Mein Weg zu Dir von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 38: Mimi ---------------- Ich habe es geschafft! Es war nicht leicht, aber ich habe es geschafft! Ich hatte bis jetzt keine Ahnung, wie schwer ein anderer Mensch sein kann, bis ich Kari von der Bar aus drei Straßen zu Tais und Matt's Wohnung geschleppt habe - auf meinem Rücken! Ich weiß jetzt schon, dass mir morgen alles weh tun wird. Aber das ist es mir wert. Kari hat so verzweifelt gewirkt und irgendwie musste ich ihr helfen. Ich fühle mich für sie verantwortlich, da wir quasi zusammen aufgewachsen sind und sie Tais kleine Schwester ist. Das ist das erste Mal, dass ich sie komplett betrunken erlebe. Ich finde es nicht schlimm, denn jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen. Ich finde nur den Grund nicht schön, aus dem sie so viel getrunken hat. Denn dieser Grund war eindeutig Takeru. Natürlich respektiere ich ihre Entscheidung, nicht darüber sprechen zu wollen. Das wäre in ihrem jetzigen Zustand auch nicht mehr möglich. Aber das heißt nicht, dass ich mir keine Sorgen um die beiden mache. Schnaufend trage ich Kari die letzten Stufen nach oben, weil der Fahrstuhl mal wieder kaputt zu sein scheint. Deshalb bin ich heilfroh, als ich endlich oben ankomme. Meine Beine schmerzen und mein Rücken tut weh, aber das ist egal. Hauptsache sie kann sich gleich hinlegen und wieder ausnüchtern. Gleich mehrmals klingle ich an der Tür, weil ich hoffe, dass es dann schneller geht. Doch nichts tut sich. Dank Karis Information, dass Tai bei Sora ist, weiß ich zwar, dass er nicht zu Hause ist, aber was ist mit Matt? Verdammt. Es ist Freitag Abend. Wahrscheinlich ist er selbst verabredet und gar nicht zu Hause. Oder er hat einen Auftritt. Shit, ich hätte ihn vorher anrufen sollen. Gott, bin ich blöd. »Oh, bitte«, stöhne ich völlig erschöpft und lehne meine Stirn gegen die Klingel, weshalb sie in einem lauten, ununterbrochenen, nervigen Ton summt. Ein Nachbar öffnet die Tür und macht mich an, warum ich um diese Uhrzeit so laut sein muss und fragt mich, ob ich einen Dachschaden habe. Aber das ist mir gerade total egal, deshalb ignoriere ich ihn. Matt ist anscheinend ohnehin nicht zu Hause. Gerade, als ich das denke, öffnet sich die Tür und meine Stirn rutscht vor lauter Überraschung von der Klingel und knallt gegen die Wand. »Sag mal, hast du sie noch alle?«, fährt er mich an, als er erkennt, dass ich es bin, die diesen Lärm veranstaltet hat. »Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?« Ich höre, wie der wütende Nachbar ebenfalls ein paar Flüche in meine Richtung schickt, als Kari droht, mir von der Schulter zu rutschen. Matt reagiert ziemlich schnell und fängt sie auf. »Was macht Kari denn hier?« Er nimmt sie mir ab, während ich nach Luft ringe. Dann richte ich mich auf. »Kannst du sie mit rein nehmen?« Matt nickt, während der Nachbar weiter wütet und nun ist er es, der das ganze Haus aufweckt. »Halt die Klappe, Kiyoshi«, schnauft Matt nur verächtlich, woraufhin der Alte ruhig ist und die Tür hinter sich zuknallt. Matt nimmt Kari auf den Arm, die von alledem nichts mit zu bekommen scheint. Sie ist schon vor einer halben Stunde auf meinem Rücken eingeschlafen. Zielstrebig geht er mit ihr in Tais Schlafzimmer und ich folge ihm. Er legt sie in sein Bett und ich setze mich daneben. Dann holt er ein Glas Wasser und einen Eimer und stellt beides neben das Bett, während ich ihr die Schuhe ausziehe und sie zudecke. »Was ist hier los, Mimi?«, fährt er mich plötzlich an und ich zucke zusammen. Seine Stimme vibriert vor Wut und als ich zu ihm aufsehe, kann ich diese Wut auch deutlich in seinem Blick erkennen. »Warum hat Kari sich so betrunken?« »Kannst du vielleicht noch etwas lauter schreien?«, entgegne ich nicht weniger bissig und funkle ihn an. Matt verengt die Lippen zu zwei schmalen Schlitzen, packt mich am Arm und zerrt mich aus dem Zimmer raus. Nun stehen wir mitten im Wohnraum. Alles ist dunkel, aber jetzt, wo er die Arme vor der Brust verschränkt, erkenne ich, dass er obenrum komplett nackt ist und nur eine Jogginghose trägt, die ihm tief auf der Hüfte sitzt, als hätte er sie in Windeseile übergestreift. Er hat keine Unterhose an … »Also, was ist los?«, fordert er eine Antwort, während sein Blick mich durchbohrt. Tai hätte wahrscheinlich nicht weniger wütend reagiert. Trotzdem stehe ich im Moment lieber vor Matt als vor ihm. »Nichts ist los«, erwidere ich trotzig. Ich bin ihm keine Antwort schuldig. Sie ist nicht seine Schwester. »Ist es okay, wenn ich im Wohnzimmer schlafe? Ich will sichergehen, dass es Kari morgen früh gut geht, wenn sie aufwacht.« Ich will an ihm vorbei gehen, doch er hält mich am Arm fest und wirbelt mich zu sich herum. »Mimi, du sagst mir jetzt auf der Stelle, was passiert ist!« Seine Stimme ist so fest, so bestimmend, wie ich es selten bei ihm erlebt habe. Er meint es wirklich ernst. Ich entziehe mich seinem Griff. »Ich wüsste nicht, was dich das angeht.« »Es geht mich sehr wohl was an, wenn du die Schwester meines besten Freundes völlig betrunken hier ablädst«, sagt er im Flüsterton, wahrscheinlich, um Kari nicht aufzuwecken. Nervös huschen meine Augen hin und her und ich fahre mir durch die inzwischen zerzausten Haare. »Matt, bitte …«, schlage ich nun einen deutlich ruhigeren Ton an. »Ich danke dir, dass sie hier übernachten kann. Wir waren hier in der Nähe unterwegs und irgendwie … ist es aus dem Ruder gelaufen. Ich wollte einfach nicht mit ihr alleine sein, das ist alles. Mehr kann ich dir nicht dazu sagen. Kannst du das so hinnehmen?« Ich weiche ihm aus und gehe in die Küche, um mir selbst auch ein Glas Wasser einzuschenken. Mein Herz pocht wie verrückt, vor lauter Aufregung rund um Kari. War es meine Schuld, dass es soweit gekommen ist? Hätte ich sie irgendwie stoppen sollen? Hätte ich vielleicht doch lieber Tai anrufen sollen, auch wenn ich Kari damit in den Rücken gefallen wäre? Matt folgt mir und wartet geduldig, bis ich ausgetrunken habe. Er hat immer noch die Arme vor der Brust verschränkt und zieht eine Augenbraue in die Höhe, während er mich mit einem wissenden Blick mustert. Seine Augen gleiten an mir hinab, bis zu meinen nackten Beinen und dann wieder zurück in mein Gesicht, wo sie verweilen. Fragend lege ich den Kopf schief. Warum sieht er mich so an? So wütend. Und doch so verlangend. Dann macht er plötzlich einen Schritt auf mich zu und mein Herz macht einen Satz, als er meine Taille umfasst und zu sich zieht. Ich will zurückweichen, doch mein Rücken drückt sich nur noch mehr in die Arbeitsplatte, an der ich lehne. »Was … was hast du vor?«, flüstere ich, während meine Augen gebannt an seinen hängen. »Du kannst sie nicht einfach hierher bringen«, sagt er leise, aber bestimmt. Ich schlucke. »Du kannst mich Tai gegenüber nicht in so eine Lage bringen. Was soll ich ihm sagen, wenn er mich danach fragt?« Ich runzle die Stirn und zucke mit den Schultern, weil ich keine Antwort darauf habe. Darüber habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht. Matt hebt eine Hand und streicht mir eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr, was mich erschauern lässt. »Und du kannst hier auch nicht einfach so rein spazieren. Du bist manchmal viel zu impulsiv. Was hast du dir nur schon wieder dabei gedacht? Was, wenn jemand hier gewesen wäre?«, sagt er mit rauer Stimme. Wieder zucke ich mit den Schultern. »Aber es ist niemand hier, richtig?« Matt schnaubt, während zeitgleich seine Mundwinkel zucken. Ich weiß genau, was als Nächstes passieren wird. Und dann passiert es. Unsere Lippen treffen aufeinander und versinken in einen hungrigen Kuss. Und ich lasse es zu. Erwidere sein Zungenspiel, mit dem er meine Lippen auseinander drückt. Matt presst seinen Körper gegen meinen und ehe ich mich versehe, hat er mich gepackt und in einer einzigen Bewegung hoch auf die Arbeitsplatte gehoben. Er schiebt sich zwischen meine Beine, während seine Hand den Weg in meinen Nacken findet, um mich noch enger an sich zu ziehen. In mir beginnt es zu glühen, als er seine andere Hand an meinem Bein hinauf wandern lässt, mein Kleid hochschiebt und mir somit eine Gänsehaut beschert. Ich stöhne in den Kuss hinein, kann meine Lust auf ihn kaum unterdrücken. Und ich will es auch gar nicht. Verdammt. Wir wollten das doch nicht noch ein Mal tun. »Matt«, wispere ich an seinen Lippen. Ein verzweifelter Versuch, das Unumgängliche hinauszuzögern. Doch er hört mich und hält inne. Dann sieht er mich verheißungsvoll an. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, schließt ihn jedoch gleich wieder. Seine blauen Augen glänzen im Mondschein, der durch das Fenster dringt und spiegeln dasselbe Verlangen wieder, das auch in mir tobt. Jede Faser meines Körpers will ihn, das wird mir nur all zu schmerzlich bewusst. Doch noch schmerzlicher wäre es, diesem Verlangen nicht nachzukommen. Matt wartet nicht darauf, dass ich noch irgendetwas sage oder tue, um ihn abzuhalten, denn er sieht in meinem Blick dasselbe, was auch er spürt. Dasselbe, was auch er will - egal, welche Konsequenzen es haben könnte. Seine Hand landet erneut in meinem Nacken und unsere Lippen treffen sich. Dies ist kein freundlicher, liebevoller Kuss. Er ist verzehrend. Verhängnisvoll. Gefährlich. Und ich will mehr davon. Ich schnappe nach Luft, als wir uns kurz voneinander lösen und Matt mit seinen Lippen an meinem Hals saugt. Lustvoll stöhne ich auf, weil ich gar nicht weiß, wie mir geschieht. Plötzlich geht alles so schnell. Er schiebt mein Kleid noch ein klein wenig höher, sich noch weiter zwischen meine Beine. Dann höre ich nur noch, wie eine Verpackung unsanft aufgerissen wird und im nächsten Moment stößt er auch schon in mich. Hart. Unerwartet. Ein kurzer Schrei dringt aus meiner Kehle, doch Matt erstickt ihn schnell mit einem Kuss. Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und spüre, wie er mit jedem weiteren Stoß das Feuer entfacht, was alle Erinnerungen und Gefühle niederbrennt - was mich vergessen lässt. Es ist wie eine Droge, von der ich unbedingt mehr brauche. Matts Finger packen meine Hüfte, während ich genussvoll den Kopf in den Nacken lege. Ich schließe die Augen und spüre bereits, wie ich viel zu schnell dem Höhepunkt näher komme. Meine Hände gleiten über seinen nackten Oberkörper, spüren jeden Muskel, der sich bewegt und anspannt. Meine Finger wandern in seinen Nacken und ich lehne mich nach vorne, um seinen Hals zu küssen, was ihn nur noch heißer macht. Er wird immer schneller und bringt mich damit fast um den Verstand. Mein Kopf ist wie leer gefegt und ich bin nicht mehr im Stande, auch nur eine Sekunde an irgendetwas anderes zu denken. Ich presse meine Stirn gegen seine, als wir beide gleichzeitig kommen. Ein lautes Stöhnen entfährt mir, obwohl ich versucht habe, es zu unterdrücken. Matt presst schnell eine Hand auf meinen Mund und dämmt es somit wenigstens etwas ein. Nachdem wir uns beide etwas beruhigt haben und das Nachbeben langsam verklingt, nimmt er die Hand wieder weg. Unsere Herzen rasen und unser Atem geht stockend. Verschwitzt sehen wir uns an und ich streiche ihm eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn, so wie er es eben noch bei mir getan hat. Er lächelt. »Ich liebe es, wenn ich dich zum Stöhnen bringen kann.« Prompt erröte ich, obwohl das ja völlig absurd ist, denn … er ist schließlich immer noch in mir. Wir hatten gerade Sex. Zum zweiten Mal. Und ich erröte, wenn er etwas Schmutziges zu mir sagt? Sehr reif von dir, Mimi. »Du Macho.« Ich schlage ihm gegen die Brust, woraufhin er auflacht. Dann packt er zu und zieht mich so fest an sich, dass ich zusammen zucke und mein Rücken sich kerzengerade durchdrückt. »Was hältst du davon, wenn ich dich rüber in mein Schlafzimmer trage? Ich hätte Lust auf eine zweite Runde.« Seine Finger ziehen verlangend am Träger meines Kleides und schieben ihn ein wenig zur Seite, nur, damit er einen sanften Kuss auf meine Schulter hauchen kann. Immer noch die Arme um seinen Hals gelegt, grinse ich zufrieden. Oder sollte ich eher sagen: befriedigt? »Bekommst du nie genug?« »Von dir anscheinend nicht. Ehrlich gesagt, Mimi ... mag ich das. Ich meine, das zwischen uns.« Ich blinzle kurz irritiert auf. Das zwischen uns? Was ist denn da zwischen uns? »Ich … ich irgendwie auch«, gebe ich zu, weil es das Einzige ist, worauf ich eine Antwort habe. Es ist das Einzige, was ich definitiv weiß. Matt hilft mir dabei, für einen kurzen Moment zu vergessen. Er hilft mir dabei, mich gut zu fühlen. Mich frei zu fühlen. Ich dachte, wir würden es bei dieser einen, verhängnisvollen Nacht belassen, aber … »Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich damit so einfach aufhören kann«, flüstere ich fast schon beschämt. Die Situation ist mir peinlich. Doch er legt nur eine Hand an meine Wange und sieht mich eindringlich an. »Das müssen wir auch nicht.« »Aber wir sollten es.« »Das stimmt.« »Und was tun wir nun, mit dieser Erkenntnis?«, frage ich schulterzuckend, weil ich verwirrter bin denn je. Matts Augen heften sich an meine. »Geh erst mal schlafen«, entgegnet er und gibt mich frei. »Wir reden dann morgen.« Ich springe von der Arbeitsplatte und ziehe mein verrutschtes Kleid zurecht. »Okay, danke, dass ich … ähm, wir bei dir schlafen dürfen.« »Hab ich eine andere Wahl?«, kontert Matt schnaubend. »Morgen seid ihr mir beide eine Antwort schuldig.« Er drückt mir von hinten einen Kuss in die Halsbeuge. Dann geht er an mir vorbei in sein Schlafzimmer. Ich steuere nun doch Tais Zimmer an. Ich wollte eigentlich nicht in seinem Bett schlafen, was vermutlich noch nach ihm riecht. Aber ich kann Kari auch nicht einfach so alleine lassen, das ist mir zu unsicher. Als ich es leise betrete, schläft sie tief und fest auf der Seite. Sie schnarcht sogar ein wenig. Ich krieche auf der anderen Seite unter die Decke und habe plötzlich das Bedürfnis sie zu umarmen. Ich rutsche an sie heran und lege einen Arm von hinten um sie, als wäre sie meine kleine Schwester. Dann vergrabe ich mein Gesicht in ihrem Nacken. »Was soll ich nur tun, Kari? Ich habe es schon wieder getan, obwohl ich das nie wollte. Und jetzt … fangen die Grenzen an zu verschwimmen. Wenn man etwas Falsches nur oft genug tut, erscheint es einem irgendwann nicht mehr schlimm. Das ist doch so, oder?«, wispere ich erschöpft in ihr Haar und drücke sie fest an mich, bevor mich die längst überfällige Müdigkeit ereilt … Am nächsten Morgen wache ich auf dem Bauch liegend auf. Mein Kopf ist in eines von Tais zahlreichen Kissen gedrückt und das aller Erste, was ich wahrnehme, ist sein Geruch, der darin steckt, gepaart mit dem Geruch meiner Haare. Viel zu schnell rolle ich mich deshalb auf den Rücken, aber der Geruch hat sich in meiner Nase bereits festgesetzt. Kein Wunder, ich habe ihn ja auch die ganze Nacht lang eingeatmet. Da fällt mir was ein … »Kari«, schrecke ich hoch und sitze mit einem Mal kerzengerade im Bett. Ihre Seite ist leer. Sie ist nicht mehr da. Schon wieder springe ich viel zu schnell aus dem Bett, weshalb mir schwindlig wird und ich einige wacklige Schritte tue. Doch als ich die Zimmertür öffne, kann ich erleichtert ausatmen. Kari sitzt im Wohnzimmer, während Matt in der Küche steht und einen Kaffee kocht. Wobei, sitzen ist das falsche Wort. Sie liegt eher, mit dem Gesicht auf der Tischplatte und die Arme weit von sich gestreckt. »Töte mich«, raunt sie mir zu, als sie mich bemerkt, schließt jedoch dann schnell wieder die Augen. Ich werfe Matt einen sorgenvollen Blick zu, der jedoch nur mit den Schultern zuckt. »Sie ist völlig im Eimer. Hat sich noch zwei Mal übergeben.« Ja, ganz offensichtlich. Ich verziehe gequält das Gesicht. Sie sieht schrecklich aus. Mist. Sie muss unbedingt bis heute Nachmittag wieder nüchtern werden, damit Tai nichts davon merkt, wenn er nach Hause kommt, um nach dem Rechten zu sehen. Matt geht zu ihr und stellt ihr eine heiße Tasse Kaffee auf den Tisch, den Kari jedoch nicht mal ansieht. Dann kommt er zu mir und drückt mir ebenfalls eine in die Hand. »Danke«, sage ich und hoffe, dass das Koffein uns wieder zum Leben erwecken wird. Wobei es mir deutlich besser geht als Kari. Aber ich habe mich ja auch nicht völlig abgeschossen. »Also«, beginnt Matt und lehnt sich, die Beine kreuzend und ebenfalls eine Tasse Kaffee in der Hand, gegen den Küchentresen. »Was war gestern los?« »Nichts«, kommt es zeitgleich aus Karis und meinem Mund, wenn auch ihr Wort deutlich leiser ist als meins. »Natürlich«, entgegnet Matt und sieht uns beide vorwurfsvoll an. »Habt ihr eigentlich eine Vorstellung davon, was Tai mit euch macht, wenn er erfährt, dass ihr …« Doch er kommt nicht dazu, seinen Satz zu Ende zu sprechen, denn in diesem Moment, öffnet sich die Tür zu seinem Schlafzimmer. Erschrocken drehe ich mich um, und sehe, wie eine Frau aus dem Zimmer schlüpft. Sogar Kari fährt hoch und sieht die junge Frau mit großen Augen an, die uns zunächst gar nicht zu bemerken scheint, denn sie schleicht auf Zehenspitzen hinaus. Erst, als sie selbst auch den Kopf hebt, zuckt sie zusammen und sieht uns alle überrascht an. Dann grinst sie unsicher. »Uups«, sagt sie und wirkt beschämt, weil wir sie gesehen haben. »Ich hoffe, ich störe nicht.« Mir klappt der Mund runter, während ich sie anstarre, als wäre sie ein Geist. Sie trägt ein ziemlich kurzes Kleid, High Heels und ihre blonden Haare sind total zerzaust. Aber was noch viel wichtiger ist: war sie etwa die ganze Zeit in seinem Zimmer? Die ganze, verfickte Nacht lang? Ich bin so perplex, dass ich nicht einen Ton rausbekomme und sie nur fassungslos ansehe. Sie bemerkt meinen Blick und tritt nervös von einem Bein aufs andere. »Scheiße, Yamato! Ich hoffe, das ist nicht deine Freundin.« Erwartungsvoll schaut sie zu Matt rüber, der immer noch ungerührt lässig gegen den Tresen lehnt. »Nein, ist sie nicht«, offenbart er ihr und sie stößt erleichtert die Luft aus. »Puh, na dann bin ich ja beruhigt.« Ach. Na, wie schön für sie. »Ich muss dann mal«, verkündet sie in die Runde und sieht uns alle entschuldigend an, als hätten wir sie eben zum Frühstück eingeladen. »War schön mit dir. Bis bald.« Wenige Sekunden später fällt die Tür hinter ihr ins Schloss. Kari, immer noch halb auf dem Tisch liegend, schaut ihr irritiert hinterher, während ich wie eine Salzsäule da stehe und auf den Fleck vor Matts Schlafzimmer starre, wo die Frau bis eben noch gestanden hat. Hat er etwa ernsthaft …? Nein. Niemals … Oder doch? Der Gedanke ist völlig absurd und ich will es auch nicht so richtig glauben, aber … hat er erst sie und dann mich gevögelt, während sie die ganze Zeit in seinem Schlafzimmer war? Ich. Fasse. Es. Nicht! »Sorry, für die kleine Unterbrechung. Zurück zum Thema«, wirft Matt in den Raum, als wäre rein gar nichts geschehen. Fassungslos drehe ich mich zu ihm um, während er Kari und mich weiterhin mit vorwurfsvollen Blicken straft, als wären wir hier die Bösen. Kari winkt nur ab und lässt ihren Kopf wieder zurück auf den Tisch fallen. »Ich will nicht drüber reden. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du meinem großen Bruder nichts davon erzählen könntest«, nuschelt sie. Matt will das Wort ergreifen und ihr widersprechen, ihr vermutlich eine Standpauke halten, aber ich komme ihm zuvor. »Keine Sorge, Kari«, sage ich mit der freundlichsten Stimme, die ich gerade aufbringen kann. »Er wird Tai nichts verraten. Das würde er niemals tun. Richtig, Matt?« Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu. Matt verengt die Augen zu zwei Schlitzen und funkelt mich wütend an, weil ich ihm so über den Mund gefahren bin. Aber ich gebe ihm gar keine Gelegenheit, noch irgendetwas darauf zu kontern. Stattdessen stelle ich die volle Tasse Kaffee aufs Regal und wende mich ab. »Trink deinen Kaffee aus, Kari. Dann verschwinden wir von hier. Ich packe schon mal unsere Sachen zusammen.« Ich stürme in Tais Zimmer und knalle die Tür hinter mir zu. Dann fange ich an, völlig planlos im Raum hin und her zu gehen und das Bett zu durchwühlen, bis mir einfällt, dass wir überhaupt nichts dabei haben, was ich zusammen packen müsste. Schnaufend lasse ich mich aufs Bett sinken. In meinen Händen quetsche ich das Kissen, was ich mir eben geschnappt habe und stelle mir vor, dass es Matts Hals ist. Was ist nur los mit diesem Typen? Was stimmt mit ihm nicht? Hat er völlig den Verstand verloren? Er kann doch nicht … erst sie und dann mich … und mich dann auch noch in sein Schlafzimmer einladen. Hat er sie noch alle? Er ist so was von dreist! Ach, ich bin so wütend auf ihn! Gerade, als ich das denke, öffnet ausgerechnet er die Tür zu Tais Schlafzimmer und kommt herein. Noch ehe er sie ganz geschlossen hat, fliegt das Kissen, was ich eben noch mit meinen Händen erwürgt habe, in sein Gesicht. »Hey!«, beschwert er sich, als das Teil zu Boden fällt. »Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber: bist du sauer?« Meine Augen weiten sich. Ob ich sauer bin? Ist das sein scheiß Ernst? »Okay, Frage beantwortet«, entgegnet Matt lediglich, als er meinen Blick sieht und fährt sich dann gestresst durchs Haar. »Kannst du mir auch verraten, warum du so sauer bist?« »Das fragst du noch?«, entfährt es mir und ich springe vom Bett auf. Gott, er macht mich wahnsinnig. »Was ist nur los mit dir, Matt? Was stimmt nicht mit dir?«, werfe ich ihm entgegen, doch Matt zeigt keinerlei Regung. »Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass du …« Ich deute mit der Hand in irgendeine Richtung, als wäre die betroffene Person immer noch anwesend. » … Na, dass du irgend so eine Tussi vögeln kannst und es dann mit mir in der Küche treibst, während sie bei dir im Bett schläft. Ich meine, bist du von allen guten Geistern verlassen? Wer tut so etwas?« Mein Puls rast vor Wut und ich habe Schwierigkeiten, mich zu beherrschen und ihn nicht anzuschreien. Kari ist zwar noch halb weggetreten, aber sie soll trotzdem nichts hiervon mitbekommen. »Und was war mit: ich will dich in mein Schlafzimmer tragen und dort weiter machen?«, äffe ich ihn nach. »Wolltest du einen flotten Dreier, oder was?« Ich sehe Matt böse an und er steht regungslos da. Doch dann zucken seine Mundwinkel und er wirkt beinahe amüsiert. Macht er sich über mich lustig? »Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst«, entgegnet er betont gelassen, was mich nur noch wütender macht. »Haben wir jemals gesagt, wir daten keine anderen Leute mehr, nur, weil wir ein mal miteinander geschlafen haben? Das wäre etwas viel verlangt, oder?« »Ja, schon, aber …« »Außerdem: konnte ich ahnen, dass du gestern Nacht einfach bei mir rein schneien wirst?« »Nein«, entgegne ich zwar mit leiser Stimme, aber innerlich koche ich vor Wut. »Aber es hat auch niemand gesagt, dass du Sex mit mir haben sollst. Das war deine Entscheidung!« Vorwurf schwingt in meiner Stimme mit, als er näher kommt und an mich ran tritt. Ich weiche keinen Schritt zurück, sondern blicke ihm stattdessen herausfordernd in die Augen. »Ach, und deine etwa nicht? Du hättest nein sagen können.« Ich schlucke schwer. Meine Hände ballen sich zu zwei Fäusten, weil er, verflucht noch mal, recht hat. Ich hätte es unterbinden müssen. Ich hätte nein sagen können. Aber ich wollte es nicht. Genauso wenig wie er. Und es stimmt - versprochen haben wir uns nie etwas. Im Grunde kann ich ihm absolut keinen Vorwurf machen. Er hat das Recht, mit jeder noch so billigen Hure zu schlafen, wenn er das will. Nüchtern betrachtet weiß ich gerade auch nicht, warum ich mich so über sein Verhalten aufrege. »Fein«, entgegne ich dennoch verbittert, weil er mich so vorgeführt hat. »Dann hoffe ich, du hattest deinen Spaß.« Ich will an ihm vorbei gehen, doch er hält mich am Arm fest. »Warte, wir sind hier noch nicht fertig«, sagt er und klingt dabei ziemlich überzeugt. Ich sehe auf seinen festen Griff und weiß, er wird mich nicht ohne eine Antwort gehen lassen. »Was war gestern mit Kari los?« »Ich würde es dir sagen, wenn ich es wüsste«, antworte ich daraufhin und entziehe ihm mit einem Ruck meine Hand. »Aber frag doch deinen Bruder, vielleicht kann er es dir sagen.« Mit einem mal zeichnet sich Überraschung auf seinem Gesicht ab. »T.K.? Was hat er damit zu tun?« »Was fragst du mich?« Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Ich weiß nur, dass sie erst angefangen hat, sich hemmungslos zu betrinken, nachdem er aufgetaucht war. Außerdem waren die beiden wirklich mehr als seltsam zueinander. Als würden sie sich gar nicht richtig kennen.« In dem Moment, als ich das sage, verändert sich etwas in Matts Gesicht. Sein Blick wirkt nicht mehr überrascht, sondern eher so, als wäre er zu einer Erkenntnis gekommen. Jetzt bin ich mir sicher. Er weiß etwas. »Verstehe«, meint Matt und setzt sich auf die Bettkante. »Matt?«, frage ich verheißungsvoll, weil ich eine schlechte Vorahnung habe. »Was weißt du? Du weißt doch etwas, oder?« Matt schnaubt und sieht zu mir auf. »Ich denke, mein kleiner Bruder würde nicht wollen, dass ich mit dir darüber rede. Frag Kari, wenn du mehr wissen willst.« Ich verdrehe die Augen. »Denkst du, das hätte ich nicht längst? Sie erzählt es mir nicht.« »Dann solltest du es dabei belassen. Die Sache geht uns rein gar nichts an.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. Das sehe ich etwas anders. Kari war seinetwegen gestern Abend fix und fertig und hat sich komplett abgeschossen. Und das war wohl nicht das erste Mal, wenn man Tai glauben schenken mag. Inzwischen kann ich sehr gut verstehen, dass er sich ein wenig Sorgen um seine kleine Schwester macht. Allerdings scheint er auch nicht mehr zu wissen. Der Einzige, der offenbar genau weiß, was vorgefallen ist, sitzt gerade vor mir. »Denkst du nicht, Tai sollte es wissen? Immerhin ist er ihr großer Bruder.« Matt lacht leise auf und schielt zur Seite. »Nicht einmal ich wollte es wissen. Aber … T.K. wusste nicht, was er tun sollte, also hat er es mir erzählt.« Okay. Das klingt jetzt aber sehr mysteriös. Und besorgniserregend. Seufzend lasse ich mich neben ihm aufs Bett sinken. Warum ist er nur so stur? »Du bist ein ziemlich komplizierter Typ, weißt du das?« Matt schnaubt lachend. »Nicht so kompliziert wie du vielleicht denkst.« Nun, das sehe ich ganz anders. »Ich habe bei dir immer das Gefühl, du durchblickst alle um dich drum rum«, sage ich, woraufhin sich Matts Kopf in meine Richtung dreht. Fragend sieht er mich an. »Du erkennst ziemlich schnell, was in anderen Menschen vor geht. Siehst ihr Innerstes. Ihre Geheimnisse. Du hast sogar gesehen, was in mir vorgeht, obwohl ich es dir nie erzählt habe. Du wusstest, dass ich in Tai verliebt bin und hast nie was gesagt.« Mein Blick sucht seinen und meine rechte Hand legt sich auf sein Bein. »Und doch lässt du gleichzeitig niemanden hinter deine Fassade blicken. Ist das nicht eine seltsame Ironie?« Meine Finger heben sich und umfassen sein Kinn, während mein Daumen langsam über seine Unterlippe streicht. Für den Bruchteil einer Sekunde verweilen sie dort, genauso wie meine Augen, bis ich den Blick wieder hebe und erkenne, dass Matt mich die ganze Zeit ansieht. »Ich muss jetzt gehen«, flüstere ich, reiße mich von seinem Blick los und stehe auf. Ohne ein weiteres Wort verlasse ich das Zimmer und gehe zu Kari, die auf dem Tisch eingeschlafen ist. Ich rüttle sie an der Schulter wach, so dass ihr das Handy aus der Hand fällt, das sie eben noch festgehalten hat. Eine Nachricht von Tai blinkt auf. »Sorry Kari, aber ich schaffe es heute nicht vorbei zu schauen. Wir sehen uns morgen.« Na, so ein Glück. Eine Sorge weniger. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)