindern erzählen?", fragte er in die endlosscheinende Finsternis und kniff die Augen zusammen, um die nahenden Tränen zu unterdrücken. Wieder hat ihn eine Person verlassen, die ihm ans Herz gewachsen war, wieder war er alleine und musste seinen Weg in Einsamkeit fortsetzen. "Epona, Lestaris, kommt zu mir.", befiehl er mit trauriger Stimme den Tieren und sie gehorchten. "Wir müssen ohne sie weiter!" Arithon steckte sein Schwert in die Scheide und stieg auf seine Stute. Lestaris, den Hengst Valenzies, führte er am Halfter mit sich. "Auf, nach Havish.", sagte der Junge niedergeschlagen zu sich selbst und gab Epona die Sporen. "Vater, Ihr habt nach Uns gerufen?", fragte eine sanfte Männerstimme aus der Dunkelheit. "Richtig, Mephisto, das haben Wir! Kommt hervor und zeigt Euch, mein liebster Sohn!" Diese Stimme war eindeutig Figaro zuzuordnen, der grinsend auf seinem Thron saß. Dieser stand in einem prunkvollem Saal, aus seltenem blauen und roten Marmor. "Was verlangt Ihr von Uns, Vater?" Ein junger Mann, mit langen, feuerroten Haaren, schwarzen Strähnen, stechend gelben Augen, großer Statur und spitzen Eckzähnen erschien aus dem Schatten und verneigte sich vor seinem Alten. Dabei verhinderte ein rotes Stirnband, dass ihm seine langen Haare ins Gesicht fielen. Ein langer, schwarzer Ledermantel betonte seine durchaus gute Figur, da er eng anlag und sich an jeder Kurve seines Körpers abzeichnete. "Mephisto, ich habe mit Euch über etwas wichtiges zu reden. Der werte Graf Vrakulus Darpir hat um Hilfe gefragt und..." Schon als Mephisto den Namen Darpirs hörte flammte in ihm die Wut auf und er sah stur zur Seite. "Und er benötigt wiedermal Unsere Hilfe?!", beendete er den Satz seines Vaters und verschränkte die Arme. "Und Ihr, lieber Vater, habt diesem Tölpel bereits zugesagt!" Figaro nickte weise und blickte seinen erstgeborenen Sohn ernst an. "Ihr werdet mitsamt Euren Geschwistern in die Oberwelt gehen und ihm behilflich sein." "Wie könnt Ihr über Unser Leben entscheiden und bestimmen, was Wir zutun haben?", fragte der Rotschopf forsch und stierte seinen Alten von der Seite her an. "Wir denken, Wir sind alt genug, um selbst über Unser Schicksal zu bestimmen. Dazu brauchen Wir nicht Eure Hilfe, Vater!" Der Herr der Unterwelt stand auf und trat näher an seinen Sohn heran, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen. "Aber dem werten Grafen war als Bezahlung alles recht. Ihr dürft entscheiden, was der Preis sein wird!" "Was wollen Wir schon von diesem nichtsnützigen Grafen, außer vielleicht...?" Mephisto brach den Satz ab und dachte nach. Ihm kam eine gute Idee. Dennoch war er sauer auf seinen Vater. Denn der Rothaarige war schon über 94 Jahre alt, also weit über seiner Volljährigkeit. Doch zu allem Übel wollte sein alter Herr das nicht anerkennen und hielt seinen Sohn - in vielerlei Hinsicht - noch für unreif. "Und Wir dürfen jeden beliebigen Preis einfordern?", hakte Mephisto nach und sah Figaro in die Augen. "Jeden, den Ihr Euch wünscht.", bestätigte er und grinste seinen Sohn an. "Nun, gut...Wir akzeptieren Eure Tat und werden Uns nach Tysan begeben. Zusammen mit Unseren Geschwistern. Wann sollen Wir bei dem Grafen sein?" "Schon bald, mein Sohn, schon bald. Sagt Eurem Bruder und Eurer Schwester Bescheid!" Der Erstgeborene nickte und verneigte sich abermals tief vor seinem Alten. Schließlich trat er mehrere Schritte zurück, immer noch gebückt, und verschwand wieder in der Dunkelheit. Der Morgen graute bereits, als der junge Arithon auf der Ebene ankam, die nach Havish führte. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und war dementsprechend müde. Aber er wollte jetzt nicht ruhen...Nicht jetzt, da er so nahe an der Hauptstadt war und der möglichen Antwort auf seine Frage, wer er wirklich ist. Immer wieder betete der Falkenjunge zu den Göttern, dass sie ihn nicht fehlgeleitet haben und dass Valenzies Mann nicht sauer auf ihn sein wird, wenn er von ihrem vermeintlichen Tod erfährt. Als er der Grenze näher kam verlangsamte Arithon die Geschwindigkeit, in der er ritt und gönnte den Pferden damit eine kleine Erholung. Lobend tätschelte er die Hälse der Tiere und sprach ihnen gut zu, dass sie es sicher bald geschafft haben würden. Die Morgenröte wich nun den ersten Sonnenstrahlen und der Junge kam am Grenzturm zu Havish an. Endlich, so dachte Arithon, würde er in der Stadt seine Antwort suchen können. "Junge, was willst du in Havish?" Mit diesen Worten wurde Falke aus seinen Gedanken gerissen und er sah den Wachmann fragend an. "Ähm, bitte was? Ich war mit meinen Gedanken gerade woanders, verzeiht..." Der Wächter war ein älterer Mann, mit leicht ergrauten Haaren. Er trug einen Lederharnisch, darunter eine blaue Tunika, eine schwarze Hose und ebenfalls schwarze Stiefel. In der Hand hielt der Alte eine Lanze. "Ah, die Jugend von heute...Hat kein Ohr mehr für die Fragen der älteren Leute...", nörgelte der Wachman und schüttelte den Kopf. "Nein, nein...So ist es nicht. Ich war in Gedanken, versteht doch...", versuchte Arithon dem Mann klar zu machen und lächelte dabei matt. "Wie war bitte Eure Frage?" Raunend wiederholte der Wächter die fragenden Worte und sah dem Jungen ins Gesicht. "Also, sprecht!" "Ich möchte nach Havish, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wer ich wirklich bin.", erwiderte der Falke in einem klaren Ton und blickte ernst drein. "Ja, klar, und ich bin der Graf von Tysan...", meinte der alte Mann ungläubig und schüttelte abermals den Kopf. Seine kinnlangen, grauen Haare wirbelten dabei umher. "Ich meine es ernst. Ich bin extra aus Darkonia hierher geritten, um es herauszufinden. Lasst mich ziehen, ich muss es wissen!", begehrte der Junge und in ihm begann die Hoffnung auf eine Antwort zu sterben. Er hatte es sich wesentlich leichter vorgestellt über die Grenze zu kommen. "Bitte, glaubt mir!" Als wenn der Wachmann es sich nochmal durch den Kopf gehen lassen würde, musterte er Arithon mit prüfendem Blick und rieb sich mit der freien Hand das Kinn. "Und das ist wirklich Euer Ernst, junger Mann?" "Wenn ich es doch sage. Ich bitte Euch, gewährt mir Einlass nach Havish. Es ist sehr wichtig für mich." Arithon schien den Alten endlich wichbekommen zu haben, denn dieser murmelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und trat zur Seite. "Ich will es für Euch hoffen! Benehmt Euch ordentlich in der Stadt, oder wir beide bekommen mächtigen Ärger. Ich, weil ich Euch reingelassen habe und Ihr, weil Ihr Euch nicht vernünftig verhalten habt!", predigte der Wächter und schaute den Falkenjungen mahnend an. "Ich versichere Euch, dass ich keinen Ärger machen werde. Habt Dank!" Jaja, jetzt seht zu, dass Ihr Euch trollt, junger Herr!" Langsam ritt der Falke über die Grenze und gelangte nun endlich in Havish an. Doch ein langes Stück hatte er noch vor sich, bis er in die Hauptstadt gelangte, so wie es aussah. Hoffentlich, dachte Arithon, würde er sich in der Stadt zurecht finden. "Epona, Lestaris, nun ist es Zeit für eine Pause. Die habt ihr euch verdient.", meinte ihr Herr und stieg ab. Er führte die beiden Pferde auf eine Wiese neben dem Straßenrand und hockte sich ebenfalls in das grüne Gras, das durch diesen guten Sommer ausgezeichnet wuchs. Arithon schaute empor zum Himmel und dachte an seine Freundin, die er in Darkonia zurücklassen musste. "Talith...", seufzte der Junge leise vor sich hin und stützte seinen Kopf auf die Hand. Langsam aber sicher fielen Arithon jedoch die Augen zu und er verfiel in eine leichten Schlaf, der ihm gut tat, allerdings nur circa drei Stunden andauerte. Er wurde durch das Rufen der Falken unterbrochen, die über ihm am Himmel kreisten. Der Falkenjunge streckte sich und gähnte herzhaft, bevor er seine Stute wieder zu sich pfiff und aufstieg. Lestaris trabte hinterher. Die Falken am Himmel vergieß der Junge schnell wieder, denn er war mit seinen Gedanken wieder ganz woanders. In Schloss zu Havish war hingegen wieder viel los. Vor allem unter den Hofdamen, die von Falcons Rückkehr Wind bekommen hatten und nun wie aufgescheuchte Hühner durch die Gänge huschten. Wie Milan das doch hasste! Aber er wusste, dass sein Prinz keine Minute an eine der Damen verschwendete. Denn Falcon hatte ja schließlich ihn. Eine Tatsache, die den Kommandanten unweigerlich zum Grinsen brachte. Welch wunderbarer Gedanke das doch war. So änderte sich die Stimmung des Heerführers schnell, auch wenn selbst ihm hinterher gesehen und unter den Frauen getuschelt wurde, wie toll er in ihren Augen aussah. "Doron, ich habe eine Aufgabe für dich!", erklärte Milan sofort, als er auf den Vorplatz kam und seinen Soldaten erblickte. "Um was handelt es sich, Herr Kommandant?" "Ich habe eine gewisse Vorahnung, dass unser werter Fürst etwas mit Darpir im Schilde führt. Behalte ihn im Auge, es ist äußerst wichtig!" Doron nickte verstehend und salutierte. "Ich werde mich darum kümmern, Sie können sich auf mich verlassen." Der Kommandant lächelte dankend und machte sich gleich wieder auf den Weg ins Innere des Schlosses. Er hatte seinen Falcon an diesem Morgen noch nicht gesehen. Ob er verschlafen hatte? Als er an den Gemächern vorbei marschierte bekam er Wortfetzen mit. Und diese Stimme war ihm äußerst vertraut. "Tylanor, du Dreckshund...", raunte der Heerführer und presste sich neben der Tür an die Wand, um möglichst viel mitzubekommen. "Meine liebste Tochter Etara...", sprach der Fürst und es hatte den Anschein, als würde er einen Brief schreiben. Gespannt lauschte Milan weiter und was er hörte ließ die Wut in ihm aufbrodeln. "Du musst dem Grafen unbedingt berichten, dass der Prinz hier ist. Und ich bin wahrscheinlich enttarnt..." Das genügte dem Kommandanten. "Ohja, das seid Ihr, lieber Fürst!", gab Milan laut von sich. Er machte auf dem Absatz kehrt und bestellte Garett zu sich. "Womit kann ich Euch dienen, Kommandant?" "Du musst sofort ins Lager reiten und die Truppe holen. Wir brauchen sie hier, wenn das passiert, was ich glaube." Garett verstand nicht ganz, was sein Herr damit meinte, aber er wusste das es wohl sehr dringend war. "Jawohl, Herr Kommandant! Ich mache mich sofort auf den Weg." Der Soldat wollte sich gerade zu den Stallungen bewegen, als Milan ihn nochmal aufhielt. "Achja, falls etwas bei der Rückkehr an der Grenze schief läuft..." Der Heerführer machte eine Pause und überlegte kurze Zeit. "Reitet sie nieder!" Zur Abwechslung mochte Garett den Befehl mal und grinste verschmitzt. "Wird gemacht, Kommandant!" Fürst Tylanor kam hinausgestürmt und blickte Milan erboßt an. In seinen Augen flackerte die Flamme der Verachtung und der Wut. "Vielleicht solltet Ihr demnächst die Türe geschlossen halten.", meinte Falcons Freund trocken und ging an dem Fürsten vorbei. In diesem Moment galoppierte Garett aus der Stallung und jagte aus der Stadt. Milan wettete innerlich, dass sich der Herr von Tylanor am liebsten in seinen Allerwertesten gebissen hätte, so wütend wie er war. Der Kommandant ließ den schnaubenden Fürsten zurück und begab sich nun wirklich zu dem Gemach des Prinzen. Er musste einfach erfahren, was Milan da herausgefunden hatte. Doch als er knapp vor dem Zimmer stand, musste er vorerst eine Menge von Weibern erblicken, die darauf hofften, dass Falcon herauskam. Sein Falc machte es hingegen richtig und blieb in seinem Zimmer. Kaum näherte sich der Heerführer der Falken wichen die Damen zur Seite und musterten ihn. Einige von diesen, für Milan einfach nur nervigen Weibern, wurden bei seinem Anblick rot. Wie kindisch, dachte sich der Kommandant immer wieder und legte die Hand an den Türknauf. Doch schnell verharrte er wieder, denn die Frauen waren begierig darauf ins Zimmer zu gelangen. "Hört mir mal gut zu. Der Prinz ist gestern erst wiedergekommen; er ist verletzt und er braucht Ruhe. Also kann er jetzt nun wirklich keine schnatternden Weiber um ihn herum gebrauchen. Macht, dass ihr weg kommt.", raunte Milan und sah sich dabei nichtmal um. "Bitte.", hing er noch an, damit es nicht allzu forsch erschien. "Also, worauf wartet ihr noch. Der Prinz ist nicht in der Verfassung mit euch zu sprechen, was er sicherlich sehr bedauert." Das war glatt gelogen, aber es befriedigte die Hofdamen und langsam zogen sie ab, wenn auch mit Widerwillen. Der Kommandant seufzte und öffnete die Tür. Kurz nachdem er das Zimmer betrat schloss er diese wieder. "Falc, du Weiberheld, du wirst hier ja schon fast angebetet.", sprach Milan und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah seinen Freund an und lehnte sich an eine Wand, ihm gegenüber. "Lass die Witze! Sag mir lieber, ob du schon was von Dharkaron gehört hast!" "Von deinem Bruder bisher noch nichts, aber dafür konnte ich den Fürsten überführen.Er war etwas unvorsichtig und las sich seine Briefe bei geöffneter Tür durch." Fragend sah Dharkarons Bruder dem Heerführer ins Gesicht. "Und was ist daran von Bedeutung?" "Falc, Falc, Falc...Heute fällt der Groschen wohl Pfennigweise, bei dir. Er will die Briefe an den Grafen schicken. Seine Tochter lebt bei diesem Ekel!" "Moment, die einzige Frau, die ich jemals auf Gilgar gesehen habe, war dieses Teufelsweib, Etara. Sie ist die Geliebte von Darpir...", erklärte Falcon und schlug sich mit der Faust in die flache Hand. "Sie ist wohl mehr als die Geliebte. Ich denke da eher an die zukünftige Braut!" "Du denkst, dass sich der Fürst etwas davon erhofft, wenn seine Tochter den Grafen zum Gatten nimmt?" Milan nickte und grinste berechnend. "Er erhofft sich, dass er Darpirs Macht dadurch nutzen kann. Das gleiche denkt sich wohl auch der Graf. Nur würde er, einem wie dem Herrn von und zu, niemals auch nur einen geringen Teil seiner Macht geben.", folgerte der Kommandant und blickte aus dem Fenster. "Ich würde mal sagen, dass Darpir ziemlich gerissen ist. Er nutzt den Fürsten in vollen Zügen aus. Und der Trottel merkt nichtmal, dass er dem Grafen quasi ins Messer rennt!" Falcon stützte seinen Kopf auf seine Hand und seufzte tief. Er konnte nicht glauben, was in Havish abgespielt wurde. "Verrat in den eigenen Reihen...Das hätte ich mir nicht erträumen lassen." "Das kommt in den besten Kreisen vor. Ich bedaure es nur, dass es ausgerechnet hier passieren musste!" Milan ging mehrere Schritte auf seinen Freund zu und hockte sich vor ihn. "Übrigens, ich habe einen meiner Männer losgeschickt, damit er meine Truppe holt. Wir werden sie hier brauchen, wenn der Fürst einen Aufstand plant." "Auf dass sie deine Soldaten wieder einlassen..." Der Kommandant musste grinsen. "Selbst, wenn nicht, so wird mein Offizier sich seinen Weg bahnen. Und ich kenne Garett gut, er wird Freude dabei haben." Auch Falcon musste schmunzeln und stand schließlich von seinem Bett, auf dem er saß, auf und zog Milan mit sich empor. "Milan, wie hast du es geschafft, die Weiber zu vertreiben?" "Ich habe ihnen nur die Wahrheit gesagt." Geschockt sah der Prinz dem Heerführer an und ihm schoss die Röte ins Gesicht. Milan hatte doch nicht wirklich... "Du hast was? Ich dachte das geht nur uns beide etwas an..." "Schschsch! Doch nicht diese...", unterbrach der Kommandant seinen Geliebten auf der Stelle. "Nun gut, sagen wir Halbwahrheit. Du kannst sie nicht empfangen, weil du noch nicht in der körperlichen Verfassung bist." Erleichtert atmete Falcon aus und die Anspannung, die ihn ereilte, ließ wieder nach. "Falc, dachtest du wirklich, ich erzähl diesen tratschenden Weibern, was letzte Nacht...Also, wirklich!", unterbrach der Heerführer sich selbst und schüttelte den Kopf. "Vergessen wir das, ja?", gab sich der Prinz schließlich geschlagen und ging in Richtung Zimmertür. "Gehen wir heute Mittag in die Stadt?", fragte er noch und blickte sich nochmal zu Milan um. "Von mir aus gerne. Wann bist du denn mit deinen Arbeiten fertig?" Kurz überlegte Falcon und rieb sich dabei das Kinn. "Nun, ich muss noch etwas mit den Senatoren besprechen. Auch über das, was nun mit dem Fürsten geschehen soll. Ich denke, es wird länger dauern, da er viele Freunde im Senat hatte. Sie werden dagegen sein, dass wir ihn aus Havish verbannen und ihm seinen Titel nehmen. Hol mich zur zwölften Stunde ab." "Das ist die einzige humane Lösung! Meiner Meinung nach könnten wir ihn glatt vor dem gesamten Volk hängen.", raunte der Heerführer und verschränkte die Arme. Milan war in dieser Angelegenheit äußerst schnell zu reizen und das zeigte er gerne. Gegen den Fürsten hatte er schon immer etwas und natürlich passte es dem Kommandanten gut, dass der Fürst sich so etwas leistete. "Milan, heiße ich Vrakulus Darpir, dass ich auf solche Methoden zurückgreifen muss?", wollte der Prinz wissen und stemmte die Fäuste in die Hüften. "Ich will nicht auf sein Niveau hinabsinken und andere als Bestrafung quälen." Milan schloss die Augen und verneigte sich tief. Es war ungewöhnlich für Falcon, dass er eine solche Einstellung hatte und dann so eine königliche-korrekte. Denn Dharkarons Bruder verhielt sich nie, wie ein richtiger Prinz. Damals war er vor dem Unterricht davon gelaufen und trieb sich irgendwo herum, aber nicht im Schloss, soviel stand fest. Meist zog er auch mit Milan herum, der früher noch nicht im Traum daran dachte, dass er mal Kommandant wird, und alberten. Ja, wenn sie gute Laune hatten gingen sie auch schonmal auf den Markt und stibitzten etwas aus den Taschen der Bürger. Das war natürlich ihr strengstes Geheimnis, als sie noch Kinder waren. Mittlerweile würden sie wohl jedem anderen davon erzählen und dabei herzlichst lachen. "Was ist los, Milan?" "Nun, du hast zum ersten Mal wie eine Person gesprochen, die würdig wäre den Thron zu besteigen. Warum hast du abgelehnt? Du wärest ein ausgezeichneter König!" Falcon wandte sich zur Tür und senkte leicht den Kopf. Schließlich antwortete er:"Ich weiß nicht. Vielleicht hatte ich Angst, dass ich eines Tages wie mein Vater ende." Nun öffnete er die Tür und trat - ohne ein weiteres Wort - hinaus. Mit schnellen Schritten ging er durch die Flure. Milan blieb zurück und schüttelte seufzend den Kopf. "Unmöglich, wie eh und je!" Inzwischen lief der Fürst von Tylanor in seinem Arbeitszimmer unruhig auf und ab. Er wartete auf einen Boten, der den Brief nach Tysan bringen sollte. Außerdem machte sich der Fürst große Sorgen, ob er noch auf Darpirs Hilfe zählen konnte, nachdem er so jämmerlich versagt hatte. Schließlich kam der Bote angehetzt und entschuldigte sich keuchend für seine Verspätung. Der Fürst winkte ab und gab ihm den Brief. "Wenn du an der Grenze bist, sagst du den Wachen, sie sollen das Heer von Kommandant s´Ilessid nicht durchlassen. Verstanden?!" "Natürlich, mein Fürst.", sagte der Bote und verbeugte sich tief. "Ich werde sofort losreiten." Der junge Mann verließ das Gemach und eilte in die Stallungen. Er bestieg ein weißes Ross und galoppierte davon. Kurz darauf schritten zwei groß gebaute, stämmige Soldaten durch die Gänge und hielten vor dem Zimmer des Herrn von Tylanor inne. "Fürst, kommen Sie bitte mit uns. Ihre Verhandlung beginnt." Langsam trott er aus dem Raum und wurde gleich von den beiden Männern in die Mitte genommen. Zusammen gingen sie weiter ins Gebäude und verschwanden hinter zwei schweren Eichentüren, die mit einem lauten Quietschen zufielen. Zwei Stunden nach seinem Aufbruch war Garett schon fast im Lager, er sah es schon vor sich. Und einige seiner Freunde und Kameraden, die ihn wohl auch vom weiten gesehen hatten. Darunter wiedermal Kassy. "Garett, was machst du schon wieder hier?", fragte die Frau sofort und sah den blonden Offizier an. "Packt eure Sachen Leute! Ihr sollt sofort zurück nach Havish, auf Geheiß des Kommandanten!" Garetts Freunde sahen ihn verdutzt an und tuschelten ein wenig untereinander. "Weißt du weshalb?" Kassy konnte sich auch nicht vorstellen, warum sie zurück nach Havish sollten, da sie doch eigentlich auf Darpir aufpassen sollten. "Der Kommandant meinte nur, dass man uns in der Hauptstadt brauchen würde, das reicht mir als Grund! Also, packt eure Sachen zusammen und zwar flott. Befehl ist Befehl! Die Soldaten salutierten und begannen Zelte abzubauen, Proviant in Kisten zu räumen und die Pferde zu bepacken. Garett machte ihnen ein wenig Feuer unter den Allerwertesten und trieb sie an. "Bewegung, Bewegung! Das geht doch wohl schneller!" Achja, er liebte solche Arbeiten, solange er sie anordnen durfte. "Garett, wenn du mithelfen würdest, wären wir schneller.", moserte Kassy, während sie eine Kiste schleppte. "Ach, Kass´, ich seh dir doch so gerne beim Arbeiten zu.", lächlete Garett hämisch und sah es gar nicht ein von seinem Pferd zu steigen. "Tse, wie du Offizier geworden bist, das will ich wissen!" "Da fragst du am besten unseren Herrn Kommandanten. Er hat mich dazu erklärt und er wird schon wissen, was ich für seine Truppe geleistet habe. Außerdem bin ich schon länger dabei, als du!" Kassy raunte und ging weiter, ohne sich weiter um den Blondschopf zu scheren. Das Packen ging recht schnell von statten, da die Soldaten genau wussten, was sie zu tun hatten und sie teilten sich die Arbeit gut auf. "Garett, wir wären soweit!", ertönte eine Stimme und genau auf diesen Satz wartete er schon. "Wunderbar, dann mal auf nach Havish." Von Milans Sorgen, dass sie vielleicht nicht über die Grenze gelassen werden, erzählte er vorerst noch nichts. Denn Sicheres wusste der Heerführer ja auch nicht. Mit einer Handbewegung gab er den Befehl loszureiten und seine Kameraden setzten sich in Bewegung. Da einige hingegen laufen mussten, ging die Reise zur Hauptstadt etwas langsamer als geplant von statten. Die Zeit verging eher schleichend, so kam es Milan vor, der an der großen Flügeltür des Verhandlungssaals lehnte. Die Uhr schlug schon die elfte Stunde und noch immer hörte er von innen, dass wild diskutiert wurde, was mit dem Fürsten geschehen soll. Dieser wurde schon vor einer Stunde herausgeführt und blickte den Kommandanten zornig an, als er an ihm vorbeiging. Doch der Heerführer sah es eher gelassen und grinste nur matt in das Angesicht des Fürsten. Doch nun stand er da und hoffte, dass es nicht mehr allzu lange dauern würde. Was sollte an der Entscheidung schon so schwer sein, dachte sich Milan immer wieder. Es war schließlich Verrat an der königlichen Familie und er würde schuldig zu sprechen sein! "Das kann doch nicht so schwer sein!", stieß der Kommandant aus und schlug mit der Faust an die Tür. Diese war wohl härter als gedacht und Milan schüttelte seine Hand, damit der Schmerz nachließ. Langsam öffnete sich das Portal und Falcon trat heraus. Sichtlich unzufrieden, wie es schien. Ihm folgten die Senatoren, ein Grüppchen von sechs Leuten. Sie verabschiedeten sich von einanander und schlichen durch die Flure davon. "Und?" Milan sah seinen Freund an, blieb aber weiterhin an der Tür lehnen. Er sah seinem Falc deutlich an, dass er nicht begeistert vom Urteil war. "Seinen Titel hat er verloren und er wird auch für immer aus Havish ausgestoßen...", begann der Prinz zu sprechen und lehnte sich neben den Kommandanten. "Aber sein Land wurde an seine Tochter weitergegeben." "Was?! Wie können die so blöd sein? Die steckt da doch genauso tief drin, wie der Fürst!" "Natürlich, aber das können wir nicht beweisen, da er die Briefe bereits abgeschickt hat.", seufzte Falcon und sah zu Boden. "Und die, die er von Etara bekommen hat, hat er vorher wohl verbrannt. Es wurde zumindest nichts mehr gefunden, was auf eine gemeinschaftliche Tat hinweist." Milan schnaubte sauer und schüttelte den Kopf. "Darf ich diese Senatoren zur Vernunft bringen, wenn ich sie nochmal sehe?" "Das solltest du lassen, auch wenn ich dich verstehen kann.", erklärte der Prinz und setzte sich schließlich in Bewegung. "Kommst du? Ich brauche frische Luft." "Und ich brauche einen Kelch Wein und ein Laib Brot.", meinte der Heerführer grinsend und folgte seinem Freund. "Musst du denn schon Mittags in der Taverne hocken?", fragte Falcon und rollte dabei die Augen. "Weißt du, Falc, ich mache das eigentlich eher freiwillig.", konterte Milan geschickt und legte seinen Arm um seinen Freund. "Und sei mal ehrlich, was zu essen brauchst du jetzt auch, nachdem du mehrere Stunden mit diesen Tölpeln zusammen gesessen hast.", sprach der Kommandant wohlwollend und sah Falcon ins Gesicht. Zusammen verließen die Zwei das Schloss und traten auf den großen Vorplatz. Er war leer, denn die Bediensteten machten in der Mittagssonne eine Ruhepause. Es war einfach zu warm, um zu arbeiten. Doch im Schatten des Gebäudes war es angenehm und äußerst gut auszuhalten. In der Kühle dieses Bereichs schlenderten die beiden Männer in das Stallgebäude. Der Stallknecht wunderte sich schon, dass heute so viel los war und kratzte sich am Kopf. Falcon grinste ihn an und ging zu seinem Pferd, Bichotka. "Während deiner Abwesenheit hat sich Doron um ihn gekümmert, damit er nicht einrostet." "Man sieht es. Danke, Milan." "Bedanke dich lieber bei Doron. Er hätte ihn am liebsten gar nicht mehr hergegeben." Der Prinz lächelte, öffnete die Boxentür und ging zu seinem Hengst in den Stall. Er tätschelte dem Ross den Hals und fragte:"Na, alter Freund, kennst du mich noch?" Bichotka schnaubte und stieß dem Prinzen mit dem Kopf in die Seite. "So wie es aussieht, tut er das!", schmunzelte der Kommandant und ging selbst zu seinem Pferd. Langsam führte er Andorra hinaus und band den Wallach im Schatten an. Milan ging in die Sattelkammer und schleppte den schwarzen Sattel ebenfalls nach draußen und plazierte ihn auf dem Rücken des Pferdes. Der Prinz kam nun auch mit seinem Hengst nach draußen und tat es seinem Freund gleich, indem er seinen Bichotka sattelte und die Trense anlegte. Milan und Falcon stiegen auf und trabten langsam los. Dharkarons Bruder genoss es regelrecht wieder durch seine Heimat zu ziehen und die frische Luft Havishs einzuatmen. Die grünenden Bäume spendeten Schatten und verbreiteten einen angenhmen Duft. Nach einem kurzen Ritt kamen Kommandant und Prinz in der Hauptstadt an und führten von da an ihre Pferde durch die Straßen. Die Bewohner staunten nicht schlecht, als sie den verschwunden geglaubten Falcon sahen, wie er an der Seite des Heerführers durch die Viertel der Innenstadt ging. Einige verneigten sich tief vor der Hoheit, wieder andere tuschelten nur mit vorgehaltener Hand und warfen dem Prinzen nur flüchtige Blicke zu. Doch das beste kam, als Milan und sein Liebster die Taverne betraten. "Ah, Milan! Sieht man dich auch mal wieder hier? Wie war´s denn so in Tysan? Und..." Der graubärtige, alte Wirt stoppte und betrachtete den jungen Mann neben dem Kommandanten genau. "Das ist doch nicht...? Prinz Falcon!", rief er aus und wusste nicht, wie er dem Sohn Lysaers Respekt erweisen sollte. Damit hatte er es außerdem geschafft, die Aufmerksamkeit der Gäste zu wecken, die Falcon nun auch mit großen Augen ansahen. "Beruhige dich, Jon!", meinte Milan ruhig und ging mit seinem Freund zur Theke, hinter der der Wirt stand. "Gib uns lieber einen Krug Wein und was zu essen." Aufgekratzt von der Begegnung mit der Hoheit stolperte Jon in den Keller, um einen guten Wein herauszuholen. Der Kommandant suchte derweil einen guten Platz, an dem er und Falcon möglichst ungestört reden konnten. Nachdem er den Blick mehrmals durch die Gaststube wandern ließ, fand er einen freien Tisch in der Ecke neben dem Kamin, der in dieser Jahreszeit allerdings erloschen war, da man ihn nicht brauchte. Mit einer Geste forderte der Heerführer seinen Freund auf, ihm zu folgen und beide setzten sich vorerst still hin, da auf dem Prinzen noch immer einige erstaunte Blicke ruhten. "Die dachten wohl alle, ich kehre nie wieder.", bemerkte Falcon und stütze seinen Kopf auf die rechte Hand. "Und kaum ist man wieder da, wird ein riesiges Tamtam veranstaltet." "Falls du mit 'Tamtam' auf den guten, alten Jon anspielst, das ist bei ihm normal..." In dem Moment kam auch schon der Wirt wieder. In der rechten Hand einen Krug Wein und in der Linken ein Tablett, auf dem Brot, Wurst und Käse lag. "Was ist bei mir normal?" "Wenn ich´s mir recht überlege, Jon, bei dir ist rein gar nichts normal. Du bist der seltsamste Kauz den ich kenne." "Danke für das Kompliment, Milan!" Der Wirt nickte lächelnd und stellte Speis und Trank ab. "Aber das kann ich genauso gut an dich zurückgeben. Du bist bei weitem der seltsamste Kommandant. Welchen Heerführer sieht man auch schon jeden Abend in der Taverne?" Milan machte, während der Alte sprach, Anstalten ihm den Mund zuzuhalten, doch Jon war geschickt und wich Milans Hand, die versuchte sich auf den Mund des Wirts zu legen, immer wieder aus. "Milan, du brauchst da kein Geheimnis draus machen. Ich weiß das doch eh schon.", schmunzelte Falcon und sah dabei in die Augen seines Kommandanten. An den Alten gewendet meinte er:"Könntet Ihr uns jetzt bitte alleine lassen. Der Kommandant und ich haben noch etwas zu besprechen." "Wie Eure Hoheit wünscht. Der alte Jon zieht sich zurück.", erklärte er und wandte sich vom Tisch ab und wurde bald darauf von einem anderen Gast gerufen. "Milan, wie lange, denkst du, werden wir noch auf Dharkarons Heimkehr warten müssen?" Der Heerführer hob die Augenbraue und überlegte. "Ich weiß es wirklich nicht. Aber wenn uns die Götter gewogen sind, wird es sicher nicht mehr lange dauern.", versicherte Milan und lächelte leicht. "Dann will ich hoffen, dass es so ist..." Falcon nahm sich ein Stück Brot und kaute in Gedanken versunken an der Kruste. Er dachte nach. Wie würde die Begegnung mit seinem kleinen Bruder ablaufen? Ob Dharkaron es ihm überhaupt glauben würde, dass er wirklich Prinz und zukünftiger König von Fedora ist? Der Kommandant beobachtete seinem Freund und musste unweigerlich grinsen, da es für ihn unglaublich niedlich aussah, wie Falcon so vor sich hin träumte. Seine Aufmerksamkeit wandte sich aber bald einer Person zu, die vor der Taverne abstieg. Der Junge hatte zwei Pferde im Schlepptau und dieses markante Gesicht... "Falc, komm mal wieder zu dir!", meinte Milan und stieß den Prinzen leicht in die Seite. "Hm? Was ist denn?" Als Antwort bekam er einen Fingerdeut des Heerführers Richtung Tür, durch die ein junger Mann trat. Lange braun-schwarze Haare, klare, blaue Augen und auch Falcon fiel dieses Gesicht auf. Gebannt sah er auf den Jungen und wagte es nicht, den Blick abzuwenden. Der Kommandant setzte gerade seinen Kelch Wein an den Mund, als der unbekannte fragte:"Wer kann mir etwas über den Sohn des Falken erzählen?" Milan verschluckte sich fast und setzte das Gefäß schnell wieder ab. Er sah Falcons glücklichen Blick, der noch immer auf dem Jungen lag. Die anderen Gäste murmelten, aber keiner antwortete. Wie auch, die Bewohner Havishs hatten davon keine Ahnung, dass es so etwas überhaupt gibt. Es war ein streng gehütetes Geheimnis, das nur die Königsfamilie selbst und einige andere Adlige kannten. Falcon stand auf und winkte den Falkenjungen zu sich und bat ihn, sich zu setzen. Dieser sah noch etwas skeptisch zu dem Kommandanten und dem Prinzen, nahm dann aber Platz und schluckte leicht. "Wie ist dein Name, Junge?", fragte Falcon und sah Arithon dabei in die blauen Augen, die auch er besaß. "Ich habe keinen Namen mehr...Denn ich bin nicht der, der ich glaubte zu sein. 17 Jahre wurde ich unter einem falschen Namen gerufen." "Dann nenne diesen und sag, wer ihn dir gegeben hat.", forderte Milan den Jungen auf und blickte ihn nun auch sehr interessiert an. Wenn jetzt diese Antwort kam, die der Kommandant hören wollte, wäre es sicher, dass dieser Jüngling Dharkaron war. "Ich habe zwar keine Ahnung, was das mit meiner Frage zu tun hat, aber nun gut..Ich wurde Arithon genannt. Ein Mann namens Luthien hat ihn mir gegeben.", antwortete der Falke und sah abwechselnd von Milans in Falcons Gesicht. Für ihn waren die Zwei etwas zu neugierig und das behagte ihm gar nicht. Auf den Lippen des Kommandanten breitete sich hingegen ein freudiges Lächeln aus und er nickte dem Prinzen bestätigend zu. Es war sicher - Dieser Junge war Falcons Bruder! Falcon war mindestens genauso glücklich, doch blieb er noch ruhig und presste die Fingerspitzen aneinander. "Also gut, du willst wissen, wer der Sohn des Falken ist? So sollst du die Antwort darauf erhalten.", erklärte der Prinz die ungeteilte Aufmerksamkeit des Jungen wurde ihm zuteil. "Es wird dir bekannt sein, dass die Götter damals als Falken dargestellt wurden. Und natürlich besaßen sie großartige Kräfte, die einigen Menschen übergeben worden sind. Diese Menschen waren bisweilen immer große Könige Fedoras und mitsamt den Kräften der Falken die mächtigsten. Diese göttlichen Fähigkeiten wurden auch an ihre Kinder weitervererbt und bestehen noch bis heute. Die, die diese Kräfte erlangen nennt man Söhne der Falken." Falcon verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf die Reaktion seines Bruders. Die ließ nicht lange auf sich warten und der Falke saß mit großen Augen da. Er konnte es nicht fassen, was er da hörte. "A-Aber, ich kann unmöglich...", begann er zu stammeln, doch ihm fehlten immer wieder die Worte um den Satz zu beenden. "Doch, mein Bruder, du kannst!", sprach der Prinz und erhob sich. "Sonst hättest du deinen Weg nicht nach Hause gefunden." "Moment mal, 'Bruder'?", hakte der Falkenjunge nach und stand ebenfalls auf, um auf gleicher Höhe mit Falcon zu sein. "Du hast richtig gehört.", lächelte Falcon und atmete tief durch. "Du bist mein jüngerer Bruder und ebenfalls Sohn König Lysaers." "Haltet mich nicht zum Narren. Dafür bin ich nicht hierher gekommen!", erklärte der Junge ernst und ballte die Fäuste. "Ich spreche die Wahrheit, sowar mir die Götter helfen. Dein richtiger Name ist Dharkaron und unser Vater hat dich nur weggegeben, weil er Angst um dein Leben hatte." Noch immer fassungslos und überrascht stand Dharkaron da und schüttelte ungläubig den Kopf. Immer wieder dachte er, dass es nicht wahr sein konnte. Es war einfach zu irreal, als dass es hätte stimmen können. "Das will ich vom König selber hören...", meinte der Falke leise und sah seinem Bruder ins Gesicht. In diesem Moment schaltete sich Milan ein. "Das wird nicht möglich sein. Er ist gestorben, vor ein paar Tagen erst." Falcon sah bedrückt zu Boden. Erinnerungen kamen in ihm hoch und er schluckte schwer. Der Kommandant bemerkte das und verstummte darauf. "Entschuldigt, mein Prinz...Ich wollte Euch wirklich nicht daran erinnern. Aber es musste.." "Schon gut, Milan.", unterbrach der Prinz seinen Freund und winkte ab. "Weißt du, Dharkaron, ich verstehe dich. 17 Jahre lang wurde dir verschwiegen, wer du wirklich bist. Aber verstehe, es war zu deiner eigenen Sicherheit gedacht. Du hättest schon vor Jahren tot sein können." "Das wäre ich auch so schon fast! Und Luthien ist es bereits! Schwarze Reiter haben uns angegriffen und unser friedliches Leben zerstört." Verbittert presste der Junge die Lippen aufeinander. Wut kam in ihm auf und bei dem Gedanken an Levian brodelte sie fast über. "Es tut mir Leid, daran war ich schuld. Ich habe dein Versteck in Darkonia verraten." Bedauernd blickte er in Dharkarons Antlitz. Es war ein schreckliches Gefühl für Falcon, diese 'Beichte' abzulegen. Denn damit hätte er seinen Bruder fast in den Tod geschickt. "Was?! Wie konntest du...Ich meine..." "Unser Vater wurde gequält, ich konnte es nicht länger mitansehen. Verzeih mir Dharkaron!", flehte der Prinz und krallte sich an die Schulter des Falkensohns. Dharkaron legte die Hand auf Falcons Schulter und drückte ihn an sich. Langsam legte er die Zweifel ab, dass er wirklich ein Prinz war. Zum Narren gehalten wurde er sicher nicht, dafür waren Falcons Erklärungen zu gefühlvoll und einleuchtend. Außerdem fühlte sich Dharkaron zum ersten Mal, nach seinem Aufbruch wieder geborgen. "Ich muss dich um Verzeihung beten, mein Bruder! Verzeih meinen Unglauben!", sagte der Jüngere und umarmte seinen Bruder stürmisch. Milan beobachtete das Szenario lächelnd und stand auf. Er wollte die beiden - nach langer Zeit vereinten - Brüder nicht stören und wandte sich vom Tisch ab. "Milan, hiergeblieben! Dharkaron muss doch wenigstens seinen Kommandanten kennenlernen!", hielt Falcon seinen Freund auf und löste sich langsam aus der Umarmung seines Bruders. "Das ist Milan s´Ilessid. Heerführer der Falken und mein bester Freund." Der Kommandant verneigte sich tief vor Dharkaron und seine langen Haare fielen ihm dabei ins Gesicht. Mit einem Pusten verbannte er sie aber schnell wieder aus seinem Sichtfeld. "Ich habe nicht daran gezweifelt, dass Ihr nach Havish zurückkehrt, Prinz Dharkaron. Willkommen zu Hause!" Milan sah - wie sein Freund - sehr glücklich aus. Auch, weil Dharkaron die Kreaturen Darpirs überlebt hatte. "Ich stehe von nun an auch in Euren Diensten, so wie ich es bei Prinz Falcon bin." Falcons Bruder wusste nicht was er sagen sollte und atmete einfach nur tief durch, um sich zu fassen. Die letzten Minuten waren doch sehr aufregend für ihn. Schließlich lag ihm aber eine Frage auf der Zunge, die er nicht mehr zurückstellen konnte. "Warum wurde ich weggegeben?" Der ältere Prinz wusste, dass er das fragen würde und stand auf. "Ich will es dir erklären, aber hier ist nicht der richtige Ort dafür." Dharkaron tat es seinem Bruder gleich und folgte ihm nach draußen. Die Sonne stand im Zenit und es war verdammt warm. der Falkensohn musste die Augen zusammenkneifen, denn die Mittagssonne blendete ihn. "Und wohin, willst du mit mir, Falcon?", fragte der jüngere und stieg auf Epona. Die Stute schnaubte und schüttelte wild den Kopf. Dharkaron schlussfolgerte daraus, dass ihr wohl sehr warm war. Lestaris ging es ähnlich. "Ich wäre für einen Ausritt, durch die Wälder von Havish - Deiner neuen Heimat!" "Mit dem Ausritt bin ich einverstanden, aber ich weiß nicht, ob ich Havish je als meine Heimat ansehen werde. Denn Heimat ist da, wo das Herz sich wohlfühlt." Dharkarons Bruder nickte verstehend und sah dem Falkenjungen in sein Gesicht. Und immer wieder dachte er sich, dass es genau so aussah, wie er es sich vorgestellt hatte. "Ich bin mir sicher, dass du dich hier schnell eingewöhnen wirst.", versicherte Falcon und wandte sich nun wieder der Tavernentür zu, die von innen geöffnet wurde. Milan trat hinaus. "Prinz Falcon, ich werde wieder zum Schloss reiten. Mein Offizier wird sicher bald hier ankommen. Und ich bin mir sicher, dass Ihr mit Eurem Bruder alleine sein wollt." Der Kommandant hasste es, wenn er so mit seinem Liebsten reden musste, aber Dharkaron sollte noch nicht zu viel wissen, was zwischen seinem Bruder und dem Heerführer ablief. Auch Falcon behagte es nicht so sprechen zu müssen, doch das versuchte er - so gut es ging - zu überspielen. "In Ordnung, Kommandant. Ihr seid entlassen." Milan verneigte sich vor den beiden Hoheiten und stieg auf Andorra. Er wendete das Pferd und ritt zügig davon. Auch Dharkaron und Falcon machten sich auf den Weg und ritten gemächlich durch die Straßen. "Nun gut, Dharkaron...", begann der ältere Prinz und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, welches durch den Schweiß etwas durchnässt war. "Unsere Familie war bei der des Grafen schon immer verhasst. Man versuchte schon lange die Falken niederzustrecken um selbst an die Macht zu kommen, aber geschafft hatten sie es nie. Als ich jedoch mein Thronerbe ablehnte witterten die Darpire einen Schwachpunkt." Dharkaron horchte interessiert auf, als er den Namen der Familie hörte und sah seinen Bruder an. "Sie dachten, sie hätten leichtes Spiel, doch dann wurdest du geboren. Damit war ihr Traum zu nichte und sie mussten umdenken. Natürlich, sie wollten dich töten, unseren zukünftigen König. Das konnte unser Vater nicht zulassen, also wurdest du an Luthien übergeben. Er war Soldat in dem Heer des Kommandanten und ein ausgezeichneter und tadelloser Mann. Außerdem wünschte er sich lange einen Sohn...Vater wusste, dass du gut bei ihm aufgehoben warst." "Ja, das war ich in der Tat, bis schwarze Gestalten bei uns aufgetaucht sind und ihn aus dem Leben gerissen haben...Und das hatten sie auch mit mir vor." "Die 'Unbenennbaren' mit Kommandant Levian. Abgesandte des jetzigen Grafen. Sie kamen, um dich zu töten. Und sie werden es weiterhin versuchen. Und alles nur, weil ich Vaters Qualen nicht mehr ertragen konnte und geredet habe! Ich war so töricht und nahm an, dass er unseren Vater am Leben lassen würde, wenn ich ihm unser Geheimnis verrate! Es tut mir unendlich Leid, mein Bruder, dass du wegen mir Ärger hattest." Falcons Stimme klang schwach, fast schon zerbrechlich und seine blauen Augen wurden leicht glasig. "Es muss dir nicht Leid tun. Du wolltest ein Leben retten...", beruhigte ihn der Falke und lächelte ihn matt an. "Außerdem, ich lebe noch! Und ich verspreche dir, ich werde Graf Darpir zur Strecke bringen. Denn niemand tötet oder verletzt ungeschoren meine Familie, oder meine Freunde!" Hosted by Animexx e.V. 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