Perfekt von Centranthusalba (Gregor x Conny) ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Conny umgreift die Träger ihre Tasche fester. Sie war sich immer noch nicht sicher, ob das richtig war. Was sollten diese Dummheiten? Mit zusammengepressten Lippen starrt sie auf den Strand. Wie sollte ihr das beim Wettbewerb helfen? Unter der Androhung sonst über Amy zu reden, hatte Viktor ihr gestern Abend doch noch seine Kassette von „Love of my Life“ ausgehändigt und sie hatte sich damit in ihrem Zimmer eingeschlossen und das Lied auf ihrem kleinen Kinderklavier eingeübt. Dieses Kinderklavier, das sich jetzt in ihrer Tasche befand. „Connyyyyyy“, ruft eine Stimme vom Strand zu ihr herauf. Connys Herz macht einen Satz. Augenblicklich hellt sich ihre Miene auf. „Guten Abend, Gregor“, begrüßt sie ihn, als er die wenigen Treppenstufen zu ihr hochgesprungen kommt. „Guten Abend, Conny.“ Erstaunt blickt er auf ihre Tasche. „Du bist ja so schwer bepackt.“ „Hmmm“, lächelt sie, „für dich.“ „Für mich?“ „Ja. Du wolltest doch, dass ich für dich spiele.“ Sie hebt die Tasche etwas an um ihre Worte zu unterstreichen. Gregor sieht sie immer noch verblüfft an. Er deutet nur wortlos mit dem Zeigefinger auf die Tasche. „Oder möchtest du nicht mehr….?“, fragt sie zögerlich. „Do…do…doch!“, ruft er aus, „aber … sag mir nicht, dass du in der Tasche dort ein ganzes Klavier dabei hast!“ Conny schließt die Augen und lächelt verschmitzt. „Das wirst du gleich sehen.“ Gemeinsam gehen sie hinunter ans Wasser. Conny deutet auf eine felsige Stelle. Ein bisschen Sorgen hat sie nun doch wegen des Sandes, der ihr geliebtes Instrument zum Verstummen bringen könnte. Außerdem schirmten die großen Steine sie etwas vor neugierigen Blicken von der Promenade ab. Die Sonne hat den Untergrund den ganzen Tag lang gewärmt. Ein leichter Abendwind lässt das Meer nur leicht kräuseln. Ein paar Möwen beäugen sie neugierig, als sie sich setzen. Immer noch skeptisch beobachtet Gregor, wie Conny etwas Sand von einem flachen Stein wischt und ihre Tasche öffnet. Mit beiden Händen greift sie hinein und holt ein purpurrotes Klavier im Miniformat hervor. „Kann man darauf tatsächlich spielen?“, fragt er ganz aufgeregt. Conny nickt: „Es ist natürlich nicht wie ein großes Klavier, aber auch auf diesem kann man spielen.“ Sie schlägt probehalber ein paar Tasten an. „Das hier ist mein erstes Klavier“, erklärt sie, „Ich habe es zu Weihnachten bekommen, als ich vier Jahre alt war. Ich war damals richtig verliebt in das Klavierspielen. Stell dir vor, ich wollte es sogar unbedingt zum Schlafen mit ins Bett nehmen.“ Sie lächelt und schließt dabei wieder die Augen. Gregor strahlt sie an und nickt eifrig: „Weißt du, so war das bei mir auch. Meinen ersten Fußball habe ich bekommen, als ich im Krankenhaus lag, weil ich mir das Bein gebrochen hatte. Ich habe den Ball eines nachts draußen vor meinem Fenster entdeckt. Er lag dort im Regen. Jemand hatte ihn wohl vergessen. Ich lief mit meinen Krücken raus und holte ihn. Ich habe ihn auch mit in mein Bett genommen und ihn erst einmal sauber gemacht.“ Plötzlich überkommt ihn ein schelmisches Grinsen: „Das hat ganz schön Ärger gegeben von der Krankenschwester. Aber seitdem war jeder Ball für mich ein echter Freund. Den vom Krankenhaus habe ich immer noch.“ „Ach, deshalb bist du immer mit einem Ball unterwegs?“, schlussfolgert Conny. Ertappt fährt er sich durch die Haare am Hinterkopf. „Jahaa, wahrscheinlich.“ Mit einem gedankenversunkenen Lächeln streicht Conny über ihr Klavier. >Wie ein guter Freund<, denkt sie. Dann sieht sie wieder auf zu Gregor: „Soll ich?“ Gregor setzt sich artig in eine aufrechte Position und strahlt, als würde es gleich Weihnachtsgeschenke geben. „Oh ja“, bestätigt er. Zögerlich spielt sie die ersten Akkorde. Der Wind und das sanfte Rauschen des Meeres verschlucken die Töne. Conny presst die Lippen zusammen. Natürlich musste sie hier lauter spielen als gestern Abend heimlich in ihrem Zimmer. Vorsichtig späht sie zu Gregor hinüber. Er sitzt immer noch brav auf den untergeschlagenen Beinen und strahlt sie an. Als sie zum Refrain kommt, nimmt sie ihren Mut zusammen und spielt lauter. Kräftig schlägt sie mit drei Fingern auf die kleine Tastatur. Gregor nickt begeistert. Seine Hände und Füße beginnen zu zappeln. „Hmhmm… hm hm“, beginnt er zu summen. Conny muss schmunzeln. Seine Freude beflügelt sie. Ihr Herz flattert wie ein kleiner Vogel. Wie von selbst finden Ihre Finger die Tasten, während auch sie beginnt die Melodie im Kopf mitzusummen. Immer noch strahlend sieht Gregor Conny an. Wie sie dort vor ihrem Instrument sitzt, wirkte sie auf ihn, als gäbe es keinen besseren Platz auf dieser Welt für sie. Es war einfach richtig. Sie leuchtete regelrecht von Innen. Wenn sie bisher ein sanfter, verschlossener Engel für ihn gewesen war, dann war sie nun ein strahlender Engel der Musik. Nach der anfänglichen Schüchternheit sitzt sie nun aufrechter, die Schultern zurückgenommen, ein Lächeln auf den Lippen. Endlich hebt sie auch den Kopf und sieht ihn an. Ihre Blicke treffen sich. Sie sehen beide die pure Freude des anderen. Freude über diesen Moment, der nur für sie beide existiert. Gregor hält jetzt nichts mehr im Sitzen. Wie neulich breitet er die Arme aus und beginnt laut mitzusingen: „You are … the love of my liiiiife….nobody else does, what you do to meeeee.“ Conny muss die Augen zusammenkneifen um sich nicht zu verspielen. Doch Gregor lässt sich davon nicht irritieren. Er reckt den Hals gen Himmel und trällert den Text zu ihren Noten. Schließlich hält sie es nicht mehr aus und es platzt aus ihr heraus: „Hihi, du singst so falsch Gregor.“ Verdutzt hält er inne: „Echt? Für mich klingt das richtig.“ Sie nickt nur etwas verschämt, kann sich ein weiteres Kichern aber nicht verkneifen. „Ist mir egal“, beschließt er kurzerhand, „Es macht mir einfach Spaß zu singen und dann singe ich halt.“ Sprachlos starrt sie ihn an. Wie konnte er so etwas sagen? Dieser Junge brachte sie immer wieder zum Staunen. „Ahhh, das war so schön! Ich danke dir sehr, dass du dieses Lied für mich gespielt hast.“ Gregor deutet eine kleine Verbeugung an. „Ich finde es wirklich toll, wie du aus diesem kleinen Instrument richtige Musik herausholen kannst. Richtige Musik, die so klingt wie im Radio“ plappert er aufgeregt weiter, „Oh, es macht mich einfach so glücklich und dann kann ich einfach nicht anders und muss mitsingen. Sind die Menschen bei diesem Wettbewerb auch so begeistert? Das muss eine tolle Veranstaltung sein. Ich wünschte, ich könnte dabei sein!“ Über Connys Gesicht huscht ein Schatten. „Nein“, antwortet sie tonlos, „auf diesen Wettbewerben ist alles totenstill, damit jede falsche Note und jede zu lange Pause von allen genau gehört werden kann.“ Sie senkt wieder den Kopf, um Gregor nicht ins Gesicht blicken zu müssen. „Oh“, macht Gregor nur. Er ahnt, dass er das falsche Thema angesprochen hat. „Dann …. möchte ich lieber nicht dabei sein.“ Hilflos verwuschelt er sich wieder den Hinterkopf. Conny sitzt vor ihrem kleinen Klavier und ist wieder so verschlossen wie zuvor. „Conny, bitte“, zaghaft greift er nach ihrer Hand. „Ich höre nicht darauf, wenn du falsch spielst. Es ist mir egal, ob du Fehler machst. Ich singe ja auch falsch, wie du gerade gesagt hast. Aber…, aber so wie du eben gespielt hast, da habe ich eine glückliche Conny gesehen. Eine Conny, die es liebt Klavier zu spielen. Und ich bin mir sicher, dass das auch beim Wettbewerb jeder sehen wird. Und jeder wird so begeistert sein wie ich eben. Und so ein paar kleine Fehler fallen doch da gar nicht auf.“ Aufmunternd sieht er sie an. Nachdenklich hebt Conny wieder ihren Blick. Gregors Augen sind so ehrlich. Sie kann immer noch die Freude von eben in ihnen erkennen. „Ich wünschte, die Leute beim Wettbewerb wären so wie du, Gregor.“ „Vielleicht sind sie es ja.“ versucht er es. Sie lächelt bitter und nimmt ihre Hand aus seiner. Kurz fühlt sie sich, als würde sie ein rettendes Seil loslassen. „Ich würde gerne einfach nur spielen. Sogar Mozart spiele ich gerne. Doch alle erwarten, dass ich den ersten Preis hole. Aber um zu gewinnen, darf ich keine Fehler machen. Und allein bei dem Gedanken daran, bekomme ich eine unglaubliche Angst. Verstehst du das?“ Gregor setzt sich nah neben sie. Zusammen schauen sie auf das stille Meer. „Ja ich verstehe das“, beginnt er, „Gerade in schwierigen Spielen kommt es ja auf den Stürmer an, ein Tor zu machen. Und wenn dann die Zeit abläuft und ich die Blicke der anderen auf mir spüre, dann zittern mir auch die Knie.“ „Wirklich?“ erstaunt sieht sie ihn an. Ihr Herz schlägt auf einmal schneller. Genau dieses Gefühl ist es, dass sie auch spürt, wenn sie an den Wettbewerb denkt. „Und was machst du dann?“ Gregor zuckt mit den Schultern: „Ich versuche es einfach. Das fühlt sich immer noch besser an, als nur zitternd vor dem Ball zu stehen und sich nicht zu trauen.“ „Und was, wenn es nicht klappt?“ „Dann habe ich es wenigstens versucht. Alles andere wäre wie gleich aufgeben.“ „Was sagen denn die anderen Kickers, wenn du nicht triffst?“ Gregor überlegt. „Ach… Meistens lachen sie drüber. Kevin kann schon mal sehr wütend werden. Aber auch er lacht am Ende.“ „Hmmm“, antwortet Conny nur. Nachdenklich beobachtet sie die sanften Wellen, die an den Strand schwappen. „Was glaubst du denn, was passiert, wenn du den Wettbewerb nicht gewinnst?“, fragt er plötzlich. Conny zuckt zusammen. Nervös kaut sie auf ihrer Unterlippe. „Dann sind alle enttäuscht. Meine Eltern, mein Bruder, mein Lehrer…“ „Ich nicht.“ Mit großen Augen sieht sie ihn an. „Ich wäre nicht enttäuscht“, wiederholt er, „Ich wäre trotz allem stolz auf dich. Wenn du dort so spielst, wie du eben gespielt hast, dann bist du für mich die Siegerin.“ „Auch wenn jemand anderes besser spielt?“, fragt sie unsicher. Er strahlt. „Dann auch!“ Conny schließt die Augen und muss wieder kichern. „Gut, dass du nicht in der Jury sitzt, Gregor.“ Sie lacht, aber sie spürt auch eine wohltuende Wärme in ihrem Herzen, die sich langsam in ihren ganzen Körper ausbreitet. Gregors Worte haben ihr gut getan. Vielleicht war es genau das, was sie insgeheim hatte hören wollen: Dass er bei ihr bleiben würde, auch wenn sie nicht gewinnen sollte. Gregor betrachtet sie von der Seite. Erleichtert stellt er fest, dass sich ihre Schultern wieder gesenkt haben und die Falte zwischen ihren Augenbrauen wieder verschwunden ist. Vorsichtig legt er seine Hand auf ihre. Sie lächelt. „Conny?“, fragt er nach ein paar Minuten. „Ja?“ „Spielst du es bitte noch mal?“ „Hihi, oh Gregor! Wenn du möchtest.“ „Klar möchte ich. Und diesmal singst du mit.“ „Was? Nein!“ „Doch, diesmal singst du mit mir.“ „Oh Gregor…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)