Sherlock Holmes - Das Phantom von Maiwand von kentasaiba2 ================================================================================ Kapitel 2: Ermittlungen ----------------------- Als wir endlich vor dem großen Hospital angekommen waren, war mein Freund der Erste, der seinen Fuß auf den Boden setzte. Woodrow befahl dem Kutscher erneut zu warten, womit dieser keine Probleme hatte. Dann schritten wir in das Gebäude und erkundigten uns direkt am Empfang nach Mycroft Holmes. Die Dame konnte uns verraten, dass die Operation bereits abgeschlossen und dieser auf ein Zimmer gebracht worden war. Kaum hatte sie die Nummer genannt, setzte sich Holmes wieder in Bewegung. Zum Glück mussten wir lediglich eine Treppe auf uns nehmen um das genannte Zimmer zu erreichen. Als wir Mycroft Holmes dort vorfanden, überraschte mich sein Anblick. Ich nahm an, ihn noch betäubt in seinem Bett vorzufinden, vielleicht sogar von oben bis unten bandagiert. Doch nein, der Beamte der britischen Regierung war auf den Beinen und stützte sich auf einen Stock. Als er uns erblickte, erhellte sich seine Miene etwas. „Sherlock! Gut, dass du gekommen bist. Wir müssen sofort handeln.“, begrüßte er den Detektiv in seiner für ihn überschwänglichen Art. Mein Freund taxierte ihn skeptisch. „Dein Mr. Woodrow hier hat vermelden lassen du wurdest angeschossen?“, erwiderte er dann. Mycroft Holmes nickte schwer. „Ja, dieser Schweinekerl hat mir direkt eine Kugel in die Schulter gejagt. Zwar ein Durchschuss, aber sicher das schmerzvollste, was ich je erleben musste. Wie dem auch sei, die Ärzte haben das Loch geflickt und ich kann mich wieder der Arbeit widmen.“ Das schwere Schnauben seitens Holmes war etwas, das ich schon lange nicht mehr vernommen hatte. Er warf einen leichten Blick zu Woodrow, der es sich in der Eingangstür zum Zimmer bequem gemacht hatte. Vermutlich hatte Mycroft ihm aufgetragen, seine Verwundung als etwas schwerwiegender darzustellen, als sie eigentlich war. Er kannte seinen Bruder natürlich am besten und wusste, dass so eine Meldung diesen unverzüglich zum Handeln zwingen würde. „Ich verstehe, deine Schulter also. Ich fürchte dann wirst du dein regelmäßiges Golfspielen wohl aufgeben müssen.“, nutzte er Sarkasmus als seine Form der Rache. Mycroft ächzte verächtlich. „Wir können gerne tauschen, Sherlock. So weit ich weiß, wurdest du noch nie angeschossen. Es ist kein schönes Gefühl, sage ich dir.“ Hier konnte ich dem Verletzten nur recht geben. Automatisch meldete sich meine Schusswunde in meinem Bein wieder, welche ich mir in Afghanistan zugezogen hatte. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Mycroft auch noch in Jahren von einhergehenden Phantomschmerzen an diesen Tag erinnert wurde. „Ich meine ja nur. Du hast wirklich Glück, dass es nicht dein Bein erwischt hat. Kaum vorzustellen, dass du in Zukunft auf Spaziergänge oder gar das viele Laufen hättest verzichten müssen.“, stichelte er weiter. Mycroft Holmes ließ sich aber nicht provozieren. „Schön, dass du deinen Spaß hast, Sherlock. Ich habe diesen nicht. Der deutsche Botschafter wurde unter meinem Schutz ermordet. Kannst du dir vorstellen welche Ausmaße sein Tod hat?“ Mein Freund verdrehte nur die Augen. „Keine sonderlichen. Es folgt eine förmliche Entschuldigung unseres Premierministers an den deutschen Kaiser, so wie das Versprechen die Verantwortlichen unverzüglich Dingfest zu machen. Es wird nur ein kleiner Schandfleck auf dem Empire zurückbleiben, nichts was dauerhaft haften bleibt. Wie es allerdings mit deiner Karriere aussieht... das lässt sich derzeit noch nicht absehen. Ein verantwortlicher Kopf rollt so gut wie in jedem Fall.“, führte Holmes die realistischen Konsequenzen vor Augen. Sein Bruder klatschte leicht und demonstrativ. „Vielen Dank, Sherlock, dass du dein ausgezeichnetes Wissen über internationale Politik unter Beweis stellst. Aber zumindest mit einer Sache liegst du richtig. Wir nehmen das Versprechen die Verantwortlichen zu finden und zu bestrafen sehr ernst. Und genau darum wird dieser Part auch von Londons begabtesten Detektiv übernommen.“, stellte er klar. Mein Freund fühlte sich aber keineswegs angesprochen. „Es tut mir leid dich enttäuschen zu müssen. Ich habe mich noch nicht gut genug in London eingelebt. Außerdem habe ich noch andere Verpflichtungen.“, versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen. Doch Mycroft ließ es nicht gelten. „Sherlock. Entweder du entsprichst meiner Bitte, oder der Außenminister selbst steht vor deiner Tür. Ich möchte sehen, wie du jenen dann abweist.“, drohte er. Äußerlich zeigte sich Holmes wenig beeindruckt. Doch ich kannte ihn gut genug um zu erkennen, dass sein Pflichtbewusstsein höher angesiedelt war als sein Ego. Als er nichts erwiderte, gab Mycroft seinem Agenten ein Zeichen. „Mr. Woodrow wird dich und den werten Doktor zum Wyndham-Hotel begleiten, damit du den Tatort in Augenschein nehmen kannst.“ Sofort reagierte der junge Agent und räumte den Weg frei. Eher missmutig bereite sich mein Freund dann doch bereit den Fall zu übernehmen. Wir ließen den Patienten alleine und schritten hinaus in den Gang. „Sehen Sie es so, Holmes. Dieser Attentäter könnte sein Werk noch nicht vollendet haben. Was, wenn er als nächstes ein Attentat auf die Königin vorhat? In diesem Fall müssen wir sofort aktiv werden.“, führte ich ihm vor Augen. Ein mildes Schmunzeln folgte. „Ihres Fantasie in Ehren, Doktor. Aber ich bezweifle, dass wir es mit einem Verrückten oder gar Anarchisten zu tun haben.“, entgegnete er. Eine Ansicht, der ich nur schwer folgen konnte. Ich hinterfragte meinen Freund, doch dieser mahnte mich zur Geduld, zumindest bis wir das Hotel erreichten, in dem die Tragödie stattgefunden hatte. Scotland Yard hatte den Bereich weiträumig gesperrt, so dass wir das Hotel ohne Schwierigkeiten betreten konnte. Mr. Woodrow schien bei allen Beteiligten bekannt zu sein, so dass wir uns an keiner Stelle ausweisen mussten. Zu Holmes' Unmut war die Leiche des Botschafters bereits abtransportiert worden. Ein verständliches Vorgehen, bei so einer wichtigen Persönlichkeit, der uns jedoch einen Umweg in das gerichtsmedizinische Institut bescheren würde. Woodrow wollte dem Detektiv die Leibwächter vorstellen, welche den Botschafter abschirmen hätten sollen, doch mein Freund ignorierte sie. Er inspizierte jedes einzelne Einschussloch und beugte sich schließlich über die Blutspuren. Ich musterte die große Lache, die keinen Zweifel ließ, dass hier ein Mensch gestorben war. Holmes sah sich kleinere Spritzer an, die vermutlich entstanden waren, als das Geschoss Mycrofts Schulter durchstieß. „Haben... Sie etwas gefunden, Mr. Holmes?“, wagte es Woodrow zu fragen, welcher jedoch einfach stehen gelassen wurde. Holmes verließ das Hotel und ich unternahm Anstalten ihm zu folgen. Draußen ließ er seinen Blick schweifen und steuerte auf ein Gebäude zu, das sich westlich dem Hotel befand. Es handelte sich um ein Wohnhaus, doch anstatt anzuklopfen verschlug es uns auf die Rückseite, wo wir vor einer hohen Feuertreppe hielten. „Wie erwartet.“, murmelte Holmes und nahm die erste Stufe. Ich unternahm zuerst Anstalten zu warten, immerhin war das Treppensteigen für mich inzwischen zur Qual geworden. Nachdem ich aber zu lange in der dunklen Kälte stand, gab ich mir einen Ruck und folgte meinem Freund nach oben. Auf dem Dach suchte der Detektiv erneut nach Spuren und schien fündig zu werden. „Holmes! Sie denken doch nicht, dass der Schütze von hier aus geschossen hat?“, eilte ich zu ihm. Die Antwort folgte unverzüglich. „Ich weiß es, Watson! Sehen Sie!“ Ich kam neben ihm zu stehen und folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger. Tatsächlich. Auf der Mauerkante zeichnete sich ein kleiner Gegenstand ab. Nein, es waren zwei kleine Gegenstände. Obwohl es dunkel war, verzichtete Holmes darauf, seine Lupe hervorzuholen. Auch ich identifizierte sie. Es handelte sich um zwei Patronenhülsen. Die beiden Spitzen neigten sich zusammen und wiesen wie eine Art Pfeil direkt auf das Wyndham-Hotel. „Doktor, bitte verständigen Sie Scotland Yard, dass sie die Spuren auf diesem Dach hier sichern sollen.“, sagte Holmes und setzte sich wieder in Bewegung. Ich dachte wieder an mein Bein, verzichtete aber auf eine Beschwerde. Im Moment gab es Wichtigeres. Dennoch verharrte ich einen Moment und starrte die Hülsen an. Mir war so, als hätten sich mich an etwas erinnert. Zwei Hülsen... die Spitzen aneinander... Ich strengte mein Gehirn an, kam aber zu keinem Ergebnis. Schließlich folgte ich Holmes und stieg die Treppe hinab. Ich gab den nächstbesten Constable Bescheid und schritt dann wieder Richtung Hotel. Holmes war gerade dabei das seitliche Fenster zu überprüfen, mit Woodrow an seiner Seite. „Doktor Watson! Vielleicht wären Sie so freundlich etwas beizutragen.“, schien der Agent etwas ungeduldig zu sein. Ich sprang für Holmes ein und erzählte von den Hülsen, die wir auf dem Dach des Gebäudes gefunden hatten. „Unmöglich. Er hätte den Botschafter aus dieser Höhe niemals identifizieren können. Das genannte Dach ist zu hoch. Eine derart steile Flugbahn wäre für einen Scharfschützen nicht zu meistern gewesen.“, beharrte Woodrow. „Und doch war es so!“, kam es nun von Holmes. „Der Attentäter verschanzte sich auf dem Dach des westlich geneigten Gebäudes und wartete auf sein Ziel. Vermutlich orientierte er sich an den breiten Spiegeln um Eingangsbereich. Der Botschafter könnte eine Eigenart gehabt haben, doch ein besonderes Accessoires an seiner Kleidung. Jedenfalls war er ein leichtes Ziel.“ Woodrow prustete. „Wohl kaum. Sehen Sie sich hier doch um! Es ist ein reiner Kugelhagel. Und wir sollen es mit einem Profi zu tun haben? Der Botschafter ist der einzige, der tödlich getroffen wurde. Selbst Ihr Bruder kam mit einer leichten Verletzung davon.“, wollte er den Detektiv berichtigen. Holmes betrachtete ihn nur geringschätzig. „Und dennoch... sagten Sie, dass der Botschafter als Erster getötet wurde, richtig? Durch einen Kopfschuss.“ Der Agent bestätigte es noch einmal. Holmes schien nichts anderes erwartet zu haben. „Dann würde ich nun vorschlagen, dass wir das Leichenschauhaus aufsuchen und einen Blick auf das eigentliche Opfer werfen.“, meinte er an mich gewandt. Nun zögerte ich leicht. „Holmes... wenn Sie verzeihen, ich fühle mich nicht sonderlich wohl. Würde es Ihnen ausmachen, dies ohne mich zu erledigen?“, bat ich ihn nun. Überraschung blitzte in seinen Augen auf, doch schließlich akzeptierte er meine Bitte. Hosted by Animexx e.V. 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