die Hölle steht Kopf von pat (Ausschnitte aus dem Leben der Lia Kim) ================================================================================ Kapitel 1: 01|Einleitung ------------------------ Wer sind Sie? Was zeichnet Sie aus? Was sind Ihre Stärken? Wieso sind gerade Sie etwas Besonderes und sollten bevorzugt werden? Es sind immer dieselben Fragen, die uns unser Leben lang begleiten,- mit denen wir aufwachsen, die wir von frühster Kindheit an lernen zu beantworten. Wer bist du? Und was zeichnet dich aus? Stets von der Gesellschaft angetrieben uns selbst immer im besten Licht erscheinen zu lassen, uns über die Allgemeinheit zu stellen, uns in den Fokus zu drücken. ‘Ich bin besser als alle anderen ‘. Allein das ist die Kernaussage, die uns bereits in den Schulen wie eine Gehirnwäsche eingeprügelt wird. Sei auffällig, sei präsent, sei unvergesslich. Steche aus der Menge hervor und Verkaufe deine Schwächen als unverzichtbare Stärken. Trau dich und nutze deine Umgebung als große Bühne, auf der du wie ein Schauspieler in seiner Glanzzeit strahlst. Sorge einfach immer dafür, dass DU herausstichst und dein Leben wird zum großen Los. Wer bist du und was zeichnet dich aus? In meinem Fall, scheint das allgemeine Bildungssystem Schluckauf gehabt zu haben. Oder das Schicksal… oder der Kosmos… oder was auch immer. Denn meine Antwort würde wohl wie folgt aussehen: Hi, mein Name ist Lia Kim, ich bin Mitte 20 und alles in allem wohl der unspektakulärste Mensch, den die Welt je zu Gesicht bekommen hat. Seit dem ich denken kann versuche ich Anschluss an die Menschheit zu finden. Ein durchaus sinnloses Unterfangen, da ich der Inbegriff an sozialer Inkompetenz bin. Ich kann nichts besonders gut, bin aber auch in nichts besonders schlecht. Nach dem Beenden der Schule habe ich eine Ausbildung im Lebensmittelhandwerk absolviert und gehöre nun dem unteren Mittelstand an. Im Allgemeinen ist meine Wenigkeit als unauffällig bis unsichtbar zu beschreiben. Ich warte immer noch sehnsüchtig auf den Tag, an dem ich diese Fähigkeit so perfektioniert bekomme, dass Passanten, die sich in der U-Bahn auf mich draufsetzen, locker durch mich hindurch fallen, so dass ich nie wieder den Hintern eines Fremden von meinem Schoß schupsen muss um anschließend Vorwurfsvolle Blicke meiner Existenz zu kassieren. Ich bin nicht besonders Intelligent. Informationen brauchen sehr viel länger um in mein Gehirn vorzudringen als bei den meisten anderen. Der Informationsfluss meines Hirns gleicht um es mal zu verbildlichen ungefähr dem Tempo einer Schnecke, während die Allgemeinheit wohl eher das Tempo eines Windhundes nutzt. Ich leide an Wortfindungsschwierigkeiten in Bezug auf die gesellschaftlich anerkannte und allgemein geltende Sprache, was oft zu Missverständnissen führt. Nicht allzu selten kommt es mir so vor als würde ich mich um Kopf und Kragen artikulieren, da mich einfach kein Mensch zu verstehen scheint. Viel zu oft frage ich mich, wann ich endlich wieder auf meinen Heimatplaneten zurückgeholt werde, um diesem Stress endlich ein Ende setzen zu können. Meine Eltern versichern mir zwar nach wie vor, dass ich nicht von einem weit entfernten Planeten stamme, sondern ordnungsgemäß von ihnen gezeugt, ausgetragen und großgezogen wurde, dennoch würde es mich nicht wundern, wenn eines Tages ein Alien mit beglaubigter Geburtsurkunde vor meiner Tür stehen würde. Ich bin nicht besonders groß. Mit meinen 1,60 guckt mehr als die Hälfte meines Umfelds sauber über mich hinweg, macht Späße über den kleinen garstigen Zwerg der ich bin oder nutzt meinen Kopf als Ablagefläche für Ellenbogen oder meine Schultern als Halt für den ganzen Oberkörper, als sei es ein Vergnügen für kleine Menschen direkt mit der Nase unter der Achsel anderer Leute zu hängen. Während einige Menschen an gar nichts glauben als an sich selbst, gibt es noch die die Himmel, Hölle, Schicksal, Karma oder anderen Dingen ihren Glauben schenken. In der Regel war ich mir nie sicher wie ich zu all dem stehe. Wo ich mir allerdings schon sehr früh ziemlich sicher war, war die Tatsache, dass sollte es so etwas wie Karma wirklich geben, war ich in diesem Leben garantiert dazu verdammt worden die Sünden meiner letzten zehn Leben auszugleichen, da mein Pechpensum zur Belustigung meiner Umwelt, weit über das eines durchschnittlichen Menschen hinausgeht. Seitdem ich allerdings mit dem Teufel verheiratet bin, wurde ich eines besseren belehrt. Es handelt sich hierbei lediglich nur um einen nicht rückwirkend korrigierbaren Formfehler der Abteilung KARMA STUDIE. Man kann sich meine Begeisterung über diese Erkenntnis sicherlich vorstellen. Und bevor Fragen auftreten. Ja, richtig. Ich bin mit dem Teufel verheiratet. Wie das geht? Das ist eine gute Frage, die ich mir regelmäßig stelle. Es ist einfach so passiert. Kapitel 2: 02|der Teufel ------------------------ Wenn man an den Teufel denkt, oder an den Namen Satan hat in der Regel Jeder ein klares Bild vor Augen. Groß, gruselig, der Inbegriff von Boshaftigkeit und Grausamkeit. Gern auch als Monster mit glühenden Augen, flammender Haut und Hörnern oder schlichtweg als unsagbar gutaussehenden Hauptcharakter einer Parodie geladenen TV-Serie. Um genau zu sein, Hörner hat er, zumindest in der Unterwelt. Gut aussehend sei mal so dahin gestellt. Vielleicht mal vor tausenden von Jahren, als er das Amt des Teufels angetreten hat. Der Teufel erinnert in Wirklichkeit eher an einen alten Mafioso. Zigarre rauchend mit seinem stets gefüllten Gläschen Whiskey in der Hand, drauf und dran alles bei einem Pokerspiel zwischen Himmel und Hölle zu verzocken. Und so kam es das Teufel Senior, wie ich ihn gerne nenne, sein Amt abgeben musste und der Mensch Damien Dark an seine Stelle trat. Damien Dark, der neue Herrscher über Hölle, Dämonen und Tod. In etwa so geeignet für diesen Job wie ein Lämmchen kurz nach seiner Geburt. Er wusste nicht wie ihm in der Kneipe seines Onkels Geschah, als er zu einem Pokerspiel zweier dubioser Kerle genötigt wurde. Diese zwei Gestalten waren so stark mit unseren irdischen Spirituosen alkoholisiert, dass ihnen wohl keine klaren Gedankengänge mehr möglich waren. Wie sonst sollte man sich diese fixe Idee erklären ausgerechnet den unbeholfensten Menschen in der ganzen Bar aus reinem Nervenkitzel zu einem Spiel zu drängen bei dem es heißt ALLES oder NICHTS. Niemand hätte wohl damit gerechnet, dass ausgerechnet das Glück auf der Seite des jungen Mannes sein würde, der noch nie zuvor ein Kartenspiel von Nahem zu Gesicht bekommen hatte. Oder vielleicht sollte man es eher als Pech bezeichnen. Darüber ließe sich wohl streiten. Wie dem auch sei. Man kann sich das Entsetzen vorstellen, das daraufhin ausbrach. Aber Wettschulden sind nun mal Ehrenschulden und Teufel Senior ist ein gefallener Engeln der ganz alten Schule. Eher würde er sich kopfüber im rosa Hasenkostüm vom Dach des Vatikans baumeln, als sich als Betrüger bezeichnen zu lassen. Und so kam es, dass die Hölle innerhalb weniger Minuten Kopf stand als etwas geschah, was es noch nie zuvor gegeben hat. Damien Dark. Auf den ersten Blick könnte man ihn als durchschnittlich bezeichnen. Bei genaueren betrachten hätte er wohl Potential zu mehr, würde er etwas an seinem Erscheinungsbild arbeiten. Seine haselnussbraunen Haare hängen stets wie ein Vorhang vor seinen Augen, die hässlichste, nach Nerd schreiende Brille prangt auf seiner Nase und seine Haltung gleicht die meiste Zeit der eines geschlagenen Hundes oder der Trägheit eines Faultiers kurz bevor es vor Müdigkeit zusammenbricht. Die weibliche Bevölkerung der Unterwelt ist sich dennoch einig. In ihm schlummert ein heißer, durchtrainierter Feger, der nur darauf wartet wie eine dämonische Version eines Phönixes aus seiner eigenen Asche herauszubrechen. Eine Theorie die ich bislang nicht bestätigen konnte, da ich ihn seit unserer ersten Begegnung eben nur als den trägen, völlig mit der Welt überforderten Trauerklos wahrnehme, den er nach wie vor präsentiert. Angeblich soll er Fußball spielen. Und zwar richtig gut. Nicht gut genug für die Bundesliga, aber gut genug um zum Geschwätz der Hölle zu werden. Denn eines muss man über die Hölle wissen. Sie ist der Inbegriff von Klatsch und Tratsch. Als ich das erste Mal davon hörte versuchte ich mir Damien auf dem Platz vorzustellen. Ein sinnloses Unterfangen, da mein Kopf immer wieder die gleiche Abfolge von Bildern abspielte. Der Trauerklos steht einfach nur da, weil er den Anpfiff verpennt hat. Plötzlich kommt der Ball mit voller Wucht angeschossen und knallt ihm mitten ins Gesicht. Er landet auf dem Hintern, sieht sich verwirrt um, steht auf und entschuldigt sich bei dem armen Ball und seinen Mitspielern dafür, dass sein Kopf scheinbar im Weg gewesen ist und er das Spiel nicht mehr weiter stören wird. Ungefähr das ist mein Bild von ihm. Er ist ein höflicher und blöderwiese auch liebenswerter Kerl. In der Regel möchte er niemanden etwas Böses, was uns seinen neu gewonnenen Job nicht unbedingt erleichtert. Oft führen wir in Besprechungen stundenlang Streitereien darüber ob er seinen Pflichten als Teufel nachkommt oder nicht. Also seine Belegschaft versucht sich zumindest mit ihm zu streiten. Ich sitze die Meiste Zeit gelangweilt daneben und beobachte das Geschehen. Es ist stets sehr einseitig, da Damiens Strategie immer auf zwei Vorgehensweisen beruht. Verzweifelt rumzudrucksen oder wortlos die Arme zu verschränken. Und das Tagelang, wenn ich nicht schlussendlich die Geduld verliere und den Streit mit der Drohung Beenden würde, alle seine Spielekonsolen mit samt den Spielen ins Fegefeuer zu werfen. Eine eher fragwürdige Drohung, da ich keine Ahnung habe wo Damien überhaupt wohnt. Aber solange es funktioniert soll es mir Recht sein. Denn ich verbringe meine Freizeit lieber zu Hause als mir das stundenlange Rumgewüte einer Hand voll Dämonen anzutun die kurz davor stehen innerlich zu implodieren, weil ihr Chef ein inkompetenter Vollidiot ist, wie mir der Buschfunk zugetragen hat. Wenn wir nicht gerade in nervigen Sitzungen hocken, hängen wir die meiste Zeit in Damiens Arbeitszimmer ab und stellen uns eher schlecht als Recht dem gigantischen Maß an Bürokratie. Formulare, Anträge, Passierscheine und Anordnungen stapeln in mehreren Papierstapeln und Kisten bis unter die Decke und so viel Mühe man sich auch zu geben scheint, es wird einfach niemals weniger. Die scheiß Hölle ist ein beschissenes Amt und nun bin ausgerechnet ICH darin gefangen! Unsere Zusammenarbeit gleicht ungefähr der eines von Lehrern zusammengestellten Teams zweier Schüler. Man arbeitet stillschweigend nebeneinander her, gleicht seine Gedanken kurz ab oder stellt dem hoffentlich klügeren Partner eine Frage nur um festzustellen, dass dieser dummerweise die Aufgabenstellung genauso wenig verstanden hat wie man selbst und wartet schlussendlich einfach darauf, dass die Schulglocke einen von dieser stillen Qual erlöst. Nur das sie in unserem Fall wohl einfach niemals enden wird. Kapitel 3: 03|die Hölle ----------------------- Unser neues Leben startete mit einem riesigen Rundgang durch die halbe Hölle. Nur die wichtigen und interessanten Abteilungen. Den Rest würden wir ohnehin nach und nach kennen lernen. Seniors persönlicher Buttler- er erinnert mich immer wieder an eine Fusion aus Schildkröte und Pinguin- übernahm die Führung, angefangen damit wie wir die Hölle durch den Personaleingang betreten. Es ist ein simples Vorgehen. Man wählt auf seinem Smartphone die Ziffern 666 und wenn man eine Zugangsberechtigung besitzt landet man urplötzlich in einem tristen, kalt wirkenden, grauen Eingangsbereich mit nichts weiter als einem brennenden Loch im Boden in der einen Ecke, einem uralten Telefon mitten an der Wand, einem Fahrstuhl am Ende des Raums und einen gegenüber des Telefons sitzenden durchtrainierten Dämonen, dessen Gesicht vor unserem Amtsantritt zuvor NIE, wirklich NIE hinter einer gigantischen Zeitung hervorgeschaut haben soll, auf der stets in gigantisch großen Buchstaben Titel prangern wie ‘neuster Höllentratsch‘, ‘Next Top Dämon‘ oder ‘was geschah in der letzten Episode von DÄMON 0-8-15 - auf der Suche nach Akephalos Kopf‘. Durch das Telefon kann man die Hölle wieder verlassen. Der Muskelprolet stellt sicher, dass man nicht versehentlich unerwünschten Besuch mitbringt oder hinausschmuggelt und das brennende Loch, - nun ja, durch das klettern all die Dämonen zurück die man ganz ausversehen- WIRKLICH ganz ausversehen abgemurkst, beziehungsweise denen man aus reinem Selbsterhaltungstrieb eine Kugel durch den Kopf gejagt hat. Betritt man den Fahrstuhl findet man tatsächlich eine stinknormale Fahrstuhlkabine mit der langweiligsten und langatmigsten Musik aller Zeiten vor. Der einzige Unterschied ist die gigantische Schalttafel die sich vom Boden bis zur Decke erstreckt und einen zumindest in der Theorie einmal durch die komplette Hölle schicken könnte, wenn es nicht verboten wäre. Mister Schildkrötenpinguin vermittelte uns mit seiner quakenden Stimme mehr als eindringlich dass DIESER Fahrstuhl nur rein dazu da ist um ins Höllenzentrum zu gelangen. Da DIESER Fahrstuhl der einzige ist der eine direkte Verbindung zur Eingangshalle besitzt. Um eventuelle Wartezeiten oder gar Fahrstuhlstaus zu verhindern, solle man sich damit nur ins Zentrum begeben und anschließend einen der zig anderen Fahrstühle aufsuchen um schlussendlich sein Ziel zu erreichen. Das Höllenzentrum gleicht ungefähr einem unterirdischen Einkaufzentrum. Links und rechts sind die verschiedensten kleine Läden aufgereiht. Von der neusten Mode bis hin zum kleinen Unterweltimbis wie ‘Teds Todeswurst‘ gibt es quasi alles. Die unterschiedlichsten Gestalten kreuzten unsere Wege- nichts unbedingt unerwartetes, wenn man bedenkt wo wir uns gerade befanden. Was für Damien und mich allerdings doch etwas gewöhnungsbedürftig war, sind nach wie vor die Lichtquellen. Alle paar Meter reiht sich ein brennender Papierkorb auf. Bei dem regen Verkehr der dort immer herrscht für Damien und mich nicht unbedingt ein Wohlgefallen, da wir im Gegensatz zu scheinbar allen anderen bei Berührung durchaus Feuer fangen können, was meinen neu gewonnenen Ehegatten natürlich prompt am ersten Tag auch geschah. Daher suchen wir seit dem Einstieg in unser Amt nach dem passenden Formular eine weniger schmerzhafte Lichtquelle anzufordern, als eine unzählige Anzahl an menschenverachtenden Minihöllenfeuern. Womit wir nun zum Thema Höllenfeuer alias das Fegefeuer kommen. Offensichtlich scheint Seniors Pokerrunde nicht die einzig dumme Idee des großen Herrschers über Unterwelt und Tod gewesen zu sein. Der gute Herr hatte nämlich scheinbar schon immer ein reges Talent dafür die Hölle in eine Art Misskredit zu stürzen. Eine seltsame Vorstellung, die ich immer noch versuche zu verarbeiten, da ich wie vermutlich jeder andere auch, davon ausgegangen war, dass weder Himmel noch Hölle irgendwelcher Regeln untergeordnet sind, geschweige denn irgendwelchen Finanzen. Aber ganz offensichtlich gibt es so etwas wie eine Art unabhängige Finanzbehörde, die jedes Vorgehen beider Seiten genauestens beobachtet und klare Bedingungen schafft. Alles ist in deinem Job erlaubt, solange du die richtigen Formulare ausfüllst und dein Vorhaben finanzieren kannst. In der Hölle herrscht allerdings die unangefochtene Verschwörungstheorie, dass diese Behörde Gottes Intrige ist um sich einen Vorteil im alles wehrenden Wettkampf der zwei Großmächte Himmel und Hölle zu verschaffen. Denn das ist es was die Erde und ihre Bewohner für das Höllenpersonal sind- ein gigantisch großes Spielfeld mit rund 7,8 Milliarden Spielfiguren in einem seit Jahrhunderten wehrenden Kriegsspiel. Wie dem auch sei, so oder so schien Teufel Senior nicht unbedingt der talentierteste Spieler auf dem Spielfeld zu sein und so musste er auf Einsparungen zurückgreifen um weiterhin im Spiel zu bleiben. Demnach kann man sich wohl meine tiefsitzende Enttäuschung vorstellen, als wir bei der Besichtigung des gigantisch großen und unsagbar grausamen Fegefeuers den wohl mickrigsten Kamin aller Zeiten vorfanden in mitten des gefühlt größten Brennmaterialhaufens den ich je zu Gesicht bekommen habe. Seitdem blutet mein Herz jedes Mal erneut, wenn das Fegefeuer in meiner geliebten Dämonenjäger- TV-Serie thematisiert wird. Wie konnte Senior ausgerechnet beim Fegefeuer einsparen, wo es doch so viel anderen unnötigen Mist in der Hölle zu sehen gab, dessen Existenz man einfach wegrationalisieren hätte können? Wie zum Beispiel die nutzlose Idee einer Horrorclownschule. Ja, die gibt es wirklich und befindet sich mitten im Höllenzentrum an der vierundsiebzigsten Ecke Namens Bloodlake Street. Genauso platziert, dass egal wo man hin will IMMER daran vorbei muss. Und IMMER hocken einige Horrorclowns davor und testen ihre neu erlernten Techniken an vorbeigehenden Passanten aus. Vorzugsweise an MIR! Ein Zustand der sich erst etwas relativiert hat, seitdem ich mehr als einen von ihnen mit dem kleinkalibrigen Einweihungsgeschenk des ehemaligen Höllenoberhauptes, ein Fahrticket durch das brennende Loch im Eingangsbereich verschafft habe. Es soll ein sehr unangenehmer und extrem kräftezehrender Vorgang sein durch das Loch im Boden der Eingangshalle zurückzukehren, weshalb Dämonen meist darauf verzichten ihre Streitereien untereinander mit einem Gnadenstoß zu beenden. Ähnlich wie bei Männern die unausgesprochene Regel, dass ihre Kronjuwelen heiliges unantastbares Land sind. Unsere Führung führte uns noch viel tiefer in die Welt der Dämonen, vorbei an Wohnhäusern, die man in Wirklichkeit vielmehr Höhlen oder zerfallende Baracken nennen sollte, bis hin zum Monsterzoo, in dem sich sämtliche der gruseligsten, blutrünstigsten und bösesten Höllentiere befanden, die jede Mythologie oder Religion bislang hervorgebracht hatte. Unteranderem ein stolzes Rudel an Höllenhunden, deren Grausamkeit wirklich ein Scheiß im Gegensatz zu der in der Geschichte untergegangenen Höllenkatzen war. Man wird es kaum glauben aber Höllenhunde sind wohl erzogene Befehlsausführer mit denen man in ihrer Freizeit ausgiebig kuscheln und spielen konnte. Sie tun nichts was sie nicht tun sollen. Schickst du sie los um jemanden bestimmtes zu jagen und zu töten wirst du zu hundert Prozent genau dieses Ergebnis erzielen ohne Gefahr zu laufen, dass unbeteiligte versehentlich mit zu Schaden kommen. Schickst du allerdings auch nur eine einzige Höllenkatze mit dem gleichen Auftrag los, kann der Auftrag schon einmal in einem Blutbad enden, welches anschließend als politisch oder religiös orientiertes Attentat in die Geschichtsbücher eingeht, einfach weil die Katze keine Lust hatte Befehle zu befolgen. Denn NIEMAND schreibt einer Höllenkatze vor was sie zu tun oder zu lassen hat- Höllenkatzen sind stolze Freidenker und eben deshalb wurden sie in die Kategorie RISIKO eingeordnet und von jeder Art von Außeneinsätzen befreit, insofern nicht vorher ihre Fähigkeiten blockiert wurden. Sie dürfen nur noch als alltagstaugliche Taschenversion ihrer selbst, zum Beispiel in Form eines Pechsymbols in der Menschenwelt auftreten, daher auch die berühmte schwarze Katze. Dazu werden ihre übernatürlichen Fähigkeiten unterdrückt und sie auf Hauskatzengröße geschrumpft. So wie auch bei den drei kleinen Monstern die ich nun seit geraumer Zeit bei mir zu Hause beherberge. Pech, Schwefel und Pest. Doch nur weil ihnen ihre alles zerstörende Kräfte genommen wurden, macht es sie nicht weniger lästig oder gar gefährlich. Diese kleinen Fellknäule verstehen sich durchaus darin ihren anhaltenden Frust über ihre Situation zum Ausdruck zu bringen, denn ihre Zerstörungswut kennt keine Grenzen. Ich habe Glück, dass meine Mitbewohnerin zuvor keinerlei Erfahrungen mit stinknormalen Hauskatzen gesammelt hat und ansonsten ziemlich genügsam mit meinen Erklärungen, dass Katzen nun mal so sind, zu sein scheint. Judy, meine Mitbewohnerin und beste Freundin weiß nichts von meinem neu gewonnenen Doppelleben und ich tue gut daran, dass dies auch weiterhin so bleibt. Denn ich mag mir gar nicht vorstellen was für ein Chaos entstehen würde, wenn sie davon erfahren würde. Von den drei Quälgeistern komme ich am besten mit Pech klar. Er ist erstaunlicherweise ein kleiner Sonnenschein, der sich darin versteht jeden auf Anhieb für sich einzunehmen und vergessen zu lassen was für ein frecher Kerl er eigentlich ist. Er hat es Faust dick hinter den Ohren und liebt es Judy zu provozieren indem er ihre Zimmereinrichtung liebend gern zum Einsturz bringt. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Anschließend schaut er sie mit den größten und unschuldigsten Kulleraugen die die Menschheit je zuvor gesehen hat an, so dass ihre einzige Waffe sich dagegen zur Wehr zu setzen darin besteht ihn für sage und schreibe dreißig lächerliche Minuten auszusperren, bis sie letztendlich einknickt und ihn doch wieder hereinlässt um kurze Zeit später das Spiel vom neuen zu beginnen. Ende vom Lied ist jedes Mal, dass Judy die Geduld verliert und versucht den dreisten Kater hinterher zu jagen während er strahlend zu mir gerannt kommt um sich seine Belohnungsstreicheleinheiten abzuholen, die ich ihm nicht mal verwehren kann, da mich ihr Disput doch ziemlich belustigt. Anders wiederum ist es bei Schwefel und Pest. Schwefel vergöttert meine Mitbewohnerin. Und zwar so sehr, dass er stets um punkt fünf Uhr morgens das gesamte Haus zusammen schreit, damit sie ihn endlich in ihr Zimmer lässt. Bleibt sie übers Wochenende weg, was gar nicht so selten vorkommt, da sie das komplette Gegenteil meiner Wenigkeit ist, bestraft er mich für ihre Abwesenheit. Seine Bestrafung ist ein ausgiebiger und perfekt einstudierter Prozess. Zuerst stundenlanges Gejaule im Flur, gefolgt vom Versuch mich bei jeder Gelegenheit zu Fall zu bringen indem er mir in letzter Sekunde vor die Füße sprintet. Systematisches, in perfekten Streifen Abziehen der Tapete im Flur gefolgt vom zerkratzen der Wände rundum das Wohnzimmerfenster. Fäden der Handtücher im Badezimmer ziehen, ausräumen des Regals um mich zu guter Letzt mit dem verachtungsvollsten Todesblick zu malträtieren während er sich schmollend auf den Sessel zurückzieht und zu einem Felldonut zusammen rollt. Pest ist dagegen in seinem Vorgehen sehr viel spontaner und nicht ansatzweise berechenbar. Ich bin mir sicher in ihm schlummert das pure Böse, welches nur darauf wartet eines Tages herauszubrechen um die längst überfällige Apokalypse vom ursprünglich prophezeiten einundzwanzigsten Dezember 2012 nachzuholen. Uns beide verbindet eine wirklich intensive Hassliebe. In dem einen Moment reißt er die halbe Bude in seiner Zerstörungswut ein, hängt sich wie Tarzan an die Gardinen und schwingt hin und her, greift meine Füße an, beißt und kratzt mich, schmeißt mit Katzenstreu um sich, reißt Bilder von Wänden oder benutzt mein Gesicht als Sprungschanze. Im nächsten Augenblick streift er mir schnurrend und bettelnd um meine Beine und möchte stundenlang Schmusen und kuscheln. Und wehe man steht auf um auf die Toilette zu gehen. Dann trifft einen sein empörter Blick mitten ins Herz. Mister Schildkrötenpinguin führte uns ins Anmeldezentrum, welches sich unmittelbar vor dem Haupteingang der Hölle befindet und in mehrere Teilbereiche unterteilt ist. Hier werden alle für die Hölle vorgesehenen Verstorbenen angemeldet, katalogisiert und ihrem Strafverfahren zugeordnet. Es stellte sich heraus, dass das Verhalten eines jeden einzelnen durchaus Einfluss auf den zukünftigen Werdegang nach dem Ableben hat und anhand von Statistiken und vorgegebenen Eckpunkten festgelegt wird ob man der Hölle oder dem Himmel zugeordnet wird. Wie diese Vorauswahl von statten geht wollte uns allerdings Niemand genau erläutern, vermutlich weil es keiner so genau versteht und alle nach Schema F arbeiten, so wie ich meiner Zeit in der Schule- einfach hinnehmen und nicht mehr darüber nachdenken. Was wir allerdings in Erfahrung bringen konnten ist, dass ein Mensch, der in jungen Jahren dazu neigt viele Fehler zu machen und Gemeinheiten zu tätigen durchaus die Möglichkeit besitzt, der Hölle und seiner damit verbundenen Strafe zu entgehen. ‘Das Gesamtpaket eines Lebens ist ausschlaggebend‘, erklärte uns ein Mitarbeiter. Was so viel bedeutet wie, nur weil du böses tust, heißt es nicht, dass du böse bist. Alles wird berücksichtigt, angefangen damit ob man aus seinen Fehlern lernt, ob man Reue zeigt, Selbstreflektion, geistige Erkrankungen besitz, Lebensumstände, bis hin zu Unsicherheiten, Ängsten und anderen Emotionen, ebenso wie Mut, gesellschaftliches Verhalten, Lebensfreude und so weiter, die negativen Handeln oder Denken entgegen wirken können. Man sammelt also sein ganzes Leben lang Plus –und Minuspunkte auf seinem Karma Konto, in der Hoffnung, dass die Pluspunkte am Ende überwiegen. Die KARMA-Studie führt dabei über jede Person genau Buch und versucht einem durch kleine Hindernisse Chancen zum Selbstausgleich zuzuspielen. Zumindest sollte es so sein, wenn nicht gerade irgendein dämlicher KARMA-Nerd mit deinem Konto Mist gebaut hat. Das Anmeldezentrum ist ein gigantisch großes Gebäude mit unsagbar vielen Etagen und Räumen vor denen sich endlos lange Warteschlangen aufreihen und auf die Bearbeitung durch einen der Sachbearbeiter warten, von denen jeder einzelne uns verzweifelt ans Herz legte niemals den Weg des Selbstmordes anzustreben, was Damien und mich unsichere und gleichzeitig verwirrte Blicke austauschen ließ. Es ist nämlich so. Beendest du mit purer Absicht, dein Leben vorzeitig und Selbstständig, sind alle deine im Leben gesammelten Pluspunkte sofort hinfällig und deine Bestrafung besteht darin, auf ewig in der Verwaltung zu sitzen. Für immer Verdammt, sich mit frisch Verstorbenen zu streiten, die der Meinung sind, dass ihre Anwesenheit hier ein Fehler sein muss, da sie ziemlich sicher in den Himmel gehören. Ein wirklich abschreckendes Beispiel, da ich schon in der Welt der Lebenden nicht sonderlich gut mit Menschen kann. Etwas anders läuft es im Serienkiller-Gang. Dort gibt es nur eine einzige Tür am Ende eines ewig langen Flurs mit ebenso nur einer einzigen Warteschlange. Dieser Flur befindet sich weit weg vom allgemeinen Geschehen, weit unten im Kellergeschoss. Hier beginnt die Bestrafung anders als bei allen anderen Verstorbenen bereits vor der Anmeldung. Die Sachbearbeiterin ist ein wahres Urgestein. Und ebenso bewegt sie sich. Jeder Satz, jede Bewegung, sogar jeder Atemzug gleicht der Trägheit eines Faultiers und hält gefühlte Minuten an. Ihr wuchtiger Körper passt kaum auf den kleinen knochigen Stuhl, der bei jeder kleinsten Bewegung jämmerlich knarzt, ihr faltiges Gesicht wirkt wie aus Stein gemeißelt, während ihre winzig kleinen Augen über den Rand einer dicken fetten Hornbrille blinzeln. Ich kann nicht sagen ob die Schlange an Serienmördern erschreckend lang ist, oder tatsächlich erstaunlich kurz, da einige von ihnen wohl schon Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte in dieser Schlange verweilen und darauf warten endlich bearbeitet zu werden. Zumindest lässt es ihre Kleidung vermuten. Alle paar Jahre soll es vorkommen, dass einer von ihnen die Geduld verliert und seinen Vordermann umbringt, einfach weil er seinem Blutdurst nicht mehr standhält oder sich erhofft schneller voran zu kommen. Ärgerlich, da dieser sich zur Strafe mit samt seinem Opfer wieder ans Ende der Schlange anstellen muss. Nachdem wir beim Anmeldezentrum alles Sehenswerte zu Gesicht bekommen hatten ging es wieder zurück ins Höllenzentrum, auf direkten Weg in unsere Privaträume, sowie Damiens Arbeitszimmer und mehrere Büros sowie Verhandlungsräume, welche alle samt eher unspektakulär wirkten, aber auf ihre ganz eigene Art einen gewissen Scharm ausstrahlen. Alle Räume hatten etwas Rustikales an sich und deren Möbel erinnerten an die Einrichtung, welche man nur noch aus alten Krimis kannte. Dunkles, edles Holz, alte Kamine, gigantische verstaubte Kronleuchter, Wände voll mit uralten Schätzen in Form von Büchern und Bildern. Überall gab es was zu entdecken und begutachten. Allein das Arbeitszimmer erinnerte an ein uraltes Arbeitszimmer des größten Mafiosos aller Zeiten. Eine leichte Note von Zigarrenrauch und Pfeifentabak lag noch immer in der Luft und hatte sich in die Kissen des uralten Sofas festgefressen. Als wir dort ankamen, rannte ein Haufen aufgeregter Gnome immer wieder von A nach B um alles Mögliche in diesem Raum auszumessen während ein weiterer, der das Geschehen unter stätigen Gezeter überwachte, mehrere gigantische Möbelkataloge unserer aktuell größten Möbelhäuser auf der Erde durchblätterte. Offensichtlich war man der Meinung gewesen, dass man eine optische Anpassung aller Räumlichkeiten an die neuen Herrscher tätigen müsste, da Menschen es für gewöhnlich hell und fröhlich mochten. In der Welt der Lebenden war es der Zeitig Trend, seine Wohnungen hell und offen einzurichten. Weiße Möbel im Landhausstiel, zu netten Kontrastfarbenden Wänden und Dekorationsartikeln wie Lichterketten, Kerzen, verschnörkelte Bilderrahmen und unsagbar vielen Pflanzen die den Raum einladend und lebendig erscheinen ließen. Ein Stil der meinem Geschmack durchaus in die Hände spielte. Aber halt auch ein Stil, der nichts im Vergleich zu dem war, was sich in diesem Moment vor uns erstreckte. Der Gnom mit den Katalogen stürzte sich sofort nachunserer Sichtung auf uns um Damien und mir Unmengen an Fragen zu Geschmack und Einrichtungswünschen zu stellen. Doch Damien interessierte sich nicht groß für die Raumgestaltung seines künftigen Arbeitszimmers, so wie die Gestaltung sämtlicher Räume in unserer Hauptzentrale beziehungsweise dem Höllenschloss. Er war noch immer viel zu sehr damit beschäftig, zu verarbeiten was ihm hier eigentlich geschehen war und hoffte insgeheim immer noch darauf, dass sich alles als ein verrückter Traum entpuppte. So überließ er alle Entscheidungen mir und ich versuchte dem kleinen Mann zu verstehen zu geben, dass wir alles so beibehalten wollten wie es war. Ich bin mir nicht sicher ob ich dem kleinen Gnom damit nun einen Gefallen getan oder ihn eher wütend gemacht hatte. Er starrte mich eine gefühlte Ewigkeit an. Atmete einmal tief durch und fing an neue Befehle zu zetern, welche schlussendlich dafür sorgten, dass allesamt durch zur Tür hinaus flüchteten. Er selbst sammelte murmelnd die rumliegenden Kataloge ein, warf sie alle samt in den Kamin, verbeugte sich kurz vor uns und verließ schnurstracks den Raum. Aber wie dem auch sei. Ich bin bis heute stolz darauf diese wunderschöne Einrichtung gerettet zu haben. Und wie sich im Nachhinein herausstellte, sammelte ich mit dieser winzig kleinen und eigennützigen Entscheidung unzählige Pluspunkte bei Teufel Senior für ‘unsagbar guten Geschmack‘. Kapitel 4: 04|Abbygale ---------------------- Von der restlichen Führung und den angeblich wichtigen Vorträgen von Mister Schildkrötenpinguin bekam ich allerdings nicht mehr wirklich viel mit. Zum einen weil die ganze Tour bereits mehrere Stunden anhielt und unsagbar viele Informationen mit sich brachte, zum anderen weil sich wie aus dem Nichts eine Bewohnerin der Hölle zu uns gesellte, die vor Aufregung fast zu platzen schien. Völlig überdreht und begeistert, dass hier in dieser höllischen Einöde endlich mal etwas Abwechslung eintrat, stürzte sie sich auf mich und sabbelte wie ein Wasserfall auf mich ein. Abbygale. Oder im Allgemeinen eher als Pandora oder der Inbegriff aller Todsünden bekannt. Kurz genannt einfach Abby, brachte erneut mein ganzes Weltbild und alles was ich bis dahin glaubte zu wissen völlig durcheinander. Denn bei Pandora handelte es sich weniger um eine aus Lehm geformte Frau die auf die Erde entsandt wurde und alles bekannte Übel über die Menschheit brachte, als vielmehr um eine etwas eigensinnige Dämonin mit Persönlichkeitsstörung. Um genau zu sein mit SIEBEN Persönlichkeiten plus die eine, die sich in diesem Moment lebhaft auf mich stürzte. Jede dieser Persönlichkeiten ist der Inbegriff einer der uns bekannten Todsünden. Superbia auch bekannt als Hochmut. Avaritia, der Geiz. Luxuria, die Wolllust. Ira, der Zorn. Gula, die Völlerei. Invidia, der Neid und zu guter Letzt Acedia, die Faulheit. Jede dieser Persönlichkeiten besitzt ihren eigenen Namen und je nachdem welche gerade die Vorherrschaft besitzt verändert sich auch Abbys Erscheinungsbild und entsprechend auch einige ihrer Fähigkeiten. Im Allgemeinen hat sie sich selbst meist ziemlich gut im Griff und kann beeinflussen wer sie gerade vor hat zu sein und oft macht sie sich einen Spaß daraus zwischen ihnen hin und her zu wandern um ihrer Umwelt auf die Nerven zu gehen. In ihrer wilden Jugend, insofern Dämonen eine Jugend besitzen soll sie darin allerdings noch nicht so kontrolliert gewesen sein und so kam es, dass sie aus Trotz auf die Erde wanderte um der echten Pandora eins über den Schädel zu ziehen und in der Menschenwelt ein unbeabsichtigtes Chaos anzurichten. Zur Strafe, für ihr eigenmächtiges Handeln und den Papierkram der anschließend auf die Hölle zukam, bekam sie eine Art Hausarrest. Die Büchse der Pandora war demnach gar keine Büchse. Sie war viel mehr eine 1,50 mal 2,00 Meter große versiegelte Holzkiste, gerade großgenug damit Abbygale darin Platz fand und möglichst stark in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt war. Einige Hundert Jahre dauerte der Arrest an und wurde schlussendlich vorzeitig von einem dummen Priester aufgehoben, der sich einfach nicht an die Anweisungen seiner Vorgänger, diese Kiste unter KEINEN Umständen zu öffnen, halten wollte. Die dummen Taten von wirklich dummen Menschen in Horrorfilmen sind also nicht sonderlich weit hergeholt, denn Menschen sind wie Höllenkatzen- sie lassen sich nichts verbieten. Abby hatte in den vielen Jahren ihres Hausarrestes ein riesiges Pensum an Langerweile abzubauen und Vertrieb sich der Weile die Zeit mit dem Basteln von Unheil. Sie konnte ja nicht ahnen, dass irgendein dummer Mensch, genauso wenig auf Regeln gab wie sie und das Siegel ohne Vorwarnung brach um zu sehen was sich unter dem Deckel befand. So kam es, dass die Menschheit noch bis heute von unkontrolliertem Übel heimgesucht wird. Übel, auf das weder Himmel noch Hölle Einfluss haben. Und zwar nur, weil ein aufmüpfiger Mensch aus reiner Neugierde die sogenannte Büchse der Pandora öffnete und Abbygale es nicht schaffte ihre Zeitvertreibe rechtzeitig zu fassen zu bekommen, bevor sie auch schon in die Welt hinaus geflogen waren um ihr Werk zu verrichten. Sie muss offensichtlich geahnt haben, dass ihre Lebensgeschichte ein kleines religiöses Chaos in meinem Kopf ausgelöst hatte. Denn gleich hinten ran gab sie mir auch schon die Erklärung für gefühlt alles Wiedersprüchige was mich künftig noch verwirren sollte. Kein Glaube dem die Menschen folgen ist richtig. Aber auch keiner ist falsch. Es gibt nicht diese eine einzige Religion. Vielmehr ist jede in ihrer Art und Weise präsent und jede mit allen anderen verbunden, wodurch es immer wieder zu Überschneidungen in ihrer Überlieferungen kommt. Was in der Menschenwelt schlussendlich als Glauben herauskommt, hängt ganz allein von der Interpretation eines jeden Einzelnen ab. Doch eines haben sie alle gemeinsam. Ehre das Leben, ehre den Tod. Ein Grundsatz, der vor allem Heut zu Tage viel zu oft in Vergessenheit gerät. Abby ist eine unglaublich neugierige und wissbegierige Dämonin, die sich schnell gelangweilt und unterfordert fühlt. Allerdings auch das genaue Gegenteil verkörpern kann. Doch im Allgemeinen findet sie uns Menschen unglaublich spannend, da wir, wie sie es gerne nennt so voller Unvollkommenheit und Fehler strotzen, dennoch immer einen Weg finden durchs Leben zu kommen. Und da sie sich den Entschluss gefasst hatte ab sofort zu meinen besten Freundinnen zu gehören, fiel sie schnurstracks in mein irdisches Leben ein, indem sie sich einen Job bei mir auf Arbeit verschaffte und zwar so, als wäre sie schon immer Teil des Teams dort gewesen. Aber da sich herausstellte, dass die Firma in der ich arbeitete einem sehr hochrangigen Dämonen der A Klasse gehörte, nicht weniger verwunderlich. Auf mein Nachhaken hin, wieso ein Dämon ausgerechnet eine Lebensmittelkette in der Menschenwelt besitzt, erzählte mir meine neu gewonnene Freundin von der Macht – und Geldgier vieler Dämonen. Da nicht jeder Dämon in der Menschenwelt herumwüten kann wie es ihm gerade in den Kram passt, haben sich viele von ihnen eine Art Ventil zugelegt. Als Chefs großer Firmen steht es ihnen frei zumindest im Rahmen der geltenden Gesetze ihre Mitarbeiter auszubeuten und zu quälen. Nebenbei Scheffeln sie ein Haufen Geld, gehen ihren Vorlieben nach Luxus in Form von teuren Autos, Villen oder Jachten nach. Mein Chef ist da auch ziemlich gut drin. Er hortet das Geld und hat das unsagbare Talent die größten Vollidioten um sich zu Scharren um uns Angestellten mit unrealistischen Vorstellungen und Wünschen tierisch auf den Geist zu gehen, während wir für ihn schuften und jede noch so realitätsferne Idee in die Tat versuchen umzusetzen. Was er allerdings noch nicht mitbekommen hat, dass eine seiner Mitarbeiterinnen nun die Ehefrau seines Chefs ist und Abbygale und ich schließen immer wieder neue Wetten ab, wann er die First Lady der Unterwelt endlich erkennt. Aber da ich auch hier für die meisten gefühlt unsichtbar bin, wird das mit ziemlicher Sicherheit noch sehr, sehr, seeeeehr lange dauern. Nachdem Abby sich erfolgreich in mein irdisches Leben mit eingeschlichen hatte, konnte ich mich ihr und ihrem pausenlosen Geschwätz über den heißesten Dämon aller Zeiten nicht mehr entziehen. Jared, der Dämon aus dem Eingangsbereich. Der, der stets nur über seinen Zeitungsrand hinausblinzelte, wenn wir die Eingangshalle betraten und nie mehr Anteilnahme als ein kurzes Nicken schenkte, während man den Raum bis zum Fahrstuhl durchquerte. Aber auch der Jared, der bereits zum neunzehnten Mal zum heißesten Dämon der Unterwelt gewählt und bereits zum dritten Mal als Kalendermodel für alle 12 Monate des Labels SÜNDHAFT abgelichtet wurde. Der Jared, der so pflichtbewusst ist, dass er seinen Posten niemals verlässt ohne einen von ihm erschaffenen Doppelgänger den Platz einnehmen zu lassen. Der Jared, der stets korrekt und immer Termingerechte seine Berichte abgibt. Der Jared, der sehr viel interessierter am Geschehen der Unterwelt zu sein scheint, seitdem wir aufgetaucht sind. Der Jared- … Ja, Jared ist seither ein all gegenwärtiges Thema. Und wird es vermutlich auch für immer bleiben, da egal was Abby auch versucht um dem beliebtesten und heißesten Dämon der gesamten Hölle aufzufallen, es fruchtet einfach nicht. Im Gegenteil. Gerade weil Jared so ein Pflichtbewusster Typ ist, hat er nicht wirklich viel für sie und ihre waghalsigen und regelwidrigen Aktionen übrig, mit denen sie stets versucht alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die Sache mit der Büchse der Pandora hatte ihr schon nicht besonders viele Pluspunkte eingebracht und die Ergebnisse die sie in der Menschenwelt als Invidia und Acedia außerhalb geltender Richtlinien erzielte sprechen einen so ordnungsorientierten Dämonen auch nicht unbedingt an. Von Superbia und Avartitia mal ganz zu schweigen. Und Gula-, es tut mir leid, aber Gula sieht wirklich nicht besonders anturnend aus und gehört auch nicht unbedingt zu den sympathischsten Wesen die ich kennenlernen durfte. Generell scheint Jared sich für keine ihrer Persönlichkeiten besonders groß zu interessieren, während andere ziemlich schnell dem Charme von Luxuria, der Wolllust erlegen sind, zeigt er ihr nach wie vor stets die kalte Schulter. Ganz offensichtlich findet er Abby generell ziemlich lästig. Denn nicht allzu selten wirft er mir ein stillschweigendes Augenrollen über dem Rand seiner Zeitung zu, bevor diese sich wieder zwischen unser Sichtfeld schiebt. Einzig und allein Ira lässt ihn interessiert die Zeitung senken und das Geschehen beobachten. Ich bin mir allerdings nicht sicher ob das wirklich an Abby liegt, oder vielmehr an der allgemeinen Situation, die dieses Spektakel ab und an auslöst. Das allererste Mal begann alles mit einer kleinen Meinungsverschiedenheit auf Arbeit. Wir haben ganz offensichtlich ein doch ziemlich unterschiedliches Bild in Bezug auf Qualität, was eine kleine Streiterei auslöste, welche sich durch immer mehr nervige Kleinigkeiten zu einem handfesten großen Streit entwickelte. Was unteranderem dem zu verschulden war, dass ich als Mensch sehr viel sensibler auf die Sticheleien ihrer zich widerlich stichelnder Persönlichkeiten reagiere, als jeder Dämon weit und breit. So kam es, dass wir uns wild zankend von Arbeit zur Eingangshalle begaben und es von dort gerade so bis in Damiens Arbeitszimmer schafften, als mir endgültig der Geduldsfaden riss und ich mit Teufel Seniors Geschenk auf Abby zielte und abdrückte bevor Damien mich auch nur hätte davon abhalten können. Gefolgt von einem lauten Knall entstand eine gigantische Rauchwolke um uns herum. Ich weiß noch genau wie schockiert Damien mich fragte ob ich den Verstand verloren hätte und was in mich gefahren sei. Und das ich selbst so schockiert war, dass ich ihm nicht antworten konnte. Es ist ein wirklich sehr irritierendes Gefühl. Eben noch wurdest du von unzähligen Gefühlen, vor allem aber von Wut übermannt und im nächsten Moment waren sie, so wie Abby komplett verpufft, als wären sie nie wirklich da gewesen. Man fühlt sich in binnen von Sekunden unendlich befreit. Das einzige was zurückblieb war ein kurzer Moment der Verwirrung. Ganz anders erging es Abby. Wie bereits kurz angerissen, können Dämonen nicht sterben. Zumindest nicht so wie wir es kennen. Demnach kehrte sie durch das brennende Loch im Eingangsbereich zurück und schleppte sich kraftlos zum Fahrstuhl. Der Prozess der Wiederkehr, ist ein sehr kräftezehrender Prozess, der die Dämonen quasi auslaugt und in Abbys Fall, sie in der Form von Gula verdammt hungrig durch das Loch quetschen lässt, was sie wiederum so wütend macht, dass sie zum Inbegriff des Zorns wird. Denn Hunger kann sie gar nicht leiden. Sprich, mit meiner von ihr ausgelösten Impulshandlung hatte ich nur eines erreicht. Eine wutendbrannte Ira, die immer wieder wie eine Furie auf die Fahrstuhltasten einschlug, damit dieser sich schneller Richtung Ziel bewegte, nämlich gegen alle Regeln auf direkten Weg zur Büroetage, schnurrstrakt zu mir. Als sie den Fahrstuhl verließ, hatte ich das Gefühl meinem schlimmsten Albtraum zu begegnen. Feuerrote Haare peitschten ihr ums Gesicht. Ich hätte schwören können, dass sie in Flammen standen. Vor Wut lodernde Augen und eine Körpersprache die förmlich Schrie ICH REIßE DICH IN STÜCKE, während sie auf mich zu stapfte. Aber offensichtlich hatte Jared pflichtbewusst wie er war, bereits die nötigen Einsatzkräfte informiert, die wie aus dem Nichts auftauchten und sich mit viel Mühe auf sie stürzten um sie nach einem langen Gerangel abzuführen. Nach ein paar Stunden Einzelhaft mit ausreichend Energieriegeln und Schokolade zum Hunger stillen, war sie wieder ganz die Alte und ich konnte mich ohne Angst um mein Leben bei ihr entschuldigen. An diesem Tag lernte ich wohl, dass Wichtigste für unsere Freundschaft. Hab immer was zum Essen in der Tasche. Denn viele Streitereien werden bei ihr durch Hunger ausgelöst. Schaffst du diesen rechtzeitig aus der Welt, bist du sicher. Auf jeden Fall haben wir es an diesem Tag auf die Titelseite aller Klatsch und Tratsch Zeitschriften geschafft, die Abby alle fein säuberlich ausgeschnitten und eingerahmt in ihrem Büro aufgehängt hat. Kapitel 5: 05| Lilith --------------------- Ganz anders als Abby ist Litith zu beschreiben, die sich auch schon bald in meinen engeren Freundeskreis fügte. Sehr viel unspektakulärer und definitiv unauffälliger als Abygale. Mehr so nebenbei, während sich ab und an unsere Wege kreuzten oder sie Damien und mir das ein oder andere Formular erklärte. Lilith ist von ihrer Art her als verschlossen und ruhig zu beschreiben. Eigentlich schon eher arrogant und herablassend. Vermutlich würde allein dies sie charakterlich für den einen oder anderen normalen Menschen als uninteressant erscheinen lassen, wenn da nicht ihre ganz spezielle Aura wäre die vor allem auf das männliche Geschlecht Einfluss zu haben scheint. Denn diese rennen ihr scharenweise nach und keiner wäre sich auch nur eine Sekunde lang zu schade um sich nicht ihrer herablassenden und Männer verachtenden Forderungen zu wiedersetzen. Denn das war sie wirklich, Männer verachtend und regelrecht zerstörend. Es gibt nur einen kleinen Kern des männlichen Geschlechts, den sie anerkennt und toleriert. Zu unserem Glück zählt Damien deutlich dazu. Ganz offensichtlich nicht nur wegen seines neu gewonnenen Titels, sondern vielmehr, weil er Frauen als ebenbürtig betrachtet und mit keinerlei Vorurteilen behaftet ist. Ebenso wie Jared. Und das macht unsere Freundschaft wiederum ein wenig kompliziert. Denn Lilith und Jared verstehen sich besonders gut. Auch ohne ihren Ganzen Aura Hokus Pokus, scheint er sie recht interessant zu finden und in ihrer Gegenwart auf seine verschlossene Art sogar irgendwie aufzublühen. Ihre Wege kreuzen sich oft. Da auch sie seit Jahren zur heißesten Dämonin der Unterwelt zählt und ebenso bereits viele Kalender mit ihren Ablichtungen füllen konnte. Nicht allzu selten, finden ihre Shootings zur selben Zeit am selben Ort statt und genauso so selten werden sie in den Klatsch Zeitschriften als ideales Paar bezeichnet, dass einfach noch nicht zueinander gefunden hat. Schwer zur Begeisterung von Abby. Sie kann Lilith absolut nicht ausstehen und ist froh, dass diese nicht oft Teil unserer Runde ist, sondern lieber anders ihre wertvolle Zeit vertreibt als sich mit solch lächerlichem Fußvolk abzugeben. Eine bewusste Stichelei um Abby zu provozieren, was mich nicht selten meinen kompletten Abby-Notfall-Schokoriegel-Vorrat kostet. Über Liliths Vergangenheit ist relativ wenig bekannt. Sie gehört scheinbar zu den ältesten hier, sieht aber kaum älter als ich aus. Vielleicht sogar jünger. Meist sieht eh jeder Kerl eine Frau in eben genau dem Alter vor sich, dass er selbst gerade bevorzugt. Sie hat langes blondes Haar, was sich perfekt lockt, nie verknotet oder verstrubbelt. Dazu einen perfekten Körper, der genau dem menschlichen Schönheitsideal entspricht. Sowie große blaue Augen und ein perfekt geformtes Gesicht, mit weicher, tadelloser Haut- kurz um, man fühlt sich neben ihr noch schäbiger und unscheinbarer als sowieso schon. Für Lilith ist Privatsphäre sehr wichtig, was wohl unteranderem auch der Hauptgrund dafür zu sein scheint, wieso sich meine beiden neu gewonnenen Freundinnen so wenig leiden können, da zumindest Abby das Wort Privat ganz offensichtlich nicht in ihrem Wortschatz besitzt und nicht allzu selten versucht mehr über ihre Liebes-Rivalin herauszufinden. Ganz offensichtlich weiß niemand so wirklich über Lilith Bescheid. Aber nach längerem Stochern in unzähligen Quellen hatte Abygale immerhin eines aufzuweisen. Es gibt zumindest ein Gerücht über die ca. 1,70 Meter große, perfekt erscheinende blonde Dämonin. Vor langer Zeit soll sie wohl mit dem guten Adam angebandelt sein. Eine Liebesgeschichte, die offenbar kein gutes Ende nahm, da wie wir alle wissen, der liebe Adam ja schlussendlich mit Eva in die Erzählungen und Aufzeichnungen der Menschheit eingegangen ist. Laut Abbys Quelle, waren Lilith und Adam sich ziemlich ebenbürtig. Beide wurden aus der Erde geschaffen und zunächst waren sie auch ganz glücklich miteinander. Dummerweise war Lilith noch nie das kleine Hausfrauchen, welches gern über sich bestimmen ließ, was wohl zu einem großen Streit führte der schlussendlich dafür sorgte, dass die Beide getrennten Wege gingen. Adam war scheinbar so erbost über diese Situation, dass er bei seinem Schöpfer petzen ging, der ihm kurzerhand Eva vorstellte, die zumindest charakterlich das deutliche Gegenteil von Lilith zu sein schien, da Adam und Eva von diesem Moment an glücklich zusammen lebten. Anders erging es unserer Freundin. Denn Gott entsandte Engel zur Erde die sie zurück in den Himmel holen sollten, was ihr allerdings deutlich missfiel und sie sich mit aller Kraft dagegen wehren ließ. Was schlussendlich, wieso auch immer, führte die dazu, dass sie mit einem Fluch, der ihre Kinder sterben lassen würde belegt wurde. Was wiederum zur Folge hatte, dass Lilith aus Rache viele Jahrhunderte lang kleine Kinder und Neugeborene tötete. Außerdem darüber hinaus noch bis heute Männer verführte und ihre Machtspielchen mit ihnen trieb. Als Aby mit ihren Erzählungen fertig war wusste ich nicht so recht, was ich von dieser Geschichte halten sollte. Einerseits tat mir die Lilith aus dieser Erzählung leid, zum anderen fand ich diese Art der Rache schon ziemlich heftig. Erstaunlich fand ich zunächst, wie schlecht Gott und Adam bei dem allen wegkamen. Allerdings befand ich mich in der Hölle. Ich schätze es ist ein Ding der Unmöglichkeit hier Jemanden zu finden, der Himmel, Gott und Engel auch nur eine einzige gute Tat in seinen Geschichten zugestehen würde. Und so entschied ich mich, trotz Abys Empörung dafür ihre Recherche mit einem Schulterzucken abzutun. Denn solange Lilith nichts bestätigen oder abstreiten würde, würden wir eh nie erfahren wie wahrscheinlich es war, was Abbys Quelle ihr aufgetischt hatte. Kapitel 6: 6|der Tod hat keine Füße ----------------------------------- Würde mich Jemand fragen was meine Stärken sind, wäre meine Antwort auf jeden Fall, Diplomatie definitiv nicht. Wenn es nach mir ginge würde ich alle in der Hölle auftretenden Problematiken mit meinem neuen Lieblingsspielzeug regeln. Ein Schuss und das Problem verpufft. Leider musste auch ich einsehen, dass selbst in der Hölle nicht alles mit Waffengewalt aus der Welt zu schaffen ist und das sich gigantisch große Berge an höllischen Papieren relativ wenig von einer Kugel aus einem Dämonenrevolver beeindrucken lassen. Ebenso wie Situationen die einfach so abstrus waren, dass ich einfach zu nichts mehr in der Lage war, als meinen Gegenüber ungläubig anzustarren. Wie zum Beispiel bei unserem aller ersten schwerwiegenden Fall, den wir in unserer neuen Position zu bewältigen hatten. Nämlich das Verhindern eines Streiks. Nicht irgendeinen Streik. Sondern dem Streik des Todes. Ich werde nie vergessen wie der Vertreter der so genannten vereinten Sensenleistungsgewerkschaft kurz VER-SE-GE durch die Tür trat um als Repräsentant aller seiner Kollegen ihr Anliegen vorzutragen und gleichzeitig mit den folgenden Konsequenzen zu drohen, sollten wir nicht auf deren Forderungen eingehen. Diese Konsequenzen sahen wie folgt aus: Das sofortige Auslassen herbeigeführter Tode bei hohen Alter, Krankheit oder schwerwiegender Verletzungen. Ebenso wie bei Selbstmördern oder Unfallopfern. Kurz um, er drohte uns mit dem Überleben eines jeden Einzelnen, egal ob seine Zeit abgelaufen war oder nicht. Eine Zunächst rätselhafte Drohung, da zumindest Damien, der liebenswerteste Kerl, der eben Jedes noch so herablassende Leben schätzte, nicht ansatzweise die daraus resultierenden Probleme erahnen konnte. Mir wiederum schwirrte immer noch so der Kopf vom Erscheinungsbild des Vertreters, dass ich nicht drum herum kam ihn nach wie vor wortlos Millimeter genau von oben bis unten zu begutachten. Angefangen bei seinen Füßen. Oder dem Ort wo sie hätten sein sollen. Denn der gute Herr, ich vermute, dass er ein Herr war, schien wenige Zentimeter über den Boden zu schweben. Der Saum seines Gewannt, schwang in leichten Bewegungen kurz über dem uralten Perserteppich hin und her. Ein erstaunliches Bild, da es aussah, als wäre diese Bewegung durch eine leichte Brise verursacht worden. Doch befanden wir uns definitiv in absoluter Windstille, nämlich in Damiens Büro, das nicht ein einziges Fenster besaß. Da wir uns in Mitten der Hölle befanden. Hier gibt es einfach keine Fenster. Und Klimaanlagen auch nicht. Lilith und Abby hatten mir schon mehr als einmal versucht zu erklären, dass mein größtes Problem die Hölle zu verstehen darin bestand, dass mein Verstand sich zu sehr von Menschen festgelegten Bahnen leiten ließe, was meinen Kopf viel zu schnell und viel zu oft an den Rand der absoluten Verwirrung trieb. Dies ließ mich wiederum oft daran zweifeln ob alles hier nur ein Konstrukt meiner seit der Kindheit durchaus überschüssigen Fantasie war und ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich den Verstand verlor. Sie beteuerten mir, dass ich nicht verrückt sei, aber einen Weg finden müsse die für mich realitätsfernen Eindrücke zu verarbeiten und als selbstverständlich hinzunehmen, weil sie sonst befürchteten, dass ich schlussendlich doch noch als Opfer der Logik, den Verstand verlieren könnte. Die Kutte unseres Gegenübers schwang in langen Bahnen an ihm hinunter und fing an ein wenig zappeliger zu flattern, als Damien seine Drohungen nicht als eben solche wahrnahm. Der Vertreter schien darüber ziemlich frustriert, wenn nicht sogar erbost, denn innerhalb weniger Sekunden erschien ein leichter, aber doch furchteinflößende, schon fast bedrohlich wirkender Nebel um ihm herum, der sich von seinen nicht vorhandenen Füßen langsam am Gewand hinauf schlängelte. Der Nebel hatte etwas grünlich, gräuliches und ich könnte schwören, darin kleine rauchende Totenköpfe erkannt zu haben. Sofort versuchte ich meinen Blick davon loszureißen um unserem Gesprächspartner ins Gesicht zu sehen. Wenn dort ein Gesicht gewesen wäre. Langsam fing diese Gestalt an mich zu frustrieren. Seit frühster Kindheit hatte ich ein Problem damit anderen Menschen beim Reden ins Gesicht zu sehen. Augenkontakt fiel mir schwerer als den meisten anderen und wurde permanent von Erwachsenen bemängelt. ‘ Sieh‘ mir gefälligst in die Augen wenn du mit mir sprichst‘! Dies gehöre zum guten Ton, hätte was mit Anstand zu tun und würde meinem Gegenüber Selbstbewusstsein vermitteln. Was diese allerdings vielleicht nicht bedacht hatten ist, dass es schwierig ist Jemanden in die Augen zu gucken um ihm Selbstbewusstsein zu vermitteln, wenn dieser scheinbar gar keine Augen besaß. Oder sie zumindest nicht zeigen wollte. Denn da, wo sich normaler weise das Gesicht eines Menschen befinden würde, befand sich nur ein tiefschwarzer Schatten unter einer gigantisch großen Kapuze, die einfach alles zu verschlingen schien. So lange ich auch versuchte irgendwo die Schemen eines Gesichts zu erkennen, so ergriff mich nur ein sehr mulmiges Gefühl, dass sich Stück für Stück Richtung Panikattacke schob. So lange bis ich beschloss, dass es nicht Wert war einen hysterischen Anfall herauf zu beschwören, nur um eventuell den menschlichen Benimmregeln gerecht zu werden. Vielleicht trug er ja auch gerade deswegen diese alles verschlingende Kapuze. Weil er es genau so wenig leiden konnte angestarrt zu werden wie ich. Mein Blick wanderte weiter zu seiner Sense, die er in der rechten Hand hielt und deren Stab zu meiner Verwunderung außerordentlich hübsch anzusehen war. Erwartet hatte ich einen tristen Stab auf dem am oberen Ende halt das scharfe Messer befestig war, rostig und blutverschmiert. Aber tatsächlich war der Starb aus einer Art schwarzen Metall oder mir unbekannten Stein gegossen beziehungsweise geformt worden, dessen Erscheinungsbild und Verzierungen mich stark an im Barock typischen Kerzenständer erinnerten. Obendrauf die Sichelförmige klinge, glänzend, als wäre sie aus Kristall geformt. Meinen Blick konnte ich erst davon losreißen, als sich die mir mittlerweile mehr als bekannte Stimme von Schildkrötenpinguin zu Wort meldete. Mit aller Empörung gab er zu verstehen, dass die Forderungen, ebenso wie die Drohungen des VER-SE-GE eine absolute Unverschämtheit seien und Hölle, so wie Menschenwelt in ein nie dagewesenes Chaos versetzen würden. Nun horchte ich endlich auf. Ganz offenbar fühlten sich die Sensenmänner und gegeben falls auch Frauen, sollte es sie geben - ich war da noch nicht wirklich auf dem Laufenden- schwer mit ihrer Arbeit überfordert. Durch die in den letzten Jahrhunderten entstehende Überbevölkerung war es zu einem gigantischen Maß an Todesfällen gekommen, die diese tagtäglich abzuarbeiten hatten und nun nach einer neuen Reglung verlangten. Diese sollte entweder in Form von Hilfskräften bewerkstelligt werden oder durch das Aufstocken der Altersgrenzen. Teufel Seniors persönlicher Butler grunzte wie ein Schwein, als wir die Forderungen erneut zu hören bekamen. Die Altersgrenzen waren bereits höher als genug angesetzt worden, was wie Lilith zu verstehen gab unteranderem die Schuld des VER-SE-GEs gewesen sei. Lilith, Abby und Mister Schildkrötenpinguin hatten scheinbar alle schon geahnt, dass uns diese Situation weit überfordern würde und hatten sich allesamt kurz vor Besprechungsbeginn natürlich ganz zufällig bei uns im Büro eingefunden. Lilith erinnerte den Vertreter mit strengen Ton daran, dass nur durch ihr Kopfloses bestreiken ihrer Aufgaben es immer wieder zu erhöhten Arbeitsaufkommen kam. Ganz offensichtlich schien der Tod sich gerne mal mit dem Niederlegen seiner Aufgaben zu beschäftigen, denn Lilith zählte eine lange Liste auf, die eben darauf schließen ließ. Unteranderem soll es im 14. Jahrhundert schon einmal zu einem Streik gekommen sein. Die Sensenmänner legten Monate lang ihre Sensen nieder und als Resultat musste anschließend ein Sonderformular der Kategorie Seuchenverodnung, den in der Zeit als Menschenüberschuss geltenden Lebewesensaufkommen mit einer nie dagewesenen Epidemie, unser eins als Pest bekannt entgegengewirkt werden. Sprich, der Tod schoss sich mit der Aktion selbst ins Knie, da er die Verhandlungen verlor und anschließend mehr Arbeit in kürzerer Zeit zu bewältigen hatte als bereits zuvor. Noch dazu ungeachtet von Alter oder Liebenswertigkeit seiner Opfer. Jahrhunderte später forderten sie, dass Aufstocken der Altersgrenzen. In Bezug auf den sich damals in der Menschenwelt weiterentwickelnden medizinischen Kenntnissen, ging der Teufel tatsächlich auf die Forderungen ein. Resultat war ein kurzes Aufschieben des Todes, so dass den Menschen ab sofort weitere Lebensjahre zur Verfügung standen, bis Alter oder Krankheit sie dahinrafften. Was VER-SE-GE offensichtlich nicht bedacht hatte, dass die Todesfälle nach Ablaufen dieser Jahre trotzdem bewältigt werden mussten. Kurz um, es änderte sich zu diesem Zeitpunkt in gewisser Weise nichts an ihrem Arbeitspensum, außer vielleicht an der Tatsache, dass die Zahl der Bevölkerung in dieser Zeit stetig anstieg und es abzusehen war, dass dies später einmal zu deutlich mehr Arbeitsaufkommen führen musste. Damien verstand die Welt nicht mehr. Er war so festgefahren in seinem -Leben ist Wertvoll- Denken, dass er das damit im Zusammenhang stehende Resultat einfach nicht wahrnehmen konnte. Abby opferte sich auf es ihm zu erläutern, da die anderen deutlich genervt aussahen und seit unserer Anwesenheit nichts anderes mehr konnten als mit den Augen zu rollen, wenn sie schon wieder solch naivem Denken ausgesetzt waren. Der Planet Erde hat nur ein begrenztes Aufkommen an Ressourcen, die bereits beim momentanen Menschenaufkommen angefangen haben zu fluktuieren. Ebenso den unsagbaren Dreck den die Menschheit in die Welt pustet und somit schon lange an ihrer eigenen Zerstörung arbeitet. Ganz ohne Zutun der Hölle. Sollte es nun abrupt zu keinen Toden mehr kommen, hätte es nur zur Folge, dass die Bevölkerungszahlen unplanmäßig ansteigen und innerhalb weniger Jahre kein Platz, geschweige denn Ressourcen zur Verfügung ständen. Ebenso wie die Tatsache, dass uralte Menschen gezwungen wären, auch nach dem Beginn des Zerfallen ihres Körpers noch viele weitere Jahre in Krankenhäusern und Pflegestätten vor sich hinzuvegetieren, sich chronisch und unheilsame Menschen ewig mit Schmerzen durchs Leben quälen müssten, so wie Menschen die Lebensgefährlich verletzte wurden auf ewig mit klaffenden Wunden, zerquetschten Organen oder aufgeschnittenen Arterien leiden müssten. Der Tod sei nicht immer etwas Schlechtes. Sondern er dient auch in gewisser Weise als eine Art der Erlösung. Eine Tatsache, der vor allem Menschen sich gerne verschließen aus Angst vor dem damit in Verbindung stehenden Verlust. Abbys doch recht anschaulich gestaltende Erläuterungen ließen mich schwer Schlucken. Und offenbar hatte sie auch den sanftmütigen Damien damit erreicht, dem hinter seiner Brille jede Art von Farbe verloren gegangen war und nun den Farbton ‘Gespenst‘ angenommen hatte. Das letzte was er wollte war, jemanden Leid zuzufügen und so teilte er der schwarzen Gestallt am anderen Ende seines Schreibtisches mit, dass es ihm Leid tut, aber ein Streik stünde nicht zur Debatte. Bevor er die nächste Dummheit begehen oder wohlmöglich einknicken konnte, sprang ihm auch schon wieder Lilith ins Wort. Sie erinnerte unter stetigen nicken von Mister Schildkrötenpinguin daran, dass es kein weiteres Personal gäbe zur Bewältigung selbstverschuldeter Arbeit. Ebenso wie das heranschaffen und Ausbilden neuer Arbeitskräfte zu viel politisches Aufkommen fordern würde und dass sie sich nicht vorstellen kann, dass Sensenmänner gerne Unterstützung vom Himmel in Anspruch nehmen wollten. Da dies offenbar die einzige Möglichkeit wäre zusätzliche Arbeitskräfte zu erhalten. Natürlich nachdem man einen ewig langen Papierkrieg hinter sich hatte. Daraufhin schreckte die furchteinflößende Gestalt ein wenig zurück. Der Nebel, der noch immer um das Gewand herumwaberte verflüchtigte sich. Niemand, ich betone nochmal – NIEMAND in der Unterwelt arbeitet freiwillig mit den Angestellten des Himmels zusammen. Und der Tod am aller wenigsten. Was wohl unteranderem mit dem Pflichtbewusstsein der guten Engel zu tun hat und wie mir Abby zuflüsterte, der Tatsache, dass dies alles hoch arrogante Ärsche seien, die vor allem den Tod gern bei jeder Gelegenheit vorführen. Ihnen sei es wohl zu verdanken, dass der Tod in der heutigen Gesellschaft gar nicht mehr wirklich als angsteinflößende Gestalt wahrnehmen, sondern als süßer Charakter von Computerspielen, Bildercomic oder sogar in Form von Merchandise als Plüschfiguren, Müslipackungen oder Tassen so wie Suppenschüsseln vertreiben werde. Schildkrötenpinguin stellte mit ein paar letzten Zitaten aus irgendwelchen Gesetzestexten sicher, dass es nicht doch noch zu einem Streik kommen würde. Damit erinnerte er den Vertreter, dass durch das eben getätigtes Gespräch und Zustimmen, dass himmlische Unterstützung unerwünscht sei, der VER-SE-GE nun keinerlei Befugnis mehr zur Niederlegung ihrer Sense hätten. Kurzerhand drehte dieser sich mit um und verließ Damiens Büro mit gebeugter Haltung, frustriert darüber ihre Forderungen nicht durchgesetzt zu haben. DAS war unsere aller erste Aufgabe, die wir- naja eigentlich Damien zu bewältigen hatte. Und bereits an diesem Tag wussten wir, wir würden die Hölle, so wie unsere eigene Welt ins absolute Chaos stürzen, wenn wir nicht dauerhaft unsere Babysitter um uns hätten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)