The Whisper of Water von Curupira ================================================================================ Kapitel 1: 1. ------------- Ihre Lungen füllten sich mit Wasser und brannten schmerzhaft. Es fühlte sich an als würde sie von Innen heraus, bei lebendigem Leib verbrennen, als sie immer panischer versuchte zu atmen und nicht der rettende Sauerstoff, sondern das brennende Wasser in ihre Lungen drang. Sie versuchte drängend das Wasser zu durchbrechen, aber kein Schwimmzug, wie energisch sie ihn auch tat, brachte sie der erlösenden Wasseroberfläche näher. Annika riss ihre Augen in dem Moment auf, in dem sie kurz davor war aufzugeben und fühlte sich einen Moment lang völlig orientierungslos ehe sie begriff, dass es nur ein Traum war. Sie befand sich noch dort, wo sie Stunden vorher eingeschlafen war. Nämlich auf der Couch, die Marc gehörte. Sie atmete schwer, war aber erleichtert und strich sich den Schweiß mit ihrer Handfläche von der Stirn. Sie erinnerte sich, dass sie Marcs Couch im Internet gefunden hatte, wo er sie kostenlos zur Verfügung stellte für Couchsurfer, wie sie aktuell eine war. Couchsurfing ist ein internetbasiertes Netzwerk rund um kostenlose Gastfreundschaft und es bot sich für Annika an, wo sie doch im Moment einen Städtetrip durch ganz Deutschland unternahm. Als Annika mit ihrem Abitur durch war, wollte sie endlich raus aus der kleinen Stadt, in der sie aufgewachsen war und die Welt entdecken. Dabei entschied sie sich fürs erste, ihr Heimatland zu erkunden und da kam es ihr gerade recht, dass ihr eine Freundin davon erzählte, dass es Menschen gab, die ihre Couch kostenlos zur Verfügung stellten. Denn so kam man auch den Menschen der jeweiligen Region viel näher, als man es in einem Hostel oder Hotel geschafft hätte. Nach dem Saum ihres T-Shirts greifend, wischte sie sich damit noch einmal über ihre verschwitzte Stirn und strich sich danach einige feuchte, braune Haarsträhnen aus dem Gesicht, während sie sich langsam in eine sitzende Position begab. Sie griff ihr Smartphone, was auf dem Couchtisch gelegen hatte und seufzte schwer. Die Geisterstunde war gerade erst vorüber und die ganze Nacht stand quasi noch vor ihr. Annika wusste, nach diesem Traum, der sie seit Monaten immer mal wieder heimsuchte, würde sie nicht mehr einschlafen können. Sich den Nacken massierend, stand sie unentschlossen auf, leuchtete sich mit dem Licht ihres Smartphones den Weg in die Küche, wo sie den Lichtschalter betätigte und das Chaos, des vergangenen Abends, welches in der Küche herrschte, einfach ignorierte. Annika erinnerte sich, dass Marc nach ihrer Ankunft darauf bestanden hatte, dass sie gemeinsam mit ihm und seiner Freundin zu Abend aß und mit ihnen einige Gläser Hochprozentiges geplättet hatte. Es war ein wundervoller, spaßiger Abend und Annika spürte jetzt noch leicht den Alkohol in ihrem Körper. Sie trat an einen der Küchenschränke heran und nahm sich aus dem, in dem sie Stunden vorher die Gläser gesehen hatte, ein Glas heraus, hielt es unter den Wasserhahn der Spüle und war für einen Moment wieder inmitten ihres Traumes, als das Wasser aus dem Hahn geschossen kam. Annika hielt sich krampfhaft an dem Spülbecken fest und atmete tief und langsam ein und wieder aus, während das Wasser in dem Glas über lief und das Wasser ihre Haut berührte. Was Annika scharf die Luft einatmen ließ und das volle Glas beinahe ins Waschbecken beförderte. Sie hielt es aber fest, stellte den Wasserhahn mit zittrigen Fingern aus, kippte leicht etwas von dem Wasser im Glas ab und hob es zum trinken an ihre Lippen. Sie trank, die Panik, die in ihr aufkeimte ignorierend, Schluck für Schluck. Es fiel ihr nicht leicht, doch mit jedem bedachten Schluck den sie tat, um sich nicht zu verschlucken, wovor sie noch mehr Angst hatte, als dem Wasser im Glas selbst, wurde es langsam besser. Nachdem sie das Glas ausgetrunken hatte, füllte sie es erneut auf, ohne dieses Mal einen halben Panikanfall zu haben und atmete erleichtert durch. Sie setzte sich danach mit dem aufgefüllten Glas an den Küchentisch wo sie zuvor am Abend noch gezecht hatten und konnte es nicht verhindern, dass die Erinnerungen an jenen Vorfall, aus dem der Traum seine Wirklichkeit schöpfte, wieder zu ihr zurückkamen. Seit jenem Tag war Annika nicht mehr die selbe, die sie vor dem Vorfall gewesen war. Unter anderem, um wieder zu sich selbst zu finden, hatte sie sich für die Reise entschlossen und wenn sie ehrlich mit sich selbst war, hätte der Traum sie schon viel eher heimsuchen müssen, dachte sie. Denn immerhin ging es ja darum, gerade diese Geschichte endlich zu verarbeiten und zu vergessen, damit sie unbeschwerter leben konnte. Doch ihre bisherige Reise war viel zu aufregend und spaßig gewesen, dass Annika den eigentlichen Grund unbewusst, ziemlich verdrängt hatte. Wann immer sie einen Moment der Ruhe hatte, war sie am Planen ihrer nächsten Schritte auf der Reise, anstatt sich damit zu beschäftigen. Annika malte mit ihrem Finger die Konturen des Glases nach und betrachtete die leeren Alkoholflaschen und schob es auf den Alkohol, dass der Traum sie gerade in dieser Nacht heimgesucht hatte. Vielleicht hatte der Alkohol sie feinfühliger für ihr Unterbewusstsein gemacht, dachte sie gerade, als sie Schritte im Flur hörte und wenige Augenblicke später Sandra, die Freundin von Marc, verschlafen in der Küche stand. »Hab Geräusche gehört«, begann Sandra zu erklären und ging zum Kühlschrank. »Kannst du nicht schlafen? Oder hast du schlecht geträumt? Willst du vielleicht einen Kakao mit Schuss haben? Ich wollte mir gerade einen machen, wenn mir zu viel durch den Kopf geht, hilft mir das beim wieder einschlafen.« Annika sah Sandra entschuldigend an. »Tut mir Leid, wenn ich es war, die dich weckte«, murmelte sie. »Es war ein schlechter Traum, der mich jetzt schon eine ganze Weile verfolgt«, gestand sie Sandra dann und fuhr sich durch die Haare, die mittlerweile wieder getrocknet waren. »Hilft das denn sicher?«, fragte sie und meinte damit den Kakao, weil sie schon öfter gehört hatte, man solle sich bei Schlafproblemen ein warmes Getränk machen. »Es schadet jedenfalls nicht«, erwiderte Sandra schulterzuckend und grinste Annika dann schief an. »Jedenfalls nicht mehr, als die Menge Alkohol, die wir zuvor schon vernichtet haben. Mich überrascht es ehrlich, dass du Marc so unter den Tisch saufen konntest.« »Ich hab deutlich langsamer getrunken und zum Teil manchmal nur vorgetäuscht zu trinken, als er mich ermunterte, noch mehr zu trinken«, gestand Annika und Sandra lachte leise, als sie die Milch und die Flasche Amaretto aus dem Kühlschrank nahm. »Es war schon ein ziemlich spaßiger Abend. Wir müssen unbedingt in Kontakt bleiben und mal wieder was zusammen machen«, grinste Sandra und sah Annika dann fragend an: »Willst du darüber reden, was in dem Traum passiert ist, dass er dich nicht mehr schlafen lässt?« Annika nickte, als Sandra vorschlug, man müsse in Kontakt bleiben und nahm noch einen Schluck von ihrem Wasser ehe sie abwägte, was sie sagen konnte. »Es ist eine lange Geschichte. Ich glaube nicht, dass das während einer Tasse Kakao erzählt ist«, sagte sie dann und klang nachdenklich. Unschlüssig, ob sie mehr erzählen wollte. »Du lehnst es schon einmal nicht direkt ab«, erwiderte Sandra lächelnd. »Wir schmeißen dich schon nicht Vormittag raus, wenn du wegen uns spät ins Bett kommst.« Annika beobachtete Sandra, wie diese einen Topf aus dem Schrank nahm, ihn auf den Herd stellte, die Milch hinein füllte und dann den Herd anmachte, während sie weiter darüber nachdachte, ob sie darüber reden wollte. »Was ich damit sagen wollte ist, ich habe Zeit. Ich bin nicht wegen dir wach geworden, sondern tatsächlich wegen etwas ähnlichem und Marcs Schnarchen hat mich nicht mehr einschlafen lassen. Wenn du also darüber reden willst, nur zu. Man sagt mir, ich sei eine gute Zuhörerin.« Annika lächelte Sandra an und schüttelte ihren Kopf. »Das können des Zuhörers ist nicht das Problem. Es ist einfach keine schöne Geschichte, die dahintersteckt«, erklärte sie und seufzte. »Ich träumte davon, zu ertrinken.« Die Worte laut auszusprechen, ließen sie für einen Moment wieder fühlen, was sie im Traum gefühlt hatte und sie musste sich auf die Unterlippe beißen, um nicht erneut panisch zu werden. Sandra fischte indes zwei Tafeln Vollmilchschokolade aus einem anderen Schrank, brach sie in kleine Teile und rührte sie langsam unter die schon leicht dampfende Milch. Als sich ihre Blicke begegneten, sah Annika ehrliches Mitleid in Sandras Augen aufflackern, ehe es durch einen neugierigen Ausdruck ersetzt wurde. »Das toppt meinen Traum bei weitem und klingt ja echt nach einem ekligen Alptraum«, stellte Sandra fest und fuhr sich beschämt durch die roten, nach Annikas Geschmack viel zu kurzen, Haare. »Sorry wenn ich zu neugierig war und bin, aber was steckt hinter diesem Traum, weißt du das?« Annika nahm noch einen Schluck Wasser und als sie spürte das sie dieses Mal nicht direkt Herzrasen bekam, trank sie erleichtert direkt noch einen Schluck und sah Sandra, die sie eigentlich kaum kannte, unschlüssig an. »Hör mal, du musst nicht«, reagierte Sandra direkt, als wären Annikas Gefühle ein offenes Buch. »Ich meine, wir kennen uns ja erst ein paar Stunden und alles, wenn es ein heikles Thema ist.« »Naja, es ist der Grund, wieso ich überhaupt erst hier bin und meine Reise begonnen habe«, gestand Annika ehrlich. »Nur hab ich das bis heute ziemlich erfolgreich verdrängt«, schob sie schief grinsend hinterher und ihre Finger spielten mit dem Glas – schoben es leicht hin und her. Sandra sah interessiert drein, aber Annika konnte ihr auch ansehen, dass sie innerlich mit sich und ihrer Neugier kämpfte. Als die Milch im Topf zu kochen begann und ein aromatischer, schokoladiger Duft die Küche erfüllte, stellte Sandra den Herd aus, rührte aber noch eine Weile weiter, bevor sie die Flasche Amaretto nahm und einen großzügigen Schuss hinzugab. Mit zwei gut gefüllten, dampfenden Tassen trat sie einen Augenblick später zu Annika und stellte eine vor sie. »Das klingt nach einer Geschichte, die du noch niemanden erzählt hast«, stellte Sandra leise fest und setzte sich Annika gegenüber an den Tisch. Annika sah zu ihrer Tasse und ein der herrliche Kakaoduft stieg Annika direkt in die Nase. Es roch, wie damals, bei ihrer Oma und für einen Moment fühlte sich Annika, als sei sie in die Vergangenheit gereist, statt in Sandras Küche zu sitzen. Sie fühlte sich direkt entspannter und nickte dann schließlich. »Alles weiß niemand. Manche Sachen aber schon.« »Aber nur die Unwichtigen Dinge«, brachte es Sandra für sie auf den Punkt und Annika nickte abermals. Sie beobachtete Sandra, wie diese vorsichtig an ihrer Tasse nippte und wie ein Milchbart an Sandras Oberlippe zurückblieb. Das brachte sie zum Schmunzeln und sie machte sich selbst daran, von dem Kakao zu probieren, in dem sie vorher einige Male in die Tasse pustete. Sandra wischte sich gerade über ihre Oberlippe, als Annika die Tasse absetzte und fragte: »Denkst du, es könnte helfen, die Geschichte einmal ganz zu erzählen?« Sandra zuckte erst mit den Schultern, fuhr mit ihrem Zeigefinger nachdenklich den Tassenrand nach und sagte dann schließlich: »Vielleicht hilft es, die Last, die du mit dir herumträgst zu teilen, damit es schon etwas leichter wird und du motivierter bist, dich auf den Rest der Reise mit dem Grund dieser zu beschäftigen?« Annika sah Sandra nachdenklich an und blieb an der roten Strähne hängen, die von Sandras Ohr ab stand. Es klang logisch und doch, war sie sich nicht sicher. Sie hatte eine unbeschreibliche Angst, verurteilt zu werden, für das was geschehen ist und für die Person die sie war. Sich auf die Unterlippe beißend, versteifte sie sich leicht. Dann sah sie Sandra im nächsten Moment entschlossen an und fragte: »Beurteilst du Menschen für ihre Vergangenheit?« »Nein, warum sollte ich?«, fragte Sandra verblüfft. Annika entspannte sich wieder ein wenig und wich Sandras Augen aus. Sie fixierte die Wanduhr, welche ein Sonnendesign hatte. »Ich war eine schlechte Person, damals«, murmelte Annika, wandte ihren Blick von der Wanduhr ab ohne die Zeit wahrgenommen zu haben und nippte an ihrer Tasse. Sie bildete sich ein, dass er sogar wie bei ihrer Oma schmeckte, natürlich minus dem Amaretto. Vermutlich hätte ihre Oma sie nun verächtlich angesehen und ihr gesagt, dass man guten Kakao nicht mit solchem Teufelszeug verdünnte. »Ich glaub dir das nicht und wenn, liegt das sicher im Auge des Betrachters«, erwiderte Sandra und sah Annika mitfühlend an. »Und wenn es so ist wie du sagst, hast dich das Erlebnis sicher so geprägt, dass du dich verändert hast und außerdem«, führte sie weiter aus und grinste nach dem letzten Wort, »lassen Marc und ich keine schlechten Leute kostenlos bei uns übernachten.« »Und so viel Alkohol frei Haus ausgeben vermutlich auch nicht«, scherzte Annika und dachte nach, wo sie am besten beginnen könnte zu erzählen und erinnerte sich langsam an einen Moment, der ihr passend erschien. »Ich liebte das Wasser, seit ich denken kann und war in meiner Schulzeit in einem Schwimmverein. Es war am Anfang mehr eine Spaßsportstunde, die sich dort nach und nach zu einem Club entwickelt hatte. Später, als unser Team ziemlich gut wurde und wir einige Wettbewerbe gewannen, hat die Schule aus dem Club einen Verein gemacht. Ich schwamm zu der Zeit locker schon mehr als 10 Jahre und war ziemlich gut darin«, begann Annika zu erklären und fragte sich, ob das am Ende eingebildet rüberkam. »Oh cool, du bist also eine richtige Sportlerin? Ich dachte mir schon, als du ankamst, dass du Sport machst, aber direkt mit Verein und Wettbewerb hätte ich nicht gedacht«, staunte Sandra und Annika schüttelte ihren Kopf. Tief einatmend erwiderte sie: »Ich war, ich bin es aber nicht mehr. Ich mach zwar noch ein bisschen was ab und zu im Fitnesscenter, aber ich habe nach dem Vorfall damals mit dem schwimmen aufgehört. Ich kann das nicht mehr. Ich bekomme zum Teil schon eine Panikattacke, wenn es nur anfängt zu regnen und ein Wassertropfen meine Haut berührt.« Alles, was sie Sandra gerade erzählte, war noch nicht einmal die eigentliche Geschichte, die Annika gleich erzählen würde und doch wurde sie nicht gedrängt und begegnete vollstem Verständnis dafür, dass sie so zögernd erzählte. »Ich hab kurz nach meinem Schulabschluss eine Einladung ins deutsche Nationalteam erhalten, habe ich ausgeschlagen«, erzählte sie weiter und nippte noch einmal an ihrem Kakao. »Stattdessen habe ich mir von dem Geld was ich über die Jahre erspart habe ein Auto gekauft, meinen Führerschein gemacht und die Reise begonnen, auf der ich mich momentan befinde.« »Wow«, stieß Sandra aus und piff anerkennend. »Dann musst du aber schon ziemlich gut gewesen sein. Hast du wegen der Angst einmal an eine Therapie gedacht? Oder willst du ganz sicher nie wieder schimmen? Ich meine, wenn du so gut warst, wäre es doch schade und sicherlich war noch dein Traum, irgendwann einmal bei Olympia mitzumachen, oder?« Annika zuckte mit den Schultern. »Ja, es war mein Ziel, aber  irgendwie auch nicht wirklich, wenn das irgendwie Sinn macht. Ansonsten wirst du es verstehen, wenn ich durch bin, mit meiner Geschichte. Ich war in Behandlung, dadurch kann ich mich mittlerweile wieder duschen und alles, was man sonst im Haushalt mit Wasser macht tun, ohne direkt zusammenzubrechen. Aber die Vorstellung an ein Schwimmbad, einen See oder das Meer, treibt mir jedoch immer noch den Schweiß aus den Poren«, erklärte sie und wischte sich zur Verdeutlichung ihrer Worte über die schweißnasse Stirn. »Natürlich, wenn ich es wirklich wollen würde, könnte ich die Angst davor sicherlich auch überwinden. Aber ich werde vermutlich nie wieder so befreit schwimmen können, um an Wettbewerben teilzunehmen und vorzeigbare Erfolge zu erringen.« Sandra nickte und sagte einen Moment später sehr aufrichtig: »Das kann ich verstehen und es tut mir unglaublich Leid.« Es tat gut, wie viel Verständnis Sandra zeigte, denn nicht jeder hatte das. Sie tranken eine Weile schweigend, ohne das es unangenehm wurde und um das zu unterstreichen, nahm Annika direkt noch ein paar mehr Schlucke und sah Sandra direkt an. »Ich denke, du hast recht«, sagte sie lauter als geplant und musste schief grinsen. »Aber wenn ich die ganze Geschichte hier jetzt wirklich erzähle, brauch ich noch ein paar mehr Schüsse Amaretto in meiner Tasse.« Sandra stand wortlos auf, holte den Topf mit dem Rest Kakao und die Flasche Amaretto an den Tisch. »Rauchst du?«, fragte Sandra, während Annika den Amaretto öffnete und sich ein paar mehr Schlucke des Alkohols nachgoss. Sie sah, wie Sandra zum Schrank ging, eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug hervorholte und dann die Balkontür öffnete. »Ansonsten, wenn nicht, würde es dich stören, wenn ich eine Rauche?« Annika stand auf und hielt die Hand auffordernd in Richtung der Schachtel. Sie hatte eigentlich vor einer Woche, nach zwei Monaten intensivem rauchen damit aufgehört gehabt. Aber jetzt gerade, bei all den Erinnerungen, die ihr kamen, konnte sie diesem Angebot einfach nicht widerstehen. Sandra reichte ihr eine Zigarette und gemeinsam traten sie auf den Balkon, wo sie von kühler Septembernachtluft empfangen wurden. Der Nachthimmel schien bewölkt, aber selbst wenn, durch die Lichter der Stadt, wären Sterne ohnehin schlecht zu erkennen. Sandra zündete sich ihre Zigarette an, reichte Annika das Feuerzeug und sah sie abwartend an. »Willst du schon einmal weiter erzählen, oder erst wenn wir wieder drin sind?«, fragte Sandra, nachdem Annika den ersten Zug genommen hatte und den Rauch fasziniert in die Nacht geblasen hatte, als sich augenblicklich ein befriedigendes Gefühl in ihr einstellte. Sie zögerte einen Herzschlag lang, als der Geschmack nach Rauch sie zu ekeln begann, aber sie nahm einen weiteren Zug von der Zigarette und sog den Rauch tief in ihre Lungen. Sie widerstand dem Drang zu Husten und zuckte als Antwort schließlich mit den Schultern und ließ den Rauch ihren Lungen entweichen. »Ich kann auch jetzt schon weiter erzählen. Am besten beginne ich dann in den Sommerferien, vor meinem letzten Schuljahr.« Kapitel 2: 2. ------------- Der Sommer 2018 war unglaublich heiß und es war unmöglich, sich länger als es nötig war, draußen aufzuhalten, ohne einen Hitzeschlag zu bekommen. Denn es wehte weder ein laues Lüftchen, noch war eine Wolke am Himmel die die Sonne wenigstens für einen Augenblick verbarg. Da verbrachte Annika ihre Sommerferien lieber in dem klimatisierten Hallenbad ihrer Schule, in dem die Teams auch in den Ferien fleißig trainierten und sich auf Wettkämpfe vorbereiteten. Denn kurz nach dem Beginn des neuen Schuljahres, würde schon der nächste Wettbewerb anstehen und extra dafür hatte die Schule Geld in die Hand genommen und den Jungen und Mädchen des Schulteams einen Trainingsurlaub in einem Camp im Erzgebirge gebucht. Dorthin würden sie am nächsten Morgen aufbrechen und die letzten beiden Ferienwochen verbringen. Weshalb die Trainerin der Mädchen gerade mit ihnen die letzten Details besprach, obwohl Annika lieber zurück ins Wasser wollte. Sie warf dem Schwimmbecken einen sehnsüchtigen Blick zu und hörte nur mit halben Ohr zu. Zu sehr war sie in Gedanken in dem Camp und was sie dort wohl erleben würden. Erst als ein fremdes asiatisch aussehendes Mädchen mit pinken Haaren an der Seite der Trainerin auftauchte, fand sie aus ihrer Fantasie heraus und fragte ihre beste Freundin leise: »Wer ist das?« Maria sah Annika leicht genervt an. »Wenn du selbst mal zuhören würdest, wüsstest du es.« Annika grinste ihre beste Freundin an. »Wozu hab ich dich denn sonst?« Die Antwort brachte ihr einen leichten Schlag gegen ihren Oberschenkel, was dazu führte, dass Annika gespielt aufschrie. »Frau Müller, Maria hat mich geschlagen«, rief sie und sprang dann lachend auf um vor Maria weg zu laufen, die anstalten machte, sie noch einmal zu schlagen. Maria lief ihr auch tatsächlich nach und einige Meter von den anderen entfernt blieben sie lachend stehen. Maria legte einen Arm um Annika und lehnte sich gegen sie. »Das ist Zaya Lemke. Ist wohl halb chinesisch, aber in Deutschland aufgewachsen. Sie geht nach den Sommerferien in unsere Abschlussklasse und wird ein Teil unseres Teams sein und Viola ersetzen, die ja wie du weißt aufgehört hat, weil sie schwanger ist«, erklärte sie ihr und rümpfte ihre Nase wegen Viola. »Sie soll wohl in ihrer alten Schule eine ziemlich große Nummer gewesen sein, aber wir kennen sie nicht, weil sie nie an bundesweiten Wettkämpfen teilgenommen hat.« Annika hatte bei der Erklärung zu dem Mädchen gesehen und prompt hatten sich ihre Blicke getroffen. Zaya sah sie neugierig an, blickte aber eilig weg, als sie bemerkte, das Annika sie direkt ansah. »Na solange sie nicht so eine Zicke wie Viola ist?«, meinte Annika und zog Maria langsam zu den anderen zurück. Maria lachte und stimmte Annika zu. Wieder bei den anderen angekommen, zählte die Trainerin gerade auf, was sie unbedingt nicht vergessen sollten und gab danach das Becken frei zum toben. Trainiert hatten sie ja heute schließlich schon. Das ließ sich Annika nicht zweimal sagen, sie löste sich von Maria, rannte, obwohl rennen verboten war, zum Becken, stieg den Startblock nach oben und war in binnen von Sekunden auch schon ins Wasser gesprungen. Es fühlte sich herrlich an, als das Wasser sie mit einer Umarmung empfing und die ausgelassenen, lauten Stimmen der anderen gedämpft waren. Für einen Moment genoss sie es, einfach zu sein. Nahm das Gefühl der Freiheit in sich auf, und ließ sich auf den Boden des Schwimmbeckens sinken, verweilte dort noch einen Moment und stieß sich im nächsten Moment vom Boden ab, um sich mit wenigen, aber geübten, kraftvollen Zügen nach oben an die Oberfläche zu schieben. Als ihr Kopf die Oberfläche durchbrach war es, als hätte jemand das Radio von leise auf laut gestellt, aber Annika ignorierte dies und machte sich daran, ihre üblichen Bahnen zu schwimmen, nach dem Training. Nach der dritten Bahn, die sie völlig ohne einen einzigen Gedanken im Kopf, eins mit dem Wasser, absolviert hatte, sah sie, wie die Asiatin auf den Startblock stieg und mit einer grazilen Art ins Wasser und hindurch glitt, die Annika nicht glauben ließ, dass das Mädchen keine Ambitionen hatte, an bundesweiten Wettkämpfen teilzunehmen. Annika schwamm ihre Bahn zu Ende und stieg danach aus dem Wasser und erspähte Maria im Kinderbecken, wo sie sich einfach entspannte. Wo sie jede Minute in der sie nicht schwimmen konnte Sehnsucht nach Wasser hatte, war es für Maria nicht mehr als eine Möglichkeit, den hübschen Jungs aus dem Jungenteam nach zu gaffen, was Maria auch in jeder freien Minute, im Kinderbecken gechillt, tat. Gerade schien Maria Johannes ins Auge gefasst zu haben. Annika ließ sich neben Maria im Wasser nieder und stieß sie spielerisch an. »Wenn du einen Penis hättest, würdest du mit einem Dauerständer rumlaufen, oder?«, fragte sie Maria und entlockte ihrer Freundin damit ein Lachen. »Warte es ab, bis dein Mr. Right auftaucht, dann wirst du das schon verstehen«, sagte Maria und klang verträumt. »Und Johannes ist heute dein Mr. Right? War es gestern nicht noch Sebastian?«, erkundigte sich Annika amüsiert und sah ebenfalls zu Johannes, der gerade mit zwei anderen Jungs im Wasser herumalberte. Sie selbst hatte noch nie sonderliches Interesse an einem Jungen gehabt. Meistens waren die Jungs ihr einfach nur viel zu laut und zu kindisch. »Ach sie sind einfach alle total zum anbeißen«, schwärmte Maria und Annika musste auflachen. »Was denn?«, fragte Maria und nahm ihren Blick grinsend von den Jungs um Annika anzusehen. »Du weißt, dass die einfach nur nervig sind und nach dem Training nichts als Ficken, Scheiße bauen und Saufen im Kopf haben, oder?« Mit ihren eigentlich ziemlich sinnigen Worten stieß sie bei Maria aber auf taube Ohren, weshalb sie das Thema wechselte. »Hast du die Neue gesehen? Du kannst mir nicht sagen, dass sie keine Ambitionen hat, an bundesweiten Wettbewerben teilzunehmen, so wie sie schwimmt.« »Vielleicht hat sie ja schon an welchen teilgenommen und wir haben sie nur nicht bemerkt?«, überlegte Maria und Annika schüttelte ihren Kopf. »Nein, so ein Schwimmstil wäre mir und euch aufgefallen«, murmelte Annika und blickte zum Becken, in dem die Neue noch immer ihre Bahnen schwamm. Es reizte sie, selbst noch einmal ins Wasser zu gehen und sich völlig dem Gefühl hinzugeben, doch am Ende würde sich Annika nur wieder vor Maria und ihrer Trainerin verantworten müssen. Denn besonders ihre Trainerin achtete darauf, dass sie sich nicht verausgabte. »Vielleicht«, meinte Maria abgelenkt und Annika wandte ihren Blick von der Neuen ab, die noch immer schwamm und folgte Marias Blick, der sie direkt auf Johannes Hinterteil führte. Annika blickte wieder weg und hielt ihre Gedanken für sich, stattdessen sah sie Maria an. »Hast du schon alles gepackt für morgen?«, erkundigte sie sich und dachte daran, dass sie selbst nur noch ihr Laptop einpacken musste, während ihr Blick zurück zu der Neuen wanderte, die sich gerade elegant aus dem Wasser zog. »Nein, dass mach ich heute Abend. Ist ja nicht viel. Klamotten können wir da ja waschen und vermutlich werden wir ohnehin die meiste Zeit im Schwimmbecken sein, oder nicht?« Annika grinste schief und sah kurz zu Maria, die aber immer noch nur Augen für Johannes hatte. »Vielleicht solltest du Kondome einpacken«, sagte Annika und    ließ sich etwas ins Becken nach vorne treiben, dann tauchte sie unter, packte Marias Füße und zog sie selbst unter Wasser. Annika tauchte wieder auf und lachte laut, als Maria kreischend ebenfalls wieder auftauchte. »Das gibt Rache«, tönte Maria und Johannes war für den Moment vergessen. Sie jagten sich durch das hüfthohe Wasser,  versuchten sich gegenseitig unter Wasser zu ziehen und rauften sich so laut, das Frau Müller irgendwann mit der Pfeife an dem Becken stand und laut hinein blies. »Mädchen, ich denke es ist genug für Sie beide«, rief Frau Müller ihnen dann zu, als sie mit dem Raufen innehielten. »Das gilt auch für die Anderen, macht euch langsam auf den Weg in die Umkleide, es ist Schluss für heute.« Etwas geknickt darüber, dass sie für heute schon fertig waren, wich Annika einem letzten Schwall Wasser grinsend aus und stieg schließlich aus dem Becken und machte sich mit Maria im Arm auf den Weg zu den Umkleiden. »Sollen wir auf den Nachhauseweg noch ein Eis essen gehen?«, wollte Maria wissen, als sie die Duschen betraten. Annika stimmte zu, noch die Eisdiele ihres Vertrauens aufzusuchen und begann sich, aus ihrem Badeanzug zu kämpfen. Sie stellte sich dann unter die Dusche, wusch sich gründlich und wickelte sich danach in ihr Handtuch ein und war im Begriff, in die Umkleide zu gehen, als ihr Blick auf einen nackten, knackigen Po fiel, der zu der Asiatin gehörte. Annika blickte schnell weg, als diese sich umdrehte und selbst nach dem Handtuch griff und machte sich eilig auf den Weg in die Umkleide. Dabei rannte sie Maria halb über den Haufen, die sie amüsiert ansah. »Was denn los, du hast es doch sonst nie so eilig beim Duschen. Hast du deine Tage bekommen?« »Ich hab richtig Bock auf Eis«, sagte Annika enthusiastisch, vermied es, sich umzudrehen und schob Maria in die Umkleide. Wo sich Maria belustigt begann an zu ziehen und die anderen Mädchen zu fragen, ob diese auch noch mit Eis essen gehen wollten. »Wenn ich darf, würde ich auch gerne mit kommen«, erklang eine ihr unbekannte Stimme und Annika sah, wie die Neue Maria anlächelte. »Wäre doch gut, wenn wir uns alle schon einmal ein bisschen kennenlernen, bevor wir morgen 14 Tage lang aufeinander hocken.« Annika gab sich die größte Mühe, die Neue nicht anzustarren, doch ein paar Mal konnte sie es sich nicht verkneifen und sah neben einem flachen muskulösen Bauch auch die kleinen, gut geformten Brüste. Weil weder Maria noch eines der anderen Mädchen dagegen Einwände hatte, kam es, dass sie sich zu Elft auf den Weg machten, nachdem sie von der Trainerin noch einmal eingetrichtert bekamen, zeitig schlafen zu gehen. »Wart ihr schon einmal in diesem Camp?«, fragte Zaya die Gruppe, als sie es sich gemeinsam vor der Eisdiele auf den Stühlen bequem gemacht hatten. Annika hatte sich auf den Hinweg damit beschäftigt, was sie nun in der Dusche so irritiert hatte, dass sie kaum auf das Gespräch der Mädchen geachtet hatte, als sie sich auf den Weg gemacht hatten. Immerhin war es ihr doch sonst nie so aufgefallen noch hatte sie auf die Körper der anderen Mädchen so geachtet. »Nein, aber es soll wohl ganz schön sein«, antwortete Linda der Neuen und Annika riss sich aus ihren Gedanken. »Ich hab einige Freunde aus anderen Schwimmteams, man kennt sich ja doch irgendwann, wenn man regelmäßig an Wettkämpfen teilnimmt«, begann Annika zu sagen. »Und nach den Erfahrungen meiner Freunde, soll es da richtig schön sein. Zwar nicht unbedingt etwas wo man Party machen kann, aber das juckt mich ohnehin nicht. Hauptsache ich kann schwimmen und wir können uns dort gut für den anstehenden Wettbewerb vorbereiten.« »Die Chefin hat gesprochen«, scherzte Maria. »Also ich hätte nichts gegen eine Möglichkeit, etwas Alkohol zu kaufen und gemeinsam mit den Jungs zu chillen, wenn ihr wisst was ich meine«, schob Maria zwinkernd hinterher, was die anderen Mädchen zum lachen brachte. Annika rollte mit den Augen und bemerkte, dass auch Zaya weniger amüsiert schien, es aber deutlich besser als sie selbst verbarg. Annika bekam aus dem Augenwinkel mit, wie Zaya mit ihren noch leicht feuchten Haarsträhnen spielte, während sie sich mit einem der Mädchen darüber unterhielt, wieso sie kurz vor dem Abschluss die Schule wechseln musste. Sie hörte neugierig zu und tat gleichzeitig aber so, als würde sie Maria zuhören, die erzählte, dass einige der Jungs schon eine Party planten. Sie nippte an ihrem Eiskaffee und hörte Zaya gerade erklären, dass ihre Eltern sich geschieden haben und sie zu ihrem Vater und seiner neuen Frau gezogen war. Annika hörte deutlich Wut aus diesen Worten und fragte sich direkt, was da wohl vorgefallen war, besonders als sie sah wie Zaya es mit einem Lächeln überspielte und dann plötzlich in ihre Richtung sah. Dem Blick auszuweichen würde bedeuten, sie gab  zu, sie hätte sie heimlich angesehen. Weshalb Annika dem Blick standhielt und dabei bemerkte, dass Zaya wunderschöne blaue Augen hatte, in denen man sich bestimmt verlieren konnte, wenn man zu tief hinein sah. Annika hatte erwartet, Zaya würde sie irgendetwas fragen wollen, doch sie sahen sich lediglich gegenseitig an. Annika zog fragend eine Augenbraue nach oben, was Zaya mit einem Schmunzeln kommentierte, aber nichts sagte und stattdessen beiläufig an ihrem Eis leckte. Dieses seltsame Interesse an Zaya nervte Annika, aber sie wollte auch nicht als erstes wegsehen oder tiefer darüber nachdenken, was genau so interessant an dem Mädchen war. »Macht ihr einen Starr-Wettbewerb?«, erkundigte sich Maria, lehnte sich an Annikas Schulter und sah selbst zu Zaya und dann wieder zurück zu ihr und sagte eine Sekunde später: »Anni, das ist total gruselig, wie du sie anstarrst.« Das brach den Blickkontakt und die anderen Mädchen lachten darüber. Annika ärgerte sich, dass sie doch verloren hatte. Man lud Zaya in eine Messengergruppe, in der auch die Jungs des Schulteams waren, ein und verabschiedete sich einige Minuten später. Dabei umarmten sie sich wie immer alle gegenseitig und als Annika damit bei Zaya dran war, fühlte es sich irgendwie seltsam intim an, besonders als sie feststellte, dass Zaya nach Vanille und etwas wilderen, würzigeren roch. Kapitel 3: 3. ------------- In der Nacht weckte sie ein lautes Gewitter, was sie, da ihr Zimmer unter dem Dach lag, noch deutlicher wahr nahm, als jemand der unten im Haus sein Zimmer hatte. Als sie auf ihr Smartphone blickte, war es gerade einmal kurz vor vier Uhr. Sie hatte also noch vier weitere Stunden, bevor sie ihre Mutter wecken würde und ihr Vater sie eine Stunde später zum Treffpunkt fahren würde. Den Chat im Messenger nachlesend, setzte sie sich auf und griff nach ihrer Wasserflasche, die auf ihrem Nachtschrank stand. Maria und die anderen hatten am Abend noch fleißig gechattet und überlegt wie die Chancen standen, an einem Abend Party zu machen. Annika wollte ihr Handy gerade weglegen und etwas trinken, als sie eine Direktnachricht bekam. »Kannst du auch nicht schlafen?«, stand darin und Annika konnte die Nummer niemanden zu ordnen und weil ihr Kopf noch zu träge war, kam sie nicht auf die simpelste Antwort, weshalb sie fragte, wer da ist. »Zaya. Sorry, ich hätte dich nicht einfach anschreiben sollen.« »Das Gewitter hat mich geweckt«, tippte sie zurück und fügte noch ein: »Was ist es bei dir?«, hinzu und tippte dann auf senden. Danach trank sie einige Schlucke Wasser und bevor sie fertig war, hatte sie auch schon eine Antwort. Sie verschloss die Flasche wieder, griff sich ihr Handy, lehnte sich in ihre Kissen zurück und begann zu lesen. »Mein Vater, mein Stiefbruder hat Geburtstag und sie, einige Freunde von ihm und meine Stiefmutter, machen nebenan Party. Versuch zu schlafen, aber immer wenn ich am einschlafen bin, machen die Lärm.« »Wie alt ist dein Stiefbruder?«, fragte Annika und fügte ein »Tut mir Leid für dich«, noch an. Gähnend sah sie zu ihrem Dachfenster, gegen das der Regen lautstark prasselte und hoffte, es würde dadurch wenigstens am Tag nicht so warm werden. »Ist sein 18. Ich kann es verstehen und wir haben ja ohnehin Ferien, aber es nervt trotzdem. Schwimmst du schon lange?« »Seit ich denken kann«, tippte Annika zurück. »Und du?« »Seit Ende der Grundschule«, kam die Antwort prompt. Ein wenig später schrieb Zaya: »Aber eigentlich hasse ich es«, und Annika hatte keine Ahnung, was sie darauf sagen sollte. Weshalb sie einfach nicht antwortete, aufstand und mit dem Handy an das Dachfenster ging. Sie öffnete es und genoss die  Regentropfen auf ihrer Haut, die prompt auf sie einprasselten. Wie konnte man das schwimmen hassen und gleichzeitig in einem Schwimmteam sein? Nachdenklich starrte sie in die Nacht hinaus und dachte daran, wie sie seit sie denken konnte, jede freie Minute im Wasser verbracht hatte. Ein eingehender Anruf unterbrach ihre Gedanken und ohne groß darüber nachzudenken, wie bescheuert es war, nach vier Uhr in der Nacht jemanden anzurufen, ging sie einfach ran. »Hab ich dich verschreckt, mit meiner Nachricht?«, erkundigte Zaya sich und Annika konnte im Hintergrund gedämpfte Musik und feiernde Menschen hören. Annika schüttelte ihren Kopf und sie überlegte, wieso sie nicht geantwortet hatte, bis sie bemerkte, dass Zaya ihr Kopfschütteln ja nicht sehen konnte. »Nein«, sagte Annika dann schließlich. »Dann wolltest du nicht nachfragen, weil du nicht wusstest, ob du es wirklich wissen willst?« War es so? Annika sah nachdenklich auf ihre Hand, die sie dem Regen entgegen gestreckt hatte und an der nun das Wasser an ihrem Arm hinab ran. »Ich bin nicht so oberflächlich«, erwiderte Annika dann. »Es ist aber spät und ich weiß nicht, ob ich nicht noch einmal schlafen will oder ob ich wach bleibe.« Annika konnte das Lächeln hören, was Zayas Lippen mit Sicherheit zierte, als sie sagte: »Denkst du denn, es ist oberflächlich, nicht zu fragen, wenn man es nicht wissen will?«, und Annika dachte nicht darüber nach, sondern nur an die Lippen von Zaya und wieso sie nun an diese schmalen Lippen dachte. »Nein, tue ich nicht«, sagte sie nach einem Augenblick. »Aber auf andere kann es so wirken, als sei man oberflächlich, wenn man nicht besorgt nachfragt.« »Also hast du dir Sorgen gemacht?«, erkundigte sich Zaya und klang nun deutlich amüsiert. »Ich liebe es zu schwimmen und kann mir nicht vorstellen, es jemals zu hassen. Wieso hasst du es?«, fragte Annika schließlich und erntete ein langes schweigen, was Annika dazu veranlasste sich selbst zu fragen, was passieren müsste, dass sie es hassen würde, zu schwimmen. »Meine Mutter war Profi-Schwimmerin«, erklang es nach einer Weile und Annika zuckte zusammen, weil sie nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte. »Ich hasse sie, also hasse ich schwimmen.« Annika dachte, dass sie das verstehen konnte und wusste, dass sie nun fragen könnte, wieso Zaya ihre Mutter hasst, aber das wäre einfach nur Sensationslust und Neugier. »Gibt es nichts daran, was du gerne magst? Schau dir Maria an, die schwimmt eigentlich nur wegen mir und weil sie so knackige Jungs angaffen kann ohne mal einen Schritt auf sie zu zu gehen.« »Und warum schwimmst du?«, war der Konter auf ihre Frage von Zaya, ohne dabei auf Annikas Frage einzugehen. »Ich fühle mich frei im Wasser. Als wäre unter Wasser alles möglich. An der Oberfläche musst du immer deine Maske tragen um mit der Masse mit zu schwimmen. Unter Wasser zählt nichts, außer das was du bist und sein willst. Der Spruch, stille Wasser sind tief, muss doch irgendwo her kommen, oder nicht?« »Wie philosophisch«, war Zayas einzige Antwort, danach war die Leitung weg und Zaya hatte ihr wohl aufgelegt. Annika fragte sich zwar wieso und ob sie etwas falsches gesagt hatte, legte ihr Smartphone aber aufs Bett, anstatt nachzufragen und holte sich ein Handtuch aus dem Schrank um sich das Gesicht und die Haare abzutrocknen, die vom Regen feucht geworden waren. Hatte Zayas Antwort zynisch geklungen? Annika war sich nicht mehr sicher und sie grübelte darüber nach, ob an ihrer Antwort irgendetwas schlimm gewesen war, doch sie fand keine Erklärung und drehte sich irgendwann mit ihren Überlegungen nur noch im Kreis, was sie nervte. Weshalb sie sich wieder in ihr Bett kuschelte und mit Schäfchen zählen versuchte, wieder einzuschlafen. Als Annika ihre Augen wieder öffnete, fühlte sie sich unausgeruht und so gar nicht bereit für das strahlende Lächeln ihrer Mutter und der energischen Stimme die flötete: »Aufstehen mein Schatz, heute fährst du in dein Schwimmcamp.« Annika zog sich ihre Bettdecke über den Kopf, aber ihre Mutter zog ihrerseits fest daran, so dass Annika einen Moment später ohne Decke im Bett lag und sich grummelnd aufsetzte. »Wie spät ist es?«, fragte sie murmelnd und ihre Mutter meinte, es sei kurz nach acht und sie solle sich besser beeilen, wenn sie noch frühstücken wollte, bevor ihr Vater sie fahren würde. Stimmt, das Camp. Bevor ihre Mutter noch etwas sagen konnte war Annika aufgesprungen und eilte in ihr Badezimmer, wo sie sich den Schlaf weg duschte und sich für den Tag fertig machte. Nichts besonderes, ein bisschen Gel in ihre kurzen braunen Haare, damit sie cool ab standen und Zähneputzen. Danach zog sie sich in ihrem Zimmer eine Jeans an, deren Beine sehr weit abgeschnitten waren und einst mal ihrer großen Schwester gehört hatten und ein schlichtes Bandshirt von ihrer Lieblingsband Metallica. Danach schob sie noch ihr Laptop und das Ladekabel ihres Smartphones in die Reisetasche, schnappte sich ihre kabellosen Kopfhörer und ihr Smartphone, schob sich beides in die Hosentaschen und schulterte die Reisetasche. Ihre Geldbörse war in ihrer schlichten Umhängetasche, die sie sich als nächstes griff und damit ging sie dann nach unten. Im Flur stellte sie ihre Sachen ab und gesellte sich zu ihren Eltern und ihren zwei Jahre jüngeren Bruder, die schon am Frühstückstisch auf sie warteten. »Hast du alles?«, erkundigte sich ihr Vater, statt einem Morgengruß und Annika nickte und setzte sich neben ihren Bruder. Ihre große Schwester war schon vor zwei Jahren ausgezogen, weshalb ihr Platz immer frei blieb. »Freust du dich schon?«, wollte ihr Bruder Matthias wissen und Annika sah ihn ernst an. »Du lässt die Pfoten von meinem Zimmer, während ich nicht da bin, ja? Ich will nicht, dass es da nach Gras oder Kotze riecht, klar?« Matthias grinste sie an. »Ich weiß nicht wovon du redest, aber ich verspreche dir gar nichts.« »Kinder«, warnte ihre Mutter und Annika und Matthias zuckten unisono mit den Schultern. »Keine Streitereien am Frühstückstisch«, fühlte sich ihre Mutter noch genötigt zu sagen. Annika griff sich die Milch und das Müsli und begann dann schweigend zu essen, während sich ihre Eltern über irgendwelche Belanglosigkeiten unterhielten, die sie eh nicht interessierten. Ihr Bruder hämmerte neben dem Essen auf seinem Smartphone herum und sie fragte sich, ob er seinen Freunden gerade erzählte, dass das coole Zimmer unter dem Dach bald für zwei Wochen leer stand. Nach einem Moment, als Annika ihr Müsli beendet hatte und sich gerade noch ein Glas Orangensaft nachgoss sah ihre Mutter sie lächelnd an. »Und bist du bereit? Du weißt, wenn irgendetwas ist, kannst du mich oder Papa jederzeit erreichen.« »Und mach uns keine Schande«, legte ihr Vater etwas strenger nach, grinste sie aber schief an. Annika lächelte dankbar und nickte lediglich. »Wollen wir dann los?«, erkundigte sich ihr Vater und trank seinen letzten Schluck Kaffee. »Lieber zu früh, als zu spät dran sein, eh?« Annika verabschiedete sich mit einem High Five von ihrem Bruder, der nicht einmal von seinem Display dabei aufblickte, umarmte ihre Mutter und gab der Katze Carly, die gerade in die Küche trat noch ein paar Streicheleinheiten, bevor sie in den Flur trat um ihre Sneaker anzuziehen. Ihr Vater nahm danach ihre Reisetasche und sie selbst schnappte sich ihre Umhängetasche, in der sie sich, von der Kiste Wasserflaschen, noch ein Flasche Wasser verstaute. Nachdem sie sich sicher war, dass sie auch ihre Geldbörse hatte, folgte sie ihrem Vater und setzte sich neben ihn auf den Beifahrersitz. Dort betrieb sie mit ihrem Vater, während der Fahrt, ein wenig Smalltalk. Nichts was wichtig war. Sie und ihr Vater hatten sich wenig zu sagen, ihr Bruder und ihre Schwester waren es, die ihm nah standen. Was nicht bedeutete, dass er ein schlechter Vater war, sie hatten sich einfach wenig zu sagen, neben dem Alltäglichen. Annika liebte ihren Vater, war er es doch, der ihr die Star Wars Filme gezeigt hatte, und war er es doch, der ihren Namen an Anakin Skywalker angelehnt hatte. Sie liebte die Filme und alles was damit zu tun hatte und war dahingehend ein kleiner Nerd, würde sie aber nie jemanden gestehen. Wenig später, die Fahrt dauerte nicht lange, verabschiedete sich ihr Vater von ihr mit den Worten: »Möge die Macht mit dir sein«, was Annika ein Grinsen entlockte, bevor sie ihm ein Küsschen auf die Wange drückte, und er wieder ins Auto einstieg. Sie winkte ihm noch hinterher und machte sich dann mit ihrer Reise- und Umhängetasche, die ziemlich schwer war, auf den Weg zu den anderen, die schon warteten. Es waren noch nicht alle da, aber Maria und ein paar der Jungs schon. »Guten Morgen«, warf sie in die Runde, ließ ihre Reisetasche geräuschvoll auf den Boden fallen und umarmte ihre beste Freundin fest. »Da bist du ja«, grinste Maria und sah sie prüfend an. »Du siehst müde aus. Schlecht geschlafen?« Annika grinste schief. »War in der Nacht mal eine Weile wach und konnte schlecht einschlafen.« »Na dann musst du gleich im Bus ein Nickerchen machen«, schlug Maria vor und sah sie mitfühlend an. »Vielleicht«, erwiderte Annika und sah, wie ihre Trainerin und einer der Lehrer, der das zweifelhafte Los gezogen hatte, die Gruppe zu begleiten, sich näherten. »Meinst du, Herr Funke hilft den Jungs keinen Blödsinn zu machen, oder wird er die Sachen einfach ignorieren und hoffen die 14 Tage gehen schnell um?«, fragte Maria sie amüsiert und Anika zuckte mit den Schultern. So gelangweilt wie der Lehrer aussah, vermutlich letzteres. Doch sie hatte schnell keinen Gedanken mehr dafür, als ein silbernes Auto vorfuhr und Zaya, laut auf einer asiatischen Sprache fluchend, aus dem Auto ausstieg, die Tür zuwarf und dem Mann der sie gefahren hatte den Mittelfinger zeigte. Sie trug heute ein schwarzes Kleid mit weißen Punkten und sah im Gegensatz zu gestern richtig feminin aus. Das brachte auch einige Jungen zum Sabbern, den anzüglichen Sprüchen nach zu urteilen, wie Annika bemerkte und irgendwie eklig fand, auch wenn sie es durchaus nachvollziehen konnte, was sie selbst überraschte. »Sie wirkt heute verändert, nicht nur wegen dem Kleid«, merkte Maria an und Annika bemerkte, dass Maria aufgefallen war, dass sie Zaya einen Moment zu lange angesehen haben musste. »Warum denkst du das?«, fragte sie Maria und wandte ihren Blick von Zaya ab, die nun selbst noch einmal zu Zaya sah. »Irgendwie reservierter? Gestern erschien sie mir deutlich offener uns allen gegenüber. Ich meine, sie kommt nicht einmal zu uns, obwohl wir hier stehen und sie gestern umarmt haben«, stellte Maria fest. Annika sah selbst noch einmal zu Zaya und sah wie diese den Blick in ihre Richtung mied und stattdessen die Trainerin ansprach und diese in ein Gespräch verwickelte. Annika wollte Maria von diesem seltsamen Gespräch in der Nacht erzählen, aber gleichzeitig befand ein Teil von ihr, dass sie es nicht tun sollte und bevor sie noch irgendeinen Gedanken an Zaya fassen konnte, tauchte der Bus auf, der schon die restlichen Mitglieder ihrer Truppe beinhaltete. Auf in die Schlacht, dachte Annika sich, als es darum ging, wer mit wem und wo saß. Zaya würdigte ihr und den anderen keinen Blick, als sie anstanden und darum wetteten, wer den besten Platz bekam. Am Ende landete Annika auf einem Fensterplatz neben Maria und hatte sich sehr schnell ihre Kopfhörer in die Ohren gesteckt und von Metallica ins Traumland begleiten lassen. Kapitel 4: 4. ------------- Annika erwachte drei Stunden später, als Maria ihr unsanft den Ellenbogen in die Rippen rammte. »Ja bin ja schon wach«, stieß Annika verschlafen aus, was die, die um sie herumsaßen, zum kichern brachte. Annika rieb sich die Augen und sah Maria verschlafen an. »Was ist los?« »Wir sind gleich da, Blitzbirne«, murrte Maria und Annika kapierte schnell, wieso Maria missgestimmt war. Um sie herum war aktuell nichts als Wald und laut den Informationen von Maria, die Annika ihr aus der Nase gezogen hatte, war das schon mehrere Kilometer so. Also vermutlich keine Disco oder dergleichen, dachte Annika amüsiert und sah Maria dann trotzdem verständnisvoll an und flüsterte leise: »Ich bin mir sicher, es wird trotzdem eine gute Party geben.« Das lockte Maria wenigstens ein flüchtiges Lächeln auf die Lippen. Sie konnte jedoch nichts erwidern, weil in diesem Moment die Trainerin das Wort durch ein Mikrofon ergriff. »So ihr Lieben«, tönte es verstärkt. »Wir haben gleich unser Ziel erreicht, wird denke ich Zeit, das die Schlafenden aufwachen, und wir einmal klären, wer mit wem auf ein Zimmer kommt, denkt ihr nicht auch?« Die beginnende Ansprache weckte noch einige andere und dann brach ein Tumult los, weil alle davon ausgingen, dass sie sich aussuchen konnten, wer mit wem auf ein Zimmer kam. »Herr Funke und ich dachten, es wäre doch gut, wenn wir das alles ein bisschen mixen, damit ihr euch innerhalb des Teams noch ein bisschen besser kennenlernt. Wir wollen damit keinesfalls die bestehenden Freundschaften brechen, aber dachten uns, mehr Freundschaften ist doch kein negativer Aspekt.« Anika sah wie Maria sie missmutig ansah und sie selbst drückte fest die Daumen, doch es half alles nichts. Maria wurde mit Sam und Linda zusammengewürfelt, während sie selbst das zweifelhafte Glück hatte, ein Zweierzimmer mit Zaya zu belegen. Mit Zaya, die sie nicht einmal mehr ansah. Annika hatte keine Ahnung was sie in der letzten Nacht falsch gemacht hatte, um diese Ignoranz zu verdienen. Es folgten zahlreiche Beschwerden, auch Maria und sie selbst beschwerten sich lauthals, aber weder Herr Funke noch Frau Müller ließen sich erweichen und wenig später fuhr der Bus auch auf einen großen Parkplatz und hielt an. Als Annika mit den anderen den Bus verlassen hatte, erblickte sie, als sie in alle Himmelsrichtungen gesehen hatte, nichts als Wald, neben der großen Anlage, die laut Frau Müller ein Sportzentrum war. Sogar ein recht bekanntes, unter Sportlern, wenn man ihr Glauben schenken konnte. Aber Annika vertraute ihrer Trainerin schon, sie nicht in irgendein beschissenes Ossikaff zu fahren, wo die Anlage noch schlecht war. »Am Ende haben die noch voll die DDR Einrichtung«, hörte Annika wie sich einer der Jungs beklagte. »Und vermutlich kein Internet«, gab sie selbst den Verschwörern noch etwas Fressen. »Seid ruhig noch begeisterter«, erklang Frau Müllers Stimme.  »Aber ich kann euch versichern, es ist ein modernes Sportzentrum und es gibt funktionierendes WLAN. Wie schnell es ist, kann ich leider nicht sagen, aber ihr werdet eh nicht so viel Langeweile haben, meine Lieben. So, wenn alle ausgestiegen sind, lasst uns mal schnell durchzählen und unser Gepäck ausladen.« Annika reihte sich mit den anderen ein um an ihre Reisetasche zu kommen und verspürte ein leichtes Hungergefühl und hoffte, sie würden bald etwas zwischen die Zähne bekommen, immerhin hatte die Schule einen Batzen Geld in die Hand genommen und die würden sie ja sicherlich nicht Hungern lassen. Hoffte Annika immerhin und griff sich ihre Reisetasche, als sie an der Reihe war und stellte sich dann neben Maria, die immer noch frustriert drein sah. »Wir werden uns so auch genug sehen. Mach dir keinen Kopf, Süße«, sagte Annika und drückte Marias Hand kurz. Diese nickte und sah trotzdem unglücklich drein. »Mir wäre es lieber, wenn du auch mit jemanden ein Zimmer hättest, den du schon kennst. Besonders, wo diese Zaya heute so unnahbar wirkt«, murmelte Maria und sie hatte recht. Zaya hielt sich immer ein Stück von der Gruppe entfernt.   »Wenn jeder sein Gepäck hat und sicher ist, dass er nichts vergessen hat, können wir rein gehen und unsere Schlüssel in Empfang nehmen, danach können wir unsere Sachen auf die Zimmer bringen, uns eine viertel Stunde entspannen und dann gibt es Mittagessen und danach steht Training auf den Programm, Kinners«, tönte Frau Müller und sah abwartend in die Runde, ob noch jemand panisch zum Bus rannte um etwas zu holen. Als dies nicht der Fall war, führte Frau Müller die Gruppe zur Rezeption des Sportzentrums und Herr Funke schloss die Gruppe ab und Annika fragte sich, ob sich die Lehrer ein Zimmer teilten. Das brachte sie für einen Moment zum Kichern, sie wurde aber direkt wieder ernst, als sie Zayas aggressiven Blick auffing. Scheinbar hatte sie versucht mit Frau Müller zu reden um das Zimmer zu tauschen? Annika war sich nicht sicher, aber Maria tauschte mit ihr einen bedeutungsschweren Blick. Annika wünschte sich ins Wasser, auf den Grund eines Schwimmbeckens um dieses Theater nicht zu spüren. Sie ignorierte das seltsame Gefühl in sich, das sich nach Verrat anfühlte und nahm, als sie dran war, die Karte für das Zimmer entgegen, Zaya bekam auch eine, und wurde dann mit Zaya zu eben jenen Zimmer geschickt. Dabei war Frau Müller sehr schroff zu Zaya, als es so aussah, als wollte diese Frau Müller widersprechen. Annika und Zaya schwiegen, als sie Fahrstuhl fuhren und im dritten Stockwerk durch ein gefühltes Labyrinth irrten, auf der Suche nach dem Zimmer, in dem sie die nächsten 14 Nächte verbringen würden. Als sie es schließlich fanden, waren fünf der fünfzehn Minuten, die sie Zeit hatten schon vergangen und statt Zaya eine Entscheidung zu lassen, nahm Annika das rechte Bett und stellte ihre Reisetasche darauf ab. Es war mit frischer Bettwäsche bezogen und auf dem Kopfkissen lag eine Packung Gummibärchen. Es war modern eingerichtet, also wenigstens keine DDR-Einrichtung. »Magst du Gummibärchen?«, erkundigte sich Annika bei Zaya, die einfach tat, als hätte sie nie etwas gesagt und Annika stieß einen frustrierten Laut aus, pfefferte die Gummibärchen in den kleinen schwarzen Eimer der am Eingang des Zimmers stand und schob sich die Zimmerkarte in die Hosentasche. »Dann red nicht mit mir, wir sehen uns«, entfuhr es Annika genervt und sie verließ das gemeinsame Zimmer und machte sich mit dem Fahrstuhl wieder auf den Weg in das Foyer, wo sie sich wieder treffen wollten, um gemeinsam zum Mittagessen zu gehen. Unten angekommen war sie die Erste, nach einigen Minuten kamen Linda, Sam und Maria und schienen im Gegensatz zu ihr, sichtlich erfreut. »Wir haben ein Zimmer neben Johannes«, flötete Maria ihr entgegen und zwinkerte mit den Augen. Die Mädchen lachten und Annika fühlte sich miserabel. So schnell hatte Maria das Bedauern über die Situation also überwunden. »Das ist doch gut«, lächelte Annika und gab sich die größte Mühe, ihre Frustration zu verstecken und bisher, schien niemand der Mädchen etwas zu bemerken. Doch Maria wäre nicht ihre beste Freundin, wenn sie so gut schauspielern könnte. Als noch einige Mädchen und nun auch Jungs eingetroffen waren, nahm Maria sie zur Seite und sah sie besorgt an. »Ist etwas? War Zaya scheiße?« Annika schüttelte ihren Kopf. »Nein, alles gut. Mach dir keine Gedanken, ich glaube ich bin nur noch etwas geknickt, dass wir kein Zimmer gemeinsam haben«, log Annika, weil sie Maria nicht von dem Telefonat erzählen wollte. »Ach das wird schon, du hast es doch selbst gesagt, wir werden uns schon oft genug sehen, dass es uns gar nicht auffällt.« Annika lächelte leicht und nickte schließlich und hoffte Maria war überzeugt davon, dass sie wirklich nur deswegen unglücklich war. Gemeinsam mit Frau Müller und Herr Funke traf Zaya ein, die ziemlich zerknirscht drein sah. Nach Frau  Müllers zufriedenen Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte sie Zaya erneut einen Korb gegeben. Herr Funke zählte durch und als sie komplett waren, gingen sie gemeinsam zum Mittagessen, was eine ziemlich unkomplizierte und schnelle Angelegenheit war. Annika saß mit Maria, Sam und Linda an einem Tisch, sie sprachen über Belanglosigkeiten, aßen ihre Nudeln mit Tomatensoße und Käse und ließen sich danach von Frau Müller in zwei Stunden Pause schicken, danach sollten sie mit ihren Schwimmsachen im Foyer antreten. Maria überredete Annika und die anderen Beiden Mädchen dazu, das Gelände zu erkunden und nach einem kurzen Gang auf die Toilette, taten die Mädchen genau das. Die Speisehalle konnte man durch das Foyer betreten und sie traten gerade aus der Speisehalle und verließen das Foyer durch den Ausgang. Draußen erblickten sie als erstes den großen Parkplatz, daneben gab es aber auch zwei große, abgezäunte Sportplätze mit Kunststoffbahnen, von denen einer mit Männern belegt war, die deutlich älter waren. Was Maria aber nicht vom schwärmen abhielt, als sie an dem Platz vorbei gingen. Annika rollte mit den Augen und starrte zu dem Wald. »Hier gibt es echt nichts, huh?«, murrte sie und stellte fest, dass sie hier nicht einmal Empfang hatte, als sie auf ihr Smartphone blickte um zu checken ob sie eine Nachricht hatte. »Habt ihr Empfang hier?«, die Mädchen schüttelten synchron die Köpfe. »In unserem Zimmer haben wir welchen«, meinte Maria und Annika hoffte, dass die Schwimmhallen hier wenigstens etwas besonderes waren, ansonsten war das Camp schon von Anfang an ein totaler Reinfall. Missmutig stopfte sie die Hände in die Taschen ihrer kurzen Jeans und ging neben den schwatzenden Mädchen her, die gerade den größten Sportplatz bewunderten. »Und hinter dem, gibt es noch ein paar Anlagen«, stellte Linda fest und schirmte ihre Augen mit einer Hand vor der Sonne ab. »Aber da laufen wir jetzt nicht hin, oder?«, fragte Annika leicht nörgelnd. Die Mädchen schüttelten die Köpfe und Maria sagte: »Nein, lasst uns lieber die Indoorräume ansehen. Ich bin gespannt was es alles gibt und vielleicht entdecken wir dabei ja noch ein paar heiße Jungs?« Sie gingen gemeinsam durch das Foyer zurück, ließen sich an der Rezeption eine Karte geben um sich nicht zu verlaufen und machten sich als erstes auf den Weg um die normalen Sporthallen zu besichtigen, die wirklich sehr modern und riesig waren. »Die scheinen hier echt alles zu haben«, staunte Linda, als sie neben einer Bowlingbahn, einer Kegelbahn, einem Kraftraum, Squashcourts auch die Schwimmhallen gefunden hatten. »Outdoor scheint es noch mehr zu geben«, merkte Sam an und Annika sah Sehnsüchtig in die Schwimmhalle, vor der sie nun standen und wollte ins Wasser. Aber das dauerte noch über eine Stunde. Weshalb sie sich missmutig zu dem Zimmer der Mädchen führen ließ, wobei sich herausstellte, das es nicht so weit von ihrem eigenen entfernt lag. Die Mädchen hatten ein Doppelstockbett und ein normales Bett. Maria hatte sich das normale Bett erstritten, sagte sie ihr leise, mit einem Grinsen auf den Lippen und Annika ließ sich auf Marias Bett nieder und ihre Freundin ließ sich neben ihr auf das Bett fallen und bettete ihren Kopf auf Annikas ausgestreckten Beinen. »Ist es wirklich alles so schlimm?«, hakte Maria nach und sah Annika besorgt an. Annika zuckte mit den Schultern, als sie mit dem Bus angekommen waren, war ihre Stimmung noch gut gewesen. »Müsstest du nicht eigentlich auch nörgeln? Wir teilen uns kein Zimmer, es gibt hier nichts, draußen haben wir keinem Empfang und ich muss mir ein Zimmer mit einer teilen, die nicht mehr mit mir spricht.« »Nicht mehr? Hat doch gestern auch nicht viel mit dir gesprochen, oder?«, fragte Maria und Annika zuckte mit den Schultern. »Und? Es nervt so oder so. Ich hoffe die Schwimmhalle ist den Aufwand wert«, murrte sie und fühlte sich selbst schlecht dafür, so eine miese Stimmung zu verbreiten, dass nun auch die anderen Mädchen versuchten, sie aufzuheitern. Mit dem schlechtesten Thema was es nur gab, aber immerhin versuchten sie es, auch wenn Annika das Thema Jungs absolut am Arsch vorbei ging. Annika gab sich, nach diesen Versuchen sie aufzuheitern, Mühe nicht mehr so missmutig zu sein und begab sich dann eine viertel Stunde vor Ende der Pause in ihr Zimmer, das zum Glück leer war. Auch wenn Zaya wohl einige Zeit darin investiert hatte, sich einzurichten. Ihre Reisetasche stand unter dem Bett, auf dem Bett lag ein Plüsch-Krokodil und auf dem Nachttisch ein Wecker. Als Annika ein Taschentuch, was sie in den tiefen ihrer Taschen gefunden hatte, neben ihren Kopfhörern und dem Handy, in den Müll werfen wollte, stellte sie fest, dass die Tüte Gummibärchen weg war. Sie nahm es zur Kenntnis, dachte sich aber nichts dabei, als sie ihr Taschentuch dort hinein warf, ihre Badesachen in die Umhängetasche stopfte und sich dann, nachdem sie einige Schlucke Wasser getrunken hatte, wieder auf den Weg nach unten ins Foyer machte. Dieses Mal war Annika eine der letzten, und als Herr Funke ein weiteres Mal durchgezählt hatte, machte man sich auf den Weg zu den Schwimmhallen und Annika hoffte inständig, es würde ihre Stimmung heben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)