Der Feensammler von Shino-Tenshi ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Erneut saß er hier. Sie sah ihn an. Mit ihren kalten, grauen Augen und den peniblen schwarzen Dutt auf ihrem Kopf. Keine einzige Strähne hing heraus und sie überschlug ihre Beine. Der kurze, graue Rock wirkte semiprofessionell auf ihn und auch die schwarze Seidenstrumpfhose machte es nicht besser. Genauso wie das schwarze Jackett über ihrer weißen Bluse. So oft hatte er sie schon gesehen. Diese dünnen Lippen, die immer wieder die gleichen Sätze sprachen. Ihn davon überzeugen wollte, dass es keine Feen gab und er sich ihre Stimmen nur einbildete. Zumindest machte er sich darauf auch jetzt wieder gefasst, doch heute war etwas anders. Er hörte nicht mehr das Lachen seiner Eltern, wenn er ihnen die Feen gezeigt hatte. Spürte nicht mehr den Schmerz der Schläge seines Vaters, wenn er weiter darauf beharrte, dass es diese Wesen gab und jetzt saß er hier. Hier in diesem Zimmer mit der Frau, die ihn seit Monaten einmal in der Woche zu einem Gespräch einlud. Ihre erste Frage war normalerweise immer, ob er die Feen immer noch sah, doch heute lautete sie anders. Jetzt wollte sie wissen, ob er an dem Tod des Kindes schuldig war, das nur wenige Türen von ihm entfernt sein Zimmer hatte. Sie fixierte ihn und versuchte so jede seiner Regungen einzufangen. Er spürte, wie sie nach seiner Seele zu tasten versuchte, doch er sperrte sich wie immer ab. Niemand durfte diese Seele sehen. Keiner, der nicht auch an Feen glaubte und so verschränkte er seine Arme vor der Brust. Er konnte sich noch an das Flüstern der Fee erinnern und an die traurigen Augen des Kindes. Viel mehr jedoch an das Lachen, als die Fee endlich wieder frei war und auch an das Lächeln, das sich auf die Lippen des Kindes legte, als all die Schmerzen verschwanden. Die Frau vor ihm wartete auf seine Antwort. Fragte sogar noch einmal nach, doch er zuckte mit den Schultern und verneinte es. Er gab an, dass er dieses Kind nicht kannte und somit auch nicht wusste, wer ihm dies antun konnte. Laut der Frau war er aber einer der wenigen, der überhaupt die Medikamente bekam, die dieses Kind umgebracht hatten, doch auch darauf zuckte er die Schultern. Er brauchte seine Medikamente doch selbst. Warum sollte er sie sammeln und dann einem Kind geben? Schließlich war er doch total gestört und sprach wirres Zeug. Sie sah ihn an, als er plötzlich stoppte und versuchte zu verstehen, ob er die Wahrheit sagte oder ob er sie einfach nur anlog, doch er rührte sich nicht. Keine Regung huschte über sein Gesicht und sie starrte ihn an. Sekunden vergingen. Minuten. Sie schwiegen und er blieb regungslos. Dann plötzlich fragte sie ihn, ob er den Tod nicht traurig fand, doch er zuckte mit den Schultern und gab an, dass er das Kind ja nicht kannte. Kurz blätterte sie durch ihre Aufzeichnungen und entlockte ihm dann ein kurzes Zucken, als sie erwähnte, dass dieses Kind auch an Feen glaubte und sie nicht verstand, dass sie sich wirklich nie begegnet waren und nicht darüber sprachen. Schließlich hätten sie sich doch finden müssen, wenn ihre Worte wahr waren. Es ist das erste Mal in seinem Leben, dass er dieses beklemmende Gefühl in seiner Brust erwachen spürte und die Fee in ihm verstummte. Er schrie sie an, dass sie ihm sowieso nicht glaubte und auch dem Kind nie glaubte. Es würde auch nichts daran ändern, dass er es kannte. Was sollte er denn tun? Glaubte sie wirklich, dass er zu einem Mord fähig war? Das war doch lächerlich! Er baute sich vor ihr auf und plötzlich war dort ein anderes Funkel in ihren Augen. Der Hochmut und die Arroganz wichen auf einmal einer alles verschlingenden Angst und er begriff, wodurch er sich schlagartig beruhigte und wieder auf den Stuhl niederließ. In diesem Moment als das Kind starb, verstummte die Fee in ihm und er hatte sie seitdem nicht mehr gehört. Seine Medikamente waren täglich über eine Woche verschwunden. Vielleicht hatte das Kind sie ihm geklaut, aber dadurch dass er sie an sich nicht brauchte, hatte er sich keine Gedanken gemacht. Hätte er gewusst, dass dieses Kind sich damit umbringen wollte, dann hätte er es verhindert. Er wollte nicht, dass jemand starb. Tränen rannen über seine Wangen und er hörte das raue Kratzen des Stiftes auf den Papier, bevor sie ihm erörterte, dass er als geheilt gelten würde, wenn die Stimme nicht mehr zurückkam und er dann gehen konnte. Er nickte nur und hörte wie die Fee in ihm auflachte. Endlich hatte man ihm einen Weg in die Freiheit gezeigt und ihm wurde bewusst, was er damit machen würde. Dieses Kind hatte ihm eine Aufgabe gegeben, denn nur er schien sie zu hören. Die verzweifelten Schreie der Feen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)