and sometimes something is wrong von Tasha88 (Elsa x Viktor) ================================================================================ Prolog: Zerbrochen ------------------ Elsa fasst das Band ihrer Tasche etwas fester mit ihrer Hand, während sie lächelnd die Türe zu dem Sporträumen des Vereins öffnet, in dem Mario seit zwei Jahren spielt. Ihr Freund hat heute ein recht spät angesetztes Training und ihr gesagt, dass er noch nicht genau weiß, wann er nach Hause kommen würde und dass es spät werden könnte. Und auch, dass sie nicht auf ihn warten müsste sondern einfach ins Bett gehen könnte, da sie am nächsten Morgen früh aufstehen muss. Und da sie weiß, dass solche Tage sehr anstrengend für ihn sein können, wollte sie ihm eine kleine Freude machen. Daher hatte sie ihm eine Bento-Box mit all den Leckereien gerichtet, die er gerne mochte. Diese wollte sie in seinen Spind legen, dass wenn er nachher dorthin kommen würde, er sie finden würde. Eine kleine Stärkung, sein Abendessen sogesehen, er würde sich sicherlich freuen, da ist sie sich sicher. Sie hatte ihm auch einen kleinen Zettel dazu geschrieben, dass sie ihn liebte und sich freute, ihn morgen zu sehen und ihn vielleicht noch ein wenig beim Schlafen beobachten würde. Während Elsa durch die Gänge zu dem Umkleideraum von Marios Fußballmannschaft geht, kann sie durch die Fenster einen Blick nach draußen auf den Fußballplatz werfen. Verwundert bleibt sie stehen, sie kann keinen einzigen Fußballer erkennen, der Platz ist komplett leer. Hat sie etwas falsch verstanden? Nein, sicherlich nicht, aber gut, vielleicht hat die Mannschaft gerade auch eine Besprechung, das gehört schließlich auch dazu. Hoffentlich ist die Umkleidekabine jetzt nicht voller Fußballer! Als sie vor der Türe zu diesem Raum ankommt, holt sie die Bento-Box aus ihrer Tasche und vergewissert sich, dass der Klebezettel noch drauf ist. Dann klopft sie an der Türe an, wartet, ob eine Rückmeldung kommt, doch nichts. Erleichtert atmet sie auf, das heißt wohl, keine Meute an Fußballern. Elsa öffnet auch diese Türe und geht in den Raum hinein. Erneut bleibt sie verwundert stehen. Es ist dunkel und nichts deutet daraufhin, dass irgendjemand hier ist, geschweige denn, heute noch jemand diesen Umkleideraum benutzt. Aber … ihr Blick richtet sich zu dem Durchgang in die Duschräume, aus dem Licht zu erkennen und Wasserrauschen zu hören ist, irgendjemand ist doch noch hier. Mario? Elsa runzelt ihre Stirn, als ein Lachen erklingt, doch, das hört sich nach ihrem Freund an. Dann erstarrt sie und es fühlt sich an, als würde eine eiskalte Faust ihr Herz umfassen und zusammendrücken, denn außer dem dunklen, eindeutig männlichen Lachen, ertönt ein helles Lachen, das einer Frau zuzuordnen ist, gefolgt von einem lauten Aufstöhnen von dieser. Elsa tritt nach hinten, übersieht dabei einen Korb mit Fußbällen, gegen den sie läuft und der dabei umfällt. Bei dem Lärm, der daraufhin klingt, zuckt sie zusammen, dreht sich herum und versucht die Fußbälle aufzuhalten, die im Raum herumfliegen. Plötzlich ertönt ein Klicken und als die Lampen an der Decke des Umkleideraums aufleuchten, wird alles in helles Licht getaucht. “Elsa?”, erklingt hinter ihr eine Stimme, in der ein panischen Unterton mitschwingt. “Mario.” Die Angesprochene dreht sich herum, sieht zu dem jungen Mann, der dort aufgetaucht ist. Er scheint unter der Dusche gewesen zu sein, denn er ist nass, Wassertropfen laufen von seinen Haaren und über seine Haut. Um seine Hüfte hat, er ein Handtuch geschlungen das er mit einer Hand zuhält, ansonsten ist er nackt. “Was … was machst du hier?”, fragt er mit krächzender Stimme und starrt sie mit großen Augen an. Elsa hält ihm die Bento-Box entgegen, die sie so festhält, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortreten. “Ich … ich wollte nur … die hier … in deinen Spind legen, für nachher und …” Sie sieht hinter sich, zu dem Spind, der Mario gehörte. Sie erstarrt und dann fliegt die Bento-Box aus ihren Hände, auf den Boden, wo sie sich öffnet und sich all die liebevoll zubereiteten Leckereien verteilen, doch das bemerkt Elsa nicht, deren Blick auf die Kleidung gerichtet ist, die neben Marios auf der Bank vor seinem Spind liegt. Wieso … liegt dort Unterwäsche einer Frau? Ein BH und ein Slip, die ihr regelrecht Löcher in die Netzhaut brennen. Langsam dreht sich die junge Frau zu ihrem Freund herum, der sie mit immer noch großen Augen ansieht und sehr blass geworden ist. “Das … das ist nicht, wie du denkst!”, bricht es aus ihm heraus und er hebt seine freie Hand vor sich, wie als ob er etwas abwehren wollen würde. Blinzelnd blickt Elsa ihn an, ehe sie langsam ihren Kopf schüttelt. “Was … was genau … Mario … was tust du hier?”, fragt sie ihn, während sich in ihr alles nur noch mehr zusammenzieht. “Ich … das … Elsa, glaube mir, das bedeutet alles nichts!” Er macht einen Schritt auf sie zu, streckt seine Hand nun nach ihr aus, während er mit der anderen weiterhin krampfhaft das Handtuch an seiner Hüfte festhält. “Das … bedeutet nichts?” Elsas Augen weiten sich. “Das … es ist … einmalig passiert und …” Und auf diese Aussage kommt Leben in Elsa. Sie kneift ihre Augen zu Schlitzen zusammen und starrt ihn durch diese an. “Nichts zu bedeuten?” Sie deutet auf die Kleidung auf der Bank. “Das hat nichts zu bedeuten?”, brüllt sie wütend. “Du hast mir gesagt, dass du heute lange trainierst. Und dann komme ich hierher und du … du … vögelst eine andere?” “Elsa, Schatz …” Mario tritt einen weiteren Schritt auf sie zu. “Nein, komm mir nicht mit Schatz!” “Hör zu, Elsa, ich beende das und dann reden wir miteinander und klären alles, ja? Warte nur kurz, ich bin sofort wieder bei dir und …” “Ja!”, zischt Elsa immer noch wutentbrannt. “Geh du nur. Ich beende auch etwas: und das ist unsere Beziehung! Ich will dich nie wieder sehen, hörst du? Nie wieder!” Und dann dreht sie sich um und rennt aus der Umkleidekabine, aus dem Gebäude, soweit sie ihre Beine tragen. Dass er ihr nicht nachkommen würde, nur mit einem Handtuch als Bekleidung, darauf baut sie, hofft sie. Doch irgendwann muss sie stehen bleiben, nach Luft schnappend, während es in ihrer Lunge sticht, kaum noch etwas sehend, da Tränen ihr die Sicht nehmen, unaufhaltsam über ihre Wangen laufen. Elsa schlingt ihre Arme um ihren Oberkörper, krümmt sich zusammen, während alles zu schmerzen scheint, regelrecht in Schmerzen steht, ihr ganzer Körper, jeder einzelne Teil von ihr. Das gerade … das ist das Schlimmste, was ihr je passiert ist, was sie in ihrem ganzen Leben erlebt hat. Er … Mario … wie hatte er sie so verletzen können? Sie hatte bis vor wenigen Minuten gedacht, dass er sie lieben würde, genauso sehr, wie sie ihn. Doch das ist anscheinend nicht so. Ist ihr Leben in den letzten Jahren wirklich so eine Lüge gewesen? Langsam läuft sie noch ein paar Schritte bis zu der Bank, die in ihrer Nähe steht und lässt sich kraftlos darauf sinken. Wieder schluchzt sie auf, umfasst ihre Oberarme mit ihren Händen fester und dann bricht es erneut über sie herein und die nächsten Tränen strömen unaufhaltsam über ihre Wangen. Kapitel 1: Aufgefangen ---------------------- “Elsa? Elsa, was ist passiert?” Es ist einige Zeit vergangen, seit Elsa auf die Bank gesunken ist. Als ihr Name zu ihr durchdringt, sieht sie auf, ihre Augen fühlen sich verklebt an und brennen, sie muss schrecklich aussehen. Sie blinzelt, sodass ihr Blick sich wieder klärt und alles an ihr erstarrt, als sie ihn erkennt. “Ist alles in Ordnung? Dumme Frage, das ist es nicht, sonst würde ich dich hier nicht so vorfinden. Was ist los, du kannst mir alles sagen, das weißt du doch.” Elsa blinzelt erneut, sieht ihn fassungslos an. Viktor … Er hatte seine langen Haare zu einem Knoten zusammengenommen, eine Kappe darüber, die er tief in sein Gesicht gezogen hat, eine Sonnenbrille. Vermutlich will er inkognito unterwegs sein, was sie ihm nicht verdenken kann. Seit er in die Profiliga aufgestiegen ist, wird er überall erkannt, ihrem Bruder geht es schließlich auch so. Aber muss es ausgerechnet er sein, der sie nun so vorfindet? Jeder andere wäre ihr lieber gewesen … okay, fast jeder andere, es gibt eine Person, die sie gerade nicht sehen will... die sie nie wieder sehen will … Viktor setzt sich neben sie, hebt einen Arm und legt ihn ihr sanft um die Schultern. “Ist Mario etwas passiert?” Elsa erstarrt erneut, setzt sich aufrecht hin und und schüttelt ihren Kopf. “Er … er hat …” “Was hat Mario? Oder jemand anderes?” Viktor erstarrt und seine Augen werden groß. “Hat dir jemand etwas angetan, Elsa?” Sie schluchzt auf, kann es nicht zurückhalten, so gerne sie auch würde. “Er … er war … mit einer anderen … Ich habe ihn … überrascht und …” Viktors Griff an ihrer Schulter festigt sich, als ihm klar wird, was sie sagen will. Etwas, das er niemals vermutet hätte. Etwas, das sich so falsch anhört. “Okay Elsa, ganz in Ruhe. Was ist passiert? Ich bin hier, ich höre dir zu.” Sie schluchzt noch einmal auf, ehe sie langsam nickt. Sie nimmt ihre Hände vor sich zusammen, knetet ihre Finger, während sie versucht in Worte zu fassen, was sie gerade erfahren hat. “Mario … er meinte, dass er heute ein längeres Training hätte … ich wollte”, sie schluchzt wieder auf, “ihm nur eine kleine Überraschung vorbeibringen, ihm eine Freude machen … Also habe ich ihm eine Bentobox gerichtet und bin damit zu ihm gegangen, zu seinem Verein … Und dann … war da niemand …” “Er hatte also kein langes Training, wie er behauptet hat?”, fragt Viktor nach, seine Stimme klingt emotionslos. Elsa nickt, um die Frage zu bejahen. “Das heißt, er war gar nicht dort oder …” “Doch, war er”, fällt Elsa ihm ins Wort. “Er war dort … aber nicht alleine.” Viktor zieht tief die Luft ein, als sie diese Worte ausspricht. “Er war nicht alleine … Wer war es?” Erneut schluchzt sie auf. “Ich … ich weiß es nicht. Sie waren zusammen duschen … Ich habe nur ihre Unterwäsche gesehen ... sie gehört.” Der neben ihr Sitzende festigt die halbe Umarmung, zieht sie noch etwas enger an sich, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine ist, er bei ihr ist. “Und dann?” Sie zuckt bei der Erinnerung zusammen, verkrampf regelrecht. “Er ... er meinte, dass das nur etwas Einmaliges gewesen sei … und dass das sowieso alles nicht so wäre, wie es aussehen würde, es keine Bedeutung hätte … aber … ich glaube nicht, dass ...” Sie beißt sich auf die Unterlippe. Als sie nicht weiter spricht, tut es Viktor. “Du vermutest, dass es nicht das erste Mal war, dass er dich betrogen hat?” Bei diesem Wort zuckt sie erneut zusammen. Betrogen … Mario hat sie wirklich betrogen. “Elsa?”, erklingt die Stimme des neben ihr Sitzenden leise. Sie sieht wieder auf ihre Hände. “Ich weiß es nicht, aber er hat bereits seit zwei, fast drei Monaten mindestens ein bis zweimal in der Woche ein längeres Training, bei dem er teilweise erst mitten in der Nacht nach Hause kam, wer weiß, vielleicht hat er da ja auch schon gelogen. Er war die letzten Monate auch irgendwie anders drauf, aber ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht.” Sie schluchzt wieder auf, die nächsten Tränen laufen über ihre Wangen. “Im Gegenteil, ich habe irgendwie gedacht, dass er mir vielleicht einen Antrag machen möchte, immerhin sind wir fast sieben Jahre zusammen, selbst Gregor und Conny haben sich verlobt. Und stattdessen vögelt er mit einer anderen! Ich bin so unsagbar dumm!” Sie schlägt ihre Hände vor ihr Gesicht und heult wieder los. "Das bist du nicht, Elsa. Er ja, du nicht." Viktor streichelt ihr sanft über den Rücken, betrachtet die junge Frau, ihre zuckenden Schultern und zieht sie wieder an sich, ehe er sie weiter streichelt. “Was willst du jetzt machen?”, fragt er nach einiger Zeit, in der sie sich wieder etwas beruhigt hat. “Willst du nach Hause?” Sofort schüttelt sie ihren Kopf. “Nein, eigentlich nicht. Ich will ihm nicht begegnen, ihn nicht mehr sehen. Aber … ich weiß nicht, was ich stattdessen machen soll. Ich will nicht zu meinen Eltern. Und auch nicht zu Gregor und Conny, da würde er mich doch als erstes suchen … wenn er es denn macht ... Vielleicht … vielleicht schaue ich nach einem Hotelzimmer und …” “Du kannst mit zu mir kommen, wenn du möchtest. Und dort wird Mario dich sicherlich auch nicht vermuten”, durchbricht Viktors Stimme ihre Überlegungen. Sie sieht ihn mit ihren roten und verweinten Augen überrascht an. “Zu dir?” Er nickt zustimmend. “Ja, du bist bei mir herzlich Willkommen, Elsa.” Immer noch sieht sie ihn überrascht an, dann senkt sie ihren Blick auf den Boden vor sich und Viktor wird klar, dass sie nachdenkt. Er ist sich schon sicher, dass sie absagen wird, doch da nickt sie. “Wenn ich darf, dann wirklich gerne”, gibt sie mit leiser Stimme von sich, die sich inzwischen wirklich kraftlos anhört. So sieht sie auch aus, alles an ihr wirkt … ja, zerbrochen, das Wort trifft es am besten. “Dann komm, gehen wir, hier auf dieser Parkbank ist es doch nur ungemütlich. Du kannst bei mir gerne ein warmes Bad nehmen oder auch nur duschen, wenn du magst.” Wieder nickt sie und lässt sich dann von Viktor hochziehen. Anschließend greift er etwas unsicher nach ihrer Hand. Wieder sieht Elsa ihn überrascht an, damit hatte sie nicht gerechnet, doch er drückt ihre Hand nur sanft, während er ihren Blick ernst erwidert. Er ist für sie da, immer und jederzeit. ~~~ “Hey Viktor, was gibt es? Willst du noch kicken gehen? Reicht dir das Trainingscamp von letzter Woche nicht aus? Oder hast du gemerkt, dass du dringend noch üben musst und brauchst dazu natürlich meine Hilfe?” Viktor muss einen Moment schmunzeln, als er die Aussage des Verlobten seiner Schwester hört. Gregor und er sind in der gleichen Mannschaft und das finden sie beide gar nicht einmal so schlecht, das weiß er genau. Er tritt gerne gegen den Jüngeren an, dieser fordert ihn auch nach über zehn Jahren immer noch, das mag er. Und um ganz ehrlich zu sein, er ist froh, dass er ihm in Spielen gegen andere Mannschaften nicht gegenübersteht. Mit Gregor an der Spitze und ihm im Tor sind sie so gut wie unschlagbar! Doch dann wird er wieder ernst und seine Hand schließt sich etwas fester um den Hörer, den er an sein Ohr hält “Nein, es geht um deine Schwester.” “Elsa? Was ist mit ihr? Ist alles in Ordnung? Soll ich kommen? Hast du Mario schon erreicht und …” “Mario ist der Grund, weshalb es ihr wirklich schlecht geht!”, stößt Viktor harsch hervor. Einen Augenblick herrscht Stille. “Was?”, erklingt schließlich verwirrt aus der Leitung. “Hörzu, Gregor, ich habe Elsa gerade tränenüberströmt im Park auf einer Parkbank aufgelesen. Sie hat mir erzählt, dass …” “Was ist passiert?”, unterbricht Gregor Viktor, seine Stimme hat plötzlich einen angespannten Tonfall und seinem Gesprächspartner ist klar, dass wenn er nun ein Wort sagen würde, der Jüngere sich sofort auf den Weg machen würde. Das Geschwisterverhältnis zwischen Elsa und Gregor ist sehr eng, vermutlich noch um einiges enger als das zwischen ihm und seiner eigenen Schwester. “Lass mich einfach ausreden, Gregor. Halte dich zurück, bis ich fertig bin!” “Ähm … okay. Sprich, ich höre zu.” “Gut.” Viktor seufzt auf, wie wird der Jüngere wohl reagieren? Immerhin ist Mario dessen bester Freund … eigentlich. “Elsa wollte Mario überraschen, der angekündigt hat, heute, wie auch schon die letzten fast drei Monate, ein längeres Training zu haben. Sie ist also zu ihm in den Verein, wo kein anderer Fußballer anzutreffen war, nur er … und eine Tussi, wohl zusammen unter der Dusche.” “Du willst mir damit jetzt nicht sagen, dass …”, platzt Gregor heraus und hält damit sein eigenes Wort nicht, aber das kann Viktor ihm nicht verdenken. “Doch. Er hatte etwas mit einer anderen Frau, deine Schwester hat ihn sozusagen in flagranti erwischt. Er hat zu Elsa zwar gesagt, dass das nur einmalig gewesen ist, doch er behauptet schon seit fast drei Monaten, dass er länger trainieren würde, daher bin ich mir da auch nicht so sicher.” “Und Elsa?” Man kann Gregor die Sorge um seine Schwester anhören. “Wo ist sie jetzt?” “Deine Schwester habe ich erstmal mit zu mir genommen. Sie wollte nicht zu euren Eltern oder zu euch, auch in der Sorge, dass Mario dort auftauchen würde. Gerade ist sie im Bad, ich habe sie unter die Dusche geschickt.” Viktor lehnt sich gegen die Kücheninsel seiner offenen Küche. “Sie darf auch so lange hier bleiben, wie sie will. Ich meine, ich habe ein Gästezimmer, das ist sonst ungenutzt. Ich habe nur ein Problem …” “Und das wäre? Beziehungsweise, was kann ich tun?” Eines musste man ihm lassen, stellt Viktor wieder einmal fest, egal wie naiv man Gregor manchmal einschätzt, er hat eine schnelle Auffassungsgabe. “Kannst du zu Elsas Wohnung fahren und dort Kleidung für sie holen?”, fragt er ihn. “Natürlich. Ich … ähm, ich nehme besser Conny mit, sie wird wissen, was Elsa braucht”, antwortet Gregor wie aus der Pistole geschossen. “Es könnte gut sein, dass Mario zuhause ist und darauf wartet, dass Elsa kommt”, wirft Viktor augenblicklich ein. “Das soll er gerne mal sein, denn ich habe vor, einige Takte mit ihm zu sprechen.” Und nun kann der Ältere auch die Wut in Gregors Stimme hören. “Kannst du mir sagen, wie der Stand der Dinge ist? Also zwischen Elsa und … meinem angeblich besten Freund.” “Sowie ich Elsa vorher verstanden habe, will sie ihn nie wieder sehen. Sie hat auch gesagt, dass sie ihm an den Kopf geknallt hat, dass Schluss ist … aber ja … wer weiß, wie er das sieht. Falls er da ist, sag ihm, dass er sich von ihr fernhalten soll. Und erwähne auf keinen Fall, dass sie bei mir ist, sie soll hier ruhig noch eine Weile Ruhe vor ihm haben, eine Art Rückzugsort.” “Danke, Viktor”, erklingt Gregors Stimme nach einem kurzen Augenblick erneut in der Leitung. “Dafür nicht Gregor, ich mag sie, sie ist mir ebenfalls wichtig. Und das was Mario da gebracht hat, das geht nicht, das ist unter aller Sau. Und daher … das Einzige, was jetzt zählt, ist, dass es ihr bald wieder besser geht.” Kapitel 2: Kündigen ------------------- Das Wasser prasselt auf Elsas Gesicht, die gerade in Viktors Badezimmer unter der Dusche steht und ihr Gesicht zum Regenkopf hinaufhebt. Das Gute daran ist, dass die Tränen in dem Moment weggewaschen werden, in dem sie ihre Augen verlassen. Immer wieder treten die Bilder vor ihr inneres Auge, wie sie vorher in dem Umkleideraum auf Mario getroffen ist, die Panik in seinen Augen, als er sie gesehen hat… seinen entsetzten Blick, als sie die Unterwäsche einer Frau bemerkt und dementsprechend richtig geschlussfolgert hat. Alles in ihr fühlt sich an wie erfroren. Wie hat es passieren können, dass er sie betrügt? Ist sie ihm zu langweilig geworden, hatte sie seine Bedürfnisse nicht mehr erfüllt? Aber … das kann sie sich nicht vorstellen. Ja, sie sind bereits lange Zeit ein Paar, natürlich kehrt da irgendwann der Alltag in einer Beziehung ein, aber bisher hatte sie nicht das Gefühl, dass sie beide im Bett nicht mehr harmonieren würden … Doch … vermutlich taten sie das nicht mehr, denn sonst wäre er nicht zu einer anderen Frau gegangen. Und sie kann sich nicht vorstellen, auch wenn ihr das schwer zum eingestehen fällt, dass das heute nur eine einmalige Sache gewesen ist, auch wenn er es gesagt hat. Sie schluchzt leise auf, hält ihre Augen weiterhin geschlossen. Sind sie nicht mehr glücklich gewesen? Sie hatte es gedacht … denn sie ist glücklich gewesen, immer … Sie hat ihn geliebt, bedingungslos … und er … er tritt ihre Beziehung, ihre Liebe mit Füßen. Was sollte sie jetzt nur tun? Sie weiß es nicht … Gerade fühlt sich ihre ganze Welt so an, als würde sie in Scherben liegen. Alle ihre Pläne, was sie noch tun will, was sie sich wünscht … Ihre ganze Zukunft hat sie mit Mario an ihrer Seite gesehen. Und nun … nun ist da nichts mehr, es fühlt sich an, als wäre da ein großes schwarzes Loch, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen … und das hat Mario ja auch irgendwie … Langsam lässt sie sich auf den Boden der Dusche sinken, zieht ihre Beine an, schlingt ihre Arme darum und legt ihre Stirn auf ihren Knien ab. Das heiße Wasser prasselt auf sie herab und sie versucht sich einzig und alleine darauf zu konzentrieren, auf das Gefühl der Wassertropfen auf ihrem Rücken. Sie schließt die Augen und schaltet alles um sich herum ab … ~~~ Ihren Blick auf den den Spiegel in Viktors Bad gerichtet, fährt Elsa mit dem Handtuch über die beschlagenen Scheiben und blickt sich mit leeren Augen an. Sie sieht schrecklich aus, ihre Augen sind blutunterlaufen, rot und sie hat tiefe Augenringe. Man kann ihr ansehen, dass sie viel geweint hat. Zudem wirken ihre Augen leer und so fühlt sie sich auch, es scheint, als wäre mit den Tränen auch jede Freude, jedes Fünkchen Glück, das sie einmal empfunden hat, aus ihrem Körper gewichen. Mario hat alles genommen, alles. Er hat mit seiner Aktion alles kaputt gemacht, auch sie. Als es an der Badezimmertüre klopft, sieht sie zu dieser. Durch die Milchglasscheibe kann sie Viktor draußen stehen sehen. “Elsa, alles soweit okay? Also … du weißt, wie ich es meine.” “... ja.” Er schweigt einen Moment und sie ist sich sicher, ihn aufseufzen zu hören. “Ich lege dir etwas zum anziehen hin, einen alten Trainingsanzug von mir. Vermutlich ist er dir viel zu groß, aber die Hose kannst du vielleicht ein wenig enger ziehen. Entschuldige bitte, aber mehr Auswahl habe ich gerade nicht da und …” “Danke, Viktor”, unterbricht sie ihn. Und wieder schweigt er kurzzeitig. “Nicht dafür, Elsa. Niemals.” ~~~ “Alles in Ordnung?”, fragt Conny ihren Verlobten, der bewegungslos vor Elsas und Marios Wohnungstüre steht, in seiner Hand den Wohnungsschlüssel, aber kein Anzeichen dafür macht, die Türe aufschließen zu wollen. “Ich, ähm …”, bringt Gregor hervor, von ihr aus seinen Gedanken gerissen. Er sucht noch einen Moment nach Worten, dann seufzt er auf und schüttelt seinen Kopf. “Nein, natürlich nicht, nichts ist in Ordnung. Mario … Er hat sie betrogen … Das hätte ich ihm nicht zugetraut, niemals … doch er hat es getan. Und … ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Auf der einen Seite bin ich voller Sorge um Elsa, auf der anderen voller Wut auf ihn. Wie konnte er ihr so etwas antun?” Als er eine Hand auf seiner Schulter spürt, sieht er neben sich, wo Conny steht und ihn ernst anblickt, ehe ein kleines Lächeln auf ihren Zügen erscheint. “Du weißt, was jetzt das Wichtigste ist, deine Schwester braucht dich. Und auch wenn ich verstehen könnte, dass du es gerne an ihm auslassen würdest, versuche daran zu denken, was sie jetzt wollen würde.” Langsam nickt Gregor. “Du hast recht. Sie verabscheut Gewalt … und eigentlich hat er diese Aufmerksamkeit gar nicht verdient.” Er schließt seine Augen, atmet tief ein und aus. Als er sie wieder öffnet, wirkte er hart, unnahbar. “Nun gut, gehen wir rein, holen was Elsa braucht und gehen wieder. Rein, raus, nicht provozieren lassen!” Den letzten Teil scheint er eher sich selbst zuzusprechen. “Ja”, stimmt Conny ihm trotzdem zu, auch wenn ihr das klar ist. Gregor nickt, umgreift den Wohnungsschlüssel fester, steckt ihn ins Schlüsselloch und öffnet die Wohnungstüre. Kaum dass sie eintreten, hören sie Schritte und eine Stimme. “Elsa, endlich kommst du heim. Lass uns bitte darüber reden, du musst mir glauben, dass das nichts ernstes war und …” Mario biegt um die Ecke und als er Gregor und Conny ihm Wohnungsflur erkennt, bleibt er wie angewurzelt stehen. “Was wollt ihr hier? Wo ist Elsa?”, bringt er hervor, als er sich wieder gefangen hat. Gregor geht einfach an ihm vorbei. “Conny, gehst du?” Er deutet auf die Türe des Schlafzimmers. “Ja, natürlich.” Conny wirft Mario einen kurzen Blick zu, ehe sie an ihm vorbei zum Schlafzimmer der Wohnung tritt, in ihrer Hand eine Reisetasche, die sie füllen will. Mario sieht ihr einen Moment verwundert hinterher, ehe er Gregor wieder anblickt. “Was macht ihr hier? Was macht Conny da? Und wo, verdammt nochmal, ist Elsa?” Gregor verschränkt seine Arme vor seinem Oberkörper. Nicht provozieren lassen, ruft er sich ins Gedächtnis. “Elsa braucht Kleidung, also sind wir hier, um ihr etwas zu holen. Du wirst verstehen, dass sie selbst nicht kommen wollte.” Mario steckt seine Hände in seine Hosentaschen und sieht zur Seite, er kann Gregor nicht in die Augen sehen. “Du hast also erfahren, was … also was war … Aber”, er sieht ihn nun doch an, “das war alles anders und …” “Was bitte schön soll sie daran falsch verstanden haben, dass du mit einer anderen Frau unter der Dusche warst?” Gregor ballt seine Hände wütend zu Fäusten, er musste sich wirklich zusammenreißen, Mario nicht einfach eine reinzuhauen. “Das … das ist …” “Das ist was? Hmm? Hast du eine bessere Erklärung, als dass du sie betrogen hast? Dass du mit einer anderen Frau Sex hast, obwohl du mit Elsa zusammen bist? Denn ich sehe hier keine andere Erklärung.” “Gregor, bitte … das lässt sich so schwer erklären. Elsa und ich … wir sind schon so lange zusammen, es ist ja nicht so, dass ich sie nicht mehr lieben würde, keine Gefühle mehr für sie habe. Aber … irgendwie ist es halt passiert …” Mario lehnt sich an die Wand hinter sich, seine Hände immer noch in den Hosentaschen und sieht seinen besten Freund an. Gregor blinzelt fassungslos. Was erwartet Mario von ihm? Dass er einfach sagen würde: okay, passt, passiert halt und fertig? “Du sagst, du liebst Elsa noch? Würdest du das tatsächlich tun, hättest du sie nicht betrogen, nicht ein einziges Mal! Und ich bezweifle stark, dass das heute das einzige Mal war, oder sehe ich das falsch?” Mario antwortet auf die Frage nicht, sieht ihn immer noch nur an. “Ich weiß, dass du schon sein ein paar Monaten angeblich länger trainieren musstest, angeblich zumindest. Wenn ich deinen Verein jetzt anrufe und nachfrage, können die mir das bestätigen?” Mario wird auf Aussage blass und Gregor ist klar, dass er ins Schwarze getroffen hat. “Du bist das Allerletzte, Mario. Halte dich von Elsa fern, sprich sie nicht mehr an, rufe sie nicht mehr an. Lass sie einfach in Ruhe!” “Gregor, ich …” “Spar dir deinen Atem, Mario. Und wenn wir schon dabei sind, das Gleiche gilt auch für mich, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, nicht mit so einem verlogenen Arschloch!” Sein Gegenüber sieht ihn nun mit großen Augen an und die Blässe in seinem Gesicht nimmt zu. “Gregor, komm, das meinst du doch nicht so …” Die Wut bricht nun endgültig aus Gregor heraus. Er macht einen Satz nach vorne, greift nach Marios Kragen und holt mit einer Faust aus. “Wage es nicht, zu behaupten, dass du weißt, wie ich etwas meine!”, brüllt er laut. “Du bist der hinterhältigste und verlogenste Mensch auf der ganzen Welt! Mit so jemanden wie dir will ich nichts mehr zu tun haben und noch weniger mit dir befreundet sein!” “Gregor”, erklingt Connys sanfte Stimme hinter ihm und sie ist der einzige Grund, weshalb Gregor seine Faust nach einem kurzen Moment sinken lässt. Er löste auch seine Hand von Marios Kragen und tritt zurück. Er dreht sich zu seiner Verlobten um. “Hast du alles?”, fragt er diese. Als Conny nickt, geht er zur Wohnungstüre, die er aufhält. Nachdem Conny die Wohnung vor ihm verlassen hat, blickt er ein letztes Mal zu Mario, der ihn immer noch fassungslos anstarrt. “Halte dich einfach von meiner Schwester fern!”, knurrt der Jüngere ehe er seiner Verlobten folgt und die Wohnungstüre hinter sich schließt. Kapitel 3: Erstarrt ------------------- Elsa sitzt in Viktors, ihr viel zu großem, Trainingsanzug auf dem riesengroßen Sofa in seiner Wohnung und sieht in Gedanken versunken zu der verglasten Fensterfront hinaus. Draußen ist es bereits dunkel, doch die Lichter der Stadt sind zu erkennen. Viktor wohnt in einer neuen, modernen Wohnung mitten in einer der oberen Wohngegenden, von hier aus hat man einen tollen Ausblick. Die Wohnung ist sicherlich nicht billig gewesen, doch Geld scheint für ihn keine Rolle zu spielen. Er kommt aus einem reichen Elternhaus und verdient als Profi-Spieler genug. In einer anderen Stimmung hätte Elsa den Ausblick vermutlich schön gefunden, doch momentan kann sie dieses Bild nicht in sich aufnehmen. Sie kaut auf ihrem Fingernagel herum, spürt es nicht einmal, als die Nagelhaut zu bluten beginnt. Als es klingelt, geht Viktor an ihr vorbei und nach kurzer Zeit tritt er gemeinsam mit Gregor und Conny ins Wohnzimmer ein. Elsas Blick richtet sich auf ihren Bruder und ihre Augen weiten sich. “Was … was macht ihr denn hier?”, fragt sie mit krächzender Stimme. Gregor bleibt wie angewurzelt stehen, als er seine Schwester anblickt, die wie ein Häufchen Elend aussieht. “Oh Schwesterherz”, bricht aus ihm heraus und er eilt zu ihr, lässt sich neben ihr auf das Sofa fallen und breitet seine Arme aus, in die sie im nächsten Moment schluchzend fällt. Er schließt seine Arme um sie, hält sie fest, während sie in seinen Armen weint. “Es tut mir so, so leid. Es tut mir so unglaublich leid”, flüstert er neben ihrem Ohr und festigt seine Umarmung. Viktor tritt zu seiner Schwester, die ein paar Schritte vom Sofa entfernt stehen geblieben ist, die Reisetasche mit Elsas Kleidung hat sie vor sich auf den Boden sinken lassen. Er hebt einen Arm und legt ihn um ihre Schultern, um Conny sanft an sich zu ziehen. “Alles in Ordnung?”, fragt er leise nach, sieht zu ihr hinunter. Conny sieht auf, erwidert seinen Blick und er kann die Trauer in ihren Augen erkennen. “Ich weiß nicht, nein, vermutlich nicht. Das alles hier, Elsa und Mario, das reißt einem irgendwie den Boden unter den Füßen weg. Die beiden waren so lange zusammen, galten immer als das Traumpaar. Man denkt immer, so Sachen passieren anderen Menschen, die nicht so sind wie die beiden. Doch jetzt … Ausgerechnet die zwei, das macht mir irgendwie Angst. Denn wenn sowas ausgerechnet den beiden passiert, dann kann es auch jedem anderen passieren.” Ihr Blick richtet sich auf Gregor. Ihr Bruder festigt seinen Griff um ihre Schultern. “Mach dir keine Sorgen, wirklich nicht. Gregor und dir wird das nicht passieren, ihr liebt euch.” Conny seufzt leise auf. “Ich gebe dir recht, ich liebe ihn und er mich, das weiß ich. Aber … das hätten wir bis vor wenigen Stunden auch über Elsa und Mario gesagt, oder?” Er runzelt seine Stirn, ehe er langsam nickt. “Da hast du wohl recht … aber ich verbiete dir, zu erwarten, dass Gregor auch dich betrügt, nur weil Mario es getan hat. Und noch schlimmer, komme du nicht auf dumme Ideen! Ich muss mit dem Jungen zusammen spielen, quasi arbeiten, der wird mich fertig machen, wenn das zwischen euch beiden nicht mehr ist!” Sofort bekommt er Connys Ellenbogen zwischen die Rippen und ein leises Schnaufen entkommt ihm. “Rede doch nicht so einen Blödsinn! Ich würde ihn niemals betrügen!” “Gut.” Viktor nickt zufrieden. “Und ich garantiere dir, dass Gregor es genauso sieht, was dich betrifft. Und nur weil es jetzt zwei Menschen passiert ist, die dir nahe stehen, heißt das noch lange nicht, dass jeder Mensch so drauf ist. Bitte mach dir keinen Kopf diesbezüglich, rede mit Gregor. Ich denke, er wird gerade auch viel an daran denken und wie ich gehört habe, hilft reden.” Conny legt ihren Kopf an seine Schulter. “Du hast recht, großer Bruder. Ich bin froh dass du zur richtigen Zeit da warst. Und auch, dass du es jetzt für Elsa bist.” Wieder festigt sich seine Umarmung für einen Moment. “Das werde ich immer sein.” ~~~ “War Mario zuhause, als ihr dort wart?” Viktor lehnt sich an seine Kücheninsel an, die teilweise ins Wohnzimmer hinein ragt. Die beiden Frauen haben sich in Viktors Gästezimmer zurückgezogen, wollten ein wenig Zeit und Ruhe füreinander haben und Elsa zudem durchsehen, welche Kleidung Conny ihr mitgebracht hat. Und das will Viktor nutzen, um mit Elsas Bruder zu sprechen. Gregor, der sich gerade Wasser aus dem Wasserhahn in ein Glas füllt, sieht über seine Schulter und nickt. “Ja. Er scheint auf Elsa gewartet zu haben, denn kaum als wir die Türe geöffnet haben, wir haben ja einen Ersatzschlüssel, ich habe einfach entschieden, den zu benutzen. Naja, kaum dass wir die Türe geöffnet hatten, kam er daher und hat irgendwas davon gelabert, dass er froh ist, dass sie endlich zuhause ist und dass das alles nichts zu bedeuten hat, blablabla. Dieser verlogene Drecksack!” Sein ganzer Gesichtsausdruck verzieht sich wütend und er stellt das Glas mit Kraft auf die Arbeitsfläche, ehe er sich zu Viktor herum dreht. “Und dann besitzt er auch noch die Frechheit zu sagen, dass er Elsa immer noch liebt, immer noch Gefühle für sie hat.” Viktors Auge zuckt auf diese Aussage, dann hat er sich wieder unter Kontrolle. “Das hat er gesagt?” “Ja.” Gregor ballt seine Hände wütend zu Fäusten, versucht, seine Aggressionen so unter Kontrolle zu halten. “Dieser ... “ Er beißt seine Zähne fest aufeinander, versucht dann, sich wieder zu entspannen. “Wäre Conny nicht da gewesen … sie war der einzige Grund, dass ich ihm keine reingehauen habe.” “Er hätte es verdient gehabt”, knurrt Viktor. “Ja, das hätte er.” Einen Moment schweigen die beiden, sehen sich nur einträchtig an, dann greift Gregor nach seinem Wasserglas hinter sich und trinkt einen Schluck. “Ich habe ihm die Freundschaft gekündigt”, erklärt er anschließend, ehe er einen weiteren Schluck nimmt. “Du hast was?”, erklingt eine leise Stimme von der Türöffnung her, die zu einem weiteren kleinen Flur führt, von dem die beiden Schlafzimmer und das Hauptbad aus zu erreichen sind. “Elsa.” Gregor blickt mit aufgerissenen Augen zu seiner Schwester, dann seufzt er auf. “Du hast es, davon gehe ich mal aus, richtig verstanden.” “Aber … warum? Du musst doch nicht nur meinetwegen ...” Er stellt das Glas wieder ab, dreht sich in ihre Richtung und sieht ihr fest in die Augen. “Elsa, du bist meine Schwester, meine Familie, ich liebe dich. Und du bist wichtiger als die Freundschaft zu ihm. Das was er dir angetan hat, das kann ich so nicht akzeptieren. Ich werde immer auf deiner Seite stehen, hinter dir. Und er … er hat mit dieser Aktion mein ganzes Vertrauen, jeden Respekt verloren und alles, was unsere Freundschaft ausgemacht hat, ist damit kaputt gegangen.” Sie erwidert seinen Blick mit ihren großen Augen, ehe sie zu Boden sieht. “Ich … ich will nicht schuld sein, dass alles kaputt geht.” “Elsa”, bringt ihr Bruder hervor, kann dann aber auch nicht weitersprechen, da auch Viktor das nicht so hinnehmen will. “Der Einzige, der an irgendetwas Schuld hat, ist Mario, nicht du, Elsa! Ich will so etwas nicht hören! Er hat sich gegen dich entschieden, dafür, dich zu hintergehen, dich zu betrügen und belügen, nicht du dich! Ich will so etwas nicht mehr hören, klar?” Elsas Blick liegt nun erstaunt und überrascht auf Viktor, ehe sie langsam nickt. “Okay”, murmelt sie. Auch Gregor und Conny sehen den Älteren verwundert an, ehe sie einen Blick wechseln. Gregor runzelt seine Stirn, als er Connys Ausdruck wahrnimmt. Er breitet kurzerhand seine Arme aus und gleich darauf fliegt sie hinein und er schließt seine Arme um sie, zieht sie so in eine feste Umarmung. “Ich verspreche dir, dass ich dir so etwas niemals antun werde”, gibt er leise von sich. Conny drückt sich noch enger in seine Umarmung. “Ich dir auch nicht.” Seine Umarmung wird ebenfalls fester. “Das bin ich froh zu hören.” Viktor wirft den beiden einen kurzen Blick zu, ehe er zu Elsa tritt. “Wie geht es dir gerade?” Sie zuckt leicht mit ihren Schultern. “Ein wenig besser, denke ich. Aber noch lange nicht gut. Doch zu wissen, dass ihr für mich da seid”, sie sieht ihn an, “das tut gut.” Ein Lächeln erscheint auf seinen Zügen und er legt eine Hand sanft an ihre Wange. “Immer, Elsa, immer.” Kapitel 4: Zurückfinden ----------------------- Die Kaffeemaschine füllt zischend und duftend Kaffee in die darunter gestellte Tasse, als die Türe aufgeht, die zu den Schlafzimmern führt. Viktor sieht auf, richtet seinen Blick auf Elsa, die immer noch seinen Trainingsanzug trägt. Hat sie etwa darin geschlafen? Zumindest wirkt er sehr zerknittert … “Guten Morgen”, begrüßt er sie leise. Elsa sieht zu ihm und ihre Wangen färben sich rot. Sie streicht sich unsicher durch ihre Haare, die sie zu einem unordentlichen Knoten nach hinten gebunden hat. “Guten Morgen”, erwidert sie leise. “Willst du auch einen Kaffee?”, fragt er, worauf die Antwort aus einem Nicken besteht. Er dreht sich herum und holt eine weitere Tasse aus dem Schrank, ehe er sie unter die Kaffeemaschine stellt und diese erneut startet. “Was hast du heute geplant?”, fragt Viktor sie anschließend. “Wann musst du in die Arbeit?” Er sieht zu ihr, als sie langsam zur Küche tritt. “Ich denke, ich melde mich heute krank. Ich fühle mich nicht sonderlich gut, ich habe auch nicht wirklich viel geschlafen …” Und so sieht sie auch aus. Ihre Gesichtsfarbe ist fahl und dunkle Augenringe bestätigen, dass sie an Schlaf vermutlich wirklich nicht hat denken können, auch ihre roten und blutunterlaufenen Augen sprechen von einer durchweinten Nacht. Und um ganz ehrlich zu sein, er hatte sie weinen hören, lautes Schluchzen, das aus seinem Gästezimmer gekommen ist. Er hatte sich zurückhalten müssen, zu ihr ins Gästezimmer zu gehen. “Das macht vermutlich Sinn, bleib einfach einen Tag zuhause, vielleicht auch die restliche Woche, es kann dir nur gut tun”, stimmt Viktor ihr zu. “Hmm.” Elsa tritt neben ihm und er reicht ihr die Tasse Kaffee, ehe er zum Kühlschrank zeigt. “Da drinnen findest du Milch, Zucker da in dem Apothekerschrank.” Er lässt seine Hand wieder sinken und beobachtet dann, wie sie erst zum Apothekerschrank geht um etwas Zucker dem Kaffee hinzuzufügen und danach zum Kühlschrank, um die Tasse bis zum Rand mit Milch aufzufüllen. Anschließend sieht sie sich fragend um. “Hast du mir einen Löffel?”, fragt sie ihn. “Natürlich, sofort.” Viktor stellt seine eigene Tasse ab, dreht sich herum und zieht gleich darauf einen Teelöffel aus der Besteckschublade, den er ihr reicht. Als er zu seinem Esstisch geht, folgt sie ihm zögerlich und setzt sich ihm gegenüber auf den Stuhl. “Was hast du heute vor?”, fragt sie ihn irgendwann. Viktor zuckt mit seinen Schultern. “Wenn es für dich in Ordnung ist, dann würde ich dir einfach Gesellschaft leisten.” Erstaunt sieht Elsa ihn an. “Hast du heute kein Training?” Ihr Gegenüber schüttelt seinen Kopf. “Nein, wir hatten doch bis letzte Woche Trainingscamp, jetzt haben wir zwei Wochen frei, ehe wir wieder antanzen müssen.” Ihre Wangen färben sich rot. “Oh, stimmt ja, Gregor hatte es erzählt, ich wusste es eigentlich. Entschuldige bitte, ich habe es vergessen.” Er winkt ab und lächelt sie an. “Du hast gerade genug anderes im Kopf, mach dir da wirklich keine Gedanken darüber.” Der Anflug eines Lächelns erscheint auf ihren Zügen, ehe es wieder erlischt und sie zur Seite blickt. “Also, ist es für dich in Ordnung, wenn ich bei dir bleibe? Wir könnten den ganzen Tag Filme schauen und Eis essen. Oder Gesellschaftsspiele spielen, irgendetwas habe ich hier. Kochen, backen, wenn du lieber so etwas machen willst.” Auf ihren erstaunten Blick sieht er verlegen zur Seite und fährt sich mit einer Hand durch seine Haare. “Wir können auch reden, über ihn ablästern und ihm die Pest an den Hals wünschen. Oder”, ihr Blick hat sich leicht verändert, sie sieht unsicher aus, “oder wir schweigen einfach nur, das ist auch okay, das kann ich auch.” Wieder erscheint ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen. “Ich glaube, am liebsten alles … aber fangen wir mit nichts tun an, ja?” Er blinzelt überrascht, dann nickt er lächelnd. “Fangen wir heute mit Schweigen an. Und die nächsten Tage machen wir einfach eines nach dem anderen, ja?” Ihre Augen weiten sich unbewusst und er stellt seine Tasse vor sich auf den Tisch. “Ich habe es dir gestern schon gesagt, du darfst so lange bei mir bleiben, wie du magst. Ich habe den Platz und ich will für dich da sein, lass mich das bitte.” Sie nickt dankbar. “Danke, Viktor.” Er lächelt immer noch und deutet auf das Sofa. “Sollen wir dorthin umziehen? Zum nichts tun ist das sicher der bequemste Platz.” ~~~ “Kann ich dir irgendetwas mitbringen?”, fragt Viktor seine aktuelle Mitbewohnerin. Diese schüttelt ihren Kopf. “Nein, danke, ich brauche nichts und … oh, doch, Joghurt wäre toll, ganz normaler Naturjoghurt. Und vielleicht ein paar Früchte, dann kann ich mir etwas zum Essen für die Arbeit richten.” Sie sieht ihn an, ehe sie ihre Stirn runzelt. “Sollte nicht lieber ich einkaufen gehen? Ich meine, du wirst doch überall erkannt, da hast du sicherlich keine Lust drauf.” Viktor hebt seine Schultern. “Auch ein Sportler muss einkaufen, denken die etwa, bei uns wächst alles in den Wohnungen?” Sie zieht ihre Augenbrauen hoch. “Eher, dass ihr eure persönlichen Einkäufer habt.” Seine Augen funken belustigt auf. “Willst du den Job annehmen?” Ein kurzer Schatten huscht über Elsas Gesicht, ehe sie ihren Kopf verneinend schüttelt. “Nein, lieber nicht.” “Na siehst du? Dann muss ich ja selber gehen. Falls dir noch etwas einfällt, schreib mir einfach.” “Das mache ich, danke dir Viktor. Und lege bitte nachher den Kassenzettel raus, ich will meinen Teil bezahlen. Ich will mich bei dir nicht nur einnisten.” “Ach, mach dir doch keinen Kopf. Ich habe genug Geld, du isst mir hier nicht die Haare vom Kopf … vor allem isst du ja sowieso kaum etwas, die Menge reicht ja nicht mal für den hohlen Zahn.” Viktor ist ernst geworden. Elsa wohnt nun seit etwas über einer Woche bei ihm und sie isst wirklich sehr wenig, sie scheint auch schon abgenommen zu haben, was ihm etwas Sorgen bereitet. Sie ist die letzte Woche noch von ihrer Arbeitsstelle ferngeblieben, hatte sich tatsächlich von ihrer Hausärztin krank schreiben lassen, sie wäre nicht in der Lage gewesen, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Sie hat seither auch nicht wirklich einmal gelacht oder gelächelt, überhaupt nicht. Im Gegenteil, sie bricht immer noch oft einfach aus dem Nichts heraus in Tränen aus. Marios Verrat macht ihr zu schaffen und das wundert auch keinen. Liebeskummer ist schrecklich, das ist Viktor klar. Und genau deshalb will er für sie da sein, ist er bereits die letzten Tage gewesen und würde er auch weiterhin sein. Er hatte fast seine ganze Freizeit mit ihr verbracht. Sie schweigen, reden miteinander, schauen Filme, essen Eis, alles, um sie abzulenken. Er hat sie sogar dazu gebracht, dass sie mit ihm auf seiner Konsole zockt, was ihr auch gefallen zu scheint … gerade die Ballerspiele, so kann sie wohl ihre Agressionen rauslassen, denn auch diese tauchen von Zeit zu Zeit auf, die Wut, die plötzlich aus ihr heraus bricht, doch weitaus weniger als die Heulattacken. “Ähm, dein Bruder hat mich auch nochmal gefragt, ob ich morgen dann dabei bin, steht das noch?”, fragt er Elsa, die gerade ihre Sachen in ihre Tasche packt, da sie zur Arbeit aufbrechen will. Sie erstarrt, hält inne, ehe sie nickt. “Ja”, murmelt sie leise. “Und du bist dir sicher, dass er nicht da ist?”, vergewissert er sich. Sie zuckt mit ihren Schultern. “Ich weiß es nicht … aber er sollte eigentlich arbeiten, ich hoffe darauf. Und … ihr geht ja schließlich mit mir mit, da wird alles schon klappen.” Sie greift nach ihrer Tasche und zieht sich das Band über die Schulter. “Gut. Dann wünsche ich dir einen guten Tag und bis heute Nachmittag. Heute Abend dann Pizza und einen Film?” Viktor sieht sie fragend an. Elsa zieht ihre Augenbrauen leicht zusammen. “Sushi? Und alles, bloß keinen Liebesfilm”, antwortet sie auf seine Frage. Er hebt einen Daumen. “Gut, genauso machen wir das, junge Frau.” Ihr Mundwinkel zuckt kurz, zieht sich aber nicht zu einem endgültigen Lächeln hoch, stattdessen dreht sie sich herum und hebt eine Hand zum Gruß. “Bis heute Nachmittag.” Und damit verschwindet sie aus seiner Wohnung. Viktor sieht ihr hinterher, seufzt leise auf, ehe er wieder zu seiner Kaffeetasse greift und einen Schluck daraus nimmt. Danach greift er nach seinem Handy, um seinem Schwager in spe zu schreiben und diesem Bescheid zu geben, dass das mit dem nächsten Tag klappen würde. Er, Gregor und natürlich Elsa und auch Conny wollen in Elsas alte Wohnung und nach ihren Sachen schauen, diese einpacken, während Mario hoffentlich arbeiten ist. Elsa und Conny haben extra einen Tag Urlaub dafür eingereicht. Und wie er Elsa verstanden hat, will sie es einfach nur hinter sich bringen, das Thema Mario so schnell wie möglich abschließen, doch das wird sicherlich noch eine Weile dauern. Dieser hat Elsa die letzte Woche mit SMS und Telefonaten bombardiert, doch Viktor hat schnellstmöglich dafür gesorgt, dass sie ein neues Handy mit einer neuen Nummer bekommen hat. Marios Nummern hatte sie trotzdem überall gesperrt und ihr altes Handy hatte sie dauerhaft ausgeschalten. Sie will nicht mit ihm sprechen, keinen Kontakt mehr mit ihm haben, Mario hat ihr das Herz gebrochen, eindeutig. Und dafür verachtet Viktor ihn. Ein anderes Gefühl, dass er ihm entgegen bringt ist Hass. Denn wie hatte er das tun können? Er wird es nicht verstehen, kann es nicht und er will es auch gar nicht. Ein Seufzen kommt über Viktors Lippen. Er will es auch nicht, dass es Elsa so schlecht geht, das hatte er noch nie. Kapitel 5: Beenden ------------------ “Geht es?”, fragt Conny ihre Freundin sanft, die vor der Türe steht, die vor einigen Tagen noch der Eingang zu ihrem Zuhause gewesen ist, wo sie sich wohl gefühlt hat, geliebt. Wo sie mit dem Mann gelebt hatte, mit dem sie ihr restliches Leben verbringen wollte. Und nun … nun liegt dieses Leben in Scherben. Elsa beißt sich auf die Unterlippe, ist sich sicher schon Blut zu schmecken. Als sich eine Hand auf ihre Schulter legt, zuckt sie zusammen und sieht zu ihrer Freundin neben sich, die wohl etwas gesagt hat. “Was?” “Ich hatte wissen wollen, ob es geht. Soll ich aufschließen? Willst du wirklich mit rein? Du kannst auch gerne hier draußen bleiben, wir kümmern uns um alles. Du musst das wirklich nicht machen.” Conny sieht sie ernst an. Elsa holt tief Luft, ehe sie nickt. “Doch, das muss ich. Meine Sachen … gehen wir einfach rein, holen die Sachen, die ich behalten will und dann gehen wir wieder, ehe er nach Hause kommt. Wenn es erledigt ist, muss ich schließlich nie wieder hierher kommen” “Dann machen wir das doch, Schwesterherz”, bekräftigt Gregor hinter den beiden Frauen. Auch Viktor, der neben dem Jüngeren steht, nickt zustimmend. Um Mario müssen sie sich keine Sorgen machen, die beiden Männer hatten sich heute morgen früh genug hier vor dem Haus auf der Lauer gelegt und beobachtet, wie dieser sich auf den Weg in die Arbeit gemacht hat. “Also gut, fangen wir an, dass wir so schnell wie möglich wieder gehen können”, erklärt Viktor und deutet auf die Türe, neben sich einige Umzugskartons, die es zu füllen gilt. “Ja.” Elsa holt tief Luft, ehe sie kurzerhand den Schlüssel in das Türschloss steckt und aufschließt. Auf der Stelle bleibt sie wie angewurzelt stehen und es fühlt sich fast wie ein Schlag in den Magen an, als sie den Geruch ihres Zuhauses wahrnimmt. Es ist… hier hatte sie sich immer heimisch gefühlt, wohl. Zusammen mit Mario … Sie erinnert sich daran, als wäre es gestern gewesen, als Mario und sie damals diese Wohnung besichtigt haben und auch wenn es nur einen kleine Zwei-Zimmer-Wohnung ist, so hatten sie sich doch darin verliebt. Wie sie hier zusammen gestrichen haben, die Möbel ausgesucht und aufgebaut. Jedes Accessoire, dass sie, in erster Linie sie, Elsa, ausgewählt und aufgestellt hatten. Wieviel Freude sie hier gehabt hatten, wie viel Liebe … An welchen Orten hier in dieser Wohnung sie und Mario miteinander … Und wieder treten Tränen in ihre Augen. Egal, wie nahe Mario und sie sich gewesen waren, körperlich und von den Gefühlen her, es hat nicht gereicht, denn er hatte sich schlussendlich für eine andere entschieden ... “Du schaffst das, versprochen”, erklingt da Viktors tiefe Stimme hinter ihr und er legt beide Hände sanft auf ihre Schultern. Sie sieht zu ihm nach hinten, nimmt erleichternd wahr, dass er da ist, sie nicht alleine ist. Sie schluckt und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, ehe sie nickt. “Ja.” Erneut drückt Viktor ihre Schultern, dann nimmt sie sich zusammen und tritt in die Wohnung ein. Die anderen folgen ihr. “Also, was sollen wir tun?”, fragt Gregor, der ebenfalls unter Spannung zu stehen scheint. Elsa sieht sich um, ist sich unsicher, was sie tun soll. “Okay, Gregor, hier in der Garderobe - Schuhe, Jacken und Zeug von Elsa einpacken. Falls nicht gleich erkennbar, die Größen stehen schließlich in den Jacken und so drinnen. Bei Sachen, bei denen du dir nicht sicher bist, lege sie zur Seite, Elsa soll nachher drüber schauen”, weißt Conny sie kurzerhand an. “Viktor, Badezimmer. Schminke und alles weibliche Zeug. Gleiches Spiel wie bei Gregor, wenn du dir bei etwas unsicher ist, dann lass es liegen, Elsa schaut nachher nochmal drüber.” Ihr Blick richtet sich auf ihre Freundin. “Elsa, kannst du ins Schlafzimmer? Durch die Schränke schauen, was deines ist?” Elsa nickt zögerlich. Dieser Raum … sie weiß nicht, ob sie wirklich dorthin will. Dort, wo Mario und sie ihre sinnliche Zeit hauptsächlich verbracht hatten … doch sie muss es einfach, es einfach nur hinter sich bringen. “Gut, ich komme mit dir und helfe dir”, erklärt Conny. Erleichterung durchströmt Elsa auf die Worte ihrer Freundin. Eine kurze Zeit später öffnet sie die Türe zum Schlafzimmer und tritt ein. An der Schwelle bleibt sie stehen und beißt sich auf die Unterlippe. Es sieht zwar chaotisch ohne Ende aus, ohne sie scheint Mario sich nicht viel um die Ordnung gekümmert zu haben … doch trotzdem … es ist der Raum, wo sie die letzten zweieinhalb Jahre gelebt, geschlafen hat … in Marios Armen … Auch hier treffen ihre Gefühle sie mit Wucht. “Ich bin da”, erklingt Connys Stimme hinter ihr und gibt ihr Kraft. Elsa reißt sich zusammen und tritt in den Raum ein, wobei sie versucht, jeden Blick auf das drumherum zu vermeiden. Sie geht direkt zu dem Teil des Kleiderschranks, der ihr gehört, gehört hat … Conny stellt eine der Umzugskisten neben sie, woraufhin Elsa sie ansieht. “Schau mal, da drüben, unten im Schrank. Da sind unsere … da sind Koffer. Du müsstest erkennen, welche mir gehören. Bring die beiden her, wir räumen die auch voll.” Conny nickt und dann verbringen die beiden Frauen die nächste halbe Stunde damit, den Kleiderschrank von Elsas Kleidung zu befreien. Zwischendurch ist auch Viktor aufgetaucht und hat gefragt, was er noch tun soll. Nun ist er mit Gregor im Wohnzimmer und kümmert sich um Unterlagen-Ordner, während Elsa und Conny noch im Schlafzimmer sind. Nachdem Elsa sich vergewissert hat, dass im Kleiderschrank nichts mehr von ihr zu finden ist, tritt sie zu ihrem Nachttisch. Wie erstarrt bleibt sie stehen und wieder treten Tränen in ihre Augen, als sie das Bild erkennt, das darauf steht. Es zeigt sie und Mario, in die Kamera lachend, damals noch voller Liebe füreinander. Elsa schluchzt leise auf, als Tränen über ihre Wangen zu laufen beginnen. Sie blinzelt überrascht, als Conny zu ihr tritt und das Bild kurzerhand hinlegt, sodass man es nicht mehr sehen kann. “Konzentriere dich nur auf das, weshalb wir hier sind”, richtet ihre Freundin an sie. Elsa schließt ihre Augen, versucht sich zusammen zu reißen und nickt. Conny hat schließlich recht. Es vergehen noch fast zwei Stunden, in denen sie mit Hilfe der anderen drei alles zusammensucht, was ihr gehört und die Kisten dann zusammen hinunter zu den Autos tragen, mit denen sie die Kisten erst einmal zu Elsas Eltern bringen wollen. Dort würde sie die Sachen, die sie benötigte, mit zu Viktor nehmen, der Rest würde bei Daichis bleiben, bis Elsa eine eigene Wohnung hat. Von den Möbeln nimmt sie nichts mit, sie überlässt fast alles Mario, sie will nicht an ihn erinnert werden und das würde sie dadurch. Wie kann sie auch weiterhin Möbel besitzen, die auch er mit ausgesucht und verwendet hat? Lieber verzichtet sie auf all das. Als alles erledigt ist, bleibt Elsa noch einen Moment alleine in ihrem alten Wohn-Esszimmer stehen. “Geht es einigermaßen?”, erklingt Viktors Stimme hinter ihr. Sie schüttelt ihren Kopf, während Tränen über ihre Wangen laufen. Als er das bemerkt, ist er sofort an ihrer Seite und schließt sie in seine Arme. Ihre Kopf sinkt an seine Brust und sie schluchzt herzzerreißend. Viktors Umarmung festigt sich und es schmerzt auch ihn, sie so unglücklich zu sehen. Doch irgendwann beruhigt sie sich wieder, bleibt jedoch noch einen Moment so bei ihm stehen. “Ich denke, wir sollten uns auf den Weg machen. Nicht, dass er uns doch noch überrascht, denkst du nicht auch?”, erklingt seine Stimme schließlich, reißt sie so aus der kleinen Blase, in der sie sich gerade befunden hat. Elsa nickt auf Viktors Worte und löst sich aus seinen Armen, ehe sie mit roten Wangen zur Seite sieht. “Entschuldige bitte”, murmelt sie dabei. “Du musst dich nicht entschuldigen, niemals. Das habe ich dir doch schon oft gesagt. Ich bin für dich da, immer und jederzeit, auch so”, erklärt er. Sie beißt sich auf die Unterlippe, ehe sie erneut nickt. “Okay”, gibt sie dabei leise von sich, sieht ihn jedoch nicht an. “Bist du dann soweit?”, fragt er anschließend. Elsa hebt den Schlüsselbund in ihrer Hand an und blickt auf den Schlüssel zu dieser Wohnung, der daran hängt. Sie strafft sich und löst ihn kurzerhand vom restlichen Bund, ehe sie ihn auf den Esstisch legt, sie braucht ihn nicht mehr. Dort liegt auch bereits der Ersatzschlüssel, den Conny und Gregor hatten. Sie alle wollen mit Mario abschließen und dazu gehört auch diese Wohnung. Dem Vermieter hatte Elsa bereits eine Email geschrieben, dass sie ausgezogen ist. Der Hauptmieter ist Mario, die Miete geht auch von dessen Konto ab. Elsa hatte ihm ihren Anteil monatlich überwiesen, doch Viktor hat bereits vor zwei Tagen darauf bestanden, dass sie diesen Dauerauftrag löscht. Sie muss nicht für eine Wohnung zahlen, in der sie nicht mehr lebt und nach genug Argumenten hat sie es schließlich auch getan. Der Ältere hat ja recht. Und da sie nicht mehr hierher zurückkommen würde, muss sie nicht weiter dafür bezahlen. Kurz darauf zieht Elsa die Wohnungstüre hinter sich zu, beendet damit dieses Kapitel ihres Lebens. Ein Kapitel, das von einem wunderschönen Traum zu einem Albtraum geworden ist. Kapitel 6: Auseinandersetzung ----------------------------- Seit zweieinhalb Wochen ist Elsa bei Viktor untergekommen. Inzwischen muss auch er wieder regelmäßig zu seinem Training, doch sie verbringen fast ihre komplette Freizeit miteinander. Der Ältere schafft es sie aufzumuntern, ihr etwas Lebensfreude zurückzugeben, auch wenn der Liebeskummer ihr immer noch sehr zu schaffen macht, vermutlich wird es auch noch eine ganze Weile dauern, bis das nicht mehr der Fall ist. Und es ist doch auch verständlich, die Beziehung zwischen ihr und Mario hat fast sieben Jahre angedauert und sie ist nicht auseinander gegangen, weil sie keine Gefühle mehr für ihn hatte, im Gegenteil, sie hat ihn geliebt, bis heute. Und diese Gefühle auszuschalten, das gelingt ihr nicht … Jeden Tag wacht sie desorientiert auf, erwartet, wie jeden Morgen der letzten zweieinhalb Jahre in Marios Armen zu erwachen … doch dann bricht die Realität über sie herein. Mario ist kein Teil ihres Lebens mehr, alle ihre Träume und Wünsche sind zunichte gemacht worden. Und damit, mit allem und eben vor allem mit ihm abzuschließen, das wird noch lange dauern. Und ebenso lange werden vermutlich auch die Heulanfälle noch andauern, die sie oft von einem Moment auf den anderen überkommen, dass sie noch nicht ausgetrocknet ist, verwundert sie immer wieder. “Was machst du denn gerade?”, fragt Viktor sie neugierig und sieht über die Sofalehne und ihre Schulter in den Laptop hinein, der offen auf ihrem Schoss steht. Sofort versteift Elsa sich und schlägt diesen zu. “Nichts”, erklärt sie unsicher. “Ich … ich gehe kurz ins Bad und …” “Du siehst dir hoffentlich keine Bilder von Mario an”, richtet Viktor sorgenvoll an sie. Sofort schüttelt Elsa ihren Kopf. “Nein, keine Sorge, die sind alle unwiderruflich gelöscht. Und auf sämtlichen Social-Media-Kanälen ist er blockiert.” Immer noch sieht er sie mit diesem Blick an, dann geht er in die Küche. “In Ordnung, wenn du es sagst, glaube ich es dir.” “Na danke”, erwidert Elsa augenrollend, greift nach ihrem Laptop und geht mit diesem in ihr Zimmer, sie will es vermeiden, dass Viktor einen Blick hinein wirft, dass er sieht, worüber sie sich die letzten Tage Gedanken macht. Sie legt das Gerät auf ihr Bett und sieht noch einen Moment darauf, ehe sie ihn erneut öffnete und anschaltet. Die Email, die sie erhalten hat, erscheint auf dem Bildschirm. Sie beißt sich auf die Unterlippe. Hat sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen? Doch dann klickt sie auf “Antworten”. ~~~ Viktor sieht Elsa noch einen Moment nachdenklich hinterher, irgendwie ist sie heute komisch drauf, seltsamer als die letzten Tage. Ist nochmal irgendetwas vorgefallen? In dem Augenblick klingelt es an der Türe. Sein Blick huscht zur Wanduhr. Die Pizza, die er heute durchgesetzt hat, dürfte das doch noch nicht sein. Aber was sonst? Für die Schnelligkeit sollte er ein großes Trinkgeld zahlen. Er betätigt den Türöffner der Haustüre und wartet gleich darauf an der offenen Wohnungstüre auf den Pizzaboten. “Oh Mann.” Er schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, ehe er nochmal zurück läuft um seinen Geldbeutel zu holen. Als er dann wieder in den Wohnungsflur tritt, blieb er wie angewurzelt stehen. “Was willst du hier?”, fährt er den Ankömmling an. “Ich will nur mit Elsa reden”, erwidert dieser. In Viktor kommt Wut auf. “Sie will dich nicht mehr sehen, also mach, dass du verschwindest! Und wie kommst du überhaupt auf die Idee, dass sie hier ist?” Mario hebt seine Augenbrauen. “Ich habe sie die letzten Tage beobachtet und daher mitbekommen, dass sie nach der Arbeit hierher kommt und als ich dann einen Blick auf die Namensschilder geworfen habe, habe ich deinen Namen erkannt, damit war mir klar, dass sie bei dir untergekommen ist. Also, kannst du sie bitte holen, dass ich mit ihr sprechen kann? Sie und ich, wir müssen reden, dringend.” Er sieht Viktor eindringlich an. Der lacht auf. “Ernsthaft? Fängst du jetzt auch noch an, ihr hinterher zu stalken? Reicht nicht, was du getan hast, musst du jetzt noch eine Schippe drauflegen?” Mario runzelt seine Stirn, schüttelt seinen Kopf. “Nein, das will ich nicht! Ich … ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, aber deshalb muss ich ja mit Elsa reden. Ich muss ihr sagen, dass es mir leid tut! Warum verstehst du das nicht, ich dachte, wir sind Freunde.” Viktors Augen weiten sich und er muss ungläubig blinzeln, ehe er abrupt seinen Kopf schüttelt. “Freunde? Wir beide? Sicherlich nicht! Du hast meine Freundschaft nicht verdient, ich will dich gar nicht mehr als einen Freund haben. So jemanden wie dich … Wie soll ich mit jemanden befreundet sein, der so eine wundervolle Frau wie Elsa betrügt? Du hattest alles, ein gutes Leben, einen guten Job, die Frau der Träume eines jeden an deiner Seite, ihre Liebe, für die dich sicherlich viele beneidet haben. Wie konntest du das aufs Spiel setzen? Wie konntest du es zulassen, dass sie so verletzt wird? Weißt du überhaupt, wie gut du es hattest? Jemanden wie sie, so eine wundervolle und wunderschöne Frau wirst du nie wieder finden!” Marios Blick verdüstert sich. “So ist das also!” “Dass sie dich nicht mehr sehen will? Ja, so ist das! Halte dich von ihr fern, tauche nie wieder hier oder bei ihr auf der Arbeit auf, fange sie nirgends ab. Ansonsten werde ich persönlich mit ihr zur Polizei gehen, dass sie eine Anzeige wegen Stalking gegen dich stellt!” Viktor ballt seine Hände zu Fäusten, während er ihn wütend ansieht. Seine Stimme ist immer lauter geworden. “Das kommt dir jetzt zugute, nicht wahr, Viktor?”, zischt Mario ihn an. “Was willst du damit sagen?”, fragt dieser. Sein Gegenüber lacht verächtlich auf. “Meinst du nicht, ich habe deine Blicke gegenüber meiner Freundin nicht bemerkt? Wie du sie angesehen hast, wenn du dachtest, dass keiner es merkt? Diese Sehnsucht in deinen Augen? Doch sie gehört zu mir, das hat sie immer, das tut sie auch heute noch! Wir müssen nur miteinander reden, das Ganze hinter uns bringen und dann können sie und ich gemeinsam nach vorne schauen, wir können das schaffen!” Er hat sich regelrecht in Rage gesprochen. Viktor war bei seinen ersten Sätzen wie erstarrt gewesen, seine Augen weit aufgerissen, doch bei den weiteren … “Das ist Bullshit, Mario! Das was du getan hast, das ist unverzeihlich! Und das hast du dir selbst zuzuschreiben! Du hast sie verloren und da kann niemand außer dir etwas dafür und …” “Mario”, erklingt Elsas Stimme und sofort erstarren die beiden Männer, richten ihren Blick auf die Frau, die zum Wohnungsflur hereinkommt. “Elsa”, bringt der Angesprochene hervor, tritt auf sie zu und streckt eine Hand nach ihr aus. “Es tut mir so unfassbar leid, das was ich getan habe, das war ein großer Fehler und ich werde alles tun, dass es wieder gut werden wird. Bitte komm mit mir nach Hause, ich liebe dich.” Ihr Blick wirkt dunkel, traurig. Doch sie richtet sich auf und schüttelt ihren Kopf. “Nein”, gibt sie mit überraschend fester Stimme von sich. “Du hast recht, es war ein großer Fehler, den du begangen hast und mit der Konsequenz musst du nun leben. Ich kann, nein, ich will nicht mehr mit dir zusammen sein, wir haben kein gemeinsames Zuhause mehr. Und, das solltest du dir jetzt gut merken, ich will dich nie wiedersehen! Ich will dich nicht mehr sehen, nicht mehr mit dir reden, ich will überhaupt nichts mehr mit dir zu tun haben. Verschwinde! Verschwinde und komm nie wieder!” Sie deutet auf die offenen Wohnungstüre, während Tränen über ihre Wangen laufen. Er tritt noch einen Schritt auf sie zu, seine Hand immer noch nach ihr ausgestreckt. “Elsa, bitte, ich …” “Hast du sie nicht gehört?”, knurrt Viktor und stellt sich zwischen das ehemalige Paar. “Mach, dass du wegkommst sonst rufe ich jetzt gleich die Polizei!” “Aber …” Marios Blick wandert wieder zu Elsa und man kann die Emotionen darin erkennen. Er scheint auch zu leiden … aber das ist Viktor egal, denn Mario war es ja auch, der das ganze Dilemma verursacht hat. “Verschwinde sofort aus meiner Wohnung!”, knurrt er erneut und tritt auf Mario zu. Dieser hebt seine Hände abwehrend hoch und geht ein paar Schritte zurück. “Elsa, bitte”, bringt er erneut flehend hervor, sein Blick nur auf sie gerichtet. Diese weigert sich, zu ihm zu sehen. “Verschwinde endlich”, gibt sie leise von sich, dreht sich herum und geht in die Wohnung zurück. Mario sieht ihr weiter hinterher, alles in ihm scheint zusammenzubrechen. “Brauchst du extra Hilfe?”, fragt Viktor drohend. Wieder hebt Mario seinen Hände und schüttelt seinen Kopf. “Nein”, murmelt er und drehte sich dann endlich herum um mit hängendem Kopf die Wohnung zu verlassen. Erleichtert schließt Viktor die Türe hinter ihm, bleibt einen Moment stehen und sammelt sich, ehe er ebenfalls ins Wohnzimmer geht, wo er nach Elsa sieht. Diese steht vor der Fensterfront und blickt auf die Lichter der Stadt in der Nacht hinaus. “Ich danke dir”, gibt sie leise von sich, als er in den Raum kommt. “Nicht dafür”, erwidert er. “Ich bin dir trotzdem dankbar … Und ich hätte noch eine Frage an dich”, sagt sie. “Und die wäre?” Viktor bleibt ein Stück hinter ihr stehen. Er kann sein Spiegelbild in dem hohen Fenster erkennen, ebenso Elsas. Sie beißt sich auf die Unterlippe, ehe sie sich herum dreht und ihn ansieht. “Seit wann bist du schon in mich verliebt?” Kapitel 7: Geständnis --------------------- “Was?” Viktors Mund ist schlagartig ausgetrocknet und steht offen. Er macht einen Schritt nach hinten, hebt beide Hände abwehrend vor seinen Oberkörper und schüttelt wild seinen Kopf. “Nein. Nein!” Sie sieht ihn an, ein trauriger Ausdruck in den Augen, aber ob das von dem kommt, was sie gerade gefragt hat oder noch mit dem Aufeinandertreffen mit Mario zusammenhängt, kann er nicht sagen. “Ich habe es gehört. Was du zu Mario gesagt hast, was er dir an den Kopf geworfen hat, dass du mich immer so angesehen hättest. Und …”, sie zögert, blickt einen Moment zur Seite, ehe sie ihm doch wieder in die Augen sieht, “ich … denke …”, erneut hält sie inne, “dass ich deine Blicke auch gesehen habe …” Viktor schluckt, sagt immer noch nichts, weißt nicht, was. In der Zeit lässt Elsa sich auf sein Sofa sinken, sieht ihn von dort aus nachdenklich an. Auch er setzt sich auf das Sofa, mit soviel Abstand wie möglich zwischen ihnen beiden. “Also?”, fragt sie leise. “Ich …”, murmelt er, ehe er aufseufzt. Soll er sie weiter anlügen? Das will er nicht. Mario hatte sie angelogen, mehr als nur ein wenig. Und er will sie nicht anlügen, auch wenn ihm klar ist , dass er bei ihr keine Chance hat, nie hatte. “Seit langem”, antwortet er daher. “Seit wann genau?”, fragt sie weiter nach. Warum will sie das jetzt so genau wissen? Das bringt ihnen beiden schließlich überhaupt nichts! Doch egal wie, er hat ja entschieden, sie nicht anzulügen. “Wann hat es begonnen? Als ich so dreizehn, vierzehn war?” “So lange schon?” Elsa klingt schockiert. Viktor zuckt mit seinen Schultern und lehnt sich auf seinem Sofa zurück. “Ja, so lange schon.” “Aber … warum hast du nie etwas gesagt?” Ein zynisches Auflachen entkommt ihm. “Etwas sagen? Warum, Elsa? Was hätte es gebracht? Ich habe mich in dich verliebt, obwohl ich wusste, dass du in Mario verliebt warst und er in dich. Er war, damals, mein Freund, ein Mensch, den ich sehr respektiert habe. Alle haben doch gesehen, wie sehr ihr zusammengehört, auch wenn ihr damals noch viel zu schüchtern wart. Und spätestens als ihr dann zusammen gekommen seid, war doch jede Chance vorbei. Also, was hätte es gebracht, zu dir zu kommen und zu sagen, hey Elsa, ich bin in dich verliebt? Höchstens Prügel von Marios Mannschaft. Von ihm selbst vermutlich nicht, aber ich habe ihn viel zu sehr akzeptiert, als ihm dich auszuspannen. Und wie gesagt, deine Gefühle haben doch von je her ihm gegolten.” Ihre Augen haben sich geweitet und schnell blickt sie zur Seite, trotzdem hat er die Tränen darin erkannt. Er schält sich selbst, würde sich gerne in den Hintern treten. Warum hatte er sie daran erinnert, daran, wie sehr sie Mario und wie sehr er früher sie geliebt hat? Das bringt ihr in der aktuellen Situation nichts als den Liebeskummer zu verschlimmern. “Und was hatte ich schlussendlich davon? Er hat mir das Herz gebrochen!”, sagt sie mit kläglicher Stimme. “Vielleicht wärst du an meiner Seite besser gewesen, denn dann müsste ich jetzt nicht so leiden, oder? Du hättest mich sicher nicht betrogen.” Nun sind es seine Augen, die sich weiten. “Elsa … Mario … ja, er hat einen unverzeihlichen Fehler begangen, aber die fast, was waren es jetzt, sieben Jahre? Die können doch nicht nur schlecht gewesen sein, oder?” Sie schluchzt leise auf. “Wenn sie es nicht wären, dann hätte er das doch nicht getan, oder?” Als er die Tränen erkennt, die nun wieder über ihre Wangen laufen, springt Viktor vom Sofa auf und geht zu ihr, lässt sich direkt neben sie sinken und zieht sie in seine Arme. “Versuche an etwas anderes zu denken, vergiss ihn, auch wenn das schwer ist. Ja, du hast ihn geliebt und ich bin mir sicher, dass er dich geliebt hat, aber manchmal ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Ende ohne Schrecken. Lieber weißt du es, als dass es noch jahrelang so weiter gegangen wäre, findest du nicht auch?” Sie schluchzt, ihre Hände krallen sich in sein Oberteil und ihre Tränen durchdringen sein Shirt, bis sie auf seiner Haut angelangen. Seine andere Hand streichelt sanft über ihren Rücken, bis sie sich etwas beruhigt hat. Sie bleibt jedoch an Ort und Stelle, rührt sich nicht, während ihre Stirn weiter an seiner Schulter liegt. “Wann hat das angefangen, also dass du Gefühle für mich hast? Beziehungsweise … wie?” Er erstarrt, damit hat er nun nicht mehr gerechnet, eher, dass sie das Thema einfach unter den Tisch fallen lassen. “Ähm … das …” Er runzelt seine Stirn, überlegt, denkt an die Zeit damals zurück. “Ich habe dich oft gesehen, bei den Spielen der Kickers, habe auch mitbekommen, was die Leute über dich und Mario erzählten, habe auch oft seine Reaktion auf dich mitbekommen, dass er rot geworden ist, wenn man deinen Namen nur erwähnt hat oder wie er dümmlich gegrinst hat, erst recht, wenn er dich kurz zuvor gesehen hat. Ich konnte ihn damals schon verstehen, du warst, und bist es auch heute noch, sehr hübsch. Und dann, der Tag, in dem ich begonnen habe, dich mehr zu mögen als angebracht in der Lage, in der wir uns befanden, da haben du und Gregor Conny besucht, erinnerst du dich vielleicht? Unsere Geschwister hatten irgendwie nur Augen für sich und dann haben wir beide uns unterhalten. Das war unser erstes, längeres Gespräch.” “Ja, daran erinnere ich mich noch”, erklingt ihre Stimme leise. “Auf jeden Fall ist mir da aufgefallen, wie nett du bist, wir haben über so viel reden können, haben zusammen über Witze gelacht … da dachte ich, dass wir gut harmonieren würden … und daraus ist dann mehr geworden. Mit jedem Mal, wo wir uns nur gesehen oder auch unterhalten haben, haben sich meine Gefühle für dich verstärkt … Und doch … da war Mario. Und immer, wenn ich euch beide gesehen habe, war ich mir sicher, dass ihr beide irgendwie zusammengehört, auch wenn mir dieser Gedanke nie gefallen hat. Was hätte ich auch tun sollen?” Ein Seufzen entkommt ihm. “Ich habe mich halt zurückgehalten.” “So hätte ich dich nicht eingeschätzt”, gibt sie von sich, lässt ihren Kopf aber immer noch an seiner Schulter liegen, “normalerweise bist du so selbstbewusst, nimmst dir was du willst. Wie oft bist du mit irgendwelchen Frauen aufgetaucht, da dachte ich auch oft, dass du nichts anbrennen lässt.” Ein leises Lachen entkommt ihm nun. “Das habe ich auch nicht. Doch da waren nie irgendwelche Gefühle im Spiel. Die einzige Frau, für dich ich mich wirklich je interessiert habe, die war vergeben. Also … habe ich mich eben anderweitig ausgetobt.” “Du hattest nie für eine andere Frau Gefühle?”, erklingt ungläubig an seiner Schulter. “Nein.” Viktor runzelt seine Stirn. “Ich hatte auch noch nie wirklich eine Beziehung.” “Warum nicht?” “Das habe ich dir doch gerade gesagt, hast du mir nicht zugehört?” “Das meinte ich gar nicht”, ertönt ihre Stimme beleidigt. Sie hebt ihren Kopf einen kurzen Moment von seiner Schulter und sieht ihn vorwurfsvoll an, ehe sie ihn wieder sinken lässt. “Nein, vielleicht hättest du ja auch für eine andere Gefühle entwickelt, wenn du mal länger mit ihr zusammen gewesen wärst, mehr Zeit mit ihr verbracht und sie kennengelernt hättest.” Auf diese Aussage folgt ein Kopfschütteln von ihm. “Nein, das hätte ich nicht fair gefunden. Eine Beziehung zu einer Frau, obwohl ich für eine andere Gefühle habe. Und ich meine”, er zuckt mit seinen Schultern, “ich habe ja viel ausprobiert, aber ich bin nie von dir losgekommen. Selbst wenn ich mal länger keinen Kontakt zu dir gehabt habe und dachte, jetzt wird es, dann habe ich dich wieder irgendwo gesehen und festgestellt, alles fernhalten war umsonst.” Erneut hebt Elsa ihren Kopf, sieht ihn traurig an. “Es tut mir leid. Dass … ich weiß nicht. Das hier, dass ich hier jetzt bei dir bin und hier wohne, das ist sicher auch nicht gut. Aber morgen werde ich …” Sofort schüttelt er entschieden seinen Kopf und drückt sie mit seinem Arm etwas fester an sich. “Nein, nein Elsa. Du darfst jederzeit hier sein, solange du es brauchst und willst. Ich komme damit klar, dass du meine Gefühle nicht erwiderst. Das habe ich bereits die letzten Jahre, das schaffe ich auch jetzt.” Er sieht sie ernst an, woraufhin sie sich aufrecht hinsetzt. “Viktor hör zu, ich bin dir wirklich dankbar, ich bin froh, dass ich hier sein konnte, aber ich werde …” “Nein, du wirst nichts. Du bist hier und das ist gut so. Ignoriere meine Gefühle für dich, das habe ich bisher auch geschafft.” Irgendetwas ändert sich in Elsas Blick, er kann nicht sagen, was, doch plötzlich ist da etwas anderes. Sie hebt ihre Hand und legt sie an seine Wange, fährt langsam mit ihren Fingerspitzen über seine Wangenknochen, über die weiche Haut. “Ich dachte schon früher immer wieder, wie gut du aussiehst. Aber dann hatte ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen Mario gegenüber. Ich sollte keine anderen Männer anschauen, ich hatte ja ihn.” Viktors Herz beginnt schneller zu schlagen und er kann seinen Blick nicht von ihr nehmen, während sich ihre Hand langsam in seine Haare schiebt. Sie hebt ihr Gesicht zu seinem, schließt flatternd ihre Augen, während ihre Lippen seinen immer näher kommen. Kapitel 8: Empfinden -------------------- Viktors Herz scheint zu rasen und sein Atem ist vermutlich viel zu schnell. Er kann seinen Blick nicht von der Frau vor sich nehmen, die ihm immer näher kommt. Er spürt ihre Finger auf seiner Haut, die ihn fast zu verbrennen scheinen und dann auch ihren warmen Atem auf seinen Lippen, der ihm eine Gänsehaut beschert. “Elsa”, murmelt und dann streifen ihre Lippen bereits seine. Und obwohl er weiß, dass das hier falsch ist, schließt er seine Augen. Sein Herz scheint fast aus seinem Brustkorb zu fliegen als sie ihn küsst, nur sanft, eigentlich liegen ihre Lippen nur auf seinen. Das hier … sie so bei ihm, das hat er sich immer gewünscht. Und doch … es ist falsch, es auszunutzen. Sie hat immer noch Liebeskummer wegen einem anderen, sie ist zur Zeit so verletzlich, das hier ist … falsch. Und obwohl er es weiß, so fühlt es sich doch verdammt gut an und daher beginnt er den Kuss zu erwidern. Doch schließlich übermannt ihn sein Gewissen und er schiebt sie sanft von sich weg. “Elsa, ich weiß nicht ob …” Sie sieht ihn ernst an. “Viktor …” Wieder wandern ihre Finger über die Haut an seiner Wange. “Ich … ich habe nicht die gleichen Gefühle für dich, das tut mir leid. Aber …”, ihre Hand hält inne, “vielleicht könntest du … nur diese eine Nacht … Ich will … ich will wieder etwas anderes empfinden, als diese Schmerzen wegen Mario. Vielleicht …” Wieder ändert sich etwas in ihren Augen und sie schüttelt ihren Kopf, zieht sich zurück, aus seiner Umarmung heraus. Sie steht auf und tritt wieder zu der Fensterfront. “Elsa”, murmelt er leise, kann seinen Blick nicht von ihr nehmen. Er spürt seinen Körper an all den Stellen, an denen sie gerade noch gewesen ist, kalt werden, ihre Körperwärme ist nicht mehr da, hat sich mit ihr entfernt. “Es tut mir leid, das war eine ganz dumme Idee von mir! Ich kann so etwas nicht von dir verlangen, gerade wegen deinen Gefühlen. Es tut mir leid, Viktor.” Er sieht sie immer noch an und in seinem Kopf entbrennt ein Kampf um richtig und falsch. Ja, es wäre falsch … aber … sie … Es ist sie. Und so kann er ihr doch zeigen, was er für sie empfindet, alle seine Gefühle und Empfindungen, ihr beweisen, dass er es, im Gegensatz zu Mario, ernst mit ihr meint. Er hätte diese eine Nacht … und danach hoffentlich ihr restliches Leben. Und von diesen Gedanken angetrieben steht er auf, geht zu ihr und legt ihr eine Hand an den Oberarm. Überrascht blickt Elsa auf, erwidert durch die Glasscheibe seinen Blick. Ihre Augen weiten sich, als sie die Entschlossenheit in seinen Augen bemerkt. “Ich würde alles tun, damit es dir besser geht, Elsa. Und … ich …” Er bricht ab, weiß nicht, was er ihr noch sagen soll und dann handelt er einfach, will ihr all das zeigen, was er empfindet, was er nicht aussprechen kann. Er zieht an ihrem Oberarm, dreht sie zu sich nach hinten und senkt kurzerhand seine Lippen auf ihre, während er seine andere Hand in ihren Nacken und dort in ihren Haaransatz schiebt. Sie ist einen Moment überrumpelt, dann legt sie ihre Arme in seinen Nacken und erwidert seinen Kuss, der nichts mehr mit dem sanften Kuss von vorher gemein hat. ~~~ Als Viktor am nächsten Morgen erwacht, liegt ein Lächeln auf seinen Lippen. Elsa … sie die letzte Nacht in seinen Armen halten zu können, sie zu spüren, ihre weiche Haut, ihre Lippen auf seinen. Wie sie sich ihm geöffnet hatte, ihre Arme um ihn geschlungen, dazu die sinnlichen Laute, die sie ausgestoßen hatte, als sie sich endlich so nahe waren, wie er es sich schon so lange gewünscht hat. Er hatte Sex immer gemocht, aber der Sex mit ihr ist für ihn erfüllend gewesen, das beste, was ihm je passiert ist, sie ist das beste. Immer noch hat er ihren Duft in seiner Nase, alles riecht nach ihr. Endlich gehört sie zu ihm. Er streckt seine Hand aus, lässt sie über die Bettseite neben sich wandern, sucht nach ihr, will seinen Arm um ihre Mitte legen und sie an sich ziehen. Doch … seine Hand tastet vergebens nach dem nackten, warmen Körper neben sich. Blinzelnd öffnet Viktor seine Augen, erkennt, dass die Bettseite neben sich leer ist und setzt sich verwirrt auf. Sein Blick gleitet durch sein Schlafzimmer, zeigt ihm, dass er die einzige Person hier ist. Sein Herz zieht sich unangenehm zusammen, als ihm ein Gedanke in den Kopf kommt. Doch dann schüttelt er seinen Kopf und hebt seine Beine kurzerhand über den Bettrand. Sie kann überall sein, im Bad, in ihrem eigenen Zimmer, in der Küche oder dem Wohnzimmer, sie muss ja nicht hier auf ihn warten. Er bückt sich nach seiner Boxershort und zieht diese über, ehe er sein Schlafzimmer verlässt und zu der Türe gegenüber seiner geht. Er klopft an. “Elsa?”, fragt er und öffnet die Türe dann. Sein Blick gleitet durch das Zimmer, dass sie nicht hier ist, hat er gleich bemerkt. Zudem ist das Bett ordentlich gemacht, sie scheint die ganze Nacht bei ihm verbracht zu haben. Bei den Gedanken und der Erinnerung daran wird es ihm warm ums Herz. Er tritt wieder aus dem Zimmer hinaus. Ins Bad muss er nicht schauen, die Türe steht offen. Stattdessen wendet er sich in Richtung des großen Wohnraums. Dort bleibt er stehen, als ihm klar wird, dass sie auch nicht hier ist. Wieder fühlt es sich an, als ob sein Herz zusammengepresst würde. Doch erneut drängt er den Gedanken, der in ihm aufsteigt, mit voller Wucht zurück. Und dann fällt ihm ein zusammengefalteter Zettel auf der Kücheninsel auf, der dort steht. Als er näher kommt, erkennt er seinen Namen in ihrer geschwungenen Schrift darauf stehen: Viktor. Einen Moment starrt er seinen Namen nur an, wie als ob er dadurch ändern könnte, was in dem Brief steht, was er befürchtet, was dort stehen würde. Langsam streckt er seine Hand aus, ergreift den Zettel und hebt ihn hoch. Er faltet ihn auseinander und als er ihre Worte liest, zieht sich alles in ihm zusammen. Ich weiß, dass dies der feige Weg ist, aber mir war bewusst, wenn ich heute morgen in deine Augen sehen würde, vor allem nach dieser Nacht, würde ich es nicht über mich bringen, zu gehen. Die letzten Jahre war mein Leben immer auf Mario ausgerichtet, darauf, dass er und ich unser Leben zusammen verbringen. Und jetzt ist es das erste Mal, dass es nur um mich geht und ich bin mir sicher, dass ich diese Zeit nutzen und nach mir schauen muss. Würde ich hier bleiben, könnte ich das nicht, zumindest bezweifle ich, dass ich es schaffen würde. Und daher muss ich gehen. Es tut mir leid, wenn ich dich damit verletze. Doch ich will, muss dir auch Danke sagen, Viktor. Dafür, dass du mich bei dir aufgenommen hast, für die letzten Wochen, in denen du immer für mich da warst und auch für die letzte Nacht, in der du mein Herz ein Stück weit wieder zusammen gesetzt hast. Ich weiß, dass wir uns wiedersehen werden. Bitte bleib, wie du bist. Deine Elsa Viktor lässt den Zettel fassungslos sinken, die Worte sind noch nicht ganz zu ihm durchgedrungen und doch ist ihm eines klar: sie ist weg. Dabei … Er schüttelt langsam seinen Kopf. Sie hatte es noch gesagt, nur diese eine Nacht … und er Vollidiot hatte sich eingeredet, dass er ihr mit dieser einen Nacht zeigen kann, wie sehr er sie liebt, dass ihr auch klar werden würde, dass sie für ihn ebenfalls so empfindet. Was hat er sich dabei eigentlich gedacht? Was hat er erwartet? Wie sie selbst geschrieben hat, sie kommt aus einer langen Beziehung, einer Beziehung, die ernst gewesen ist, auch wenn sie so auseinander gegangen ist. Und … er kann sie auch verstehen. Er versteht, dass sie nun Zeit für sich braucht. Aber die hätte sie doch auch mit ihm an ihrer Seite gehabt. Er würde nie etwas tun, was ihr schadet! Fahrig greift er nach seinem Handy, das er gestern hier hat liegen lassen. Elsa hat ihren Brief direkt daneben gestellt, wollte sich sicher gehen, dass er ihn findet. Er sucht nach ihrer Nummer, wählt diese und hofft, dass sie rangeht. Diese Nummer ist momentan nicht erreichbar, bitte versuchen sie es später noch einmal. Angewidert starrt Viktor auf sein Handy, dann sucht er eine andere Nummer heraus und wählt diese. Nach ein paar Mal Klingeln wird zum Glück abgehoben. “Mensch, hast du mal auf die Uhr gesehen? Wir haben 6.30 in der Früh! Ich bin gerade erst nach Hause und ins Bett gekommen!” “Wo ist sie?” Viktor ignoriert, was sein Gesprächspartner gesagt hat. Einen Moment herrscht Stille. “Viktor, hat sie dir nicht gesagt, wohin sie ist?” “Würde ich dich sonst fragen, Gregor?”, knurrt er diesen an. Wieder herrscht Stille, dann seufzt der Jüngere auf. “Viktor, ich habe sie vorher zum Flughafen gefahren.” “Aber, wo ist sie hin?” Verzweiflung ist seiner Stimme anzuhören. “Sie hat einen Job in Deutschland angenommen. Habt ihr gar nicht darüber geredet, hat sie dir nichts erzählt?” “Hätte sie das, würde ich dir nicht so verzweifelt anrufen, oder?”, gibt Viktor von sich. “Ist zwischen euch irgendetwas vorgefallen, Viktor?”, fragt Gregor vorsichtig. “Nein … also nicht, dass … egal. Sie hat es mit keinem Wort erwähnt, dass sie geht. Ich habe heute morgen nur einen Brief vorgefunden, in dem sie geschrieben hat, dass sie es … für sich macht.” Viktor fällt ein, dass sie gestern ein paar Mal versucht hat, den heutigen Tag anzusprechen, doch er hat sie nicht ausreden lassen. Hatte sie es ihm da sagen wollen? Ist es ihm unterbewusst klar gewesen und er hat sie nicht aussprechen lassen, um es nicht hören zu müssen? Aber … “Sie hat geweint, als ich sie zum Flughafen gebracht und mich von ihr verabschiedet habe. Ich habe gedacht, dass das vermutlich noch an Mario liegen würde … aber … Viktor, kann es sein, dass ich mich da täusche?”, fragt Gregor ihn nun. Viktors Hand festige sich um sein Handy, ehe er seinen Kopf schüttelt. “Woher soll ich das wissen, Gregor? Ich kann nicht in ihren Kopf schauen. Sie muss wissen, was sie tut, sie ist alt genug.” Und damit beendet er den Anruf ohne sich zu verabschieden. Er lässt das Handy zurück auf die Kücheninsel gleiten, sein Blick richtet sich auf den Brief, der vor ihm liegt. Und dann, mit einem lauten, verzweifelten Schrei, wischt er alles von der Kücheninsel, wirft alles hinunter, ignoriert, was dabei kaputt geht, zerbricht. Denn das geschieht mit seinem Herzen in diesem Moment auch, es zerbricht in tausende von Scherben und jede Hoffnung, die er bis gerade noch gefühlt hat, löst sich in Nichts auf. Kapitel 9: Zurück ----------------- Ein Jahr später Frau Daichi öffnet die Haustüre und begrüßt ihren Sohn und seine Verlobte mit einem Leuchten in den Augen. “Schön dass ihr da seid”, sagt sie und lässt die beiden eintreten. “Finde wir auch, Mama. Was gibt es denn zum essen?” Und sofort stößt Conny ihrem Verlobten ihren Ellenbogen zwischen die Rippen. “Reiß dich zusammen, Gregor!” Dieser fährt sich sofort schuldbewusst über die Haare, während seine Mutter laut auflacht. So kennt sie ihren Sohn doch. “Ich habe übrigens eine Überraschung für euch”, richtet sie an das Paar, das gerade seine Schuhe wechselt. “Ach ja? Was denn? Meinen Lieblingsnachtisch?” Auch auf Gregors Zügen erscheint ein Leuchten. Conny seufzt leise, er kann auch nur ans essen denken … Ein Gedankenblitz kommt ihr, eine Idee, was sie erwarten könnte. “Kommt einfach mit”, sagt Frau Daichi und geht ihnen voran ins Wohnzimmer. Neugierig folgen ihr Gregor und Conny, sehen gespannt in den Raum und dort … “Elsa!”, ruft Gregor laut und ist so schnell, wie man es nicht erwartet hat, zum Sofa gelaufen, von dem sich seine Schwester gerade erhebt. Er reißt sie in seine Arme, hebt sie hoch und dreht sich mit ihr im Kreis. Elsa lacht laut auf, erwidert die Umarmung. Als er sie wieder auf den Boden lässt, löst er seine Arme jedoch nicht sondern hält sie fest an sich gedrückt. “Du bist endlich wieder da”, murmelt er. Auf Elsas Gesicht liegt ein Lächeln. “Ja, bin ich”, erwidert sie. “Darf ich dann vielleicht auch mal?”, erklingt Connys Stimme belustigt hinter ihnen. “Was?” Gregor sieht verwundert hinter sich und lässt Elsa gleich darauf mit roten Wangen los. “Natürlich”, murmelt er. Und dann tritt Conny zu ihrer Freundin, Schwägerin in spe und umarmt diese ebenfalls. “Hach, es ist so schön, dass du wieder da bist. Ich habe erst morgen mit dir gerechnet.” Sofort schüttelt Elsa schmunzelnd ihren Kopf. “Nein, sicherlich nicht, denn wir beide”, sie tippt ihr gegen die Stirn, “haben heute noch etwas vor. Wie könnte ich es als deine Trauzeugin zulassen, dass du keinen Junggesellinnenabschied bekommst? Wir machen uns nachher auf den Weg.” “Wie bitte?” Conny läuft rot an. “Wir müssen wirklich nicht …” “Keine Sorge.” Elsa lacht auf. “Wir machen nichts schlimmes, im Gegenteil. Wir fahren nachher bei euch Zuhause vorbei und holen dort ein paar Badesachen, denn der Plan ist es, dass wir beide in einen Onsen fahren, dort auch ein paar Wellnessbehandlungen mitnehmen und noch einen völlig entspannten Nachmittag und Abend zu genießen.” Und sofort entspannt sich auch Connys Gesicht. Doch dann weiten sich ihre Augen erstaunt. “Elsa, deine Haare”, stellt sie überrascht fest. Deren Wangen färben sich rot und sie greift nach einer Haarsträhne. “Ja … ungewohnt, oder? Als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich eine Veränderung gebraucht. Und meine Kollegin meinte, dass das in Deutschland wohl normal ist, dass man seine Haare schneidet, wenn man eine Beziehung beendet … oder so ähnlich … Naja, sie hat mich mit zu einem Friseur genommen und es hat mir gefallen, daher bin ich dabei geblieben. Was denkst du?” Sie blickt ihre Freundin an, die lächelnd nickt. “Anders, aber gut.” Auch Elsa muss lächeln. Sie streicht sich noch einmal durch die Haare, die ihr in leichten Wellen nur noch bis zu den Schultern reichen. Mario hatte ihre langen Haare immer geliebt und auch wenn sie sie selbst ebenso gemocht hat, so ist es für sie auch nochmal ein Punkt gewesen, mit ihrem Ex-Freund abzuschließen. “Und wie geht es euch beiden?”, fragt Elsa und sieht zum Brautpaar. “Seid ihr nervös?” “Und wie”, antwortet Conny aufgeregt, während von Gregor ein: “Nö, überhaupt nicht”, kommt. Elsa sieht die beiden an, ehe sie lachen muss. Das wundert sie nun überhaupt nicht. “Kommt ihr, setzt euch an den Tisch, dann können wir essen, bevor Elsa und Conny starten müssen.” Frau Daichi blickt lächelnd zu der kleinen Runde, sie freut sich sehr, ihre Kinder beide wieder da zu haben, ebenso Conny. Ihre Familie ist wieder vollständig. ~~~ “Und es ist für dich wirklich okay, dass ich hier schlafe?”, fragt Elsa Conny einen Tag später unsicher. “Natürlich! Gregor schläft heute Nacht bei deinen Eltern, du weißt ja sicher, in der Nacht vor der Hochzeit sollte das zukünftige Brautpaar nicht in einer Wohnung übernachten. Und so können wir zwei uns morgen zusammen fertig machen. Um halb elf kommt Nariko, sie frisiert und schminkt uns. Und davor können wir dann noch in Ruhe etwas frühstücken.” Elsa schmunzelt. Ob das tatsächlich so wäre, würde sie ja morgen früh sehen, denn bisher ist Conny ein kleines Nervenbündel gewesen. Ob sie morgen ruhiger wäre und etwas hinunter bekommen würde? “Aber komm, willst du mein Hochzeitskleid sehen? Geschweige denn, endlich mal dein Kleid? In live, nicht nur auf dem Bildschirm deines Handys?” Conny sieht ihre Freundin, die ab morgen offiziell ihre Schwägerin ist, aufgedreht an. Diese nickt begeistert, denn das will sie unbedingt. Einige Zeit später sitzt Elsa auf dem Rand von Gregors und Connys Bett und sieht dieser zu, die sich ihr Hochzeitskleid angezogen hat und sich damit vor dem großen, bodentiefen Spiegel ihres Kleiderschranks dreht. “Du siehst echt unglaublich schön aus, meinem Bruder werden morgen die Augen aus dem Kopf fliegen.” Elsa sieht ihre Freundin bewundernd an. Conny kichert. “Denkst du?” “Auf jeden Fall.” “Willst du dein Kleid auch gleich mal anprobieren?” DIe Jüngere deutet auf den Kleidersack, der ebenfalls geöffnet an einer Schranktüre hängt und in dem man den altrosa Farbton des Kleides erkennen kann. “Natürlich.” Elsa steht auf und geht zu dem Kleidersack, um das Kleid heraus zu holen. Gleich darauf steht sie ebenfalls vor dem Spiegel und sieht sich mit großen Augen an. Conny hat wirklich ein wunderschönes Kleid ausgesucht und da sie ihre Maße hatte, passt es wie angegossen. Das Oberteil besteht aus Spitze mit kurzen Ärmeln, um die Taille ist ein Band gebunden, auf dem an der Seite ein paar Blumen angebracht sind und ab diesem fällt der Chiffonstoff in Faltenoptik bis zum Boden. “Es ist wirklich wunderschön”, spricht sie ihre Gedanken lächelnd aus. “Ja, ich finde auch, dass du toll aussiehst.” Conny stellt sich neben sie. “Nicht so toll wie du”, erwidert Elsa. Wieder kichert Conny. “Ich freue mich wirklich auf morgen.” “Ich mich genauso.” Während Conny ihr Kleid wieder auszieht und an den Kleiderschrank zurück hängt, steht Elsa vor dem Spiegel und streicht mit einer Hand über den Stoff. “Dein Bruder … ist morgen auch dabei, oder? Okay, dumme Frage, er ist dein Bruder …” “Und Gregors Trauzeuge, falls du dich erinnerst. Nachdem er Mario”, Conny stockt, “naja, nachdem Gregor ihm die Freundschaft gekündigt hat, war ja auch klar, dass er nicht mehr sein Trauzeuge sein wird. Daher … hat er dann eben Viktor gefragt. Aber ich denke, das passt gut, die beiden sind sich ja auch recht nahe.” Elsa nickt. “Das stimmt. Wie … wie geht es ihm denn?” Conny sieht sie erstaunt an. “Viktor? Gut, denke … oder hoffe ich zumindest. Er hat, kurz nachdem du nach Deutschland gegangen bist, den Verein gewechselt und ist ans andere Ende des Landes gezogen … seitdem sehen wir uns natürlich eher selten. Okay, vielleicht ist gutgehen übertrieben, er wirkt jedes Mal schlecht gelaunt, wenn ich ihn sehe, mit ihm rede. Er versucht zwar, sich zusammen zu reißen, aber naja …” Elsas Augen haben sich geweitet und sie blickt überrascht an sich herunter, zu ihrer Hand, die auf dem Stoff des Kleides liegt. Viktor hat den Verein gewechselt? Dabei war er mit seinem alten doch sehr zufrieden, er hatte es geliebt, mit Gregor zusammen zu spielen. Hat er das etwa … ihretwegen getan? “Elsa, ist alles in Ordnung? Du wirkst so … Ist es wegen Mario?” Die Angesprochene beißt sich auf die Unterlippe, ehe sie ihren Kopf schüttelt. “Nein, mit Mario hat das nicht zu tun.” Conny runzelt ihre Stirn, ehe sie ihre Augenbrauen erstaunt hebt. “Heißt das, du bist so merkwürdig, weil es um … meinen Bruder geht?” “Oh Gott!” Elsa läuft rückwärts, lässt sich auf das Bett sinken und schlägt ihre Hände vors Gesicht. “Ich habe mit ihm geschlafen”, bringt sie nuschelnd hervor, ohne ihre Hände wegzunehmen. “Du hast was? Wann?”, platzt Conny ungläubig hervor. Elsa lässt ihre Hände sinken, sieht ihre Freundin jedoch nicht an. “In der Nacht, bevor ich nach Deutschland geflogen bin … ehrlich gesagt ... “, sie seufzt auf, “wir haben miteinander geschlafen und als er dann eingeschlafen ist, bin ich aufgestanden, habe meine Sachen genommen und bin gegangen. Ihm habe ich nur einen Brief hinterlassen, in dem ich mich dafür entschuldigt habe, einfach gegangen zu sein … Das war nicht wirklich die feine Art.” Conny sieht sie immer noch mit großen Augen an. Damit hat sie überhaupt nicht gerechnet. “Und ich fühle mich wirklich schlecht, weil ich seine Gefühle ausgenutzt habe … das alles … das hatte er nicht verdient. Und wenn ich höre, was du erzählst, dann bin ich mir mehr als sicher, dass ich ihn sehr verletzt habe.” “Was genau willst du damit sagen?”, fragt die Jüngere und lässt sich neben Elsa auf das Bett sinken. “Er ist in mich verliebt … oder gewesen, keine Ahnung.” “Mein Bruder … in dich verliebt …” Was sollte sie heute noch alles erfahren? Conny ist überfordert. “Ja … anscheinend schon, seit er dreizehn war. Aber er hat sich wegen Mario zurückgehalten. Nach der Trennung letztes Jahr ist dieser zu Viktor in die Wohnung gekommen und wurde von ihm hochkant wieder rausgeworfen. Dabei sind ein paar Aussagen gefallen … naja, ich habe ihn darauf angesprochen und er hat es zugegeben. Und dann habe ich seine Gefühle ausgenutzt und ihn darum gebeten, mit mir zu schlafen … ich wollte Mario einfach nur vergessen. Das war wirklich nicht in Ordnung von mir. Und anstatt wie Erwachsene darüber zu reden, haue ich einfach ab. Ich … ich glaube, ich habe ein wenig Angst davor, ihn morgen zu sehen …” Elsa spürt eine Hand, die sich auf ihren Rücken legt. “Und wie geht es dir heute? Also Viktor betreffend?” “Außer dass ich ein schlechtes Gewissen wegen dem habe, was ich getan habe? Um ehrlich zu sein”, und trotz ihres schlechte Gewissens erscheint ein Lächeln auf Elsas Zügen, “habe ich sehr viel an ihn denken müssen. Ich glaube … er hat mir geholfen, besser über Mario hinweg zu kommen, hat mein Herz etwas geheilt, zusammengesetzt, wenn man so will.” Auch auf Connys Zügen erscheint ein Lächeln. “Soll ich dir etwas sagen? Morgen hast du die Chance, mit ihm zu sprechen. Du kannst dich ja bei ihm entschuldigen. Und ihr könnt miteinander über alles reden, vielleicht solltest du das einfach machen.” Elsa nickt erst zögerlich, dann zustimmend. Conny hat recht, morgen hätte sie die Chance, endlich mit Viktor über alles reden zu können und das wäre sicher sinnvoll. Kapitel 10: Aufeinandertreffen ------------------------------ “Und nun begrüßen sie alle unser heutiges Braut- und ewiges Traumpaar, Gregor und Conny Daichi!” Unter lautem Jubel tritt das frisch vermählte Brautpaar in den wunderschön dekorierten Festsaal ein. Weiße Stoffbahnen hängen an den Wänden und der Decke, unter und neben diesen stehen runde, weiß eingedeckte Tische, auf denen Blumengedecke und Kerzen in zartrosanen Tönen stehen. Alle Gäste applaudieren laut, heißen das Brautpaar willkommen. Elsa tritt hinter diesem ein, bückt sich, um Connys Schleppe zu ordnen. Die Trauung ist wunderschön und sehr emotional gewesen. Und doch … ihr Blick ist viel zu oft auf dem Mann zu liegen gekommen, der ein Stück hinter Gregor gestanden hatte. Viktor sieht so unfassbar gut aus, in seinem Anzug und seinen langen Haaren. Und erstaunt hat sie feststellen müssen, dass ihr Herz einen Satz gemacht hatte, als sie ihn wieder gesehen hat. Er wiederum hatte bisher nicht nur jeden Kontakt sondern sogar jeden Blick zu ihr vermieden, was sie ihm auch nicht übel nehmen kann, immerhin sind sie sogesehen nicht unbedingt im Guten - oder sollte man eher sagen in geklärten Verhältnissen? - auseinander gegangen. Daher, nein, sie kann ihn sogar zu einem gewissen Punkt verstehen, wäre es andersrum gewesen, wie würde sie reagieren, wenn sie ihn plötzlich wiedersehen würde? Doch nun will sie nicht zuviel darüber nachdenken, über ihn und was damals passiert ist sondern nur dieses Fest genießen, heute ist alleine Connys und Gregors Tag. Vielleicht würde sich später noch ein Moment ergeben, mit Viktor zu sprechen, vielleicht auch nicht, aber sie will sich nicht selbst verrückt machen, ohne zu wissen, ob diese Situation eintreten würde. “Gib mir den”, wendet sie sich an die Braut und nimmt dieser den Brautstrauß ab, um ihn in die vorgesehene Vase am Brauttisch zu stellen, während Conny und Gregor sich mit ein paar ihrer Gäste unterhalten. Am Brauttisch sitzen neben dem Brautpaar, ihr und Viktor als Trauzeugen auch noch die jeweiligen Elternpaare. Nach und nach begeben sich nach einer Weile alle zu ihren Plätzen und das Brautpaar begrüßt seine Gäste, unter denen sich auch alle Kickers befinden, mit einer einzigen Ausnahme, die für alle verständlich ist. Nachdem die Begrüßung vorbei ist, halten beide Väter noch eine Rede, die mit viel Belustigung aufgenommen wird. Und dann gibt es endlich etwas zu essen. Die Trauung ist um vierzehn Uhr gewesen, anschließend hatte das Brautpaar mit allen Gästen gemeinsam Fotos gemacht und danach sind Conny und Gregor mit dem Fotografen noch ein Stück weitergefahren, um Fotos nur von ihnen beiden machen zu lassen. In dieser Zeit sind die Gäste zur Feier-Location in ein Hotel gefahren. Elsa selbst ist, in ihrer Aufgabe als Trauzeugin, bei den Einzelfotos des Brautpaares dabei gewesen. Nun ist es kurz nach 18.30 Uhr und sie freut sich darauf, endlich etwas essen zu können, denn außer dem Frühstück bei Conny, bei dem wie vermutet die Braut kaum etwas zu sich genommen hat, hat Elsa heute noch nichts zwischen ihre Zähne bekommen. Nach dem wirklich leckeren Abendessen geht es mit den ersten Programmpunkten los. Zwei Spiele mit dem Brautpaar, eine Foto-Show, die die beiden Mütter gemeinsam angelegt haben und dann ist es soweit und der Tanz wird von Conny und Gregor eröffnet. Elsa steht da, sieht den beiden zu und freut sich einfach nur. Die Trauung ist wunderschön gewesen und auch das Fest bisher. Es ist ein wundervoller Tag und sie ist sich sicher, dass Conny und Gregor das ebenso empfinden. Ihr kleiner Bruder heiratet … und sie freut sich von Herzen für ihn, auch wenn es ihr einen kleinen Stich versetzt, dass er das bekommt, was sie sich lange von jemanden gewünscht hat. Doch eigentlich ist das nicht mehr relevant. Nach dem Eröffnungstanz bittet Gregor seine Mutter um den nächsten Tanz, während Conny von ihrem Vater erneut zur Tanzfläche geführt wird. “Hey, die Trauzeugen müssen doch auch miteinander tanzen”, erklingt eine Stimme von einer von Connys Freundinnen neben Elsa und kichert dabei, während sie Elsa leicht anstupst. Deren Augen weiten sich. “Was?” “Ja, da ist Viktor, tanzt miteinander”, sagt Connys Mutter, die ebenfalls am Rand der Tanzfläche steht und vermutlich auf ihren Mann wartet. Sie hat die Aussage von Connys Freundin ebenfalls gehört. “Ich … ich weiß nicht, ob …” “Viktor, Liebling, komm her!”, ruft Frau Uesugi da schon ihrem Sohn zu, der ein Stück weiter steht. Nach kurzem Zögern tut er es auch. “Ja?”, fragt er seine Mutter. Diese lächelt und deutet auf die neben ihr Stehende. “Tanz mit Elsa! Ihr beide seid die Trauzeugen, das gehört sich so.” “Was?”, fragt er ungläubig und sieht das erste Mal an diesem Tag zu Elsa. Diese schüttelt ihren Kopf. “Du musst nicht, wenn du nicht willst.” “Hach so ein Quatsch, natürlich will er. Wer würde es schon freiwillig ablehnen, mit so einer hübschen Frau wie dir zu tanzen”, lacht Frau Uesugi, die nicht wahrnimmt, wie sich Viktors Gesichtsausdruck verzieht, schon regelrecht verdüstert. “Das … wenn er nicht will, dann …”, setzt Elsa an, hebt ihre Hände an. “Okay, komm.” Erstaunt blickt sie vor sich und erkennt, dass Viktor ihr seine Hand entgegen hält. Einen Moment zögert sie, ehe sie diese ergreift. Es fühlt sich an, als würde ein Blitz sie durchzucken und ihre Augen weiten sich. Hat er das auch gespürt? “Du … du musst wirklich nicht, wenn du nicht magst”, murmelt sie, als er sie auf die Tanzfläche führt. “Bringen wir es einfach hinter uns, dann hat meine Mutter bekommen was sie will und ist zufrieden”, grummelt er und bringt sich in Stellung. Elsa legt ihre eine Hand auf seine Schulter, die andere immer noch in seiner und im nächsten Augenblick führt er sie über die Tanzfläche. Mit großen Augen blickt sie zu ihm auf. Er kann wirklich gut tanzen, es wirkt regelrecht, als würden sie über die Tanzfläche schweben. Die erste Minute schweigen sie beide und Elsas Blick ist die ganze Zeit über auf seine Brust gerichtet, da kommt ihr Connys Aussage vom Tag zuvor in Erinnerung - das ist jetzt die Möglichkeit, mit ihm zu reden. “Conny hat erzählt”, beginnt sie daher zögerlich, “dass du den Verein gewechselt hast. Ich dachte”, sie runzelt ihre Stirn, “dass du eigentlich zufrieden mit deinem alten warst. Warum bist du gegangen?” Vielleicht ist das nicht die beste Einstiegsfrage gewesen, denn sie spürt, wie seine Griffe an ihrer Hüfte und ihrer Hand sich kurz festigen. “War halt an der Zeit”, murmelt er. “Aber …” “Ist doch egal, oder? Alleine meine Sache”, fährt er ihr harsch über den Mund. Elsas Herz beginnt unangenehm zu schlagen und sie sieht zwischen ihnen beiden auf den Boden, beobachtet ihrer beider Füße. “Entschuldige, das war gerade ...”, gibt er nach ein paar Sekunden leise von sich. Sie schüttelt ihren Kopf und unterbricht ihn mitten im Satz. “Nein, schon okay, du hast ja recht, es geht mich nichts an.” Wieder festigen sich seine Griffe für einen kurzen Augenblick, doch er sagt nichts weiter. Ein Seufzen entfährt ihr. “Es … es tut mir leid”, gibt sie leise von sich. Erstaunt sieht er zu ihr hinunter. “Was meinst du?” Sie blickt zu ihm auf und erstarrt, als sie in seine fast schwarzen Augen sieht und wieder macht ihr Herz einen Satz. “Dass ich ...”, beginnt sie leise, muss blinzeln, da sein Blick unnachgiebig auf ihr liegt Sie beißt auf ihre Unterlippe. “Es tut mir leid, was ich getan habe. Dass ich deine Gefühle ausgenutzt habe und dann einfach …” Noch ehe sie aussprechen kann, bleibt er wie abrupt stehen und löst sich von ihr. Alles in Elsa zieht sich zusammen, als er einen Schritt von ihr wegtritt. Das ist es also gewesen … “Nicht hier”, gibt er von sich und überrascht sie, als er nach ihrer Hand greift und sie hinter sich von der Tanzfläche zieht. Elsa kann kaum Schritt mit ihm halten, stolpert schon fast hinter ihm her, während sie versucht, mit ihrer anderen Hand den langen Rock ihres Kleides hochzuziehen, um nicht darauf zu treten. Viktor zieht sie unnachgiebig weiter mit sich, aus dem Festsaal hinaus in den großen Garten, der schon fast einem kleinen Park gleicht. Erst nachdem sie weit genug vom Festsaal und damit allen anderen Gästen sowie dem Brautpaar entfernt sind, bleibt er stehen, löst seine Hand aus ihrer und sieht sie an, während er seine Arme vor seinem Oberkörper verschränkt. “Sag, was du zu sagen hast.” Kapitel 11: Wahrheit -------------------- Elsa macht einen kleinen Schritt zurück, was der ihr gegenüber Stehende mit dem Hochziehen einer Augenbraue quittiert. “Du wolltest etwas sagen, also sag es jetzt einfach, von mir aus auch schnell, dann können wir wieder auf das Fest zurück.” Ihr Herz schlägt so schnell, fast unangenehm in ihrem Brustkorb, doch Viktor hat ja recht, sie sollte es sagen, es hinter sich bringen, sonst würde ihr schlechtes Gewissen sie mehr und mehr einnehmen. Sie schluckt. “Es … tut mir leid, was ich getan habe …” “Was genau?”, fragt er, während sein Blick unnachgiebig auf sie gerichtet ist. “Dass … dass ich es ausgenutzt habe, deine Gefühle für mich, das war nicht in Ordnung. Du hast mir gesagt, dass du schon ewig in mich verliebt bist und ich küsse dich einfach, gehe mit dir ins Bett, nur um über Mario hinweg zu kommen. Und anstatt dann einfach mit dir zu reden, alles zwischen uns zu klären, verschwinde ich einfach, noch dazu in ein anderes Land.” Elsa schlingt beide Arme um ihren Oberkörper, während Tränen in ihre Augen treten. “Und … auch, dass ich es dir nicht gesagt habe, dass ich gehen werde, das war auch nicht okay.” Er nickt, während sein Blick hart bleibt. “Da hast du recht, mit allem.” “Es tut mir so leid.” Viktors Augen bleiben auf sie gerichtet, dann zuckt er mit seinen Schultern und sieht doch zur Seite. “Tja, schlussendlich bin ich selbst daran schuld, dass ich mich habe verletzen lassen.” Bei seinem Geständnis, dass sie ihn wirklich verletzt hatte, stockt Elsas Herz einen Augenblick. “Du hattest mir gesagt, dass es nur um diese einen Nacht geht, um nicht mehr. Und ich Vollidiot habe gedacht, wenn ich mit dir schlafe, dann kann ich dir dadurch klar machen, wie sehr ich dich liebe, wie gut ich dir tue, dass ich der Richtige für dich bin. Tja, selbst schuld.” “Viktor …” Elsa blickt ihn unsicher an “Was erwartest du denn jetzt von mir? Dass ich dir um den Hals falle? Dir sage, dass alles okay ist, ich darüber hinweg bin und wir einfach wieder Freunde sein können?” Er sieht sie schon beinahe wütend an. “Nein, das … nein, natürlich nicht.” Elsa hebt eine Hand mit der Handfläche zu ihm und schüttelt ihren Kopf, ehe sie sie wieder sinken lässt. “Gut, denn das kann und will ich auch gar nicht. Ist dir nur im geringsten bewusst, was du mir damit angetan hast, als du einfach weg warst? Dass du nach der Nacht, in der mein größter Traum tatsächlich in Erfüllung gegangen ist, einfach verschwunden bist? Und nicht nur das, du bist sogar aus dem Land geflohen. Weißt du, was für ein Schlag das war?” Er tritt zu ihr, greift nach ihrer Schulter und zieht sie etwas unsanft in seine Richtung, während die ersten Tränen über ihre Wangen zu laufen beginnen. Sie schüttelt ihren Kopf. “N-nein”, schluchzt sie leise. “Ist dir bewusst, dass ich es nicht mehr hier ausgehalten habe? Dass ich ständig an dich denken musste? Dass du der Grund bist, dass ich den Verein gewechselt habe, von dem Ort weg gegangen, geflohen bin, wo ich immer gerne gelebt habe? Den Verein, in dem ich eigentlich ganz glücklich war, aufgegeben habe? Dass ich meine Wohnung nicht mehr ertragen habe, weil ich dich dort immer und überall gesehen, gehört und gerochen habe? Und dass ich nicht einmal mehr meine Schwester und deren Verlobten sehen wollte, weil er dein Bruder ist?” “Viktor”, bringt sie mit zitternder Stimme hervor, ohne dass die Tränen versiegen. “Tja, was sollte ich auch erwarten, wie gesagt. Verdammt, ich hätte es dir nie sagen dürfen, was ich für dich empfinde!” Viktor löst seinen Griff von Elsa, wirft wütend seine Hände in die Luft und dreht sich herum, um zurück zu gehen. “Aber … wäre es gut gewesen, dass du es weiterhin für dich behältst, in dich reinfrisst?”, erklingt ihre Stimme leise hinter ihm und er dreht sich überrascht zu ihr um. Sie wischt mit ihrer Hand die Tränen aus ihrem Gesicht, nimmt ihren Blick jedoch nicht von ihm. “Ich … ich habe im letzten Jahr viel an Mario gedacht, unsere Beziehung wieder und wieder Revue passieren lassen, habe versucht herauszufinden, was der Grund dafür sein kann, dass er mit einer anderen …”, ein Schatten gleitet über ihr Gesicht, doch sie hat sich gleich wieder unter Kontrolle, “doch … schlussendlich ist es egal, denn ich kann nichts mehr daran ändern. Ich habe viel geweint, das kannst du mir glauben, vermutlich kann ich ganz gut nachvollziehen. wie es dir ging. Aber …” Seine Augen verdunkeln sich bei dem von ihr Gesagten noch mehr, sein Gesicht gleicht einer starren Maske. Elsas Herz nimmt einen schnelleren Takt an und sie weiß nicht, ob das gut ist, was sie jetzt sagen will, doch sie muss es sagen, es endlich aus ihrem Herzen lassen. “Mario ist nicht der Einzige gewesen, an den ich denken musste, während ich in Deutschland war … und während ich bei ihm nur weinen musste, musste ich bei den Gedanken an dich lächeln, ständig.” Ihr Herz scheint ihren Brustkorb fast zu durchschlagen, so stark wie es darin schlägt. Seine Augen weiten sich, ein ungläubiger Ausdruck erscheint auf seinen Zügen. “Du … was?” Sie schling wieder ihre Arme um sich, blickt zur Seite. Sie weiß nicht, was sie erwartet, aber sie will, kann ihn jetzt nicht ansehen. “Du … Die Nacht zwischen uns … sie hat mich zu einem gewissen Teil geheilt, nein, dazu beigetragen, dass ich heilen konnte. Du hast mir gut getan, schon dass du mich aufgenommen hast, dich um mich gekümmert hast und für mich da warst. Du hast mich nie unter irgendeinen Druck gesetzt, du wolltest mich, meine Situation nicht ausnutzen, das hätte ich auch nicht dürfen, doch ich habe es … Und die Nacht … du … Du warst erst der zweite Mann, mit dem ich zusammen war und ich hätte nicht erwartet, dass es so sein könnte. Nicht falsch verstehen, mit Mario, das war immer wundervoll und …” Viktors Blick verdüstert sich und Elsa läuft rot an. “Ähm … also was ich sagen wollte war, dass es mit dir einfach unglaublich war und ich bin so froh, das mit dir erlebt zu haben.” Er sieht sie an, öffnet seinen Mund und schließt ihn wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. “Vielleicht …”, bringt sie zögernd hervor. “Warum bist du einfach gegangen”, gibt er von sich und unterbricht sie damit. Sie erstarrt kurz, ehe sie sich auf die Unterlippe beißt. “Ich … ich weiß nicht genau. Ich glaube”, sie zögert, “ich war mir nicht sicher, ob es das Richtige ist, was ich vorhabe zu tun … und ich hatte Angst, wenn nur eine Person etwas dagegen sagt, dann würde ich es nicht machen, ich würde mich nicht trauen … und daher habe ich es eigentlich niemanden gesagt. Mit meinen Eltern habe ich erst ein paar Tage vorher gesprochen, mit Gregor sogar erst am Tag zuvor. Und dir …” “Du wolltest es mir sagen, oder? An dem Abend … du hast es ein paar Mal versucht, etwas zu sagen, ich habe dich jedoch nicht aussprechen lassen.” Elsa nickt langsam. “Ich glaube”, sagt Viktor, “ich habe es vermutet, eine gewisse Ahnung gehabt. Aber ich wollte es nicht hören, daher habe ich dich nicht aussprechen lassen. Und trotzdem … wenn du so viel an mich gedacht hast, warum hast du dich nie bei mir gemeldet? Mir geschrieben, mich angerufen? Irgendwas halt. Stattdessen hast du sogar deine Handynummer löschen lassen …” “Weil …”, unsicher sieht Elsa zur Seite, “weil ich mir sicher war, wenn du nur irgendetwas sagen würdest, dass du auf mich wartest, ich wiederkommen soll … dann hätte ich sofort meine Koffer gepackt und wäre zu dir gereist. Aber … das wollte ich nicht. Ich habe dieses Jahr für mich gebraucht, ich musste nach mir schauen, mit Mario abschließen. Vor allem letzteres … er sollte kein Thema mehr sein, nicht für mich … und sicherlich nicht, wenn mein Herz Gefühle für einen anderen entwickelt … er durfte kein Teil meines Lebens mehr sein, im Gegensatz zu …” Sie blickt wieder zu ihm, unsicher, wie er auf ihre Beichte reagieren wird. Seine fast schwarzen Augen sind fest auf sie gerichtet und er tritt zu ihr, bleibt direkt vor ihr stehen. “Sprich es aus, Elsa.” Ihr Herz nimmt wieder einen Takt zu. “Ich … ich will …” Er hebt eine Hand, streicht ihr sanft eine Haarsträhne hinter das Ohr, ehe er seine Hand in ihre Haare schiebt. “Was willst du?” Sie schluckt ehe sie ihre eigene Hand vorsichtig auf seine Brust legt. “Dich.” Ein Lächeln erscheint an seinen Mundwinkeln, breitet sich über sein ganzes Gesicht aus. Vorsichtig beugt er sich zu ihr hinunter, bleibt kurz vor ihren Lippen stehen. “Dann ist es ja gut”, haucht er, “dass ich auch dich immer noch will.” Und dann senkt er seine Lippen auf ihre, nimmt ihren Mund in Besitz und lässt sie nicht mehr gehen, wird er nie wieder. ~~~~ “Wo seid ihr denn bitte gewesen?”, richtet Gregor an seine Schwester und seinen Trauzeugen, die er in der letzten Stunde gesucht hat. Conny wiederum lässt ihren Blick über Elsa gleiten, bemerkt deren verwuschelten Haare, die roten Lippen und die geröteten Wangen, dazu das Leuchten in ihren Augen. Ihr Blick richtet sich anschließend auf ihren Bruder, der einen recht ähnlichen Gesichtsausdruck drauf hat und der vor allem plötzlich so gelöst wirkt, im Gegensatz zu den letzten Malen, als sie ihn gesehen hat … oder sollte sie sagen, das letzte Jahr über? Und … hängt seine Krawatte wirklich schief? Das Hemd wirkt auch so merkwürdig zerknittert … “Wir … ähm …”, bringt Elsa unsicher hervor und sieht zu dem Mann neben sich, der gleich darauf seinen Arm um ihre Taille legt und sie an an seine Seite zieht. “Entschuldigt bitte, aber lasst euch gesagt sein, dass die Betten hier im Hotel sehr bequem sind und auch eine Hochzeitsnacht gut überstehen werden. Für euch getestet.” Dieser zwinkert Conny und Gregor anzüglich zu, während Elsas Gesicht hochrot anläuft. Gregors Mund steht weit offen und er starrt sie nur fassungslos an, während Conny ein Lachen unterdrücken muss und dazu eine Hand vor ihren Mund hält. “Es scheint so, als hättet ihr alles klären können”, sagt sie, als sie sich wieder zusammenreißen kann. Viktor nickt und sieht zu der Frau in seinen Armen hinunter. “Ja, ich denke, das konnten wir, oder?” Elsa muss lächeln und nickt ebenfalls. “Ich denke auch.” Und dann zieht Viktor sie zu sich, in seine Arme, beugt sich hinab und küsst sie erneut so, dass sie alles und jeden um sich herum vergisst. Epilog: Aussprache ------------------ Ein Blick auf ihre Armbanduhr sagt ihr, dass sie noch zehn Minuten Zeit hat, ehe sie sich auf den Weg machen muss. Viktor hat in ihrer Heimatstadt heute einen Termin und sie wollen danach gemeinsam zu Daichis fahren, wo auch Conny und Gregor zu ihnen stoßen werden. Um die Zeit bis zum Ende von Viktors Termin zu überbrücken, hat Elsa sich mit einem Buch in ein Café gesetzt und es sich gemütlich gemacht. Sie greift nach ihrer heißen Schokolade und trinkt einen Schluck, während sie ihren Blick wieder auf ihr Buch richtet. “Elsa?”, erklingt hinter ihr eine unsichere Stimme, die sie einen Moment aus der Bahn wirft. Sie dreht ihren Kopf ein wenig und blickt den Mann an, der neben ihrem Tisch im Freien zu stehen gekommen ist. “Mario”, spricht sie seinen Namen aus. Sie betrachtet ihn, sieht in seine dunklen Augen, das erste Mal, seit sie ihn damals in Viktors Wohnung gesagt hat, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Immer noch sieht er gut aus, das hat er für sie immer, aber ansonsten … sie empfindet nichts weiter. Keine Liebe, ihr Herz schlägt nicht schneller. Keine Trauer, einfach nichts. Und das erleichtert sie, denn es bedeutet, sie ist über ihn hinweg. Die ersten Monate, das erste Jahr ohne ihn ist schwer gewesen. Aber heute? Knapp zweieinhalb Jahre nach der Trennung ist da einfach nichts mehr und dafür ist sie dankbar. “Du … siehst gut aus”, gibt er von sich, während er sie ebenfalls mustert. Sie lächelt und nickt. “Du auch.” “Wie geht es dir?” Immer noch schwingt ein Hauch Unsicherheit in seiner Stimme mit. Sie blinzelt, ehe sie antwortet. “Es geht mir gut.” “Das freut mich zu hören … denn …” Er stockt, erwidert ihren Blick und deutet schließlich auf den Stuhl, der ihrem gegenüber steht. “Darf ich mich zu dir setzen?” Nachdenklich blickt sie auf den Stuhl, ehe sie nickt. Es ist sicherlich gut, diese Sache endgültig abschließen zu können. “Ja, setz dich ruhig.” Während Mario das tut, klappt sie ihr Buch zusammen und schiebt es in ihre Handtasche, aus der sie anschließend gleich ihr Handy zieht und eine Nachricht schreibt. Mario hält inne. “Ich … will dich nicht aufhalten, wenn du verabredet bist oder noch einen Termin hast …” Sofort schüttelt Elsa ihren Kopf und steckt auch ihr Handy wieder in ihre Handtasche zurück. “Nein, alles gut. Ich habe nur meinem …”, nun stockt sie, doch es ist eben so, sie wird ihn nicht schonen, “meinem Verlobten geschrieben, dass ich noch ein wenig brauchen werde.” Marios Augen weiten sich und erst jetzt fällt sein Blick auf ihren rechten Ringfinger, an dem ein sehr protziger Diamantring prangt. Viktor hat sich damals nicht lumpen lassen, darauf bestanden, dass man es ruhig sehen kann, dass sie vom Markt ist. Dieser war bis gerade eben noch von ihrem Buch verdeckt gewesen, sodass Mario ihn wohl nicht wahrgenommen hat. “Du bist … verlobt …”, sagt ihr Gegenüber leise. Elsa nickt. “Ja. Es ging zwar alles an sich etwas schneller als gedacht aber … manchmal ist es einfach richtig so. Weißt du”, ihr Blick richtet sich ernst auf ihn, “eigentlich dachte ich immer, dass es wir beide sind, die einmal heiraten werden …” Mario beißt sich unsicher auf die Wangeninnenseite und seufzt dann auf. “Soll ich völlig ehrlich sein, Elsa? Der Ring lag bereits einige Zeit in meinem Nachttisch. Ich … wollte auf den richtigen Moment warten und dann …” “Dieser Moment ist eben nicht gekommen, stattdessen eben etwas anderes oder sagen wir eben, eine andere”, erwidert Elsa. Sein Blick richtet sich ernst auf sie. “Es tut mir leid, Elsa. Das tut es mir wirklich. Mir ist bewusst, dass ich dadurch wirklich viel, fast alles in meinem Leben verloren habe, meine Freunde, meinen besten Freund, den Respekt der anderen aber auch den vor mir selbst. Und am wichtigsten, dich, das beste, was es in meinem Leben gab. Ich kann es mir bis heute nicht erklären, warum ich das getan habe. Ich meine … ich habe dich immer geliebt, wirklich. Auch als ich …” “Wer war sie?”, unterbricht Elsa ihn. Diese Frage, auch wenn sie eigentlich inzwischen unwichtig ist, brennt auf ihrer Seele. Stirnrunzelnd sieht er sie an. “Sie war die Assistentin unseres Trainers. Sie war erst ein paar Wochen zuvor zu uns gestoßen und hat mir viele Avancen gemacht. Ich habe mich geschmeichelt gefühlt und natürlich habe ich dem zuerst nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, ich meine, ich hatte dich … doch dann … Wie gesagt, ich weiß nicht, warum es passiert ist … Damit habe ich alles kaputt gemacht. Doch ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr, ich habe damals alles direkt beendet, nachdem du sie und mich ....” Elsa nickt, während sich ihre Hände fest um ihre Tasse legen. “Du hast wirklich alles kaputt gemacht. Nicht nur unsere Beziehung, zu einem gewissen Teil auch mich. Du hast mich damals sehr verletzt. Aber … vielleicht war es ja auch gut so …” “Gut so?” Ihr Gegenüber sieht sie verwundert an. Ein Nicken ist Teil der Antwort. “Ja. Wir waren fünfzehn als wir zusammengekommen sind. Mein Leben war auf dich, auf uns ausgerichtet und erst als wir uns getrennt haben, habe ich nach mir geschaut. Ich bin mir sicher, dass diese Zeit gut war, dass sie mir gut getan hat. Ich bin für ein Jahr weg, nach Deutschland, habe dort in einem sozialen Unternehmen gearbeitet. Zu Gregors und Connys Hochzeit bin ich wieder nach Japan zurückgekehrt. Dieses eine Jahr, es hat mir unglaublich gut getan und ich bin froh, dass ich es gemacht habe.” “Gregor … wie geht es ihm? Ihm und Conny?”, fragt Mario nach einer Weile, in der er er versucht hat zu verarbeiten, was sie zuvor gesagt hatte. “Sie sind glücklich”, antwortet Elsa lächelnd. Sein Blick hebt sich, legt sich erneut auf ihren. “Und du?” Nachdenklich erwidert sie seinen Blick, ehe sie wieder lächelt und nickt. “Ja, das bin ich, sehr.” “Das … ist gut”, lautet seine Reaktion auf ihre Aussage. “Das ist es. Ich hoffe, dass es dir auch gut geht. Aber jetzt”, ihr Blick wandert erneut zu ihrer Armbanduhr, “muss ich wirklich los.” Sie winkt dem Kellner, dass sie zahlen will. Er steht auch gleich darauf vor ihr und kassiert ab. Elsa und Mario schweigen solange, vor allem Mario scheint über das nachzudenken, was sie ihm gesagt hat. “Es was war wirklich nett, dich zu sehen, Mario. Wie gesagt, ich hoffe, es geht dir gut”, sagt sie, während sie aufsteht und nach ihrer Handtasche und ihrer leichten Jacke greift. Sein Blick hat sich mit weit aufgerissenen Augen auf ihren Bauch gerichtet. “Du … du bist schwanger”, bringt er fast schockiert hervor. Elsa sieht an sich herunter, auf den Bauch, der sich unter ihrem Oberteil hervor wölbt. “Tja, entweder das oder ich habe zuviel gegessen”, antwortet sie trocken. Sie blickt Mario wieder an. “Ich bin im sechsten Monat, ja.” Er blinzelt immer noch ungläubig, dann gleitet sein Blick an ihr vorbei und wieder sieht er erstaunt aus. “Oh, da ist Viktor”, gibt er von sich. Auch Elsa dreht sich erstaunt herum und beobachtet, wie ihr Verlobter sich seinen Weg zu ihnen bahnt. Der Blick aus seinen fast schwarzen Augen ist fest auf sie beide gerichtet, seine langen Haare bewegen sich im Wind und er ignoriert alle Blicke, die auf ihn, den berühmten Torwart, gerichtet sind. Elsa seufzt auf, als er bei ihnen ankommt. “Hallo Viktor”, begrüßt Mario ihn so unsicher, wie sie vorher ihn. Langsam erhebt er sich von dem Stuhl, auf dem er gerade noch gesessen hat. Auch die letzte Begegnung zwischen den beiden Männern hat damals in Viktors Wohnung stattgefunden. “Mario”, richtet er an diesen, ehe er seine Verlobte ansieht. “Elsa.” Diese schüttelt erneut seufzend ihren Kopf. “Ungeduld, dein Name ist Viktor Uesugi.” Ein kurzes Schmunzeln erscheint auf seinen Zügen. “Vielleicht dachte ich, dass ich dir einfach entgegen komme.” Mario blickt zwischen ihnen beiden hin und her. “Ihr beide …”, bringt er ungläubig hervor, woraufhin das Paar ihn ansieht. Viktor mit hochgezogenen Augenbrauen, Elsa beinahe mitleidig. Viktor legt einen Arm um seine Verlobte und zieht sie an sich. “Richtig, wir beide. Als Elsa wieder aus Deutschland zurückkam, haben wir uns wieder gesehen und dann … ist es eben passiert.” “Wie ich dir vorher gesagt habe, manche Sachen gehen eben schneller, als man sie erwartet hat.” Elsa sieht Mario immer noch ernst an. Der erwidert ihren Blick noch einen Moment an, ehe er zu Viktor sieht. “Ich weiß, ich darf nicht viel sagen, aber… ich bin froh, dass du sie glücklich machst, ich konnte es schließlich nicht.” Der Angesprochene hebt seine Augenbrauen erneut. “Ja, das konntest du nicht. Aber du musst dir darüber keine Gedanken mehr machen, denn nun bin alleine ich für ihr Glück zuständig.” Elsa sieht ihn seufzend an und drückt seine Seite, um ihm damit zu sagen, dass er das Machogehabe lassen kann, er muss sein Revier nicht abstecken, das hat er mit dem Ring an ihrem Finger doch schon getan. Anschließend wendet sie ihren Blick wieder Mario zu. “Ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft”, sagt sie, greift anschließend nach Viktors Hand, um diesen mit sich zu ziehen, ohne noch einmal zurück zu schauen. Mario blickt dem Paar hinterher, Trauer macht sich in ihm breit. “Das wünsche ich euch auch”, gibt er leise von sich, doch das nehmen Elsa und Viktor schon nicht mehr wahr. ~~~Ende~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)