Tochter des Hohepriesters von Bettyna (Das Schicksal eines kleinen Mädchens) ================================================================================ Kapitel 24: XXIV ---------------- XXIV Draußen kamen riesige Wassermassen den Himmel herunter und deshalb war ich auch froh, dass ich hier drinnen im Trockenen war. Die Herbststürme waren eingebrochen und ich würde bald meine erste Aufgabe als Leibwächterin des Pharao haben. Doch bis dahin war es noch ein wenig hin und ich hatte auch noch andere Dinge zu tun, die mir die Zeit schnell und effektiv vertrieben. Da war zum Beispiel, dass ich begonnen hatte, im kleinen Tempel des Palastes die Morgen- und Abendriten zu beten. Ich tat dies freiwillig, keiner hatte je ein Wort gesagt, dass ich es hätte machen sollten. Oft hatte ich jedoch Besucher, die dem Ritus beiwohnten. Der Pharao war regelmäßig zugegen, wenn ich Horus als Sieger über die Nacht am Morgen ausrief, oder wenn ich die Überlegenheit von Seth gegen den Tag am Abend verkündete. Die Anwesenheit des Herrschers machte mich jedes Mal glücklich, denn so wusste ich, dass nicht nur ich die einzige war, die sich nach diesen Ritualen gesehnt hatte. Doch zuweilen hatte ich auch noch andere Gäste. Es waren der jüngere Sohn des Herrschers Raheem und ein älteres Mädchen, dessen Name ich jedoch nicht wusste. Wobei ich mir aber sicher war, war die Tatsache, dass der Pharao noch eine ältere Tochter hatte. Diese glaubte ich als das andächtige Mädchen, das immer mit seinem Bruder ohne ein Wort und Geräusch hereingeschlichen kam und hinter mir kniete. Außer bei meinen Andachten hatte ich das Mädchen jedoch nie getroffen. Ich fand es sehr schade, doch dagegen konnte ich nichts tun, denn nachdem ich meine Gebete abgeschlossen hatte, waren die beiden immer schon wieder verschwunden. Isaias oder seine Mutter, die Große Königliche Gemahlin, bemerkte und wusste ich nie hinter mir. Vom Sandalenträger des Pharao, mit dem ich zuweilen auch manchmal interessante Gespräche führte, erfuhr ich, dass die Königin früher auch gelegentlich die Riten abgehalten hatte, da sie vor der Heirat mit dem Herrscher, Musikerin im Tempel der Isis gewesen war. Und Isaias... Er hatte gewiss anderweitig zu tun. Oft sah ich ihn zusammen mit seinem Vater in Gespräche vertieft, sodass die Beiden mich gar nicht bemerkten. Nun ja, Isaias war auch der Thronfolger und hatte bestimmt noch viel von seinem Vater zu lernen... Als ich eines Tages die Abendriten vollendet hatte, ging es mir nicht besonders gut. Ich fühlte mich matt und ausgelaugt. Anscheinend machte mir das ständige Herumsitzen in meinem Zimmer ziemlich zu schaffen. Es regnete nun schon seit Tagen und der Himmel war wolkenbedeckt. Der Wind wehte kalt und mein Zimmer wurde von Kaminfeuern gewärmt, was die Luft rußig und trocken machte. Oft sah ich meinen einzigen Ausweg darin, dass ich mich in eine Decke hüllte und mich auf das Gelände der Palastkaserne schlich, wo ich alleine sein konnte. Die überdachten Gänge boten Schutz vor Wind und Wetter und die kalte, aber frische Luft ließ mich wiederaufleben, so wie auch dieses Mal. So wie ich da saß, zusammengekauert an der Mauer, dachte ich über einiges nach. Dazu hatte ich auch allen Grund, denn bald durfte ich den Pharao beschützen, und zwar offiziell. Der Herrscher würde bekannt geben, dass ich nicht die Person gewesen war, die das königliche Blut hatte vergießen wollen, sondern einige gewisse Männer in Schwarz. Danach würde ich wieder hinaus auf die Straße gehen und mich unter die Leute mischen können. Ich musste bei dem Gedanken grinsen, wie wohl das Gesicht von Amarru aussehen würde, wenn er schon wüsste, dass ich unschuldig war und dass ich hatte lesen dürfen, was er mit Schreckliches vorgeworfen hatte. Aber dieses Amt bereitete mir nicht nur Freude, die Angst zu versagen, jetzt, wo man auf mich sah und hohe Erwartungen auf mich setzte, wurde ebenso größer. Doch ich musste Re einfach vertrauen, so wie den anderen Göttern, die mich schützten und ich musste meine Schicksal vertrauen. Hatte es mich nicht auch schon bis hierher gelenkt? Und sollte ich wirklich so sein wie Hathor, Res Tochter, dann war das Schicksal auch auf meiner Seite. Plötzlich hörte ich Schritte. Sie kamen hier her. Ich war nicht begeistert, jetzt Besuch zu bekommen, egal, wer es war. Es war nur so, dass ich für Gespräche überhaupt nicht aufgelegt war, ich wollte einfach nur die Stille und die Einsamkeit spüren... Nicht, dass ich diese suchte, doch brauchte ich sie zum Nachdenken umso mehr. Doch durch eine Eingebung wurde ich plötzlich hellwach, streifte meine Decke ab und stand auf. Erhobenen Hauptes starrte ich auf den Eingang, der zu der Außenanlage führte. Mittlerweile vernahm ich es deutlicher. Es waren zwei Personen, die da kamen. Das Antlitz der Beiden überraschte mich sehr, denn diese hatte ich nicht erwartet, nie und nimmer. Prinz Isaias sah sich um. Seine Hand ruhte auf der Schulter eines Mädchens mit streng zurückgekämmten blondem Haar, dass mit einem Band zusammengebunden war und glatt in einem Pferdeschwanz herunterhing. Das Mädchen sah noch jung aus, trotzdem hatte es eine gewisse Würde an sich. Einen schmerzhaften Moment lang glaubte ich, Prinz Isaias mit seiner Maitresse zu sehen. Der Gedanke viel jedoch schnell und glücklich von mir ab, da ich die Ähnlichkeit des Mädchens mit Isaias erkannte. Und ich wusste nun auch wer sie war. Isaias Blick fiel auf mich und seine Augen weiteten sich einen Augenblick lang. Kein Wunder, denn ich trug mein weißes, golddurchwirktes Hochpriesterinnengewand, dass extra so geschnitten war, dass es meine Weihesymbole preisgab: Das Gewand war relativ weit, an der Tallie hatte ich mich mit dem roten Ritualgürtel gegürtet. Es besaß keine Ärmel, um meine Tätowierungen an den Unterarmen zu zeigen. Ein weiteres rotes Band zierte den Saum am Halsausschnitt, der jedoch absichtlich so weit war, dass ich ihn mir unter den Achseln zusammenschnüren musste, damit die Flügel auf meinem Rücken, über den Schultern und auf meine Schlüsselbeinen zu sehen waren. Nun ja, es überraschte mich nicht, dass er so erstaunt war, denn er hatte ja noch nie bei meinen Riten zuhört, um mich jemals so hätte sehen zu können. Als das Mädchen mich sah, erstarrte sie sofort. Ihr Gesicht nahm einen ehrfürchtigen Ausdruck an und sie verbeugte sich in meine Richtung, so tief sie nur konnte. Isaias tat es ihr verwirrt nach, jedoch nicht so inbrünstig. Ich erwiderte die Geste mit einem Kopfnicken und das Mädchen kam ermutigt auf mich zugelaufen. "Isaias hatte Recht! Du bist hier! Denn ich... ich habe dich gesucht! Du warst heute früher mit den Abendriten fertig... Oh, entschuldige meine Dreistigkeit, ich wollte nicht...", stotterte das Mädchen aufgelöst mit ihrer glockenhellen Stimme. Ich war verwirrt und sah zu Isaias, der sich auch genähert hatte. Er lächelte zaghaft. "Meine Schwester Thekla hat den Wunsch verspürt, dich zu sprechen, Hohepriesterin. Ich habe sie nur zu dir geführt.", sagte er und sah dabei an mir vorbei. Warum nannte er mich so? Wollte er mich damit verspotten? Warum sah er mich eigentlich nicht an, wenn er mich schon beleidigte? Wütend funkelte ich ihn an, wurde aber von Thekla wieder aus meinem Ärger zurückgeholt. "Zürne nicht mit Isaias! Er... er wollte dich nicht stören, sondern i... ich... das heißt, ich wollte mir deinen Rat holen!", stammelte sie wieder und sah ein wenig verlegen auf den Boden. Ich vergaß meine Groll mit Isaias und wandte mich ganz dem Mädchen zu. "Ja? Wenn du schon länger diesen Wunsch verspürt hast, warum kamst du dann nicht früher zu mir? Ich will dir gerne meinen Rat geben, wenn ich kann, Thekla!", sagte ich und lächelte ihr aufmunternd zu. Doch wieder hörte ich eine Antwort aus eines anderen Mund. "Weil sie ihr Schweigegelübde erst gestern abgenommen bekommen hat, deswegen kam sie nicht früher!", raunte Prinz Ich-bin-ja-so-toll-und-wichtig abfällig. Nun platze mir aber wirklich mein nicht vorhandener Kragen. "Lass sie doch ausreden, du toller Held! Meinst du, sie hat das Reden vergessen? Sie war also bei der Ausbildung zur Priesterin, hm? Die Götter legen ihr bestimmt besser Worte in den Mund, als die, die gerade so freundlich aus deinem kommen!", sagte ich spitz und sah Isaias scharf an, der für einen Moment die Kontrolle über seine Mimik verlor. Er wollte bestimmt gerade eine deftige Antwort zurückschmettern, da kam ihm Thekla zuvor. "Hört auf! Ich kam nicht hierher, um euren Zwist anzufachen, von dem Mutter mir erzählt hat! Ich wollte mit Hohepriesterin Ia-Re reden! Ich wollte nur, dass du mir zeigst wo sie ist, Isaias! Deine Anwesenheit wird jetzt nicht mehr gebraucht!", rief Thekla säuerlich und scheuchte ihren Bruder mit einer Geste davon. Fassungslos zornig sah er seine Schwester und mich an und drehte sich um. Mürrisch stapfte er davon, Flüche in der alten Sprache murrend. Thekla kicherte. "Ich dachte, ihr habt euch nach eurem Kampf versöhnt, es scheint aber nicht so...", meinte sie und sah mich interessiert an. Schnell winkte ich ab. Es stimmte, ich dachte, wir hatten uns ausgesöhnt, so dachte ich jedenfalls, so war es mir vorgekommen. Isaias schien jedoch immer noch nicht ganz besänftigt zu sein und seine Worte waren so wie Schnitte in mein Fleisch gewesen, schmerzhaft. Denn ich wollte keine bösen Worte mehr an ihn richten, aber sein schrecklich zynischer Tonfall brachte mich wieder dazu. Es war nicht zum aushalten! "Ich kann dir auch nicht sagen, was los ist, aber darüber wolltest du doch nicht mit mir reden, oder?", fragte ich stattdessen und zog mich damit geschickt aus der Affäre. Thekla nickte eifrig! "Also, ich bin gestern aus meinem Schweigen entlassen worden und habe die Weihe zur Priesterin der Maat erlangt! Jedoch plagen mich Zweifel, ob ich weiter in dem Dienst der Maat bleiben, und die schwere Ausbildung zur Hohepriesterin angehen soll! Es steht so viel auf dem Spiel und... Was ich von dir wissen wollte, ist, warum du eigentlich hier bist? Ich weiß, du bist Hohepriesterin des Re, aber warum bist du nicht in seinem Tempel? Denn wenn ich diese Möglichkeit auch haben könnte, nicht im Dienste an einen Tempel gebunden zu sein, dann...", fragte sie verbittert. Ich konnte ihre Sorgen verstehen. Sie war jünger als ich und sich in diesem Alter für den Dienst einer Göttin zu entscheiden, war keine einfache Aufgabe. Nun ja, ich war noch viel jünger gewesen, als ich meine Priesterweihe abgeschlossen und mit der Weiterbildung zur Hohepriesterin angefangen hatte, doch hatte ich damals keine Ahnung gehabt, was mit mir werden sollte, geschweige denn, dass ich den Willen und die Macht gehabt hätte, irgendetwas an meiner von meinem Vater vorherbestimmten Zukunft zu drehen. Doch das war nicht die Problematik von Theklas Frage. "Setzt dir keine Flausen in den Kopf, Mädchen, so werden zu wollen wie ich. Manchmal wünschte ich mir, mein Leben wäre anders verlaufen... Dass ich nun so frei bin, habe ich keiner eigenen Entscheidung zu verdanken. Ich bin verbannt worden aus dem Tempel des Re, verbannt von Amarru, dem höchsten Hohepriester, da er geglaubt hatte, ich wollte den Pharao töten. Trotz seines Unrechtes hatte er mich ausgeschlossen, aber ich bin weiterhin eine Hohepriesterin des Re, denn dieses Amt kann mir keiner nehmen. Doch habe ich keine Aufgaben mehr, wie ein normaler Priester, der sich vor ihnen kaum retten kann. Denn das ist das normale Wesen von Priestern, im Dienste seines Gottes alles für ihn mit Hingabe zu tun. Natürlich habe ich immer alles getan, was ich tun musste, doch ich habe nie viel Zeit im Tempel selber verbracht, ich tanzte in der Tänzerinnenschule von Memphis zu Ehren der Götter und ich machte den größten Teil der Besorgungen für den Tempel. Natürlich fühle ich mich an Re gebunden, doch in einer anderen Art, die die Verbannung aus dem Tempel irgendwie noch gestärkt hat. Solltest du die Freiheit lieben, dann belass es bei deinem Dienst als Priesterin und diene Maat damit, dass du Recht schaffen wirst in ihrem Namen, als Richterin, oder in der Wache des Königs, wofür ich dich aber nicht einschätze. Überlege dir gut, was du tun willst, denn du kannst wählen, im Gegensatz zu mir damals!", erklärte ich ihr ernst. Es war mir wichtig, dass niemand Lügen über mich sein Wissen nannte. Thekla sah mich aufrichtig an. "Aber du liebst, was du tust, oder?", fragte sie mich mit großen Augen. Lächelnd nickte ich ihr zu. "Ja, das tue ich, denn alles, was mit mir geschehen war, war mein Schicksal, und so, wie du dich auch entscheidest, wird es dein Schicksal werden!" Und mit diesen Worten fasste ich Thekla um die Schultern und ging mit ihr gemeinsam in den Palast zurück. (Nach einer etwas längeren Pause, wieder eine neues Kapitel... =_= Ich weiß, es geht langsam, aber das schreiben geht auch grade nicht, da werd ich immer voll wehmütig, wenn ich ein neues Kapitel hochladen soll! Schade nur, dass ich letztes Mal so wenig Kommis gekriegt hab... O_O *snüff* Na ja, dafür sind einige Leute besonders fleißig! ^-^ Hoffentlich gibt's diesmal wieder ein paar mehr! ^^ *alle umflausch* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)