Jägerpfade von Charly89 (Ein Horizon Zero Dawn MSP) ================================================================================ Kapitel 9: Zurück zur Basis --------------------------- Ich stehe da und beobachte die Maschinen. Bei einigen kann man immer noch erahnen für welche Aufgabe sie mal ursprünglich konzipiert waren. Sturmvogel und Schnappmaul sieht man in einer der Zwischensequenzen, als GAIA und das Terraforming erklärt werden und waren für die Reinigung von Luft und Wasser zuständig. Bei den Lanzenhörnern und all ihren „Unterarten“ vermute ich mal, dass sie dafür erschaffen wurden, um den Boden urbar zu machen, genau wie beim Behemonth. Bei dem könnte ich mir sogar vorstellen, dass er ursprünglich für die „Strukturierung“ ganzer Landstriche nötig war. Ich meine, das Ding ist groß genug und hat genügend Wumms, um ganze Berge zu versetzen oder Flussbetten auszugraben. Aber wofür waren die Läufer und deren „Unterarten“? Ob sie für die Fauna da waren? Haben sie ursprünglich Pflanzen „aussortiert“, damit die richtigen wuchsen oder es generell nicht zu viele wurden? Denn tatsächlicher Weise kann ich sehen, dass sie wirklich äsen. Sie rupfen Pflanzen aus dem Boden und kauen sie. Sie essen sie sie nicht, sondern spuken sie wieder aus, aber ich könnte mir gut vorstellen, dass diese Regulierung der Faune früher wahrscheinlich von Nöten war. Ohne Tiere, die die Pflanzen als Nahrung genutzt haben, wäre vermutlich ein Übermaß entstanden, dass der Boden gar nicht hätte versorgen können. Und die zerkauten Pflanzen, die die Maschinen zurücklassen, dienen gleichzeitig als Dünger; wie bei Tieren der Kot. Ein durch Maschinen nachgeahmter Kreislauf … Einer der Läufer, der, der mir am nächsten ist, hebt plötzlich den Kopf und sieht sich um. Sein Blick fällt auf mich und ich halte die Luft an. So stehen wir da und sehen uns an. Läufer sind grundlegend nicht aggressiv, solange man sie in Ruhe lässt, aber trotzdem habe ich ein mulmiges Gefühl. Es ist eine Maschine, über deren programmiertes Verhalten ich nichts weiß. Sie haben ein Verhaltensrepertoire, dass recht „natürlich“ wirkt, aber was genau zählt dazu? Da wir uns hier vor dem Game befinden, weiß auch nicht, inwieweit ein durch HEPHAESTUS einprogrammiertes negativ Verhalten Menschen gegenüber bereits vorhanden ist. Falls nicht, besteht die Chance, das Vertrauen von so einer Maschine zu gewinnen? Sie vielleicht sogar „zu zähmen“? Also, ohne ihr Programm zu überschreiben oder modifizieren, sondern auf „natürliche“ Art? Aber wie macht man das? Mit Futter locken funktioniert wahrscheinlich eher nicht. Aber die Maschinen haben gelernt, dass der Mensch ein Feind ist, vielleicht könnte man da einhaken? Ihr zeigen, dass man sie nicht töten will oder so … „Hey!“, brüllt es plötzlich empört. Verdammt! Ich war doch eigentlich mitten im Rennen mit Aloy! Das habe ich jetzt aber mal richtig vergeigt. „Sorry“, rutscht mir unbewusst raus und ich ernte ein verdutzes „Was?!“ als Reaktion. Ich klettere den Baum runter und habe eine recht wütende Teenagerin vor mir. Und dass, obwohl sie gewonnen hat. „Wenn du es nicht ernst nimmst, macht es keinen Sinn“, zickt sie mich an. „Tut mir leid, ich habe die Läufer-Herde weiter oben am Bach gesehen und das hat mich abgelenkt“, erkläre ich möglichst ruhig, während wir zum Lager zurücklaufen. „Die von vorhin?“, fragt mich Aloy direkt, mit zu viel Begeisterung für meinen Geschmack. „Ich denke ja.“ Ich kratze mich grübelnd am Kopf. „Wir müssen einen anderen Weg zurück zum Haus nehmen.“ „Aber …“ „Nein“, schneide ich ihr ziemlich forsch das Wort ab und werfe ihr einen deutlichen Blick zu. „Wir gehen nicht Maschinen jagen.“ Aloy funkelt mich sauer an und stapft wortlos davon. Teenager! Hoffentlich wird mein Sohn nicht auch so … Mein Herz krampft kurz bei dem Gedanken und ich verscheuche ihn schnellstmöglich. Ich treffe einige Augenblicke später am Lager ein und beobachte, wie die Teenagerin wütend die Sachen zusammenpackt. Ich könnte etwas sagen, aber ich lasse es, weil ich ebenfalls wütend bin, wegen ihrer übertriebenen Reaktion. Im stillen Zorn räumen wir alles in die Taschen und Körbe und machen uns auf den Weg. Wir nehmen einen Pfad zwischen den Felsen hindurch, der uns die Konfrontation mit den Läufern erspart. Wir kommen nach einigen beschwerlichen Meter wieder auf dem Weg an, der uns ins Tal geführt hat. Ich stelle mich auf einen Vorsprung am Rand und sehe hinunter. Da steht die Herde immer noch und geht ihrem programmierten Verhalten nach. Und das bringt mich plötzlich zu einer Frage: Wie ausgeklügelt und individuell ist das? On point hebt einer der Läufer den Kopf. Er sieht nach rechts, nach links und dann unvermittelt nach oben, zielsicher in meine Richtung. Ich kann nicht sagen, ob das der gleiche wie vorhin ist, aber ich vermute es aus irgendeinem Grund. „Was ist?“, fragt mich Aloy, die sich neben mich gestellt hat. „Ich denke nach“, erkläre ich vage. „Über die Läufer?“, hakt sie skeptisch nach. Ich nicke bestätigend. „Ja. Darüber, ob man sie vielleicht zähmen könnte.“ Ich bin mir bewusst, dass ich mich damit gerade weit aus dem Fenster des gesunden Nora-Verstands lehne, aber vielleicht erfahre ich damit etwas. Zum Beispiel, wie verrückt und absurd die Idee wirklich ist und ob sie vielleicht schon jemand vor mir hatte. „Zähmen? Bist du verrückt?“ Die Teenagerin sieht mich mit großen Augen an. „Hast du nie darüber nachgedacht, wie nützlich das sein könnte?“, frage ich. „Nützlich?“ Die Teenagerin sieht in das Tal hinunter und beobachtet die Läufer. Man kann ihr ansehen, dass sie ernsthaft über meine Frage nachdenkt. „Sie werden nie müde“, murmelt sie nach einigen Minuten, „Und brauchen weder Futter noch Wasser.“ „Klingt ziemlich praktisch, oder?“, werfe ich ein wenig unbedacht in das Gespräch. „Und sie können schwere Dinge transportieren und ziehen.“ Der Läufer, der die ganze Zeit zu uns, mir?, hochgesehen hat, läuft eine Runde im Kreis und schüttelt den Kopf und sieht wieder zu uns hoch. Er wirkt … unruhig? Neugierig? „Ist dir nie aufgefallen, dass sie sich alle ein bisschen unterschiedlich verhalten?“, frage ich die Teenagerin. Und ja, ich frage das wirklich, nicht rhetorisch, obwohl ich versuche es so klingen zu lassen. Ich kenne nur das Verhalten der Maschinen im Spiel und das war immer gleich, was logisch ist, aber das hier ist „real“ und damit einfach anders. „Ja schon“, bestätigt sie mir. „Aber was für eine Rolle spielt das?“ „Weiß ich noch nicht …“, flüstere ich vor mich hin und beende das Gespräch damit. Ich will Aloy keine Flöhe ins Ohr setzen. Ich gehe tatsächlich davon aus, dass jede Maschine ein kleines KI-Programm besitzt. Anders würde das nicht funktionieren bei der Masse an Maschinen, oder? Wie viel I steckt also in der KI? Jede muss in der Lage sein, eigenständige Entscheidungen zu treffen, bedeutet das jede ein Individuum ist, was mir Aloy ja indirekt bestätigt hat. Wenn man die „richtige“ Maschine findet, die zugänglich, neugierig und halbwegs freundlich ist, könnte man sie wirklich zähmen? Auf dem Weg den Berg wieder hoch, und das auch noch vollgepackt mit zusätzlichem Gewicht, schweigen wir weitestgehend. Nicht, weil wir noch wütend aufeinander sind, sondern einfach, weil wir unsere Luft für besseres brauchen. „So ein Läufer wäre wirklich praktisch“, schnauft die Teenagerin kurz vor dem Gipfel. Ich muss lachen, was nicht hilfreich ist, wenn man vollgepackt einen Berg hochmuss. „Sag ich doch“, schnaufe ich zurück. Es geht noch einige Meter und plötzlich höre ich jemanden vom Ende des Pfades meinen Nora-Namen rufen. Ich bleibe abrupt stehen und Aloy vor mir auch. Es ist definitiv nicht Rost der da ruft, die Stimme hier ist heller und irgendwie jünger. Und sie ruft meinen Namen, was mich extrem misstrauisch macht. Ich bin eine Ausgestoßene, niemand des Stammes darf mit mir reden: wer sucht mich da also so lautstark? Ich sehe den Pfad entlang und entdecke oben am Ende einen Mann. Er scheint etwa in Sanyas Alter zu sein, vielleicht ein paar Jahre älter. Sein Haar ist kurz, sein Gesicht glatt soweit ich das von hier aus beurteilen kann. Er ist auf etwas gestützt, dass wie eine aus Maschinenteile zusammengesetzte Krücke wirkt. Wer zum Teufel ist das und was will er von mir? Der Unbekannte winkt und ich gehe langsam auf ihn zu – hauptsächlich, weil ich keine Wahl habe, er steht nämlich auf dem einzigen Zugang zu Rosts Haus. Eher aus einem unbewussten Reflex heraus greife ich nach Aloy, die etwas vor mir läuft und ziehe sich leicht zurück. Ich möchte sie lieber hinter mir haben, nur zur Sicherheit. „Sanya! Endlich habe ich dich gefunden!“, spricht mich der Mann an, als wir nur noch einige Schritte entfernt sind. „Offensichtlich“, antworte ich möglichst vage und mustere den Unbekannten. Mit Ende 20 dürfte ich sein Alter ganz gut geschätzt haben. Seine dunkelblonden Haare sind kurz und er hat einen leichten Dreitagebart. Er trägt die übliche blaue Bemalung im Gesicht. Auf seinem Rücken sehe ich einen großen Korb, der voll mit allerlei Krimskrams ist, und vor seinem Bauch ein Brett – ich tippe mal darauf, dass er ein Händler ist. Ein NPC? Ich kann mich nicht erinnern einen mit einer Gehhilfe gesehen zu haben. Und ich war unfassbar viel und ausgiebig im Nora-Gebiet unterwegs in meinem ersten Spieldurchlauf, also hätte ich auf ihn treffen müssen, wenn er denn da gewesen wäre. „Wo ist dein Bruder?“, fragt er mich ohne Umschweife und fast schon vorwurfsvoll. Mein ohnehin vorhandenes Misstrauen verstärkt sich und ich bin doppelt auf der Hut. „Warum willst du das wissen?“ Meinen abweisenden Ton scheint er aber gar nicht zu registrieren. „Er hat etwas … etwas das mir gehört.“ Er macht zwei Schritte auf uns zu, was trotz Krücke sehr unsicher wirkt. „Etwas, das er mir geben sollte.“ „Geben sollte“, wiederhole ich. „Klingt für mich eher so, als hätte es noch nie dir gehört.“ „Haarspalterei!“, regt sich der Mann auf und wedelt mit der Hand. „Er hat es mit versprochen.“ Mir ist das alles suspekt und ich nutze die Chance, während er sich aufregt und schiebe Aloy schnell an dem Mann vorbei, und mich ebenso. Ich drehe mich nochmal zu ihm um. „Keine Ahnung, was du und mein Bruder zu schaffen haben, aber er ist nicht hier bei mir, also lass mich in Ruhe.“ „Ich will doch nur wissen, wo er ist“, brüllt mir der Unbekannte hinterher. Ich schiebe Aloy vor mir her und versuche so viel Abstand wie möglich zwischen uns und den Mann zu bringen. „Wer war das?“, fragt mich Teenagerin, nachdem er nicht mehr zu sehen ist. „Ich habe keine Ahnung“, antworte ich ehrlich. „Ich hatte gehofft, dass du mir das sagen kannst.“ Sie schüttelt den Kopf. „Ich habe den noch nie gesehen.“ Mist, ich habe wirklich auf sie gehofft, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Nun gut, dann eben nicht. Was war das da eben? Hat Sanyas Bruder irgendwelche Schulden hinterlassen? Ist der Mann gefährlich? Ja, er ist mit einer Krücke unterwegs, aber das muss nichts bedeuten. Gefahr kann viele unterschiedliche Gesichter haben. Mit der richtigen Lüge an der richtigen Stelle, kann man das Leben eines Nora zerstören oder für immer beenden. Ich fühle mich überfordert und unwohl mit den Geschehnissen von eben und bin heilfroh, als Rosts Hütte endlich zwischen den Bäumen auftaucht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)