Mein Weg zu Dir von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 52: Tai --------------- Meine Schwester verachtet mich förmlich, seit wir zusammen bei T.K. waren und ich dort beschlossen habe, nichts weiter gegen diese Anschuldigungen Sora gegenüber zu unternehmen, denn ich kann sie weder widerlegen, noch beweisen. Kari versteht das nicht. Sie beharrt darauf, dass ich Sora zur Rede stellen soll. Wie auch jetzt wieder. »Aber das ist nicht so einfach«, flüstere ich ins Handy und drücke es mir noch dichter ans Ohr, aus Sorge, Sora könnte uns hören. Ich sitze mit einer Tasse Kaffee in ihrer Küche und schlage die Beine übereinander, während Kari mir die Hölle heiß macht. »Was ist daran so schwer? Du sagst einfach: hey Sora, hast du mich mit einem blonden Nerd betrogen und ist das Kind von ihm?« Zweifelnd runzle ich die Stirn. »So würdest du es sagen? Tatsächlich?« »Na ja also … natürlich mit ein bisschen mehr Feingefühl. Was ich damit sagen will: du musst ihr unbedingt auf den Zahn fühlen.« Ich seufze. Warum versteht sie es nicht? »Kari, ich denke, wir sind alle besser dran, wenn wir abwarten, bis das Kind da ist. Dann kann ich einen Test veranlassen« So lange ist das ja nicht mehr. Mein Magen dreht sich um. Ich höre Kari am anderen Ende der Leitung zischen, doch ich lasse mich da nicht beirren. »Im Moment sind mir die Hände gebunden«, flüstere ich und es zerreißt mich innerlich. Natürlich will ich genauso wie sie endlich die Wahrheit wissen. Aber Sora ahnt von alledem nichts. Sie weiß nicht, was ich weiß und dabei soll es erst mal bleiben. Ich habe so gut wie keine Chance ihr etwas zu beweisen. Momentan kann ich einfach nur abwarten, was geschieht. »Wie läuft's in der Schule?«, frage ich nun und schlage einen etwas normaleren Ton an. »Gut«, knurrt Kari, die offenbar nicht begeistert vom Themawechsel ist. »Mama und Papa kommen nächste Woche wieder nach Hause, dann kannst du bei Mimi ausziehen.« »Zu schade. Ich habe mich schon daran gewöhnt, mit ihr zusammen zu wohnen.« »Kann ich mir vorstellen«, lächle ich und komme nicht umhin, eifersüchtig auf meine kleine Schwester zu sein. Sie darf das Mädchen, dass ich liebe, jeden Tag sehen. Mit ihr zusammen wohnen. Wie gerne wäre ich an ihrer Stelle. Es fällt mir so schwer, sie nicht zu sehen, dass die Sehnsucht mich beinahe schon auffrisst - von innen nach außen. Zumindest fühlt es sich so an. Ich schlucke schwer. »Trotzdem ist es gut, wenn Mimi bald wieder etwas mehr Freiraum hat. Ist sicher eng zu zweit in ihrer kleinen Wohnung.« »Es geht schon. Morgens im Bad ist es immer etwas hektisch, aber das kriegen wir hin. Und sonst ist Mimi eher selten zu Hause. Meistens nimmt sie ihren Laptop mit nach draußen und arbeitet von irgendeinem Café aus.« Wie schön, Mimi scheint ihr neuer Job ziemlich gut zu gefallen. Ich bin wirklich froh, dass Matt meine Idee, sie könnte als Managerin für ihn arbeiten, offensichtlich genauso gut fand wie ich. Ich hoffe, sie hat endlich etwas gefunden, dass ihr Spaß macht. »Na gut«, räuspere ich mich und tue so, als würde mich diese kleine Info so gar nicht berühren. »Ich ruf dich morgen wieder an. Sei brav, kleine Schwester.« »Bin ich doch immer«, lacht Kari und wir legen beide auf. Kurz hänge ich noch meinen Gedanken an Mimi hinterher, doch ich komme nicht dazu, mich darin zu verlieren, denn Sora betritt wenige Minuten später die Küche. »Mit wem hast du telefoniert?«, fragt sie ganz beiläufig, während sie sich eine Tasse Kaffee einschenkt. »Mit Kari.« »Oh, geht es ihr gut?« Ich nicke. »Ja, unsere Eltern kommen nächste Woche wieder, dann wird sie wieder nach Hause ziehen. Das ist wohl für alle das Beste, denke ich.« Sora setzt sich mir gegenüber und ich drehe meine Tasse hin und her, weil ich nicht weiß, über was wir reden sollen. Das ist in letzter Zeit oft so. Entweder wir reden über das Baby und planen Dinge, oder wir reden gar nicht. Sie gibt sich Mühe, aber auch sie spürt die Distanz. »Ich werde nachher zu Matt fahren«, beschließe ich kurzerhand. Sora sieht von ihrer Kaffeetasse auf. »So? Wollen wir nicht lieber noch ein paar Besorgungen für das Baby machen?« »Das haben wir doch schon gestern gemacht. Und den Tag davor. Und den Tag davor.« »Na ja, aber es fehlen immer noch einige Dinge von unserer Liste.« Ich atme tief durch. »Wirklich Sora. Ich habe Matt in letzter Zeit so gut wie nicht gesehen und ich brauche dringend mal eine Pause von der Uni und von diesem ganzen Babykram.« Sofort zuckt Sora zurück und sieht sichtlich verletzt aus. Schnell winke ich ab und versuche einen Kompromiss zu finden. »Aber wir können das ja morgen erledigen, wenn es dir so wichtig ist«, sage ich versöhnlich, woraufhin sie nur schwach grinst. Schließlich nickt sie. »Okay, wenn du das sagst.« Richtig überzeugt klingt sie nicht, aber ich muss dringend mal raus hier und tief durchatmen, sonst fressen sich meine Gedanken noch gegenseitig auf. Ich kann ja verstehen, dass sie viel in meiner Nähe sein möchte, aber momentan erdrückt sie mich damit. »Ich komme nicht so spät nach Hause, versprochen.« »Okay, Tai«, sagt sie und schenkt mir ein Lächeln. Ich trinke meine Tasse leer und mache mich gleich darauf auf den Weg zu Matt. Die WG ist leer, als ich zu Hause ankomme und das erste Mal seit langem wieder frei atmen kann. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Matt zu Hause ist, um mit ihm zu reden. Ihm zu erzählen, was passiert ist. Aber er ist nicht da. In den letzten Wochen haben wir uns so wenig gesehen, dass ich gar nicht mehr weiß, was er eigentlich so treibt. Ich war nur noch für Sora da und jetzt merke ich erst, wie viel mir entgangen sein muss. Vor allem, als ich den Plan sehe, der mit einem Magneten am Kühlschrank befestigt ist und auf dem Matt's nächste Termine gelistet sind. Es sind so viele, es müssen mindestens doppelt so viele sein, als im letzten Monat. Das ist Wahnsinn. Anscheinend ist die Band wirklich gefragt und ich komme nicht umhin, Mimi dafür verantwortlich zu machen. Ich wusste, sie ist perfekt dafür geeignet und so wie es aussieht, macht sie ihren Job wirklich gut. Ich checke die Liste und sehe nach, ob Matt heute irgendeinen Auftritt hat und tatsächlich … 20.00 Uhr in einem Club in der Nähe. Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Es ist erst Mittag. Wahrscheinlich macht er noch einige Besorgungen und kommt vorher sogar noch mal nach Hause. So oder so werde ich heute Abend zu seinem Konzert gehen, das habe ich viel zu lange nicht gemacht. Doch plötzlich stocke ich in meiner Bewegung, als ich zum Kühlschrank gehe, um mir was zu Trinken zu holen. Mimi wird auch da sein, ganz sicher sogar. Ob das eine gute Idee ist, ihr heute zu begegnen? Ich wüsste da jemanden, der absolut gar nicht begeistert davon wäre … Was auch immer Matt treibt, er scheint schwer beschäftigt zu sein, denn er kommt erst drei Stunden später nach Hause. Ungläubig bleibt er in der Tür stehen, als er mich auf dem Sofa sitzend erblickt. Er hat zwei große Einkaufstüten in der Hand. »Bist du echt?« »Was soll das, du Idiot?«, frage ich und klappe ein Buch zu, mit dem ich mir die Zeit vertrieben habe. Kommentarlos löst Matt sich aus seiner Starre und macht die Tür hinter sich zu. Dann geht er in die Küche, um die Einkäufe auszuräumen. »Warst du gerade drei Stunden einkaufen?«, suche ich das Gespräch, da er mich offensichtlich zu ignorieren versucht. »Nein«, antwortet er, während er die Milch im Kühlschrank verstaut. »Ich habe mich vorher noch mit Mimi und den Jungs im Club getroffen, um zu checken, ob alle Instrumente da sind. Danach war ich einkaufen.« »Achso.« Ich beiße mir auf die Unterlippe und versuche, ganz beiläufig zu klingen. »Heißt das … Mimi ist heute Abend auch da?« Matt hält in seiner Bewegung inne und dreht den Kopf nun leicht in meine Richtung, um mich mit einem wissenden Blick zu mustern. »Wieso? Willst du auch kommen?« Ich zucke mit den Schultern, ganz belanglos. »Vielleicht. Mal sehen.« »Kommt Sora dann auch mit?«, fragt Matt mich plötzlich unerwartet, während er weiter die Schränke einräumt. Anscheinend hat er einen Großeinkauf gemacht. »Ähm, nein … die kommt nicht.« »Okay? Warum nicht? Was ist los?« »Was meinst du?« Als Matt mich mit hochgezogener Augenbraue ansieht, merke ich selbst, wie bescheuert es ist, ihm jetzt noch was vormachen zu wollen. Dieser Kerl kennt mich schließlich fast mein ganzes Leben lang. »Ich brauche nur mal etwas Freiraum, das ist alles.« Matt schlägt die Tür vom Kühlschrank zu. »Das wundert mich nicht«, meint er tonlos, als wäre es keine super große Sache. »Was soll das denn bitteschön heißen?«, entgegne ich leicht gereizt, weil diese Reaktion doch etwas direkt ist. Auch wenn ich das von meinem besten Freund gewöhnt bin. »Dass ich mich schon gefragt habe, wann du aus deinem goldenen Käfig ausbrichst. Mir war klar, dass du das nicht ewig aushältst.« »So?« Ich stehe auf, gehe zu ihm rüber und lehne mich mit dem Rücken gegen die Küchentheke, während ich die Arme vor der Brust verschränke. »Und wie kamst du zu dieser Erkenntnis?« Matt gibt ein Zischen von sich und verdreht sogar die Augen dabei. »Ich bitte dich Tai«, sagt er halb grinsend, halb bedauernd. »Ich habe von Anfang an gewusst, dass das die falsche Entscheidung war.« »Oh, du meinst also, mich für mein Kind zu entscheiden, war die falsche Entscheidung?«, kontere ich nun doch leicht gereizt und sehe ihn herausfordernd an. »Nein, das habe ich nicht gemeint. Dich für dein Kind zu entscheiden, war richtig. Was anderes hätte ich nicht von dir erwartet, natürlich stehst du zu deinen Taten. Dich für Sora aufzuopfern war die falsche Entscheidung.« Etwas irritiert sehe ich ihn an. Ich hatte bisher keine Ahnung, dass er so darüber denkt. Sonst ist er immer sehr direkt und sagt frei heraus, was ihm durch den Kopf geht, aber anscheinend hat er sich in dieser Sache zurückgehalten. »Ich dachte …«, stammle ich, weil ich versuche, mein Verhalten irgendwie vor mir selbst zu rechtfertigen, obwohl ich inzwischen weiß, dass Matt recht hat. »Ich dachte, ich muss das jetzt einfach so machen. Dass das der einzige Weg ist.« Meinem besten Freund entfährt ein lautes Lachen und er klopft mir zuversichtlich auf die Schulter. »Das ist ja zuckersüß von dir. Aber so funktioniert das nun mal nicht. Würde Sora dich wirklich lieben, wie sie behauptet, würde sie wollen, dass du glücklich bist.« Ich schüttle ergeben den Kopf. »Ja, da hast du recht. Ich wollte es einfach besser machen und es nicht so aussehen lassen, als würde ich mich meiner Verantwortung entziehen wollen.« »Hey, wir wissen alle, dass das nicht deine Art ist. Du hast es versucht. Das ist schon mehr als andere gemacht hätten. Hör auf dich selbst zu geißeln und für etwas zu bestrafen, für dass du nichts kannst.« Ich weiß genau, was er meint … »Ich kann's versuchen«, nicke ich und bin innerlich erleichtert, dass Matt mich versteht. »Du hättest mir früher sagen können, was du darüber denkst.« Matt sieht mich vielsagend an, bevor er sich umdreht und sich eine wahrscheinlich noch warme Cola aus dem eben eingeräumten Kühlschrank nimmt. »Hättest du denn auf mich gehört?«, fragt er und öffnet die Dose, dann reicht er sie mir. Ich schüttle den Kopf, nehme die Cola aber dankend an. »Nein, vermutlich nicht.« »Siehst du.« Er öffnet sich auch eine und verzieht das Gesicht. »Igitt, total warm.« Ich lache. Als wäre ihm das nicht klargewesen. Dann lehnt Matt sich wie ich zurück und wirft mir einen fragenden Blick zu. »Wo wir grad beim Thema sind. Was hältst du davon, wieder hier einzuziehen?« Ich erwidere seinen fragenden Blick, offensichtlich genauso verwirrt wie er. »Äh? Bin ich jemals hier ausgezogen?« »Na ja …« Matt's Augen rollen Richtung Decke. » … du warst so gut wie nie da, hast ewig nicht hier geschlafen, hast nicht eingekauft, nicht geputzt, dich nicht gemeldet …« »Aber ich habe Miete bezahlt«, unterbreche ich ihn. Er zeigt mit dem Finger auf mich. »Ist ein Argument. Ansonsten hast du als bester Freund und Mitbewohner kläglich versagt. Noch zwei Wochen länger und ich hätte mir einen neuen Untermieter gesucht.« »Okay, okay, okay«, werfe ich schnell ein und schlage die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich hab's verstanden. Und ja, diese Ohrfeige habe ich wohl verdient.« »Mehr als das«, entgegnet Matt. In den letzten Wochen war ich ein absoluter Scheißfreund. Aber er hat recht. Mit allem. Es war absurd zu denken, ich könnte Soras Bedürfnisse permanent über meine stellen. Selbst wenn ich das wollen würde, und ja, ich habe es versucht … es ist unmöglich ihr gerecht zu werden. Zwischen uns ist zu viel passiert. Das Verhältnis ist angespannt. Und inzwischen weiß ich gar nicht mehr, wie ich mit ihr umgehen soll. Mein Misstrauen ihr gegenüber wächst von Tag zu Tag und ich fange an zu denken, dass es wohl doch das Beste wäre, mich zeitweise von ihr zu trennen - zumindest räumlich gesehen - bis die Sache mit dem Vaterschaftstest geklärt ist. Vielleicht sollte ich wirklich wieder hier einziehen. »Und ich bin nicht der Einzige, bei dem du dich entschuldigen solltest.« »Oh, bitte«, sage ich leicht genervt und stelle die Dose ab, um aus der Küche zu flüchten. Aber Matt folgt mir zurück ins Wohnzimmer, wo ich mir wieder mein Buch nehme, es aufklappe und so tue, als wäre er gar nicht mehr da, während er sich direkt neben mich setzt. Seine Blicke sind bohrend. Voll unangenehm. Als er nichts sagt, sondern mich einfach weiter anstarrt, stöhne ich auf und werfe den Kopf zurück. »Ma-ha-tt«, sage ich gedehnt. »Ich bin noch nicht bereit dafür.« »Findest du nicht, sie hat eine Entschuldigung von dir verdient?« »Doch, natürlich hat sie das. Aber nicht jetzt. Ich … ich wüsste gar nicht, was ich sagen sollte.« Und war es nicht beim letzten Mal auch so? Ich mache mit Sora Schluss, gestehe ihr meine Gefühle und dann geht alles den Bach runter? Ich habe echt keine Lust, dass sich diese Geschichte wiederholt.« Matt stutzt. »Wieso? Hast du noch eine geschwängert?« Ich schlage ihn hart gegen die Schulter. »Lass den Scheiß! Sie weiß längst, wie ich für sie empfinde.« Seufzent lehnt sich Matt zurück und stützt sich mit beiden Händen ab. »Verstehe. Na ja, das musst du selbst wissen. Ich will dir da nicht rein quatschen. Ich habe nur in den letzten Wochen viel Zeit mit Mimi verbracht und sie hat deinetwegen echt gelitten.« Ich beiße mir auf die Unterlippe und balle die Hand zur Faust. »Ich weiß.« Natürlich würde ich sofort die Zeit zurückdrehen, wenn ich könnte und alles ungeschehen machen. Aber das kann ich nicht. Trotzdem ist sie immer noch das Mädchen, dass ich schon immer geliebt habe und immer lieben werde. »Na, wie du meinst«, sagt Matt schließlich und steht auf. »Falls du es dir anders überlegst, sie ist heute Abend bei unserem Auftritt mit dabei und sieht sich das Konzert an. Nur, falls du doch noch vorhast, zu kommen …« Dann verschwindet er im Badezimmer, vermutlich, um vor seinem Gig noch mal zu duschen. Kurze Zeit später höre ich, wie das Wasser rauscht, während ich immer noch wie gelähmt dasitze und in die Seiten meines Buches starre, ohne auch nur eine Zeile davon zu lesen. Matt hat so recht, das weiß ich. Das hat er leider irgendwie immer. Aber schaffe ich das? Der Gedanke, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei dem Konzert auf Mimi treffen werde, schreckt mich auf der einen Seite etwas ab, weil ich nicht weiß, wie sie inzwischen zu mir steht. Auf der anderen Seite halte ich es keine Minute länger ohne sie aus. Gott, ich vermisse dieses Mädchen so schrecklich, dass es weh tut. Diese angestaute Sehnsucht dehnt sich wie ein Ballon in meinem Magen aus, der kurz davor ist, zu platzen. Ich muss sie einfach sehen, ich kann gar nicht anders. Der Tag zieht sich wie Kaugummi, bis es endlich 20.00 Uhr ist. Ich bin etwas später als Matt in den Club gegangen, weil er sich natürlich noch auf seinen Auftritt vorbereiten musste. Und dann war er anscheinend so beschäftigt, dass er es nicht mehr geschafft hat, vorher noch mal an die Bar zu kommen, so wie er es sonst immer tut. Er weiß gar nicht, dass ich doch noch gekommen bin, weil ich es ihm nicht gesagt habe. Ich war mir bis zur letzten Minute unsicher, ob ich wirklich gehen soll. Aber nun bin ich da. Und es gibt kein Zurück. Bislang halte ich mich im Hintergrund und sehe, wie Mimi sich kurz vor dem Auftritt auf einen der Barhocker niederlässt. Sie lässt ihren Blick über das Publikum schweifen, kann mich aber in der Menge zum Glück nicht ausmachen, weil ich etwas abseits stehe. Sie sieht aufgeregt aus. Sie rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her, wippt ständig mit ihrem Fuß und kaut sogar das ein oder andere mal an ihren Fingernägeln, während sie aufmerksam die Stimmung im Raum beobachtet. Bei ihrem Anblick muss ich unwillkürlich grinsen. Nicht, weil sie heute Abend, wie immer, zauberhaft aussieht, sondern weil sie so steif ist. So kenne ich sie noch von früher, wenn sie kurz vor einer Prüfung stand. Dann ist sie so konzentriert, dass ihr Gesicht quasi einfriert und sie mit den Gedanken genau bei dieser einen Aufgabe ist. Mein Grinsen wird breiter. Dann wollen wir doch mal sehen, ob ich sie aus der Reserve locken kann. Ich warte bis kurz vor dem Ende, bevor ich zu ihr rüber gehe. Sie bemerkt mich gar nicht, obwohl ich einen ganzen Song lang neben ihr stehe. Sie ist so auf den Auftritt fixiert, dass sie nichts mehr um sich herum wahrnimmt. Ich drehe mich zum Barkeeper um und sage: »Ein Bier, bitte.« Ihre Reaktion folgt auf der Stelle. Als hätte sie meine Stimme wachgerüttelt, dreht sie ihren Kopf in meine Richtung und sieht mich mit großen, überraschten Augen an, die mein Herz sofort höher schlagen lassen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)