Tochter des Hohepriesters von Bettyna (Das Schicksal eines kleinen Mädchens) ================================================================================ Kapitel 10: X ------------- X Ich wunderte mich, dass Vater in so kurzer Zeit alles hatte vorbereiten können. Die Kamele standen schon bereit, als ich aus dem Tempel trat, hinter mir ein paar kräftige Männer, die unser ganzes Habe zu den Tieren schleppten. Als er mich kommen sah, blickte mein Vater auf. "Es scheint dir nicht schwer zu fallen, Siwa zu verlassen!", stellte er belustigt fest und hob neugierig die Augenbrauen. Ich blieb jedoch ernst, seine Ironie ödete mich an. "Keinesfalls fällt es mir nicht schwer, das weißt du. Dass ich mich noch von allen verabschieden konnte, trägt zu meiner Ruhe bei. Ach, ist Kanah schon hier?", fragte ich, als ich sah, dass ihre Sachen auf ein Kamel verladen wurden, eine besonders ruhige Stute. Ich ging zu ihr und tätschelte ihren Hals. Mein Vater verneinte meine Frage. "Geh sie suchen. Wir wollen aufbrechen, bevor es völlig dunkel wird!", sagte er mir, doch das war nicht nötig. Kanah kam. Sie sah sehr gefasst aus, doch ich wusste, dass es ihr sehr schwer gefallen war, sich von ihrer Familie und ihrer Heimat zu trennen. Sie tat dies nur für mich und für das war ich ihr zutiefst dankbar. "Wir brechen auf! Hast du alles?", fragte ich sie vorsichtig. Kanah nickte, sah mich jedoch nicht an. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Zu meinen Erstaunen bat Kanah, man solle sie auf dem Kamel festbinden. Ich fand aber auch, dass es besser war, ich selber verzichtete jedoch darauf. Ich wollte es ohne aushalten. Unsere kleine Karawane brach nicht viel später auf. Da Kanah neben mir ritt, konnte ich immer wieder beobachten, wie sie zurück sah. Noch bevor es völlig dunkel wurde und wir unsere Decken gegen die Kälte auspacken mussten, war die Oase Siwa, auf dass ich nie wieder zurückkehren sollte, hinter uns verschwunden. Kanah war eingeschlafen. Sie wippte auf ihrem Kamel in dessen Schrittrhythmus leicht vor und zurück, doch ich konnte nicht schlafen. Ich war viel zu aufgeregt und viel zu viele Gedanken liefen mir im Kopf herum. Was würde mich in der Stadt erwarten? Was hatte das Schicksal mit mir vor? Diese Fragen blieben mir unbeantwortet. Ich sah in den sternenklaren Himmel hinauf. Was hatten die Götter mit mir vor? Würde Re mich auf den Rechten Weg leiten? Ich seufzte. Ich wusste es nicht. Diesmal versetzte mich der Marsch des Kamels nicht in Trance. Ich war hellwach und an Schlaf war nicht zu denken. Ich ließ die Zeit an mir verstreichen, meine Augen auf den Horizont vor uns gerichtet. Und irgendwann merkte ich, dass es wieder hell wurde, dass sich der Horizont rot verfärbte. Und ich sah auch, was ich bei meiner Reise nach Siwa nicht gesehen hatte. Ganz weit im Osten erblickte ich Wolken! Fast hatte ich schon vergessen, wie sie aussahen. Dort mussten die Städte sein, dort müsste der Nil verlaufen. Die Zeit war wie im Fluge vergangen, nicht so wie auf meiner Hinreise, wo ich gedacht hatte, ich würde ins Nichts reisen. Doch mit diesem klaren Ziel vor Augen, war diese Reise fast eine Freude! Als die Sonne am Horizont zu sehen war, schreckte Kanah aus ihrem Schlaf auf und wäre fast zur Seite gekippt, wäre sie nicht festgebunden gewesen. "Wo bin ich? Was... Oh ja...", rief sie aus und sah sich hektisch um, bevor sie sich wieder erinnerte. Sie starrte mich an. "Ich muss wohl eingenickt sein... Hast du auch geschlafen, Ia-Re?", fragte sie mich und streckte sich ein bisschen. "Nein, ich bin ruhelos... Sie doch!", machte ich sie mit einer Geste meiner Hand auf die orangefarbenen Wolken aufmerksam. Sie folgte der Bewegung meines Armes und riss erstaunt die Augen auf. "Das sind ja... Wolken! Ich habe noch nie so große gesehen! Und dann diese Farbe! Großartig!!!", freute sie sich wie ein kleines Kind. Ich lächelte nachsichtig. Tatsächlich gab es in der Wüste selten Wolken und wenn, dann nur ganz kleine. "Die Wolken bilden sich durch den Nil - du wirst bestimmt erstaunt sein, wenn du diesen riesigen Strom siehst - und die aufgehende Sonne färbt die Wolken so orange! Es ist fantastisch, nicht wahr?", stellte ich verzückt fest, da mir dieser Anblick ganze sieben Jahre verwehrt gewesen war. Kanah pflichtete mir begeistert bei und konnte ihren Blick kaum von den sich immer wieder verändernden Wolkenformationen abwenden. Plötzlich ritt Vater neben mich. Er war hinten geblieben, um immer alles im Blick zu haben. Ich sah ihn an. "Wir kommen sehr schnell voran!", stellte ich fest. Vater nickte. "Es kommt von dem feuchten Wind, der von Osten herweht. Das scheint die Kamele anzuspornen!", meinte er und ritt weiter, um mit dem, der unsere Karawane anführte, ein paar Worte zu wechseln. Kurz nachdem die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte, kamen wir bei der kleinen Oase an, bei der wir auch auf der Hinreise gehalten hatten. Dankbar glitt ich aus dem Sattel und ging auf etwas zittrigen Beinen auf dein kühlenden Schatten der Palmen zu. Kaum hatte sich Kanah zu mir gesellt und kaum hatten wir etwas gegessen, da war ich schon, gelehnt an die Palme, in den Schlaf gesunken. Ich hatte, auf dem Kamel reitend, keinerlei Müdigkeit verspürt, doch nun fiel sie über mich her. Doch mir wurde nicht lange diese Ruhe gegönnt, denn mein Vater meinte, wenn wir jetzt aufbrechen würden und in gleichem Tempo vorankommen würden, dann könnten wir bei Tagesanbruch bereits Sakkara erreichen. Ich erhob mich also wiederwillig und nachdem wir alle unsere Kamele bestiegen hatten, unser Wasservorrat aufgefrischt und unsere Fracht noch mal überprüft wurde, brachen wir erneut auf. Zu meiner Verwunderung schafften wir auch diese Etappe sehr schnell. Ich tat wieder kein Auge zu, während Kanah fast die ganze Reise verschlief und wenn sie nicht gerade döste, dann unterhielten wir uns, indem ich ihr von Memphis erzählte. Es war noch dunkel, als in weiter Ferne des Schein eines großen Feuers erblickte. Mich überfiel eine ungeheure Aufregung, denn es musste der äußerste Rand von Sakkara sein, den ich da erblickte. Und tatsächlich, als die Dämmerung einbrach, konnte ich in nicht großer Entfernung die ersten Häuser und die Pyramiden von Sakkara erblicken! *** Für Kanah war die kleine Stadt Sakkara schon eine Metropole! Sie kann aus dem Staunen kaum heraus. Am meisten wunderte sie sich über die vielen Häuser, die vielen Menschen und die komischen Tiere, die die Kutsche zogen, in der wir nun saßen, die Pferde. "Kamele sind gut, um damit durch die Wüste zu reisen, doch für eine hektische Stadt wären sie viel zu langsam!", erklärte ich Kanah, die mir gebannt zuhörte. Hätte es eine befestigte Straße von Sakkara nach Siwa gegeben, hätten wir diese Distanz in der Hälfte der Zeit geschafft. Nun waren wir unterwegs nach Memphis. Wir legten die Strecke schnell zurück und waren bald in Memphis angekommen. Wie ich diese Stadt vermisst hatte! Ich hatte mich sofort in sie verliebt, beim ersten Mal, an dem ich hier gewesen war. Die noblen Häuser, die riesigen Tempel! Das war Memphis, die Hauptstadt Ägyptens! Kanah war so begeistert, dass sie sich so weit aus dem Fenster in der Tür der Kutsche lehnte, dass ich Angst hatte, sie würde herausfallen. Deshalb hielt ich sie am Arm fest, wofür ich immer wieder verständnislose Blicke von ihr bekam. Unser Ziel war, wie ich erwartet hatte, der große Tempel des Re. Dieses prunkvolle Gebäude schlug mich in seinen Bann. Weiterhin bewachten zwei große Statuen des Re den Eingang und den Giebel des spitzen Daches säumte weiter die große Steintafel mit dem Bildnis des Re, der in seiner Barke über den Himmel flog. Ehrfürchtig stieg ich aus, dicht gefolgt von Kanah, die sich an mich klammerte und sich staunend umsah. Obwohl sie doch etwas älter als ich war, war sie kleiner und es sah aus, als wäre sie ein Mädchen, dass sich verängstigt an seine große Schwester klammern würde. Jedoch verwarf ich diesen lustigen Gedanken sofort, da wir beide uns in keiner Weise ähnlich sahen. "Folgt mir!", befahl plötzlich mein Vater, der an uns vorbeigerauscht kam und die Treppen des Tempels flink hinaufstieg. Ich setzte mich also zusammen mit Kanah in Bewegung. Der Weg führte uns direkt in den Saal, der das Heiligtum des Re beherbergte. Hier befand sich eine Person. Sie hatte goldene Armreifen um die Handgelenke und ein ausladendes weißes Gewand an. Der Mann kniete vor dem Heiligtum und war augenscheinlich in ein Gebet versunken. Hatte er uns gehört, so zeigte er dies nicht. "Willst du uns nicht begrüßen, Amarru?", fragte mein Vater höhnisch. Der Mann zuckte scharf zusammen, sprang auf und sah zu uns. Eine Kette aus Gold mit einem silbernen Anhänger, der wie ein Falke geformt war, ließ mich ihn als oberster Hohepriester des Re erkennen. Er starrte meinen Vater geschockt an. "Theron... Du lebst noch? Ich hätte nicht gedacht, dich je wieder zu sehen!", sagte er, nachdem er sich wieder gefasst hatte. Mein Vater grinste. "Ja, ich bin noch am Leben. Und ich bringe dir die zukünftige Hohepriesterin des Re, verehrter Amarru, meine Tochter Ia-Re!", sagte er feierlich und zeigte mit einer weitläufigen Handbewegung auf mich. Der Hohepriester sah mich verblüfft an. "Wie... Ia-Re? Der Name deiner Tochter? Iare? Sie war an dem angeblichen Ausbildungsort nicht zu finden... Was soll das?", fragte er erzürnt und blickte immer wieder von meinem Vater zu mir und zurück. Mein Vater gab sich gelassen. "Ihr hättet diesen mächtigen Namen nie gebilligt... Außerdem hatte ich vor, sie selber auszubilden, was mir nicht gelungen wäre, wenn ihr mir dazwischengefunkt wäret.", erklärte er belustigt. Ich hingegen war sprachlos. Hohepriesterin des Re... Ich sollte eine Hohepriesterin werden? Warum erfuhr ich das erst jetzt? Ich und Hohepriesterin... Der Gedanke kam mir lächerlich vor, doch plötzlich musste ich, als ob ich gesteuert wurde, zum Standbild und zum Heiligtum des Re sehen. Die plötzlich leuchtenden Augen der Statue mit dem Kopf eines Falken schienen mich direkt anzustarren. Verlegen und demütig musste ich meinen Kopf senken. Dieser Blick verursachte mir weiche Knie. Auf einmal merkte ich, wie der Hohepriester auf mich zu kam. Er legte seine Hände auf meine Schultern und ich sah ihn an. Forschend blickte er mir ins Gesicht, lange und gründlich. "Wahrlich, sie ist freiwillig hier. Nun, mein Kind, wir werden dich also prüfen, ob du für das Amt des Re bereit bist!", verkündete er ein wenig skeptisch und ließ mich mit meinen tobenden Gedanken stehen, die mich nicht in Ruhe ließen und mir Kopfschmerzen verursachten. Hier sollte sich mein Schicksal also entscheiden... Hilfesuchend blickte ich wieder zum Standbild des Re, doch seine Augen waren wieder steinern, wie sie bei einer Statue auch sein sollten. (Ich habe mich auf Wunsch von Sekhmet erbarmt und erlöse euch nun von eurer Ungeduld! XDDD Wie sich das anhört... ^^' Okay, das Geheimnis wurde gelüftet! Ia-Re wird Hohepriesterin! Ich hoffe euch hat's gefallen und wart wenigstens etwas überrascht... Ich hab's ja kommen sehen... x_X Und danke für eure Kommis, Ifnaka und Sekhmet!!! *knuffeldrück* Bis zum nächsten Kapi! ^^ Ich liebe es! ^.~) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)