Mein Weg zu Dir von Khaleesi26 ================================================================================ Kapitel 33: Mimi ---------------- Als ich am nächsten Morgen in Matt’s Bett aufwache, brummt mir der Schädel. Stöhnend greife ich mir an die Stirn und wage es nicht, mich aufzusetzen. Scheiße, man. Alles dreht sich. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drehe ich mich auf den Rücken. Matt liegt neben mir auf dem Bauch und schläft so friedlich wie ein kleines Kind. Ich schnippe ihm gegen die Stirn. Er wird wach. »Aua«, beschwert er sich brummend und kehrt mir den Rücken zu. Ich schlage ihm gegen den Oberarm. »Verdammt, lass das«, knurrt er und wendet sich mir nun doch mit verschlafenen Augen zu. »Was ist denn?« »Mir platzt gleich der Schädel«, seufze ich und verdrehe die Augen. »Hast du Aspirin im Haus?« Matt nickt. »In der Küche. Erste Schublade auf der rechten Seite.« Ich hole tief Luft, als müsste ich gleich einen Marathon laufen, dabei schlage ich nur die Decke zurück und stehe auf. »Mimi?«, höre ich Matt hinter mir sagen und drehe mich um, obwohl ich schon fast an der Tür bin. Seine Augen mustern mich und irgendetwas Anzügliches liegt in seinem Blick, was ich nicht richtig deuten kann. Wieso sieht er mich so an? »Was?«, frage ich verschlafen. Seine Mundwinkel zucken, als er sich zur Seite rollt und sich nach unten bückt, um sein T-Shirt vom Boden aufzuheben. Er wirft es mir zu. »Hier, zieh das an. Nur zur Sicherheit.« Erst jetzt sehe ich ebenfalls an mir hinab und erstarre. Ich bin komplett nackt. Oh Gott … Schnell ziehe ich mir sein Shirt über den Kopf, was mir glücklicherweise bis unter den Po reicht, während mir die Hitze in den Kopf steigt. »Du musst nicht gleich rot werden«, meint Matt lachend und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. »Richtig«, erwidere ich bemüht tonlos. »Nichts, was du nicht schon gesehen hättest.« Dann verlasse ich sein Zimmer und atme durch. Er macht mich nervös. Was wir getan haben, macht mich nervös. Dabei ist Matt sicher der letzte Mann auf diesem Planeten, vor dem mir ein One-Night-Stand peinlich sein müsste. Er hatte schließlich schon genug Frauen. Trotzdem wünsche ich mir gerade, ich hätte einen Blackout. Gott, Mimi. Was ist nur mit dir los? Ich reibe mir mit den Händen übers Gesicht. Dann durchsuche ich die Schublade in der Küche nach dem Aspirin und schmeiße mir gleich zwei Tabletten ein. Als ich wieder zurück in Matt’s Zimmer gehe, liegt er auf dem Rücken und tippt eine Nachricht in sein Handy ein. Ich schlüpfe wieder unter die Decke und er legt das Handy weg, um sich auf die Seite zu drehen und mich anzusehen. »War ja klar, dass du einen Kater hast. Du bist nichts gewöhnt, Mimi.« Ich stöhne auf und lege eine Hand an die Stirn. Ist das wirklich der richtige Zeitpunkt, um mich aufzuziehen? »Zumindest bin ich es nicht gewöhnt, splitterfasernackt in deinem Bett aufzuwachen.« In dem Moment, als ich es ausspreche, bereue ich es auch schon. »Ähm, ich meine … ich bin es nicht gewöhnt, überhaupt nackt in irgendeinem anderen Bett aufzuwachen. Ich mache so was eigentlich nicht.« Ich drehe mich auf die Seite, so dass wir uns ins Gesicht schauen können und sehe, dass er belustigt grinst. »Was ist?«, frage ich fast schon beleidigt. »Na ja«, beginnt er und runzelt die Stirn. »Wir hatten Sex, was so ziemlich alle Regeln einer gesunden Freundschaft bricht. Und du machst dir Gedanken darüber, dass du nackt bist?« Okay, so gesehen … »Stimmt«, erwidere ich gequält und schlage beide Hände vors Gesicht, damit ich ihn nicht mehr ansehen muss. Ich bin so was von am Arsch. »Was haben wir nur getan?« »Wir hatten Sex«, wiederholt Matt völlig gleichgültig. Kann er bitte aufhören, das ständig zu sagen? Ich fühle mich auch so schon mies genug, ohne, dass er es mir ständig unter die Nase reibt. »Ja, das sagtest du schon.« Wütend nehme ich die Hände vom Gesicht und funkle ihn an. Dann schlage ich ihm gegen den Oberarm. »Aua! Hey, was soll das?« »Wieso hast du mich nicht davon abgehalten?« »Dich abgehalten? Wovon? Mit mir zu schlafen?« Matt wirkt amüsiert. Ich finde das gar nicht lustig. »Ja!«, tadle ich ihn. »Ich habe doch versucht, dich davon abzuhalten.« Ich gebe ein Zischen von mir. »Nicht sehr erfolgreich. Ist dir die schwere unseres Vergehens nicht bewusst?« »Gott, Mimi«, meint Matt, schlägt die Decke zurück und steht auf. Warum hat er eine Unterhose an und ich nicht? »Dazu gehören immer noch zwei. Und jetzt hör auf so zu tun, als hätten wir eine Straftat begangen. Es war nur Sex. Nichts weiter.« Er geht zur Kommode und zieht ein frisches Shirt heraus, welches er sich überstreift. Ich beobachte ihn und beiße mir auf die Unterlippe. »Und … und was ist mit Tai?« Ich sehe, wie Matt für einen Moment in seiner Bewegung inne hält. Dann macht er unbeirrt weiter. »Was soll mit ihm sein?« Seine Stimme klingt fest. Hat er denn kein Gewissen? »Er ist dein bester Freund und wir … wir …« Ja, wir sind nicht mehr zusammen. Aber … wir empfinden etwas füreinander. Matt schiebt die Schublade seiner Kommode mit einem lauten Knall zu, der mich zusammenfahren lässt, ehe er sich zu mir umdreht. »Tai muss es nicht erfahren.« Als ich zaghaft nicke, weil ich weiß, dass es das einzig Kluge ist, was wir jetzt noch tun können. Wir verheimlichen unsere Nacht. Und werden es nie wiederholen. Es ist schon so gut wie vergessen. Vielleicht wird es ja wahr, wenn ich es mir einrede … Ja, na klar, Mimi. Du bräuchtest schon einen Schlag auf den Kopf und eine ausgeprägte Amnesie, um diese Nacht zu vergessen. Matt legt sich wieder ins Bett und wirft einen Blick auf seine Handyuhr. »Ich werde noch eine Runde schlafen. Wir haben heute Abend einen Auftritt und wollen uns nachher noch zu den Proben treffen, da muss ich fit sein. Wenn du willst, kannst du dich auch gerne noch mal umdrehen«, schlägt Matt mir vor und ich blinzle verwirrt. Was für ein krasser Themenwechsel. Lässt ihn das alles so eiskalt? »Ich kann nicht«, antworte ich gähnend, weil ich wirklich, wirklich müde bin, aber steige trotzdem aus dem Bett und fange an, meine Klamotten einzusammeln und anzuziehen. »Meine Schicht beginnt bald.« »Okay«, zuckt Matt mit den Schultern und dreht sich um. Als ich mir die Schuhe anziehe, höre ich, wie seine Atmung bereits langsamer wird. Er scheint wohl schon eingeschlafen zu sein. Ich trete neben das Bett, lege den Kopf schief und betrachte ihn noch für einen kurzen Moment. Mein Blick fällt auf das Tattoo an seinem Handgelenk, was er sich gestern Abend hat stechen lassen. Das halbe Herz. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, welche Gefühle Matt hat oder was in ihm vorgeht. Für mich war er immer nur ein Freund, weil er Tais bester Freund ist. Aber ich habe mich nie gefragt, wer er wirklich ist. So langsam beginnt das Bild, was ich bisher von ihm hatte, zu bröckeln. Ich kann förmlich spüren, wie ich immer mehr das Bedürfnis habe, hinter die Fassade zu blicken. Ich glaube, da ist mehr - viel mehr, als er andere Menschen von sich sehen lässt. Als er sich im Schlaf auf den Bauch dreht, schüttle ich schnell den Kopf. Dann ziehe ich mich leise zurück und lasse ihn schlafen. Ich schließe die Tür zu seinem Zimmer und erstarre im selben Moment, weil ich ein Geräusch wahrnehme. Das Geräusch eines Schlüssels, der sich in das Schloss der Wohnungstür schiebt. Ach, du heilige Scheiße. Das kann nur Tai sein. Mein Herz beginnt wie wild zu rasen, während ich mich panisch umsehe. Verdammt, was mache ich jetzt? Mich verstecken? Aber wo? Sei nicht albern, Mimi. Einen Notausgang gibt es schon mal nicht, das ist klar, also tue ich das Einzige, was mir einfällt und grabsche nach dem ersten Gegenstand, der mir ins Auge springt. Just in diesem Augenblick öffnet sich die Wohnungstür und Tai steht im Flur. Er hebt den Kopf und sieht mich so überrascht an, dass man meinen könnte, er stünde einem Geist gegenüber. Ich bin zur Salzsäule erstarrt, presse dabei den Gegenstand an meine Brust und zwinge mich dazu die Hand zum Gruß zu heben. Am liebsten würde ich mein Herz genauso fest umklammern, wie das Teil in meiner Hand, damit es endlich aufhört fast aus meiner Brust zu springen. »H-h-hi«, stottere ich mit bebender Stimme. »Mimi?«, kommt es irritiert aus seinem Mund und er mustert mich. »Was machst du hier?« Ja. Was mache ich hier? Gute Frage. Ich hatte Sex mit deinem besten Freund - schießt es mir durch den Kopf und ich beiße mir schnell auf die Zunge, ehe ich diesen Gedanken laut aussprechen kann. Stattdessen sage ich: »Ich … ich wollte mir nur das hier ausleihen.« Tai runzelt die Stirn. »Matt's Handyladekabel? Wieso?« Ich sehe auf das Kabel in meiner Hand und hätte mir am liebsten gegen den Kopf geschlagen. »Ähm ja, also, meins ist kaputt.« Bevor es völlig unglaubwürdig werden kann, schiebe ich das Teil in meine Tasche. »Er hat gesagt, es ist okay, wenn ich mir seins ausborge, bis ich mir heute nach der Arbeit ein Neues kaufen kann. Mein Akku ist komplett leer und ich schaffe es vor der Schicht nicht, mir ein Neues zu organisieren.« »Ach so«, entgegnet Tai tonlos, weshalb ich auch keine Ahnung habe, ob er mir die Lüge abkauft. Neuerdings ist er so anders, wenn wir uns begegnen. Als müsste er vor mir jegliche Emotion verbergen. Ob das eine Art Schutzmechanismus ist? Tai schließt die Tür hinter sich und kommt ins Wohnzimmer. Immer näher. Eigentlich will ich zurückweichen, aber da ich in die entgegengesetzte Richtung muss, gebe ich mir einen Ruck und setze mich ebenfalls in Bewegung. Als ich an ihm vorbei gehe, streifen sich unsere Arme und mein Kopf schnellt zu ihm herum. Genauso wie seiner. Unsere Blicke treffen sich und halten einander fest. In seinen Augen liegt Unausgesprochenes, doch noch, bevor ich ihn durchdringen kann, wendet er sich wieder ab. Seine Miene erkaltet. Ich könnte jetzt gehen. Tue ich aber nicht. Stattdessen stehe ich da und sehe zu ihm auf, während ich leicht den Kopf schief lege und mein Blick ganz weich wird. Es tut mir in der Seele weh, ihn so zu sehen. »Schau mich nicht so an, Mimi.« Seine Worte sind nicht mehr als ein Flüstern. Ich schlucke. »Wie denn?« Nun verengen sich seine Augen zu zwei Schlitzen und er sieht mich von der Seite her an. »So, als würde ich dir leidtun. Das ertrage ich jetzt echt nicht.« Die Luft, die ich angehalten habe, atme ich aus. Sie verwandelt sich in ein Knistern, das den ganzen Raum erfüllt. Ich kann förmlich spüren, wie sich alles in mir zu ihm hingezogen fühlt und ihn am liebsten umarmen möchte. Er fehlt mir so sehr. Er hat ja keine Ahnung, wie sehr. Aber ich will ihn nicht noch weiter quälen. Das alles scheint ihm schwer genug zu fallen. Tai sieht mich nicht mehr an, aber er geht auch nicht weg. Er steht immer noch neben mir, als wäre er unentschlossen, was er nun tun soll. Ich sehe nach unten auf unsere Hände, die viel zu nah beieinander sind, um sich nicht zu berühren. Mein Zeigefinger verselbstständigt sich und will sich um seine Hand schließen, doch im letzten Moment halte ich inne. Meine Haut berührt seine Haut nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch es reicht aus, um zu erkennen, dass es falsch ist. Ich kann ihn nicht mehr berühren, nicht auf diese Weise. Also lasse ich meine Hand schweren Herzens sinken. »Es tut mir leid«, wispere ich mehr zu mir selbst als zu ihm. Dann ergreife ich die Flucht, bevor ich schwach werden kann. Erst, als die Tür hinter mir zuschlägt, nehme ich wahr, wie hoch mein Puls ist. Dass mir das Blut in den Ohren rauscht, als wäre ich eben einen Marathon gelaufen. Tränen schießen mir in die Augen, doch ich halte sie zurück. Ich darf jetzt nicht weinen. Ich will jetzt nicht weinen. Nicht wegen Tai, nicht wegen unserer Freundschaft und auch nicht wegen unserer verlorenen Liebe. Ein paar tiefe Atemzüge und mein Innerstes beruhigt sich soweit, dass ich endlich dieses Haus verlassen kann. Ich darf nicht ständig wegen ihm zusammenbrechen, das bringt mich kein Stück weiter. Ich muss stark sein - um meiner selbst willen. Aber auch für Tai. Damit er nicht noch mehr leidet, als er es ohnehin schon tut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)