Sherlock Holmes - Im Reiche Morpheus' von kentasaiba2 ================================================================================ Kapitel 1: Ein Hilferuf Mycrofts -------------------------------- Anmerkung des Autors John H. Watson: Die folgenden Ereignisse finden im August 1894 statt. Wenn Sie diesen Bericht lesen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder haben Sie ihn in meinem Nachlass gefunden oder Sie sind Teil der britischen Regierung und haben ihn beschlagnahmt. Dieser Bericht wird weder im Strand Magazine noch in irgendeiner anderen Publikation zu finden sein. Ich respektiere die Bitte von Mycroft Holmes, auf eine Veröffentlichung zu verzichten. Es ereignete sich so, dass ich meine Praxis im Sommer 1894 früher schloss, da es sich um einen dieser Tage handelte, an dem meine alte Verletzung am Knie mir mehr zu schaffen machte, als es eigentlich der Fall sein durfte. Aus diesen Gründen beschloss ich, mir einen angenehmen Abend zu gönnen und mich in meine Gemächer in der Baker Street zurückzuziehen. Auf mich wartete eine spannende Lektüre, ein Buch, das ich mir zurechtgelegt hatte und zur Abwechslung mal kein Fachjournal war. Als ich zu Hause ankam, warf ich einen raschen Blick in die Küche, bis mir schmerzhaft bewusst wurde, dass unsere treue Haushälterin Mrs. Hudson am heutigen Tag mit ihrer Cousine verabredet war und Holmes und ich gezwungen waren, uns selbst zu verpflegen. Nein, diesen Gedankengang musste ich wohl revidieren, angesichts der Tatsache, dass mein Freund sicherlich wieder einmal darauf vergessen hatte, etwas zu sich zu nehmen. Ich überlegte, ob es mir wohl gelang, ihn zu überreden, gemeinsam ein Restaurant aufzusuchen, oder ob er wieder einmal zu beschäftigt sein mochte. Ich trank etwas und schritt dann die Treppe zu den Wohnräumen hoch. Nachdem ich mich meiner Sachen und meines schweren Arztkoffers entledigt hatte, schlenderte ich in Richtung des Büros, das Holmes nutzte, um Klienten zu empfangen. Ich klopfte sachte, wartete jedoch nicht lange, um einzutreten. Der Detektiv saß, wie erwartet, auf seinem Stuhl und bedachte mich keines Blickes. Ich begann ein eher belangloses Gespräch, um auf mich aufmerksam zu machen, doch Holmes war zu sehr in die Times vertieft, die er vor sich ausgebreitet hatte. Schließlich setzte ich mich ihm gegenüber und machte es mir bequem. "Und dann sind dem armen Kerl doch tatsächlich zwei Köpfe gewachsen. Und einen davon musste ich dann amputieren", versuchte ich mein Glück. "Mhm. Sehr interessant", murmelte der Detektiv nur. Ich seufzte. "Holmes, erst gestern haben Sie mir anvertraut, im Moment an keinem laufenden Fall zu arbeiten und beschwerten sich über den unverdienten Müßiggang", erinnerte ich ihn. Mein Freund sah zu mir auf und breitete schließlich die Seite der Zeitung auf dem Schreibtisch aus. "Ich bin in froher Hoffnung, dass sich dieser Umstand in Kürze ändern könnte. Erinnern Sie sich noch an den Artikel über den Mann, der auf der Treppe zum Parlamentsgebäude zusammenbrach und reglos liegenblieb?" Nun hatte er mich, musste ich doch einen Moment überlegen. Doch dann begannen sich die Räder in meinem bescheidenen, nicht mit dem von Holmes zu vergleichenden Gehirn zu drehen. Immerhin war der Artikel gerade mal vor zwei Tagen erschienen. „Ja, ich glaube mich zu erinnern. Ein feinerer Herr brach mitten auf der Treppe zusammen. Allerdings kann ich mich nicht entsinnen, dass der Verfasser irgendwelche Gründe angegeben hatte. Ich weiß nur noch, dass der Mann schnellstens ins Krankenhaus gebracht worden ist.“ Mein Freund nickte bestätigend. „Haben Sie als Arzt eine Theorie?“, hakte er nach. Ich räusperte mich. Verlangte mein Freund ernsthaft eine Ferndiagnose? Oder eher eine Spekulation, von welchen er mich doch so häufig abzuhalten versuchte. „Ohne genauere Hinweise, ist dies schwer zu sagen. Im ersten Moment würde mir ein Schlaganfall in den Sinn kommen.“, gab ich an. Holmes schien meine Meinung aber nicht zu teilen. „Eher auszuschließen. Der Mann war erst Mitte 30 und – korrigieren Sie mich, sollte ich mich irren – sind ruckartige Anfälle ein Zeichen für einen Schlaganfall.“ Ich musste ihm rechtgeben. „Eine andere Möglichkeit wäre eine Gehirnblutung. Eine weniger wünschenswerte Alternative, immerhin würden die Ärzte im Krankenhaus dann nicht mehr an einer Bohrung des Schädels vorbeikommen, um so das Blut abzulassen.“ Diese Theorie verursachte zumindest ein kurzes Brummen seitens Holmes‘. „Sollte dies der Fall gewesen sein, so scheinen die Ärzte in diesem Fall darauf verzichtet zu haben. Der Mann ist heute in seinem Krankenbett gestorben. Die Todesursache scheint aber mysteriös und unklar zu sein.“ Nun verstand ich, was er mit einem neuen Fall meinte. „Sie vermuten keinen natürlichen Tod?“, wollte ich wissen, konnte mir die Frage aber eigentlich sparen. Ansonsten hätte dieses Ereignis niemals Holmes‘ Interesse geweckt. Er wollte bereits dazu ansetzen etwas zu sagen, als die Eingangsglocke läutete. Ich wollte bereits nach Mrs. Hudson rufen, bis mir einfiel, dass diese nicht zu Hause war. „Watson, wenn Sie so nett wären.“, sagte mein Freund an mich gewandt. Ich wollte ihm bereits vorwerfen, dass er zwei gesunde Beine besaß, gab aber wieder einmal nach und schritt die Treppe nach unten. Ich öffnete und stand einem jungen, schick gekleideten Mann gegenüber. „Dr. Watson. Es freut mich Sie wiederzusehen. Ist Mr. Sherlock Holmes zu sprechen?“, ließ sich dieser nicht lange Zeit. Ich musste gestehen ein paar Sekunden zu brauchen um mir das Gesicht des Mannes ins Gedächtnis zu rufen. Schließlich nickte ich mehrmals und ließ unseren Gast ein. Ich bot ihm an, mich um seinen Mantel zu kümmern, doch dieser lehnte ab. „Ich bin eigentlich auf dem Sprung. Ich möchte so schnell wie möglich mit Mr. Holmes sprechen.“, drängte er. Ich nickte und bat ihn mir zu folgen. Ich führte ihn in die Räume des Detektivs, welcher uns bereit erwartete. Mr. Woodrow, es ist einige Zeit her. Aufgrund Ihrer Kleidung und Ihres Auftretens schließe ich, dass Sie immer noch für meinen Bruder tätig sind.", sagte Holmes, als Frederic Woodrow auf ihn zukam, um ihm die Hand zu schütteln. Wir hatten Woodrow vor einiger Zeit kennengelernt, als ein Attentäter das Leben unseres Außenministers bedrohte. "Danke, dass Sie sich Zeit nehmen. Es geht um eine dringende Angelegenheit, die keinen Aufschub erlaubt", sagte Woodrow hastig. Mein Freund ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. "Und damit wollten Sie zum Ausdruck bringen, dass ich wohl alles stehen und liegen lassen soll, richtig?" fragte Holmes. Woodrow nickte eifrig. "Ja, Mr. Holmes. Das Empire ist in großer Gefahr und Ihr Bruder meint, dass nur Sie in dieser Angelegenheit helfen können.", sagte er. Holmes verdrehte die Augen. "Mr. Woodrow, wenn ich jedes Mal einen Penny erhalten hätte, wenn mein Bruder diese Worte an mich gerichtet hätte, könnte ich meine Profession als Detektiv inzwischen aufgeben und mich in Sussex zur Ruhe setzen.", sagte er. Der Agent setzte erneut an, hielt dann aber inne. Sein Blick fiel auf die ausgebreitete Zeitung vor ihm. Stirnrunzelnd blickte er uns abwechselnd an. "Sie… arbeiten bereits an dem Fall? Das ist ja großartig! Genau darum wollte ich mit Ihnen sprechen.", klang er nun etwas erfreuter. Holmes und ich tauschten Blicke aus. "Eigentlich arbeitet mein Freund gerade an gar keinem Fall. Der Artikel hat jedoch seine Aufmerksamkeit erregt. Kennen… Sie den Mann darin etwa?" fragte ich den Agenten. Dieser nickte aufgeregt. "John Hargreaves. Er war einer von uns. Also… er war Agent. Nicht in derselben Behörde wie ich, doch wir hatten miteinander zu tun. Wie Sie bereits der Zeitung entnehmen konnten, brach er einfach zusammen und starb einen Tag später im Krankenhaus." Nun wurde mir die Verbindung klarer. „Wir haben es also mit einem Mordanschlag an einem Agenten der britischen Krone zu tun?“, fragte ich verständnishalber. Woodrow wirkte bedrückt. „Mit zweien, werter Doktor. George Turner, ein weiterer Agent, der mit Hargreaves zusammenarbeitet, wurde vor wenigen Stunden bewusstlos in seinem Büro aufgefunden. Er zeigt dieselben Symptome wie sein Kollege und wurde umgehend ins Krankenhaus eingeliefert.“ Holmes verfolgte die Schilderungen mit Interesse. „Ist er ansprechbar? Kann er widergeben was ihm zugestoßen ist?“, wollte er wissen. Doch Woodrow musste ihn enttäuschen. „Leider nein. Wie bereits bei Hargreaves versuchten die Ärzte alles um ihn wieder aufzuwecken, doch er ist in ein tiefes Koma gefallen.“, verriet er. Holmes schien genug gehört zu haben. Er erhob sich und griff nach seinem Mantel. Woodrow wirkte erleichtert und erhob sich ebenfalls. „Sehr schön. Am besten suchen wir gleich Ihren Bruder…“, begann er, doch Holmes schnitt ihm das Wort ab. „Zuerst hätte ich gerne, dass Dr. Watson einen Blick auf den im Koma liegenden Mr. Turner wirft. Und am besten die Leiche des ersten Opfers begutachtet.“ Ich gab zu, mich von seiner Bitte etwas in die Enge getrieben zu fühlen. Ich war mir sicher, dass meine Kollegen im Krankenhaus bereits alle möglichen Tests durchgeführt hatten. Also was genau erwartete Holmes von mir? Ich wollte sein Vertrauen jedoch nicht enttäuschen und sagte zu, die beiden zu begleiten. Woodrow rief uns eine Droschke, die uns einmal erneut ins Sankt Bartholomew‘s Krankenhaus bringen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)