Sprich mit mir von loire (Ostern 2022) ================================================================================ Kapitel 4: Ostersonntag -> Erkenntnis / Versöhnung -------------------------------------------------- Adrian   Elisa hatte mir einen Zettel in die Hand gedrückt den ich nicht lesen sollte. Und dann hatte sie mich losgeschickt eine Überraschung nur für mich zu suchen, wovon die Anderen nichts mitbekommen sollten. Es hatte sich mehr wie eine Schnitzeljagd angefühlt, den ich fand nur Zettel mit neuen Anweisungen darauf. Doch nun stand ich hier, wie vom Blitz getroffen, und mein Herz raste. Im Schatten der Sitzecke vor mir musste ein Geist stehen. Ich musste wieder fantasieren, ging es mir durch den Kopf. Und ich traute meinen Ohren nicht, ob ich seine Stimme wirklich gehört hatte. Schnell warf ich einen Blick zu allen Seiten, kontrollierte das mich niemand sah, wenn ich hier wirklich einem Hirngespinst aufsaß. Kian räusperte sich und sagte noch mal: „Hallo Adrian.“ Dieses Mal klang seine Stimme fester. Mein Blick richtete sich wieder auf ihn. Er sah verlegen aus. Mit wenigen Schritten war ich vor ihm und streckte vorsichtig meine Hand nach ihm aus. Seine Finger fingen sie ein bevor ich seine Brust berühren konnte, aber ich konnte ihn fühlen. Er war real, sah mich schuldbewusst an und hielt meine Hand. Für Außenstehende musste unsere Haltung seltsam aussehen. Ich bemühte mich mit meinen Lippen „Hallo“ zu formen. Mir fiel in diesem Moment nichts besseres ein, obwohl ich tausende Fragen hatte und auch etwas wütend auf ihn war. „Es ist schön dich zu sehen“, flüsterte Kian. Nickend stimmte ich zu, das war auch etwas, was ich in diesem Moment fühlte. Dennoch wollte ich plötzlich Antworten haben. Ich zog meine Hand zurück und tippte stattdessen damit an meinen Kopf und zeigte auf ihn. Meine Verzweiflung und Wut schwappte in dieser Sekunde über meine Freude ihn wieder zu sehen. So gut ich konnte versuchte ich das an ihn weiter zu leiten. Er sah mich an und ich hatte das Gefühl er würde mich nicht verstehen oder wollte einfach wieder weglaufen. Also zückte ich mein Handy um ihm alles aufzuschreiben. Es war so frustrierend, wenn wir an diesen Punkt kamen, ich wollte wieder mit ihm sprechen können. Schreiben dauerte so viel länger und drückte so viel weniger aus, hatte ich das Gefühl. Seine Hand legte sich auf mein Handy. Er brachte mich dazu es zu senken. Als ich ihn ansah, begann er zu sprechen. „Du hast Fragen und bist wütend. Das verstehe ich. Nur...“, sagte er zögernd. Ich machte eine ungeduldige Geste um ihn zum weitersprechen aufzufordern. Er atmete tief ein. „Es tut mir Leid. Ich hatte das Gefühl dich nur noch mehr zu belasten. Ich wollte dir helfen und hatte keine Ahnung wie. Ich war so verzweifelt und dachte, damit würde ich dich noch mehr belasten. Und davon drehte sich mir der Kopf, weil du es doch bist und du so stark für mich bist. Und so will ich auch für dich sein. Aber in dem Moment ist mir nichts anderes eingefallen. Ich wollte dich nicht noch mehr belasten mit meinen Tränen. Die mir immer leicht kommen wenn es um dich geht. Da ist mir nichts anderes eingefallen als etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Ich dachte, damit musst du dir zumindest um mich keine Gedanken machen und kannst dich auf dich konzentrieren. Aber schon als ich aus der Tür war wusste ich, dass das falsch war. Ich wäre am liebsten sofort wieder umgedreht. Ich wusste nur nicht wie ich dir dann helfen sollte und das wollte ich ja immer noch. Das will ich die ganze, verdammte Zeit über“, sprudelte es aus ihm heraus. Mir drehte sich etwas der Kopf, ich konnte nur hoffen, dass ich alles richtig mitbekam. „Balthazar hat mir ganz schön den Kopf gewaschen, als er das aus mir heraus gequetscht hat. Danach habe ich versucht einen klaren Kopf zu bekommen und versucht mich zu erkundigen, wie ich dir helfen könnte. Das war gar nicht so einfach, wie du mir glauben kannst. Mir brummt jetzt noch der Kopf, wenn ich an meine Recherche denke. Und ich hab dich vermisst. Mehrmals wollte ich dich anrufen, aber dann ist mir immer eingefallen, dass du mir ja nicht antworten kannst wenn ich dich nicht sehe. Und dann habe ich gedacht, du willst mich nicht mehr sehen, weil ich dich im Stich gelassen habe. Das hat mich fertig gemacht und ich dachte, ich sollte mich besser weiter von dir-“ Ich legte meine Finger auf seine Lippen um ihn zu unterbrechen. Das war ganz schön viel aufeinmal und ich konnte ihm ansehen, wie er immer verzweifelter wurde. Mein Handy vibrierte in meiner Hand bevor ich ihm antworten konnte. Verwundert und irritiert schaute ich nach wer unbedingt jetzt stören musste. Es war eine Nachricht von Elisa, die schlicht besagte, wir sollten den Zettel lesen. Ich drehte das Handy, damit Kian die Nachricht auch lesen konnte. Dabei deutete ich auf das „Wir“, woher wusste sie das nun wieder. Kian zuckte mit den Schultern. „Ich hab auch eine Nachricht von ihr bekommen, dass ich hier herkommen sollte und dann war sie nicht da. Nur das da“, sagte er und deutete auf eins von unseren Körbchen, was ich bis jetzt nicht bemerkt hatte, da es hinter ihm auf einer Bank stand. „Ich schätze sie hat das hier geplant“, seufzte er. Dann sollten wir den Zettel lesen?, tippte ich in mein Handy. Ich war mir nicht sicher was ich davon halten sollte. In meiner Brust kämpfte Unbehagen über ihre Einmischung mit Dankbarkeit für diese Gelegenheit und alle meine Gefühle für Kian rangen zusätzlich um Aufmerksamkeit. Es fühlte sich plötzlich wie ein riesiges Chaos an. Überwältigt ließ ich mich auf die Bank neben mir fallen. „E-es tut mir Leid. Wenn du mich wirklich nicht mehr sehen willst, dann kann ich sofort gehen. Wir müssen nicht nach ihrer Pfeife tanzen“, sagte Kian und klang dabei irgendwie besorgt. Ich fasste nach seinem Handgelenk und zog ihn neben mich auf die Bank. Ohne ihn loszulassen tippte ich mit der anderen Hand Ich wollte dich die ganze Zeit sehen. Weil mir nichts besseres einfiel um anzufangen. „Uh, entschuldige. Ich war egoistisch in meiner Annahme. Ich bin einfach davon ausgegangen-“ Was hat deine Recherche ergeben? Ohne auf seine neue Entschuldigung einzugehen, fragte ich gleich das nächste was in mir aufkam. Das hier war kein geordnetes Gespräch, aber es störte mich auch nicht weiter. „Nun, also … “, druckste Kian herum und ich machte eine ungeduldige Geste. „Also, du kannst ja noch hören, aber … “ Ich war kurz davor mit den Augen zu rollen, nach der Ewigkeit ohne ihn hatte ich jetzt keine Geduld mehr für Umwege, stellte ich erstaunt fest. Abgesehen davon, dass das Gestammel nicht zu ihm passte. „Es gibt Kurse für Gebärdensprache. Einer startet in ein paar Tagen. Ich, ähm, habe es geschafft uns noch dafür einzuschreiben. Wenn du mich nicht mehr sehen wolltest, hätte ich Elisa noch rechtzeitig Bescheid gegeben. Gebärden sollte so etwas schneller gehen als schreiben. Und deine Geschwister könnten es auch lernen, auch die Kleinen, die noch nicht so gut lesen können. Dann könntest du dich wieder mit allen unterhalten ohne dein Handy. Ich habe gedacht, dass wäre eine gute Idee egal, ob die Ärzte deine Stimme vielleicht wieder hinbekommen. Aber ich hätte das wohl erst mit dir besprechen sollen. Ich war nur so froh einen Platz bekommen zu haben. Was meinst du?“ Gut, das du nicht noch mehr gestammelt hast. War mein erster, trockener Kommentar. Kian wurde rot bis zu den Ohren, was mich lächeln ließ. Wann hattest du vor mit mir darüber zu sprechen? Was wenn ich nicht einverstanden gewesen wäre? Ich hatte bis jetzt nämlich nicht vorgehabt mich noch mehr wie ein Idiot aufzuführen und absichtlich mit meinen Händen herumzufuchteln. Ein wenig männlichen Stolz hatte ich irgendwo noch verspürt, wenn es auch mit moderner Technik ging. Doch nach meiner letzten Erfahrung beim Einkaufen musste ich zugeben, dass es auch idiotisch war sich darauf zu verlassen. Vielleicht war es also zumindest in der Familie eine Lösung für mich. „Dienstag wollte ich vorbei kommen. Ich wollte dir nicht die Feiertage verderben, wenn du mir vorher sagen musst … Nun gut, jetzt ist es so. Bist du denn nicht einverstanden? Ich zumindest will dich anschauen können, wenn du mir etwas sagst und es nicht von deinem Handy ablesen“, erklärte er sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)