Jägerpfade von Charly89 (Ein Horizon Zero Dawn MSP) ================================================================================ Kapitel 2: Eine neue Welt ------------------------- „Was ist nur in dich gefahren?“, werde ich vorwurfsvoll gefragt. Ich sehe den Mann an und kann es kaum glauben. „Rost?“, frage ich dümmlich. „Wäre dir ein Wächter lieber gewesen, Sanya? Oder ein Mitglied des Stammes?“ Sanya? Wer ist Sanya? Ich bin noch verwirrter wie eben. Aber der Mann vor mir ist definitiv Rost. Der gute Rost, mit seinem langen geflochtenen Vollbart, dass jeder Wikinger blass daneben wirkt. „Komm jetzt“, fordert er mich auf und läuft los. Ich tapse hinterher. Offenbar ist mein Name Sanya. Und offenbar kennen Rost und ich uns. Nun gut, ich bin eine Nora, also ist das nicht verwunderlich. Auch wenn er kein offizielles Mitglied mehr ist, ist er bekannt und hat immer noch Verbindungen über die er Informationen bekommt. „Was machst du hier draußen?“, fragt mich der verstoßene Mann mit einer Mischung aus Sorge und Vorwurf. „Ich“, beginne ich und drehe mich während des Laufens um. Die Ruinen sind immer noch sichtbar. Beinahe drohend ragen sie über alles andere hinaus. Ein Mahnmal der Alten Zeit. Und gleichzeitig irgendwie majestätisch und faszinierend. „Ich habe etwas gesucht“, antworte ich schließlich vage, nachdem ich mich wieder nach vorn gewendet habe. Glaube ich zumindest, füge ich gedanklich noch an. „Du hast Glück, dass ich dich gefunden habe“, erklärt er überflüssiger Weise. „Ich weiß“, sage ich seufzend. Ja, ich bin mir der Tatsache bewusst, dass ich als Nora nicht zu den Ruinen sollte. Allerdings sollte ich auch keine Nora sein, verdammt! Wir laufen einen Pfad entlang. Rechts ist in einiger Entfernung ein hohes Gebirge, links sind Wiesen und Baumgruppen. Die Sonne scheint, es herrscht eine angenehme Temperatur, eine leichte Brise weht. Es könnte schön sein, ist es prinzipiell auch. Aber ich gehöre nicht hierher und es fühlt sich alles falsch und befremdlich an. Als wäre ich Zuschauer und nicht ein Teil davon, ein Fremdkörper der hier nichts zu suchen hat. Ich wende mich von der hübschen Szene ab und betrachte den Mann vor mir. Rost ist ein guter Kerl. Ich mag oder mochte ihn sehr. Allerdings habe ich nicht verstanden, warum er sich immer noch so für den Stamm aufopferte, nachdem sie ihn verstoßen hatten, wegen einem Verbrechen, dass eigentlich keins sein sollte. Generell ist der Nora-Stamm sehr rückständig, im Vergleich zu den anderen, was sich leider auch in ihrer Gesetzgebung widerspiegelt. Plötzlich wird mir etwas Anderes klar. Rost ist hier, gesund und munter. Ich habe keine Ahnung, ob es eine Rolle spielt, aber ich denke, dass es bedeutet, dass ich mich ganz am Anfang der Geschichte befinde. Ich würde so gern wissen, woher wir uns kennen. Oder wer Sanya ist. Oder überhaupt irgendetwas über mich und meinen Platz hier. Aber ich kann schlecht fragen. Das würde wahrscheinlich dazu führen, dass ich als verrückt abgestempelt werde. Aber ich sollte mir etwas einfallen lassen, wie ich wenigstens an ein paar Informationen kommen könnte. Ich höre ein Geräusch. Abrupt halte ich an und sehe mich um. Es klingt dumpf und metallisch zu gleich. Es ist irgendwo in Richtung des Baches, der sich irgendwo leise gurgelnd durch die Wiese schlängelt. Ehe ich etwas sehen kann, werde ich gepackt, nach unten in die Hocke gezerrt und ange-Scchhht. Ich hocke neben Rost hinter einem Felsen, vor dem ein halbvertrockneter Busch steht. Mit Argusaugen beobachtet er die Wiese und ich tue es ihm gleich. In einiger Entfernung taucht eine Gruppe Maschinen auf. „Läufer“, flüstere ich unbewusst und ja, auch ein wenig begeistert. „Hm“, brummt der Mann neben mir. Er deutet hinter die Herde. „Und Wächter.“ Zwei Wächter folgen der Gruppe, überwachen die Umgebung, während die Läufer über die Wiese streifen. Der Anblick reißt mich aus meinen Gedanken, aus meinen Sorgen und Überlegungen. Völlig fasziniert sauge ich die Bilder in mich hinein. Einer der Läufer schüttelt seine imaginäre Mähne, während zwei andere antraben und sich von der Herde absetzen. Das Verhalten ist so unfassbar natürlich. Und auch, oder gerade deshalb, unfassbar absurd. Denn akustisch hat das Spektakel nichts mit einer friedlichen Pferde-Herde zu tun. Man hört Metall, das leise Zischen von Dämpfern und das Klicken von Ventilen. Still warten wir, bis die Maschinen weitergezogen sind und setzen unseren Weg fort. Der Pfad führt in einen kleinen Wald. Es raschelt über uns und riecht angenehm nach Erde. Wir kreuzen den Bach, den ich bereits gehört hatte. „Können wir kurz Pause machen?“, frage ich. „Ich habe ziemlichen Durst.“ Habe ich wirklich. Keine Ahnung warum, aber meine Kehle ist schrecklich trocken. „Aber nur kurz“, brummt Rost. „Und füll‘ deine Flasche gleich auf.“ Flasche? Ich taste meine Hüften ab und werde fündig. Eine „Flasche“. Oder eher ein Trink-Beutel aus einem Tierfell. Oder aus einem ganz Tier, oder dessen Innereien, ich weiß gerade nicht. Und will es auch ehrlich nicht wissen. Aber es erfüllt wahrscheinlich seinen Zweck und das zählt. Ich halte die Flasche in den kalten Bach. Ja, dass Wasser ist echt eisig und meine Finger frieren fast ab. Ich trinke vorsichtig und befülle sie erneut. Als ich den Trink-Beutel verschließe, fällt mein Blick auf eine Stelle, wo das Wasser ruhig ist und auf mein Spiegelbild. Offenbar habe ich meine blauen Augen behalten, die durch die typischen blauen Nora-Tätowierungen fast unangenehm betont werden. Ansonsten habe ich nicht das Gefühl, das Gesicht zu kennen, welches ich da sehe. Allerdings habe ich den Eindruck, dass ich ein paar Jahre jünger bin; so Ende zwanzig? Keine Ahnung, vielleicht bilde ich mir das nur ein. Mir fällt außerdem eine Narbe auf, die sich unterhalb meines … kurz überlegen wegen der Spiegelung … rechten Auges befindet. So wie es wirkt, ist die noch nicht sehr alt, einige Wochen vielleicht. Ja, natürlich war mir der Umstand klar, dass ich bzw Sanya nicht erst seit gerade hier ist, aber diese Bestätigung schmerzt trotzdem kurz, ohne, dass ich verstehe warum. Ich stehe wieder auf und … Scheiße, wo ist Rost?! Ich sehe mich hektisch um, kann ihn aber nirgends entdecken. Dafür tauchen zwei andere Nora auf. Uhm. Ja. Was mach ich nur? Grüßen nehme ich mal an, aber wie? Komm schon, Anja, denk nach! Die beiden Frauen kommen näher, sehen mich und … wenden den Blick ab. Mehr noch, sie gehen tatsächlich sogar in einem kleinen Bogen um mich herum. Ich bin verwirrt und sehe ihnen hinterher. Was sollte das denn? Noras sind nicht das freundlichste Volk aber das war schon echt heftig. Habe ich denen irgendwas getan? „Sanya!“, werde ich ermahnt. Ruckartig drehe ich mich um. Rost ist gerade zwischen den Bäumen aufgetaucht, mit einem toten Hasen in der Hand. Augenscheinlich war er jagen, während ich mich in meiner Selbstbetrachtung verloren habe. Ich schließe eilig zu ihm auf und wir gehen wortlos weiter. Wohin eigentlich? Und warum? Warum nimmt Rost mich mit? Hat Sanya so einen schlechten Orientierungssinn? Oder haben wir eine bessere Verbindung zu einander wie ich bisher dachte? Wir biegen ab und laufen jetzt mehr Richtung Gebirge. In einiger Entfernung erkenne ich einen großen Holzwall, Wachtürme und Brücken. Ich höre einen Fluss rauschen und sehe Patrouillen herumlaufen. Das ist … Mutter… Wacht? Herz? Krone? Die Namen der Nora-Festungen und Dörfer hat mich von Anfang an verwirrt. Daher bin ich mir gerade nicht sicher. Aber ich glaube, dass ist Mutterkrone. Ein kleiner Trupp Nora-Krieger kommt uns entgegen. Sie beachten uns nicht, sehen teilweise demonstrativ weg und halten Abstand. Okay … Bei Rost macht es natürlich Sinn. Aber bei mir? Es sorgt dafür, dass sich allmählich ein Bild formt. Die Nora vorhin haben mich gemieden und offenbar stehe ich in einer Verbindung mit Rost. Als Ausgestoßener darf nicht mit ihm gesprochen werden. Seinem Verhalten mir gegenüber entnehmen ich aber, dass wir schon früher miteinander geredet haben. Ergo … bin ich ebenfalls eine Ausgestoßene? Das würde irgendwie Sinn machen, nicht? Stellt sich die Frage, ob auf Lebenszeit oder nur temporär. Die Frage nach dem Warum stelle ich mir lieber nicht, gefühlt wird man bei den Nora ja für alles bestraft. Wir überqueren eine Brücke und betreten die Festung. Ich stehe neben den äußerst imposanten Rost und sehe mich skeptisch um. Viel zu sehen gibt es nicht, einige Holzhäuser, Lagerfeuer und ein Händler. Dieser bestätigt mir, dass wir in Mutterkrone sind – es ist nämlich nicht der, den Aloy rettet im Prolog, sondern ein anderer. „Pass auf dich auf“, brummt es neben mir. Bitte? Wovon redet …? Ich drehe mich um und Rost läuft zum Tor auf der anderen Seite. Wie jetzt? Ich bin verwirrt und sehe mich um. Überall sind Nora unterwegs, und sie alle ignorieren mich. Ich habe mich selten so unwohl und deplatziert gefühlt. Das kann doch nicht Rosts Ernst sein, dass er mich hierlassen will? Hier bei denen? Das kann er doch nicht machen! Ich eile dem Mann hinterher, der gerade schon zum Tor hinaus ist und bereits die Brücke zur Hälfte überquert hat. „Warte!“, rufe ich, um ihn zum Anhalten zu bewegen. Rost läuft noch bis zum Ende der Brücke und bleibt stehen. Er dreht sich zu mir um und seufzt. „Sanya, was ist los mit dir?“, fragt er unterschwellig genervt. „Ich … ähm …“ Bin nicht von hier; nein das kann ich nicht sagen. Verdammt, komm schon, lass dir was einfallen! Unschlüssig drehe ich mich um und betrachte Mutterkrone, drehe mich dann wieder zu Rost und reibe mir anschließend mit der Hand über die Stirn. „Ich … weiß nicht so recht“, stammle ich. Fuck, warum bin ich nur so schlecht in sowas? Ausreden, lügen – alles nichts, was ich spontan kann. „Hast du dir den Kopf gestoßen?“, fragt er mich eher flapsig. Das ist gar keine schlechte Idee! Danke, Rost! „Ich weiß nicht. Ich fühle mich nicht gut und ich … meine Erinnerungen scheinen nicht so zu funktionieren wie sie sollten“, flüchte ich mich in eine Halbwahrheit, denn Halbwahrheit kann ich ganz gut. „Hm“, brummt der Mann und mustert mich. Unerwartet kommt er einen Schritt auf mich zu und legt mir den Handrücken auf die Stirn. Bzw versucht er es, denn ich reagiere reflexartig, schlage seine Hand kaum das sie mich berührt weg, und weiche einen Schritt zurück. Verdutzt sehe ich ihn an. „Fieber scheinst du keins zu haben“, kommentiert er, mein Verhalten ignorierend. „Aber es stimmt schon, dass du recht eigenartig heute bist.“ Seine hellen Augen mustern mich ausgiebig, als hoffe er eine Erklärung zu finden. Viel Spaß, ich hoffe auch auf eine. Aber wahrscheinlich werden hier auf dieser Brücke, weder er noch ich eine finden. „Hast du Beeren gegessen, die du nicht essen solltest?“, fragt er argwöhnisch. „Nein!“, empöre ich mich. Ich esse nichts, bei dem ich nicht weiß was es ist. Gut, möglich, dass das bei Sanya anders ist, vielleicht fragt er nicht ganz grundlos. Aber ich sollte statt über die Essgewohnheit der Frau, die ich gerade bin nachzudenken, lieber die Chance irgendwie nutzen, um ihn dazu zubringen mich mitzunehmen. „Bitte Rost; ich weiß gerade nicht wohin ich könnte. Ich weiß gerade gar nichts. Manche Dinge sind da, wie dein Name, aber der Rest ist irgendwie … verschwommen“, erkläre ich seufzend und, ja, vielleicht auch wenig weinerlich. Ich bin mir unsicher, ob die Tränendrüse bei ihm funktioniert, aber schaden kann es nicht. Nun ringt der Ausgestoßen mit sich, sieht hin und her ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)