Bruder von Lady_Ocean ================================================================================ Kapitel 3: Hilferuf ------------------- Langya bot einen wahrlich bemitleidenswerten Anblick. Der Trümmerhaufen, welcher einst die Residenz der Kaufmannsgilde gewesen war, wirkte eher, als sei sie vom Xuanwu des Gemetzels niedergetrampelt worden als von einem Wildschwein. Wie groß muss dieses Tier gewesen sein? Das Bordell sah kaum besser aus. Und zahlreiche weitere Schäden wie knöcheltiefe Furchen in der Straße, niedergerissene Zäune, eingeknickte Balken und Dächer und Dellen in Häuserwänden zeugten von dem Weg, den das Ungetüm durch die Stadt genommen hatte. Vor dem Krankenlager stapelten sich die Verletzten, obdachlos Gewordene bettelten um eine Schüssel Reisbrei. Kinder weinten, den Alten stand noch immer das Grauen ins Gesicht geschrieben. “Ich kann kaum in Worte fassen, wie viel uns Euer Erscheinen in unserem unbedeutenden, ärmlichen Ort bedeutet. Es ist mir äußerst unangenehm, den hochverehrten Gusu Lan-Clan um Hilfe zu bitten, ohne eine angemessene Belohnung in Aussicht stellen zu können.” Ohne Unterlass verbeugte sich das Stadtoberhaupt, während er Wei Wuxian, Lan Wangji, Lan Sizhui und Lan Jingyi zu den Schauplätzen des Unglücks führte. Wei Wuxian blieb vor dem zerstörten Tor der Kaufmanns-Residenz stehen und fuhr mit den Fingerspitzen die tiefen Kerben im Holz nach. Sie passten zweifelsfrei zu den Hauern eines Ebers, waren aber weit tiefer als gewöhnlich und in Hüfthöhe, nicht wie zu erwarten zwischen seinen Knöcheln und Schienbeinen. Das Tier musste mindestens doppelt so groß sein wie seine Artgenossen. “Überlasst dieses Wildschwein Lan Zhan und mir”, wies Wei Wuxian seine beiden Schüler an. Sowohl die physische Konstitution als auch der Grad der Kultivierung der beiden waren nicht zu unterschätzen, doch beim Anblick dieser Schäden und der Erinnerung daran, dass bereits zwei Kultivatoren ihr Leben an dieses Wesen verloren hatten, kam er nicht umhin, ein flaues Gefühl in der Magengegend zu verspüren. Jingyi wirkte alles andere als begeistert und holte bereits Luft, um zu protestieren, doch Sizhui trat mit einem schnellen Schritt vor ihn und verbeugte sich vor den beiden Älteren. “Das Dorf braucht Hilfe. Ich werde mich im Lazarett erkundigen, wie ich mich nützlich machen kann.” Lan Wangji deutete ein Nicken an. “Gute Entscheidung.” Damit war Jingyi der Wind aus den Segeln genommen. Schmollend, aber zumindest seinen Protest einstellend, fügte er hinzu: “... Ich helfe beim Wiederaufbau.” Wei Wuxian grinste und wuschelte beiden, sehr zu deren Verdruss, durch die Haare. “Macht Gusu Lan stolz!” Kaum dass ihre Schüler verschwunden waren, wandte Wei Wuxian sich voller Vorfreude an seinen Liebsten. Sein Herz schlug höher bei der Aussicht auf eine gemeinsame Jagd - nur sie allein. Wie lange waren sie nicht mehr in diesen Genuss gekommen? Er wollte gerade den Mund öffnen, als am Himmel über dem Wald eine riesige goldene Pfingstrose aufleuchtete. Das Notsignal des Lanling Jin-Clans! Jin Ling! “Lan Zhan!” Erschrocken griff Wei Wuxian nach der Hand seines Partners, doch dieser blieb stehen. “Wei Ying.” Einen Augenblick spiegelte sich Verwirrung in Wei Wuxians Blick, doch dann begriff er. Sie wussten zu wenig über die Situation. Sie wussten nicht, ob Jin Ling an dieses Wildschwein geraten war oder ob diese Notsituation anderer Natur war. Das Wildschwein könnte sich weiterhin in der Nähe des Dorfes aufhalten. Ebenso wenig war auszuschließen, dass es die einzige Bedrohung in der Umgebung war. Sie konnten Langya nicht unbewacht zurücklassen. Wei Wuxian nickte. “Ich verfolge das Notsignal, du bewachst die Stadt.” Lan Zhans Blick zeigte Zuneigung und einen Hauch Sorge. Pass auf dich auf. Mittlerweile verstand Wei Wuxian Lan Wangjis subtile Mimik genug, um nicht mehr auf die Übersetzungen von dessen Bruder Lan Xichen angewiesen zu sein. Er streckte sich nach vorn, hauchte seinem Partner einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und stürmte los. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)