Jägerpfade von Charly89 (Ein Horizon Zero Dawn MSP) ================================================================================ Kapitel 17: Überforderung ------------------------- „Sanya!“ Mir bleibt vor Schreck beinah das Herz stehen. Völlig verdattert sehe ich auf und kann es kaum glauben: die Frau hat nach mir gerufen. Aber … es darf doch niemand … Der Mann hält die Frau am Arm fest, die offensichtlich zu mir möchte. „Masha, du kennst das Gesetzt“, fährt er sie streng an. Die Frau dreht ruckartig den Kopf zu ihrem Begleiter. Selbst aus der Entfernung kann ich die Wut in ihren blauen Augen sehen. „Was ist dir wichtiger, das Gesetz oder dein eigenes Kind?!“, raunzt sie ihn an und reißt sich los. Kind? Kind?! Moment mal … „Sanya, Urmutter sei Dank dir geht es gut“, seufzt die Frau hörbar erleichtert. Sie geht vor mir auf die Knie, offensichtlich kämpft sie mit ihren Emotionen. Ihr Blick wandert über mich, inspiziert mich und bleibt kurz an der Verletzung am Oberarm hängen. „Mir geht es gut“, beschwichtige ich die Sorge der Frau. Nein, nicht einfach eine Frau, sondern Masha, offenbar die Mutter von Graik und Sanya. Sie streckt die Hände nach mir aus, scheint mich berühren zu wollen, traut sich aber nicht. Aus Mitgefühl heraus hebe ich meine, legen sie außen um ihre und drücke ihre Hände dann gegen meine Wangen. „Es geht mir wirklich gut“, versichere ihr erneut und sehe sie an. Mein Blick fällt auf die Kette, die vor der metallenen Brustplatte baumelt. Die kenne ich doch … „Wie geht es deinem Bruder?“, fragt mich Masha sanft und zieht ihre linke Hand unter meiner hervor. Sie berührt den Anhänger, der an meinem Handgelenk baumelt. Daher kenne ich ihre Kette! Sie sieht fast genauso aus, wie die, die ich gefunden habe. Sie gehört Graik? Zumindest entnehme ich das dem Umstand, dass sie in dem Zusammenhang nach ihm fragt. Hilfe, was sag ich der armen Frau? Offenbar weiß sie nicht, dass Graik gegangen ist, sonst würde sie wohl kaum nach ihm fragen. „Ihm geht es ebenfalls gut. Urmutter wacht über ihn, wie über uns alle“, erkläre ich beinahe flüsternd und lächle warm. Masha streicht sich einen der geflochtenen Zöpfe hinters Ohr. Ihre Haarfarbe ist dieselben wie die von Sanya. Nur eben älter und daher graumarmoriert. „Bleib im Becken. Die Carja haben sich ins Heilige Land geschmuggelt. Sie sind über die Berge gekommen, um Mutterkrone zu umgehen“, mahnt sie mich. Ich nicke. Von dieser Frau geht so viel Wärme und Fürsorge aus, dass mir beinahe die Tränen kommen. Masha nimmt ihren Speer, den sie vor lauter Wiedersehensfreude ins Gras hat fallen lassen und steht auf. Wie sie da so vor mir steht, ist sie eine stattliche Frau. Kriegerin, um genau zu sein. Zumindest entnehme ich das ihrem Outfit. Das grüne Leder um die Schultern und am dem recht langem Waffenrock, wirkt dick und robust. Die Metallplatten verdeutlichen, dass es sich hier um ein Kampf- und kein Sonntags-Outfit handelt. Masha schenkt mir ein Lächeln, dass nur Mütter können. Dieses besondere, dass Wärme, Liebe und Stolz vermittelt. Sie dreht sich um und geht zu dem wartenden Mann zurück. Dieser ist offensichtlich nicht begeistert von der ganzen Aktion, gleichzeitig ist er nicht weggegangen. Nach dem Gespräch vorhin zwischen den beiden, ist das der Vater der Geschwister? Sein Blick ruht auf Masha, und ausschließen auf ihr. Über seiner Schulter sehe ich einen großen Bogen, in dem ordentlich Handwerkskunst steckt. Ein Scharfschußbogen, wenn ich mich nicht irre. „Gebt auf euch acht“, rufe ich unvermittelt. Masha dreht sich zu mir, lächelt und nickt. Der Mann ignoriert mich weiterhin. Die beiden setzen ihren Weg fort und ich habe keine Ahnung, wie ich gerade mit all dem umgehen soll. „Danke“, flüstert es plötzlich. Ich zucke zusammen und sehe mich in alle Richtungen um. Woher kam denn das? Niemand ist zu sehen und … Die Stimme klang wie meine eigene … führe ich Selbstgespräche, ohne es zu merken? Ich werde verrückt, eindeutig. Ich sitze noch etwas in der Sonne und beginne dann mein Hab und Gut wieder zusammen zu packen. Ich ziehe mich wieder an, Oberteil, Stulpen, Weste und Waffenrock. Beim Bestücken meiner Tasche fällt mir die Metallplatte wieder in die Hände. Warum können die Geschwister die Sprache der Alten? Das verwundert mich wirklich sehr. Immerhin sind sie Nora und sollten alles meiden was mit der Metallwelt zu tun hat. Vielleicht erfahre ich es irgendwann, jetzt muss ich dringend zurück zu Aloy und Rost. Fertig gepackt und angezogen gehe ich los. Ich stiefle den Weg zurück, den ich gekommen bin. Als ich am Haus ankomme, hat die Sonne gerade die Gebirgsspitze erreicht, die Nacht bricht also bald herein. Das Haus selbst ist verwaist, weder Aloy noch Rost sind da. Da ich heute noch keinen konstruktiven Beitrag geleistet habe, schüre ich das große Feuer vor dem Haus an. Ich mache mir Sorgen. Hauptsächlich um Aloy. Wo bleibt sie nur? Der Himmel wird rot und der Mond ist bereits sichtbar. Ich gehe ins Haus und lege auch dort Holz nach, da geht unvermittelt die Tür auf. Herein kommt eine genervte Teenagerin, die den Korb, den sie trägt, direkt neben der Tür in die Ecke pfeffert. Sie stöhnt hörbar frustriert. „Alles gut?“, frage ich vorsichtig nach. „Nein“, werde ich angemault, „Grata hat mich den ganzen Tag durch die Gegend gescheucht!“ Okay, da ist jemand richtig gereizt, wie es scheint. Ich sollte aufpassen, was ich sage. „Warten wir noch auf Rost?“, frage ich nach, während ich etwas Brot und Fleisch heraushole. Es ist noch Eintopf da, aber für alle dürfte er nicht reichen. „Da kannst du lange warten“, nörgelt Aloy. „Der kommt erst in ein paar Tagen wieder.“ Vor Entsetzen wäre mir beinahe das Fleisch aus der Hand gefallen. „In ein paar Tagen?“, hake ich nach. „Sagte ich doch“, kommt es patzig zurück. Das erklärt, warum er heute Morgen wie ein Packesel los ist. „Macht er das öfter?“, frage ich weiter, auch auf die Gefahr hin, dass der Teenager gleich explodiert. Aloy dreht sich zu mir und sieht mich an. Ich sehe das „Fick dich“ in ihrem Blick. „Ich bin doch kein Baby, dass man nicht allein lassen kann!“, faucht sie mich an. Sorry, dass ich wissen wollte, ob das etwas Ungewöhnliches ist, weil hier ständig lauter ungewöhnliche Dinge passieren. Ich meine, Hey, sieh mich an. Aloy stapft kommentarlos in den Nebenraum und knallt die Tür. Ich bleibe zurück und seufze. Vielleicht ist Rost deswegen ein paar Tage weg? Könnte ich verstehen. Wortlos packe ich Fleisch und Brot zurück. Ich nehme den Korb hoch, den Madame so freundlich in die Ecke geknallt. Der Inhalt ist Obst, zumindest sieht es so aus. Wo hat sie das denn her? Ich könnte fragen, aber, nein. Ich hänge den Topf über das Feuer und setze mich. Das Holz knistert, ansonsten herrscht Stille. Meine Reisepläne, auch wenn ich explizit keine hatte, lege ich erstmal auf Eis. Aloy kann ich nicht allein lassen, das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Aber es gibt mir vielleicht Zeit, eine Reise vorzubereiten. Will ich das? Zum Grabhort? Nicht wirklich. Ich bin hier im Becken schon zwei Mal beinahe gestorben, was soll das da draußen werden? Außerdem wäre ich zu Fuß ewig unterwegs. Mein Blick fällt auf meine Tasche. Puschel-Bommel ist noch da drinnen. Der Läufer wäre eine gute Möglichkeit die Reisedauer zu verkürzen. Vorausgesetzt ich bekomme ihn handzahm. Ich stöhne und lege den Kopf in den Nacken. Mir wird gerade bewusst, dass ich den Läufer ja aus dem Becken bekommen müsste, um auf ihm zum Grabhort zu reiten. Und das ohne, dass es jemand merkt. Wie hoch steht die Chance, dass das funktioniert? Die Wahrscheinlichkeit das Sylens morgen früh vor der Tür steht ist wahrscheinlich höher. Uff. Lassen wir das, ich bekomme Kopfschmerzen. Der Eintopf blubbert und ich rufe in die Stille, dass das Essen fertig ist. Ich befülle zwei Schüsseln und eine wütende und beschämte Aloy taucht auf. Das ist so ein Gemütszustand, den man auch nur als Teenager hinbekommt. Wütend sein und sich gleichzeitig dafür schämen. Wir essen schweigend, bis die Teenagerin sich plötzlich entschuldigt. Verdutzt sehe ich auf. Ich würde gern fragen, für was genau sie sich gerade entschuldigt, aber ich belasse es bei einem Nicken und Schweigen. Na gut, nicht ganz. „Ich wollte vorhin nicht deine Fähigkeiten in Frage stellen“, erkläre ich, „Ich wollte nur wissen, ob er solche längeren Ausflüge öfter macht.“ Aloy seufzt und kratzt sich im Nacken. „Ich weiß“, murmelt sie kleinlaut in ihre Schüssel. „Manchmal ist er für etwas länger weg“, sagt sie nach einer Weile schließlich. „Er kommt aber eigentlich immer am nächsten Tag wieder.“ „Okay“, sage ich ruhig. Wir essen zu Ende und Aloy verschwindet wieder. Ich gehe nach draußen und wasche den Topf ordentlich aus. Kaum, dass ich danach auf der Pritsche liege, fallen mir schon die Augen zu. Das war wirklich ein harter Tag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)