Sherlock Holmes - Das verschwundene Haus in Sussex von kentasaiba2 ================================================================================ Kapitel 2: Whitmores Erzählung ------------------------------ James Whitmores Grundstück lag etwa zwei Stunden von Brighton entfernt und würde eine gewisse Anstrengung erfordern, die Stadt aufzusuchen. Darum gestaltete es sich für den Pensionisten am einfachsten, Freddy, den Jungen der die meisten Grundstücke in der Nähe befuhr darum zu bitten, ihm regelmäßig Waren aus der Stadt mitzubringen. Normalerweise geschah dies am Montag und am Donnerstag. Umso überrascht war Whitmore, dass er in einiger Entfernung ein Geräusch vernahm. Doch es handelte sich nicht um ein Fahrrad, sondern um eine Kutsche. Hier draußen? Verwundert blickte der Mann dem Gefährt entgegen, bis es schließlich in einiger Entfernung zum Stillstand kam. Der Kutsche unternahm keinerlei Anstalten sich zu rühren. Dafür klappte nun die Tür auf und ein Herr, wesentlich jünger als Whitmore selbst stieg aus. Er war vornehm gekleidet, Whitmore vermutete einen Notar, oder einen Spekulanten. Der seltsame Besucher sah sich eine Weile um, bis er Whitmore schließlich erblickte und ihm zuwinkte. Etwas überrumpelt, erwiderte er einfach den Gruß. Als der vornehme Herr auf ihn zuschritt, wusste er nicht, was ihn erwarten würde. „Guten Tag, ich hoffe, ich störe Sie nicht. Sie wohnen bestimmt hier.“, sagte er in einem charmanten Ton. Whitmore nickte bedächtig. „Ja, ich bin James Whitmore, mir gehört das Grundstück. Und mit wem habe ich die Ehre?“, hakte er nach. Der Mann klopfte sich die Kleidung sauber und rang sich ein Lächeln ab. „Henry Harryman. Ich weiß nicht, ob Sie es bereits mitbekommen haben, doch wir sind seit kurzem Nachbarn.“, verriet er. „Ach...“, kam es nur von Whitmore. Harryman nickte aber. „Ja, ich habe das alte Anwesen gekauft, das ein Stück den Fluss hinunter, Sie wissen schon.“ Whitmore wusste es nicht. „Ach... da stand ebenfalls ein Haus?“, konnte er sich erst nicht entsinnen. Doch Harryman bestätigte es ihm. „Aber ja. Es ist noch einiges zu machen bis es richtig wohnlich wird. Jedenfalls stehen hier draußen nicht viele Anwesen und Sie, Mr. Whitmore scheinen mein direktester Nachbar zu sein. Darum wollte ich Ihnen meine Aufwartung machen und mich Ihnen persönlich vorstellen.“, offenbarte er. Whitmore nickte stumm. „Wie gesagt, ich hoffe, Sie nicht bei irgendwas zu stören. Bei einem Spaziergang, oder der Gartenarbeit.“ Whitmore verneinte augenblicklich. „Nein, nein, tun Sie nicht. Um den Garten hat sich meine verstorbene Frau gekümmert, ich fühle mich dazu nicht mehr im Stande. Und auf das Spazieren lege ich auch keinen großen Wert, auch wenn sie stets darauf beharrte, etwas Bewegung würde mir gut tun.“ Harryman schien zu verstehen. „Mir geht es nicht anders, ich bin ebenfalls ein eher in mich gekehrter Mensch. Und zu Unterhaltungen kommt es eigentlich auch nur, wenn ich jemanden zu mir zum Schach spielen einlade.“, gestand er. Whitmore hob beide Augenbrauen. „Ach, Sie spielen Schach?“, hakte er interessiert nach. Harryman nickte. „Meine heimliche Leidenschaft, um ehrlich zu sein. Sie spielen auch?“, wollte er wissen. Whitmore erwiderte ohne Umschweife. „Ich liebe das Schach spielen. Doch zu meinem Verdruss muss ich gestehen, lange keinen Partner mehr gefunden zu haben.“, gestand er. In Mr. Harryman schien nun eine Idee aufzukeimen. „Mr. Whitmore, ich würde Sie gerne zu mir einladen. Das ist das mindeste was ich für einen neuen Nachbarn tun kann. Meine Köchin besucht derzeit zwar ihre Familie in London, aber mein Butler Samuel kann etwas aus Brighton mitbringen. Bei dieser Gelegenheit können wir auch die ein oder andere Runde Schach zusammen spielen. Na, was meinen Sie?“ James Whitmore war von diesem Vorschlag begeistert. Er hatte ewig auf so eine Gelegenheit gewartet und sich seit dem Tod seiner Frau einsam gefühlt, auch wenn er dies nie offen zugegeben hätte. Dankbar nahm er die Einladung an und verabredete sich gegen Ende der Woche zum Schach spielen in Mr. Harrymans Haus. Pünktlich wie ausgemacht rollte die Kutsche an und Mr. Whitmore stand ausgehfertig vor seinem Haus. Erneut schwang die Tür auf und Henry Harryman winkte ihm zu. Er rief ihm zu einzusteigen und Whitmore folgte der Aufforderung sofort. „Also gut, Samuel, Sie können nun fahren!“, rief Harryman seinem Butler und Kutscher zu. Dieser folgte und kurz darauf setzte sich das Gefährt in Bewegung. Während sich Whitmore seinem Gastgeber noch gegenübersetzte, zog dieser die Vorhänge der Kutschenfenster zu, so dass sie von der Sonne verschont blieben. „Verzeihung, meine Haut verträgt die Sonne leider gar nicht. Ist das so in Ordnung?“, hakte er nach. Whitmore nickte beiläufig. Auch er wollte einen Sonnenbrand vermeiden. Die Fahrt dauerte etwa 20 Minuten und die Kutsche kam zum Stillstand. Harryman öffnete die Tür und stieg als erstes aus. Er reichte Whitmore die Hand als jener das Gefährt verließ. Unverzüglich sah sich das Gast um und erkannte sofort das hellbraune Haus, vor dem die Kutsche gehalten hatte. Er gab zu, noch nie in dieser Gegend gewesen zu sein. Wer wohl vor Mr. Harryman dieses Anwesen bezogen hatte? Nun, eigentlich konnte es Whitmore egal sein. Harryman führte ihn nun zur Tür und schloss hastig auf. „Kommen Sie nur, ich führe Sie gerne herum.“ Whitmore ließ sich auf die Gastfreundschaft des Mannes ein und ließ sich die Räume des Hauses zeigen. Er versuchte so viel Interesse wie möglich aufzubringen. Das Anwesen wirkte eher schlicht, kein Vergleich zu seinem. Allerdings erwähnte Harryman, dass auch noch einiges zu machen sei, weshalb Whitmore sich auch kein Urteil erlauben wollte. Das Schlusslicht bildete die Lounge, wo sich Harryman sich und seinem Gast ein Glas Brandy einschenkte. Whitmores Blick fiel sofort auf den Tisch, auf dem ein Schachbrett stand. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gegenständen im Anwesen wirkte es neu und wies kaum Verbrauchsspuren auf. „Ach, ich sehe Sie wollen gleich zum Punkt kommen.“, lächelte der Gastgeber. Whitmore hustete. „Also... falls es Ihnen Gelegen kommt.“, sagte er. „Aber sicher, immerhin war es meine Idee.“, erwiderte Harryman und wies seinem Gast einen Stuhl zu. Dann setzten sich beide und stellten ihre Gläser neben das Brett. Whitmore sah sich noch einmal um. „Nanu? Wo ist denn Ihr Butler abgeblieben?“, fragte er etwas verwundert. Harryman hingegeben schien dies einfach abzutun. „Ach, der ist nur nach Brighton um etwas Essbares zu organisieren. Ich erwähnte neulich ja, dass sich meine Köchin freigenommen hat. Es ist schwer, heutzutage verlässliches Personal zu finden.“, erklärte er. Whitmore gab sich damit zufrieden. „Also dann? Wollen wir beginnen? Als mein Gast dürfen Sie selbstverständlich Farbe und Anfangszug bestimmen.“, gewehrte ihm Harryman. Whitmore danke und bald darauf befanden sich die beiden mitten im Spiel. Whitmore wusste wenig später nicht, wie viel Zeit vergangen war, er war vollkommen auf die Partien fokussiert gewesen. Ihm fiel auf, wie Harrymans Butler Samuel in die Lounge trat und verkündete, dass das Mahl nun bereit sei. Samuel war alles andere als ein begnadeter Koch, allerdings wäre diese Begabung nach seinem Dienst als Butler und Kutscher zusätzlich sicher zu viel verlangt gewesen. Whitmore selbst kochte ebenfalls nur gelegentlich, seine Frau hatte dies immer für ihn erledigt. Nachdem beide Männer gesättigt waren, näherte sich bereits der Abend und Harryman wies Samuel an, seinen Gast nach Hause zu fahren. Dieser folgte sofort und Whitmore dankte seinem Gastgeber für den unterhaltsamen Nachmittag. „Immer wieder gerne, werter Nachbar. Wissen Sie was? Warum spielen wir ab jetzt nicht regelmäßig? Sie beschwerten sich doch, dass Sie niemanden zum Spielen finden können, richtig? Nun, mir geht da es kaum anders. Und ich muss gestehen, dass Sie mich das ein oder andere Mal wirklich gefordert haben.“, machte Harryman den Vorschlag. Whitmore musste nicht lange überlegen und bereitete sich schließlich einverstanden. Nachdem Samuel ihn nach Hause gefahren hatte und er sich in sein gemütliches Bett legte, verspürte der ältere Mann ein Gefühl von Zufriedenheit. Er schien einen neuen Freund gefunden zu haben, für den er nicht extra nach Brighton, oder gar London reisten musste, um ihn zu sehen. Es würden sicher einige interessante Partien werden und Whitmore beschloss, seinen neuen Kameraden das nächste Mal definitiv zu schlagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)