Ein Kuss mit einem Fremden von DarkRapsody ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Etwas, was es nur in Japan gibt, sind „Love Hotels“. Ein Ort, an dem Leute hingehen können um ein bisschen Spaß zu haben, schnell und alles mit größter Geheimhaltung. Unser Protagonist dieser Geschichte ist einer von ihnen, einer der in diesen Hotels arbeitet. Zeit schreitet voran, und das Hotel in dem diese Geschichte spielt, ist eines der wenigen letzten Hotels, welches noch nicht den super modernen Weg des Schlüssels am Terminal kaufen adaptiert hat. Der Chef des Hotels sagte, er wolle jemanden im Hintergrund sitzen haben hinter dem großen Bildschirm, welcher die Zimmer anbietet, für alle Fälle falls etwas nicht funktioniert. Und das ist wie unser Mann der Stunde sich fast jede Nacht hier wieder in dem kleinen Raum wieder findet, mit nur einem kleinen Schiebefenster zur Außenwelt. Falls etwas nicht richtig läuft, muss er jederzeit verfügbar sein, und die Rechnungen mit einer Plastikröhre noch per Hand in die jeweiligen Zimmer schicken. Jedes der angebotenen Zimmer ist von der Preisklasse von günstig bis mittelteuer, für jeden ist etwas dabei, was dies ein populäres Hotel trotz den Renovierungen für Besucher macht. Er sieht hinaus durch das kleine Fenster, dort ist der Eingang welcher mit pinken Neonröhren beleuchtet wird. Dies und das leise Summen des elektronischen Plakats an der anderen Seite sind Chuuyas einzige Freunde in der Nacht. Wenigstens findet er endlich Zeit, das Buch zu lesen, welches einer seiner Freunde herausgebracht hat und ihm vor geraumer Zeit eine Ausgabe geschenkt hat. Eine digitale Uhrzeit zeigt Mitternacht an. Es ist 2008, eine einsame Nacht an den letzten Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr. Jeder gibt sein Geld irgendwo aus, und manche geben es gern für ihre Services aus. Chuuya hat kein Problem mit diesem doch sehr geheimhalterischen Job. Er sieht die Kunden kaum, und sie bekommen ihn so gut wie gar nicht zu sehen. Darüber hinaus ist es friedlich still, und Nachtschichten werden gut bezahlt. Er dachte sich schon als er anfing mit der heutigen Schicht, dass es wieder eine dieser gleichen Tage sein wird. Neue und bekannte Kunden gehen an dem kleinen Fenster vorbei, und legen den Schlüssel auf die Ablageschale. Chuuya sieht nie ihre Gesichter, aber ihre Mäntel und ihre Stimmen, wie sie ihm manchmal danken. Dadurch hat er sich schon ein paar Kunden einprägen können. Das Hotel hat nicht viele Stammkunden, aber einer kommt fast jeden Tag. Seine tiefe Stimme, seine schlanke Figur, und der lange hellbraune Mantel sind immer zu der gleiche. Dieser Kerl muss ein Gigolo sein, oder jemand der seinen Körper für sexuelle Services anbietet. Ohne auch nur einen Tag zu verpassen, kam er jeden zweiten Tag hier her im letzten Monat. Manchmal bringt er eine Frau mit sich, manchmal einen anderen Mann. Sie gehen an dem kleinen Fenster vorbei, und jedes Mal sagt er „Vielen Dank für das Zimmer!“ mit einem leicht frechen Unterton in seiner Stimme. Das hat schnell sein Interesse angezogen. Wer ist dieser Mann? Warum ist er hier, weil die Zimmer günstig sind? Oder vielleicht auch beinahe billig? Was ist sein Job? Eigentlich kümmert es ihn kaum, wer ihn besuchen kommt, aber dieser Typ ist ein spezieller Fall. Er legt sein Buch beiseite, als ein weiterer Kunde den Schlüssel auf das kleine Schälchen am Fenster ablegt. Chuuya lässt den Schlüssel hereingleiten, und packt sie wieder hinter die großen Ablagefächer hinter dem großen Bildschirm. Dort buchen die Kunden direkt ihr Zimmer. Ein anderer bekommt seine Rechnung, also druckt er sie aus und schickt sie zum Zimmer hinauf. Jemand anderes möchte etwas zu essen und eines der speziell angebotenen Kostümpakete. Also schickt er die Bestellung weiter an die Küche, und bereitet das gefragte Kostüm in einer Tüte vor. Zimmer 25, das rot beleuchtete mit dem großen herzförmigen Bett in der Mitte. Hoffentlich haben sie damit Spaß, denkt er sich als er die versiegelte Tüte in die Röhre stopft. Es wird eingesaugt und verschwindet ziemlich schnell in die Richtung des Obergeschosses. Es ist nicht viel zu tun, aber es ist ein Job bei dem nicht viel körperliche Anstrengung gefragt ist, und man geheimnishälterisch sein muss. Außerdem stört ihn hier absolut niemanden, und er kann in aller Ruhe sein neues Buch genießen, welches gerade erst so richtig spannend wird. Ein Krimi, der gerade so richtig spannend wird, als dies von dem gewohnten Klacken des Schlüssels auf der Plastikschale unterbrochen wird. „Danke für das Zimmer!“ sagt die Person auf der anderen Seite, und zeigt ein Peace-Zeichen mit den Fingern vor dem kleinen Fenster. Ah, da ist er wieder. Der altbekannte braune Mantel, hinter dem heute eine Frau in Fischnetzen steht. Heute hatte er also eine weibliche Kundin. In zwei Tagen wird er wieder hier sein, den gleichen Satz wiederholen, und ihn nur noch neugieriger machen. Der Rest der Schicht verläuft so wie immer, Rechnungen und Kostüme weiter leiten und Essen in der Küche bestellen. Die Uhr liest nun fünf in der Früh, also nur noch eine halbe Stunde übrig bis zum Ende. Chuuya schnappt sich eine Zigarette und verschwindet durch die Hintertür, in eine dunkle, schmutzige Allee hinter dem Hotel. Der Boden ist nass, aber gottseidank hat der Regen bereits aufgehört. Mit einem kleinen Schnipsen produziert das Feuerzeug eine kleine Flamme, mit der er sich seine Zigarette anzündet. Nur ein paar Schritte weiter nach rechts, ist bereits die Straße, auf der gerade der erste Verkehr anläuft. Viele Leute fahren bereits auf die Arbeit. „Oh, Chuuya.“ Die Tür öffnet sich mit einem schrecklich lauten quietschen, und fällt darauf wieder ins Schloss. „Hallo.“ Antwortet der rothaarige Mann, als er den Stummel der Zigarette auf dem Boden ausdrückt. Sein Mitarbeiter ist hier um die Schicht zu übernehmen, und bald bei dem saubermachen der Zimmer zu helfen. „Ist irgendwas nennenswertes passiert?” “Nein, nur das übliche. Wir hatten heute ein paar mehr Kunden als sonst, und die Zimmer die nicht mehr sauber gemacht wurden, sind dann deine Aufgabe.“ Er dreht sich um und geht zurück nach innen, und winkt noch einmal seinem Mitarbeiter zum Abschied, bevor er seine Sachen schonmal zusammenpackt. „Ich sehe dich dann in zwei Tagen.“ Flüstert er in Richtung des leeren Eingangsbereichs, welches immer noch so grell mit den pinken Neonlichtern beleuchtet wird. Und so wiederholen sich die Tage, und das neue Jahr rückt immer näher. Jeder will feiern gehen, und die Läden bieten ihre speziellen Angebote und saisonale Gerichte an. Er jedoch hat eine Schicht übernommen, welche sicher durch Tagen wie diesen eine sehr aufregende werden wird. Besonders da manche Pärchen angetrunken während oder nach der Feier sich gern in einem Love Hotel absetzen wollen. Und natürlich, jeden zweiten Tag, ohne auch nur einen Aussetzer, lief der Mann im braunen Mantel am Fenster vorbei. Und während seiner letzten Schicht, hatte er sich sogar getraut, ein „Vielen Dank“ zurück zu äußern. Wenn jemand wüsste, dass er eigentlich die Geheimhaltung nicht so ernst genommen hat damit, würde er zwar nicht gekündigt werden, aber sich einiges vom Boss anhören dürfen. Damit preisen diese Hotels sich an, dass es ein Geheimnis bleibt wer rein und wieder heraus läuft. Der Boss ist ein bisschen gruselig, aber er führt dieses Hotel schon lange und äußert gut, und bietet mit den Renovierungen ein weiterhin modernes, preiswertes Hotel für seine Kunden. Neujahr, die Böller und Feuerwerke ruinieren heute die sonst so übliche Stille. Chuuya lehnt sich zurück in dem unbequemen Stuhl, und blättert durch die letzten Seiten seines Buches. Es war fantastisch, und inspirierte ihn selbst ein Gedicht darüber zu schreiben. Sobald seine Schicht fertig ist, wird er nach Hause gehen, und sich mit einer guten Flasche wein betrinken. Damit wird er das neue Jahr feiern, eines mit einem schrecklichen Sozialleben und beinahe purer Einsamkeit. Ist er heute schon vorbeigekommen? Nein. Und es störte ihn irgendwie. Er kommt immer vorbei, und bringt gleichermaßen Frauen und Männer in die Zimmer über ihm. Es ist bereits drei in der Früh. Wahrscheinlich arbeitet er heute nicht und feiert das neue Jahr, es war irgendwie naiv und dumm von ihm sich Hoffnungen zu machen, für eine seltsame einseitige Interaktionen zwischen den beiden. Mehrere Kunden kommen vorbei und bestellen Pakete für ihre Zimmer, während seine Mitarbeiter beschäftigt sind, das Essen vorzubereiten und im rasanten Tempo die Zimmer sauber zu machen. Halb vier, die digitale Anzeige der Uhr ändert gerade ihre Zahlen als er noch einmal hinsieht. Er kann das Geräusch der sich öffnenden und wider schließenden Türen hören. Jemand kommt herein, bleibt vor der großen beleuchteten Tafel stehen, um dann mit Absicht vor dem winzigen Fenster daneben stehen zu bleiben. Es ist der braune Mantel, so bekannt und so verflucht. Die schlanke Hand klopft an das Glas. „Hey, Ich bräuchte hier mal jemanden.“ Chuuya schiebt die Metallplatte beiseite und rückt mit seinem Gesicht näher heran. Er hört nur ein „Hey, was läuft so?“ Die ersten Worte, die sie wirklich ausgetauscht haben. Das Einzige was er sehen kann, ist der Mantel und ein paar Beine in schwarzen Hosen, die vor ihm stehen. Weiter unten kann man ein paar polierte schwarze Schuhe erkennen. „Kann ich dich um einen Gefallen bitten?“ Die Stimme klingt rau, als ob er etwas zu viel geraucht hätte, oder er gerade erst noch geweint hatte und nun innerlich ausgetrocknet ist. Emotional und an Flüssigkeiten. „Hmm, das kommt drauf an, was du willst. Die jeweiligen Spezialangebote stehen in den Prospekten.“ „Nein, nicht sowas.“ Wird sein Satz abgeschnitten. „Kannst du da herauskommen, und mit mir einen Kaffee trinken?“ Die Hand zeigt zu seiner linken Seite, wo ein Kaffeeautomat und ein kleiner Tisch steht. Das ist noch eines der Dinge der vergangenen Zeiten, als sie noch hinter dem Empfang sitzen mussten und per Hand die Schlüssel herausgeben. „Ähm…“ „Bitte? Ich kann dich auch bezahlen.“ „Es geht nicht um´s Geld, aber darum, dass ich meinen Job erst zu Ende bringen muss. Kannst du eine halbe Stunde warten?“ „Okay, kann ich.“ Der Mann im Mantel geht in Richtung der Kaffeemaschine. Sie wird immer noch aufgefüllt mit verschiedenen Sorten zur Bestellung, und zu Chuuya´s Überraschung, gibt es Kunden die sich manchmal dort einen kaufen. In dem kleinen Hinterzimmer, sitzt er und spürt sein Herz so schnell schlagen, als ob es aus seinem Hals heraus hüpfen könnte. „Oh, scheiße…“ Die Realisierung, dass sie einander nun Gesicht zu Gesicht sehen werden, und warum er nicht einfach abgelehnt hat, setzt ein. Macht er es für Geld? Aus Mitleid für den nächsten? Ein Atemzug nach dem anderen, und sein Herzschlag beruhigt sich wieder. Vielleicht ist es einer dieser Schicksalsmomente, und auch wenn er an sowas nicht glaubt, sollte er die Chance ergreifen. Mit Beinen die sich anfühlen wie zwei wabbelige Quallen, bewegt er sich in Richtung Türgriff. In ein paar Minuten hat er seine Pause, in der er tun und lassen kann, was er will. Niemand wird das stören, ist jetzt sein Mantra, dass er sich einredet. Es ist nur ein zufälliger Kerl, den er noch nie ins Gesicht gesehen hat, der ihn ohne Grund für seine Zeit gefragt hat. Es ist als ob sein Gehirn nicht mit dem Rest des Körpers verbunden ist, als er nach draußen in die Lobby stakst. Es ist kühl, da die Nachtluft immer wieder von draußen hereinkommt, und ein paar letzte lose Feuerwerke werden in den Himmel gesendet, und explodieren in vielen farbigen Funkeln. Hinter der Glastür sitzt ein Mann auf den billigen Plastikstühlen. Sein langer Mantel liegt über der Lehne des Stuhls, und darunter trägt er einen einfachen schwarzen Pullover. Chuuya bemerkt den kleinen grünen Anstecker an der Brust, er sieht ziemlich alt aus, wie etwas aus Großmutters Schmuckschatulle. Er bemerkt die kantigen Gesichtszüge, die Nase und breite Stirn, welche vom ungekämmten braunen Locken bedeckt wird. Es passt alles zusammen, seine Vorstellung wie er aussehen soll, und wie er vor ihm sitzt, ersetzen einander langsam. Der Manteltyp, wie er ihn innerlich nannte, ist nun eine ganze Person in seinen Gedanken. Langsam öffnet er die Tür, und der Mann sieht auf. Ein paar dunkler Augen. Ein kleiner Funken, der sich beinahe elektrisch anfühlt, schießt in seine Brust. Dieser Typ ist sich nicht zu schüchtern, ihn von Kopf bis Fuß abzuscannen, und dann zu grinsen. „Nettes rotes Haar.“ Kommentiert er, und faltet die Zeitung zusammen, die er bis eben las. Chuuya setzt sich auf den Stuhl auf der gegenüber liegenden Seite, faltet seine Arme zusammen, alles in einem angemessenen Abstand zum anderen. „Was willst du?“ fragt Chuuya, und beobachtet die schlanken Finger, die mit der Kante des Zeitungspapier herumspielen. „Ich fühlte mich heute ziemlich einsam, das ist alles. Meine Arbeit ist für heute getan.“ Chuuya fragt zögerlich nach. „Deine Arbeit ist…was?“ „Ich bin einfach nur eine buchbare Eskorte. Das ist alles.“ Der Mann winkt ab als ob es überhaupt nicht wichtig wäre. „Du hast meine Anfrage angenommen, warum?“ „Ich wünschte, ich wüsste selbst warum.“ Antwortet Chuuya mit einem scharfen Ton, was ihn selbst überrascht. „Nenn mich Dazai.“ Er streckt seine Hand aus, die er langsam schüttelt. „Ich heiße Chuuya.“ Antwortet er und fährt sich nervös durch die Haare, es fühlt sich ein bisschen an als ob er gerade unter die Lupe genommen wird. „Hmm, ich dachte, du wärst etwas älter.“ „Du hast mich noch nie gesehen, woher willst du überhaupt irgendwas über mich denken?“ schießt er schnell zurück. Dazai zuckt nur mit den Schultern. „Keine Ahnung, war einfach nur ein Gedanke. Willst du etwas Kaffee?“ Er dreht sich um und tippt auf das Display, damit er eine weitere Tasse Kaffee bekommt. Chuuya fühlt sich ein bisschen nach etwas Kaffein im Blut, also fragt er nach einem mit nur extra Milch. Die Becher in der Maschine sind diese billigen Plastikdinger, in braun und innen weiß. Sie sind irgendwie traurig und so dünn, du kannst dir sofort die Finger und Lippen an dem Inhalt verbrennen, wenn du es nicht ein wenig auskühlen lässt. Dazai scheint das nicht zu stören, er hat den halben Becher bereits geleert. Er bemerkt Chuuya´s überraschten Blick und lacht auf. „Ich bin irgendwie resistent gegenüber Schmerz, mein Mund hatte genug Training darin.“ Und deutet auf seine rosigen Lippen. Chuuya seufzt auf, als er die Zweideutigkeit hinter dem Satz versteht. Dieser Mann sein Job ist es Männern ihren Schwanz zu lutschen, dass er das so einfach und irgendwie ein bisschen stolz darüber herkommt, macht ihn beinahe neidisch. „Du scheinst ziemlich populär zu sein, warum hast du keine Jobs mehr heute?“ „Mein letzter Kunde hat paar schreckliche Gerüchte verbreitet. Dass ich nur ein herzloser Gigolo der auf Geld aus ist, und meine Kunden bestehle. Was für ein absoluter Scherz.“ Ein weiterer Schluck folgt. „Uh huh.“ Chuuya versucht, seinen Kaffee so cool und unberührt wie möglich zu trinken, aber es will einfach nicht abkühlen und im Abgang einfacher werden. Dazai schenkt ihm ein mysteriöses Lächeln. „Ich dachte mir, dann kann ich auch hier den Abend verbringen, und mit der mysteriösen Person hinter dem Fensterchen quatschen.“ Chuuya zuckt leicht seine Schultern als Antwort. „Was soll ich schon tun außer mir deine Lebensgeschichte anhören? Ich bin nicht zu haben für irgendwelche lustigen Aktionen in den Zimmern, nur so nebenbei.“ Der Mann vor ihm lacht leise. „Wenn ich ein was niemals tun würde, dann mich auf jemanden aufzwingen. Ich werde für meine Arbeit bezahlt, und nichts weiter. Bleib einfach ein bisschen hier und leiste mir Gesellschaft.“ Ein paar Kunden haben Schlüssel für das letzte leeren Zimmer abgeholt. Sie verschwinden beinahe so schnell wie sie angekommen sind, und werden vom dem Fahrstuhl zu ihrem Stockwerk gebracht. Draußen laufen ein paar Partygänger vorbei, die ein paar Popper zünden, und Chuuya fühlt sich auf einmal, als ob er was verpassen würde. Sein Klapphandy in der Hosentasche sagt ihm, dass seine Schicht eigentlich noch zwei weitere Stunden geht. Bis dahin ist die Party längst vorbei. Aber der Wein für den er so hart gearbeitet hat, wartet auf ihn zuhause. „Was machst du dann heute noch, warum feierst du nicht auch das neue Jahr?“ fragt Dazai, der seinen Becher mittlerweile geleert hat, und ihn schwungvoll in de Eimer hinter ihm wirft. „Ich werde mich in ein Family Diner setzen, und über mein Leben nachdenken. Warum ich überhaupt noch hier sitze, und wieso es wert ist, ein weiteres Jahr zu feiern.“ kündigt er mit einem emotionslosen Gesicht an. Seine schockierende Negativität und Hoffnungslosigkeit in seinen Worten trifft Chuuya wie ein LKW. Er meint es wirklich so. Dazai sieht ihn weiterhin direkt an. „Was ist mit dir?“ „Wahrscheinlich werde ich den Wein den ich mir gekauft habe alleine runterkippen, die Sonne aufgehen sehen, und über mein Leben Gedanken machen. Mit etwas mehr Hoffnung als du für die Welt übrighast.“ Sein Gegenüber sagt nichts weiter über den kleinen Kommentar an Dazai´s Weltansicht. „Was ist, wenn du deine Flasche schnappst und dich mit mir zusammen im Park irgendwo auf eine Bank setzt? Dann können wir zusammen allein sein.“ „Warum sollte ich einem Fremden wie dir vertrauen?“ schießt Chuuya sofort zurück, und nimmt schnell einen Schluck Kaffee, damit sein Mundwerk besser still bleibt. „Nun ja, das stimmt ja irgendwo…“ Dazai sieht verletzt aus, als er spielerisch seinen Kopf auf den Tisch fallen lässt, und sein Gesicht auf der Zeitung ruht. Nun fällt ihm erst einmal auf, wie erschöpft und irgendwie traurig Dazai aussieht. Chuuya seufzt. „Nun gut, ich überlege es mir. Einfach so auf ein Date gefragt zu werden ist einfach nicht etwas, was ich gut wegestecken kann.“ Bei dem Wort „Date“ schießt Dazai sofort auf. „Ein Date?“ Das Wort klingt fremd aus seinem Mund. Der Rotschopf lächelt unsicher zurück. „Bitte nicht, ich weiß nicht genug über dich und du irritierst mich irgendwie, also würde ich das lieber als ein freundliches Treffen sehen.“ „Super, dann lass uns gehen. Wann ist deine Schicht vorbei?“ „Halb sechs.“ „Gut, ich warte draußen vor dem Konbini dort links, 4Mart oder so?“ „Oh…okay.“ Antwortet Chuuya, und beobachtet Dazai wie er seine Sachen anzieht und aus dem Establishment verschwindet, ohne auch nur ein einziges Mal zurück zu schauen. Dieser Kerl ist einfach seltsam. Er hat ihn wenigstens nicht gefragt, ob sie zusammen auf ein Zimmer gehen wollen, er wäre einfach nicht bereit mit so einem Kerl bereits zwischen den Laken zu landen. Dann wird er wohl noch nachher an seinem Zuhause vorbeischauen, und die gute Flasche Wein schnappen. Zurück in seinem Hinterzimmer, wartet sein fast fertig gelesenes Buch mitten auf dem Tisch. Es endet mit einem guten Ende für alle, der Protagonist schafft es den Fall zu lösen und zur Ruhe zu legen. Beurteile Menschen nicht nach ihrem Äußeren, ist die Kernaussage des Buches, und auch etwas was Chuuya sich immer wieder einredet. Auch heute. Die Zeit vergeht relative schnell, und gerade als er sich fertig angezogen hat, kommt sein Mitarbeiter, der ihn ablöst. Nur ein schnelles „Hallo, wir sehen uns!“ und schon ist Chuuya fort, bereits an der Hauptstraße. Die Lichter des Konbini leuchten im Kontrast zu den orangefarbenen Streifen des Sonnenaufgangs hinter den großen Gebäuden. Dazai´s Mantel ist so auffällig, diese braune Farbe hat sich in seine Augäpfel gebrannt. „Ich habe mein Zeug zuhause, kannst du auf mich warten, bis ich sie geholt habe?“ „Oder ich kann dich auch dort mit hinbegleiten?“ „Es ist nur ein paar Straßen weiter, aber ich weiß noch nicht, ob ich dir damit schon vertrauen will.“ „Recht hast du.“ Zusammen laufen sie zum Park, und Dazai lässt sich auf eine der Parkbänke fallen, wie ein Sack Sand. „Warte einfach nur ein paar Minuten hier, ich bin gleich wieder da. Fünf Minuten?“ Es fühlt sich ein bisschen seltsam an ihn einfach so zurück zu lassen, aber der Weg ist nicht lang. Seine wertvolle Flasche Wein steht auf dem Tisch mitten im Zimmer, als ob sie bereits auf ihn gewartet hat. Er packt sie in eine seiner Jackentaschen, und läuft zurück zu dem traurigen Mann, den er einfach so zurück gelassen hat. Dazai sitzt dort immer noch, seine Arme fallen herunter, und lassen ihn sehr unmotiviert wirken, man kann ihn ziemlich einfach als einen Obdachlosen auf der Bank halten. “Hier.” Chuuya hält ihm eine seiner Becher hin, die er von zuhause mitgebrach hat. „Ja, feinstes Geschirr, diese weißen Pappbecher.“ „Ich hatte noch welche übrig von der letzten Party, und du solltest dich wirklich nicht beschweren. Du kriegst hier Freigetränke, der Wein war echt teuer.“ Dazai geht in die Defensive. „Du musst mich auch nicht so dafür angehen!“ Chuuya lässt die dunkelrote Flüssigkeit in die Becher laufen, und gemeinsam erheben sie für einen Toast, als sie den Sonnenaufgang betrachten, in einer Hand der feine Wein. „Danke, dass du so nett zu mir bist, seltsamer deprimierter Fremder.“ Chuuya atmet scharf aus. „Ich hätte diese Flasche allein getrunken, was bringt es mir einen Kater zu haben wenn ich ihn auch mit jemanden teilen kann? Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Dazai kichert und es scheint als ob er für einen Moment rot angelaufen ist, oder ist es nur seine Vorstellung? Er starrt in den Becher, und ein verwackeltes Bild seines Gesichts sieht zurück. Vielleicht ist etwas anderes in seine Entscheidung mit eingeflossen, aber jetzt gerade weiß er seine Beweggründe nicht exakt, aber das ist auch nicht wichtig. Und so sitzen sie nebeneinander, und Chuuya lässt den Wein weiter fließen. Langsam kommt der Alkohol durch, und das bekannte warme Gefühl breitet sich in seiner Brust aus. Unberührt von allem, beobachten die beiden, wie der neue Tag die Stadt einholt, und auch das neue Jahr. Die Partygänger gehen nach Hause und schlafen ihren Kater aus, und manche müssen bereits auf ihre Arbeit. „Nun, die Flasche ist leer.“ Chuuya winkt sie vor Dazai hin und her, sie wurde bis auf den letzten Tropfen geleert. „Hmmm.“ Murmelt Dazai zu sich selbst, seine Augen geschlossen und die Arme vor seiner Brust verschränkt. „ich glaube, ich gehe in mein Zimmer zurück.“ Daraufhin öffnet Dazai seine Augen, und fischt nach etwas in seiner Jackentasche, und wirft sein Handy zu ihm. „Trag deine E-Mail selbst ein bitte, ich bin betrunken um es selbst zu machen.“ Seine Worte sind leicht in die Länge gezogen, das sagt ihm bereits genug um wie betrunken Dazai ist. Chuuya fügt einen neuen Eintrag hinzu, tippt eine E-Mail ein und kopiert Dazais Kontaktdaten zu seinem eigenen Handy, bevor er es wieder zurückwirft. „Bye bye, und danke!“ Dazai winkt mit dem Handy in seiner Hand. „Du erinnerst mich an eine Schnecke die ich mal als Haustier hielt, also ist das dein neuer Spitzname, Schnecke…“ und fällt zurück in seinen betrunkenen Schlaf, bevor Chuuya überhaupt reagieren kann. Chuuya lehnt sich vorsichtig näher an sein Gesicht, um zu checken, ob er noch atmet, aber zu seiner Überraschung öffnet dieser nochmal seine Augen. Alles passiert so schnell, dass es beinahe nicht für ihn registriert. Das Gefühl eines Kusses auf seinen Lippen, etwas was er schon sehr lange nicht mehr gespürt hat, folgt. Dazais Atem riecht schrecklich, und seine Lippen sind ausgetrocknet. Es ist nicht der schlechteste Kuss den er je hatte, aber die Überraschung macht dies einen Herzklopfer. Hastig schreitet er zurück. „Was tust du da?“ Chuuya spürt seine Wangen gegen die Kälte der Morgenluft erhitzen. „Hab mich danach gefühlt, du bist einfach so einladend, für einen Kuss.“ Ein freches Lächeln folgt, dann schließt er seine Augen und tut so, als ob er schläft. Er reagiert auch nicht weiter auf Chuuya, auch nicht als dieser ihm auf die Schultern tippt und seinen Namen mehrmals ruft. „Pff, was auch immer.“ Er dreht sich um und nimmt den direkten Weg zurück nach Hause, und lässt alles von heute Revue passieren. So viele Dinge sind passiert, und vielleicht waren sie doch Schicksal. Abgesehen von dem Kuss, hatte er noch nie einen Fremden so geküsst. Aber aus irgendeinen Grund ärgert es ihn nicht so, wie es sollte. Wenigstens ist Dazai echt süß, und sieht nicht zu schlecht aus. Das kleine Gefühl in seiner Brust ist immer mehr gewachsen, seit sie heute miteinander redeten, und hat sich nun breitgemacht. Am Ende hatte er sogar jemanden, mit dem er seinen Wein teilen konnte. Vielleicht sollte er ihn später mailen, und ihn fragen wie es ihm den Umständen nach geht. Vielleicht treffen sie sich auch während seiner nächsten Schicht, aber er entschied sich dafür, auf jeden Fall im Kontakt zu bleiben. Und als dieser altbekannte Mantel das nächste Mal am Fenster vorbei läuft, sagt er nun: „Vielen Dank für die Schlüssel, Schnecke!“ und es nervt Chuuya zutiefst. Aber jedes Mal wenn er es sagt, ist es eine Erinnerung, dass er nicht vergessen wurde. Und eines Abends bekam er eine Email von Dazai. „Familienrestaurant nach deiner Schicht? Ich brauche jemanden heute um mich.“ Und Chuuya antwortete mit einem einfachen „Ja“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)