Geschichtenerzähler von Pragoma ================================================================================ Kapitel 6: Im Schlossgarten --------------------------- Nasskaltes Wetter zog sich wie ein Schleier durch Mark und Bein, fröstelte mich und um etwas Wärme zu bekommen, rieb ich meine Hände einander. Ohne Handschuhe erfolglos, sie wurden einfach nicht warm. Vielleicht kam es mir auch nur so vor und ich war zu empfindlich. Ein warmer Tee wäre nicht schlecht, doch erst musste ich meinen Heimweg antreten und das durch den Schlossgarten. Kurz sah ich auf die Uhr, stellte mit Schrecken fest, dass es bereits halb fünf am Nachmittag war und die Dämmerung bereits im vollen Gange war. Super, wirklich super. Winter war nicht das, was ich für gewöhnlich mochte und wenn, dann mit dickem Schnee und keinem Nieselwetter. Seufzend steckte ich meine Hände in die Manteltaschen, trat den Heimweg an und blieb vor dem großen eisernen Tor zum Schlossgarten stehen. Der kürzeste Weg, um möglichst schnell zum Martin Luther Platz und zum Bus zu kommen. Ein seltsames Gefühl überkam mich, während ich den ersten Schritt in den großzügig angelegten Garten tat und mich umsah. Menschenleer. Nicht eine Person war zu sehen, nicht einmal ein Hund oder gar ein Eichhörnchen in den Bäumen. Wie ausgestorben, mit den kahlen Trauerweiden, die mit ihren langen Ästen gespenstisch wirkten. Leise lachend schüttelte ich den Kopf und setzte meinen Weg fort. An den Mythen, die man sich seit Ewigkeiten erzählte, war sicher nichts dran. Hier spukte keine unglückliche Gräfin und trieb Schabernack. Alles Schauermärchen, um kleinen Kindern Angst zu machen. Vielleicht auch ängstlichen Frauen, die sich abends alleine nicht mehr heraustrauten. Ich war schon oft im Schlossgarten. Eine weiße Frau habe ich nie gesehen und schon gar nicht Sophie Caroline Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel, die zweite Frau von Markgraf Friedrich III. von Bayreuth. Angeblich blieb die Ehe kinderlos, was sie schwer getroffen haben soll. Seither fand sie laut Erzählungen keine Ruhe und geistert immer wieder am in der Mitte thronenden Brunnen herum. Studenten sollen sie dort gesehen haben. Andere an der Orangerie oder sogar im botanischen Garten, der direkt angrenzte und gut besucht war. Jetzt aber war auch er leer, die Tore geschlossen. "Komm schon, Eric. Es gibt keine Geister", ermahnte ich mich selber, warf jedoch einen prüfenden Blick hinter und neben mich. Wie zu erwarten, nichts. Noch immer war ich mit mir und meinen lächerlichen Gedanken alleine. Schade, gegen weibliche Gesellschaft hätte ich nichts einzuwenden, doch mein Leben hatte andere Pläne oder eher noch die Frauen. Entweder sahen sie mich nicht, oder aber meine extravagante Erscheinung schüchterte sie ein. Schade, wirklich schade, aber nicht zu ändern. Nela war die einzige Frau, die gefühlt ständig an meiner Seite war. Heute jedoch nicht. Sie recherchierte, wälzte Berichte, Bücher und stellte das Stadtarchiv auf den Kopf nach Antworten. Noch immer jagte sie dieses kleine Mädchen, was vom eigenen Großvater getötet und irgendwo verscharrt wurde. Typisch Nela. Wenn sie sich festgebissen hatte, ließ sie nicht eher los, bis sie Ergebnisse hatte. In dem Fall würde sie versagen und ich wäre es, der ihr das klarmachen musste. Gespenster gab es nicht. Weder in Form einer Gräfin, noch in der eines unschuldigen Kindes. Obwohl der Schlossgarten nicht sehr groß und vom Wetter her einladend war, blieb ich stehen, seufzte tief und ließ meinen Blick über den imposanten Brunnen gleiten. Schön war anders, das Wasser fehlte, die Sonne, die dem Wasserspiel einen ganz anderen Glanz verlieh und Menschen, wie ein Magnet anzog. "Schön, nicht wahr?" "Was?" Verwirrt blickte ich neben mich und stellte fest, dass dort keiner war. Unsicher drehte ich mich um, doch auch hinter mir fehlte jede Spur einer Person. "Ich höre schon Gespenster." Schmunzelnd wandte ich mich vom Brunnen ab, schritt auf das eiserne Tor und den Ausgang zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)