Jägerpfade von Charly89 (Ein Horizon Zero Dawn MSP) ================================================================================ Kapitel 18: Blutsbande ---------------------- Im nächsten Moment rennen ich in begeistert eine Wiese entlang. Ich spüre unbändige Freude und wie ich übers ganze Gesicht strahle. Warum? Keine Ahnung. Interessiert mich im Moment auch nicht. Nachdem schrecklichen Tag ist das hier echt großartig und Balsam für die Seele. Es ist warm und die Sonne strahlt kräftig vom azurfarbenen Himmel. „Du bist zu langsam“, werde ich lachend aufgezogen. Ein jugendlicher Graik zieht an mir vorbei. Er strahlt ebenfalls und scheint ganz aus dem Häuschen zu sein. „Das werden wir sehen!“, gebe ich kämpferisch von mir und beschleunige noch etwas. Wir rennen um die Wette, lachen und freuen uns. Graik ist immer etwas vor mir. Er ist größer wie ich und auf Grund seiner wachsenden, männlichen Physiologie auch schneller. Aber er zieht nicht davon, er bleibt immer in meiner Nähe. In einiger Entfernung sehe ich eine Frau stehen. Ihre Silhouette kommt mir vertraut vor, dennoch bekomme ich sie nicht sofort zugeordnet. „Mutter!“, ruft Graik um uns anzukündigen. Tatsächlich, die Frau da vorn ist Masha. Sie ist deutlich jünger, wie die, die ich heute gesehen habe. Nun gut, wenn ich Graik so ansehe, sind er und ich etwa 14 Jahren, also auch um einiges jünger. „Da seit ihr ja endlich“, begrüßt uns Masha mit einem warmen Lächeln. „Sanya war zu langsam“, stichelt Graik grinsend. „Hey!“, beschwere ich mich und boxe ihn gegen den Oberarm. „Spart euch eure Kräfte für das was vor euch liegt.“ Unsere Mutter macht eine Geste hinter sich. Wir stellen uns an ihre Seite. Vor uns ist eine Ebene mit einigen Bäumen. Das hohe Gras ist dürr und trocken, als hätte die Sonne schon Wochen damit verbracht ihm den Saft zu entziehen. Doch das eigentlich interessante läuft ruhig zwischen den Bäumen umher. „Läufer“, flüstert Graik begeistert. „Ja“, bestätigt Masha. „Die Erprobung ist nicht mehr allzu weit entfernt, es wird also Zeit. Ihr dürft heute eine Maschine jagen – allein.“ Zeitgleich drehen Graik und ich unsere Köpf zu unserer Mutter. „Allein?“, frage ich erstaunt. „Ihr dürft natürlich zusammen arbeiten. Aber, es wird eure Jagd sein. Ich werde hier bleiben und ein Auge auf euch haben“, erklärt Masha. Graik ist begeistert und strahlt noch mehr wie ohnehin schon. Ich persönlich weiß gerade nicht so recht, aber mein Körper schüttet bereits Endorphine und Adrenalin aus. Dem entnehmen ich, dass Sanya sich offenbar genauso wie ihr Bruder darüber freut. Kopf und Körper sind nicht im Einklang. So ganz und gar nicht. Das fühlt sich merkwürdig an. Aber das kenne ich inzwischen ja irgendwie. Zumal mir gerade bewusst wird, dass ich offenbar wieder in einem Klar- oder Erinnerungstraum bin. Langsam bekomme ich den Eindruck, dass mir diese Träume helfen sollen zu verstehen was los ist. Keine Ahnung wer dafür verantwortlich ist … Ob es Sanya selbst ist? Oder irgendetwas Höheres? „… dennoch ist es gefährlich. Genügend Jäger waren schon unvorsichtig und sind von einer panischen Maschine niedergetrampelt worden“, erklärt Masha. „Wir werden aufpassen, Mutter“, beschwichtigt Graik. „Außerdem haben wir uns“, füge ich an, ohne zu wissen warum. „Wir passen immer aufeinander auf.“ Graik und ich sehen uns an und grinsen. Hilfe, sind die zwei süß. Es bestätigt vor allem, was ich die ganze Zeit vermutet habe. Die beiden sind richtige Zwillinge, die durch dick und dünn miteinander gehen. Gingen, korrigiere ich mich im nächsten Moment. Sanyas Bruder ist nicht mehr da. Was ist passiert, dass er diesen Schritt gegangen ist? Das kann mir niemand mit schlichtem „Erwachsen-Werden“ erklären. Schuldgefühle? Das wäre eine Erklärung, und würde zu seiner Nachricht passen. Ist er für die Verbannung verantwortlich? „Komm‘ schon“, fordert Graik und packt mich am Arm. Er zieht mich hinter sich her, runter auf die Ebene und zu einem Baum, hinter dem wir in Deckung gehen. „Jagen wir zusammen?“, fragt er mich im nächsten Moment. Unbedingt, denke ich. Aber mein Körper scheint direkt eine Abwehrreaktion zu starten. Ich spüre Trotz in mir hochkommen und ohne das ich Einfluss habe, sage ich: „Nein, lass uns getrennt jagen.“ Graik lacht leise und amüsiert. Er grinst und strahlt mich an. „Immer noch sauer?“, fragt er spielerisch. Offenbar, auch wenn ich nicht weiß warum. Zumindest spüre ich Zustimmung und strecke ihm die Zunge raus. „Dir werde ich es zeigen.“ „Pass auf dich auf“, flüstert Sanyas Bruder und huscht im Schutz des hohen Grases davon. Ich sehe um den Baum herum. In einiger Entfernung stehen drei Läufer die friedlich grasen. Mir fallen Mashas Worte wieder ein und ich grüble einen Moment. Das hier ist einige Zeit her, so zwölf Jahre vielleicht? Das bedeutet das GAIA noch existiert oder ihre Selbstzerstörung noch nicht lang her ist. Diese Maschinen laufen dementsprechend noch mit dem alten Programm, sie werden also nicht angreifen. Dafür aber panisch flüchten, sobald sie mich sehen. Ich nehme meinen Bogen vom Rücken und einen Pfeil aus meinem Köcher. Los geht’s. Nicht. Ich bin nervös und mache mir Sorgen. Für einen Moment schließe ich die Augen und atme durch. Das hier ist Vergangenheit, und ein Traum, rede ich mir ein. Mir kann nichts passieren, außerdem sind die Ereignisse vorbestimmt. „Auf geht’s“, murmle ich und öffne die Augen wieder. Ich schleiche in gebeugter Haltung los, hin zu einem anderen Baum der näher an den Läufern ist. Ich nehme den, der mir an nächsten steht, ins Visier. Langsam und leise schleiche ich im Schutz des hohen Grases noch etwas näher heran. Ich stabilisiere meine hockende Haltung in dem ich mein rechtes Knie auf den Boden drücke und spanne dann den Bogen. Die Pfeilspitze zeigt auf den Läufer, auf die Energiezelle auf seinem Hintern. Schieß doch, denke ich, aber nichts passiert. Ich habe keine Ahnung, ob ich das Problem bin oder ob Sanya zweifelt. Aber wir hocken da, den Bogen gespannt, das Ziel im Visier und nichts passiert. Der Läufer hebt plötzlich den Kopf und sieht mich. So stehen wir da und starren uns an. Was ist los? Programmabsturz? Ist das Bild eingefroren? Warum passiert nichts? Mich erinnert das irgendwie an die Situation mit „meinem“ Läufer. Wir sehen uns an und die Zeit scheint still zu stehen, keiner von uns tut etwas. Aber warum zögert Sanya? Es ist doch nicht ihre erste Maschinenjagd. Woher kommen plötzlich die Zweifel, die ich deutlich spüre? Der Läufer gibt plötzlich einen hohen Ton von sich. Auch ohne viel Ahnung verstehe ich, dass es ein Warnsignal für die anderen Maschinen ist. Sofort setzten sich alle Läufer in Bewegung, ohne überhaupt nachzusehen was los ist. Mist! Schieß doch endlich! Tatsächlich surrt der Pfeil durch die Luft, als der Läufer sich gerade dreht. Mit einer für mich unvorstellbaren Wucht trifft er sein Ziel am Kopf und bringt die Maschinen zu Fall. Sofort habe ich den nächsten Pfeil auf der Sehne und schieße erneut, diesmal auf die vorher anvisierte Energiezelle. Mit einem elektronstatischem Brizeln löst sie sich und fliegt davon. Der Läufer rappelt sich schwerfällig auf und will fliehen, aber er ist zu sehr beschädigt. Das was er da macht wirkt unkoordiniert, er taumelt und scheint seine Bewegungen nicht in Einklang bringen zu können. Der nächste Pfeil zischt durch die Luft, die zweite Energiezelle verabschiedet sich und die Maschine fällt reglos zu Boden. Woah, dass war krass. Und gleichzeitig fühle ich mich beschämt und unwohl. Aber Sanya ist spürbar happy und stolz. Ich gehe zu der reglosen Maschine und stehe dann unschlüssig neben ihr. Ich höre Graik in der Ferne, der mit hörbaren Begeisterung offenbar gerade ebenfalls einen Läufer zur Strecke bringt. Ich spüre plötzlich Zweifel in Sanya. Sie ist scheinbar nicht so ganz okay mit dem hier. Was ich verstehen kann. Das Maschinen jagen ist ein essenzieller Bestandteil der Nora-Kultur, aber wie ehrenvoll ist sie? Eigentlich gar nicht. Die Maschinen fliehen, wehren sich nicht. Sie haben den Menschen nichts getan, trotzdem werden sie gejagt und zerlegt. Und ihre Teile werden für Waffen genutzt, die wiederum zum Maschinen jagen genutzt werden. Als würde man Rehe schießen um aus ihnen Kugeln zu machen. Natürlich werden nicht alle Kugeln wieder zum Rehe schießen genutzt, aber der Großteil schon. Und es würde damit begründet, dass man noch mehr Kugeln braucht. Um am Ende noch mehr Rehe zu schießen. Was sagt uns das? Der Mensch ist eine extrem destruktive Spezies, selbst in der 2.0-Variante wie in dieser Welt. Vielleicht liegt HEPHAESTUS gar nicht so falsch mit dem was er in den nächsten Jahren tut … Und vielleicht ist auch HADES Einschätzung nicht von der Hand zu weisen … „Sehr gut“, werde ich von hinten gelobt. Ich drehe mich um und sehe Masha auf mich zu kommen. „Nur drei Schüsse. Das war großartig und bekommt manch einer in seinem ganzen Leben nicht zur Vollendung“, sagt Sanyas Mutter mit deutlichem Stolz in der Stimme. Sie stellt einen Korb neben die Maschine. „Zerlege sie nun und lege alles brauchbare hier hinein.“ „Mache ich, Mutter“, sage ich ruhig. Masha geht mit dem zweiten Korb in die Richtung, aus der ich vorhin Graik gehört habe. Geübt zerlegen ich den Läufer. Metallbehälter, Platten, sogar einen Lohebehälter demontiere ich. Die beiden Energiezellen sammle ich anschließend aus dem Gras. Gerade als ich fertig bin, tauchen Masha und Graik auf. „Hey“, ruft Sanyas Bruder. „Du hast es geschafft.“ „Natürlich“, motze ich amüsiert zurück. „Ich bin der bessere Schütze, dass weißt du.“ „Ganz der Vater“, mischt sich Masha lachend mit ein. Ich spüre Sanyas Freude und Stolz die diese Worte auslösen. „Ihr habt das gut gemacht“, lobt uns Masha. „Es könnte etwas ruhiger sein“, merkt sie in Graiks Richtung an, „Und etwas überzeugter“, gibt sie in meine Richtung. Wir nicken synchron. „Ich habe etwas für euch“, erklärt die Nora anschließend geheimnisvoll. Sie geht in die Hocke und wir tun es ihr gleich. Sie öffnet ihre Tasche und holt einige Dinge heraus. „Mein lieber Sohn, das hier ist für dich.“ Masha reicht Graik eine Kette, ähnlich derer die sie selbst um den Hals trägt. Ich erkenne das gute Stück sofort. Es ist die Kette, die ich erst heute in den Ruinen gefunden habe. „Und auch das hier.“ Sie reicht einen klobigen Schlüsselbund an ihren Sohn. Das Ding ist verrostet und nicht schön anzusehen. Trotzdem kommt er mir bekannt vor. All die Schlüssel, die Art wie sie zusammen gefügt sind um sie bei Bedarf wieder zu trennen … Das ist meiner! Das ist mein Schlüsselbund, nur in alt und gammelig. Was hat das zu bedeuten? Graik bedankt sich und nimmt seine Geschenke begeistert in Augenschein. „Nun zu dir, meine Tochter.“ Ich reiße mich von Sanyas Bruder los und sehe zu Masha. Sie reicht mir eine Tasse. Ich mustere das verlotterte Ding. Man erkennt noch schemenhaft den Aufdruck, der mir vertraut vorkommt. Das ist … ein Evoli. Ein Evoli unter dem ein Schriftzug ist. „Welcher ist dein Typ?“ steht da eigentlich, aber das ist so verblasst das man es nicht mehr lesen kann. Und rundherum sind die Bilder der unterschiedlichen Entwicklungen … So eine Tasse habe ich von meiner besten Freundin geschenkt bekommen vor einer Weile. Oder diese? Es ist offenbar auch mein Schlüsselbund, womöglich ist das hier dann auch meine Tasse …? „Und dies hier“, sagt Masha und reicht mir einen Fokus. Ein Fokus! Als wäre das alles nicht schon merkwürdig genug, weil Nora nicht in die Ruinen dürfen, bekomme ich einen Fokus. „Woher …?“, stammle ich überrascht und ungläubig. Masha lächelt mysteriös und zwinkert mir zu. „Die habe ich von eurer Ururgroßmutter.“ Erbstücke? Das erklärt trotzdem nicht wirklich viel. Woher hatte sie denn unsere Ururgroßmutter? Ach egal, vielleicht sollte ich aufhören ständig alles zu hinterfragen … Trotzdem finde ich es eigenartig, dass es ausgerechnet meine Sachen sind. Oder vermischen sich hier meine und Sanyas Erinnerungen? „Ich bringe die Teile nach Mutterherz“, erklärt Masha und klemmt sich die Körbe unter die Arme. Sie schenkt uns nochmals ein warmes Lächeln und geht dann. Ich lasse den Fokus fasziniert durch meine Finger wandern. „Du solltest es lieber nicht nutzen“, murmelt Graik. „Es könnte gefährlich sein.“ Ich sehe ihn fragend an. „Er könnte deinen Kopf explodieren lassen“, fotzelt er. „So viel Glück werde ich nicht haben“, kommentiere ich trocken und wir lachen. Graik bindet sich die Kette um und betrachtet den Anhänger eingehend. „Mein Geschenk ist wenigstens hübsch“, kokettiert er. „Du hast etwas Hübsches auch bitternötig“, stichle ich. Wir lachen herzlich und albern noch etwas herum. „Ob er funktioniert?“, fragt Graik nach einer Weile, als ich wieder den Fokus in der Hand habe. „Es gibt nur einen Weg das heraus zu finden“, sage ich leise und klemme ihn mir ans Ohr. Es surrt und das gute Stück springt an. Genau wie beim ersten Klartraum öffnen sich Menüs und Co. Alles traumbedingt unleserlich. Mein Blick fällt plötzlich in die Ferne. Da steht jemand und beobachtet uns. Das ist … der Kerl der zur Segnungszeremonie neben uns stand. Ich tippe Graik mit dem Ellenbogen an und deute mit dem Kopf in die Richtung. Sanyas Bruder kommt der Aufforderung nach. „Ah, Grish. Der sagt schon nichts“, meint er und winkt dem Typen zu, dass er zu uns kommen soll. Als er nähert kommt, fällt bei mir plötzlich der Groschen. Das ist der creepy Händler! Du meine Güte, wie passt der denn jetzt ins Bild? „Hey, ihr beiden“, grüßt uns Grish freundschaftlich, als er ankommt. Ich bin mir unsicher. Er ist jetzt so freundlich und nett, trotzdem habe ich seinen wirklich gruseligen Auftritt von vor drei Tagen noch deutlich im Kopf. Wir setzen uns an ein Lagerfeuer auf einer kleinen Anhöhe und reden über unsere Geschenke, die Grish wirklich sehr zu interessieren scheinen. Mein Blick geht kurz in die Ferne und ich sehe jemanden, der mir durchaus ebenfalls bekannt ist. Das ist Rost, der da in einiger Entfernung läuft. Mit einem Tragegestell auf seinem Rücken, dass ich so nur von Eltern mit Babys kenne … Ich versuche mir einen Reim darauf zu machen, aber die gesamte Szene dimmt sich runter und ich werde in warmes Dunkel gehüllt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)