Perfekt von Centranthusalba (Gregor x Conny) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- „Hmm, ja, sehr schön.“ Herr Ando nickt nachdem die letzten Töne verklungen sind. „Aber am Schluss beim Vibrato spielst du immer noch unsauber, Conny. Das gefällt mir noch nicht.“ Conny seufzt und presst die Lippen zusammen. Wie lange übte sie diese schwierigen Sechzentel nun schon? Eine Woche? Länger? Und immer noch waren ihre Finger langsamer als Mozart sich das vorgestellt hatte. Auch ihr Lehrer seufzt und dreht sich vom Klavier weg zum Fenster. „Da hilft nur üben, Conny. Üben, üben, üben. Ich möchte, dass du ab sofort jeden Tag zusätzlich zuhause diese Passage übst. Mindestens eine Stunde täglich. Sie muss dir in Fleisch und Blut übergehen. Verstanden? Wir wollen doch schließlich, dass du den Wettbewerb gewinnst.“ Conny schaut ihren Lehrer an. Wollte sie das? Noch mehr üben, noch mehr anstrengen für diesen Wettbewerb, zu dem andere sie angemeldet hatten? Durfte sie sie enttäuschen? Sie packt ihre Noten zusammen und nickt. „Ahh, ich glaube du wirst abgeholt.“ Herr Ando deutet mit dem Kopf zum Fenster hinaus auf den Schulhof. „Dein Bruder kommt.“ ——- „Gut! Schluss für heute!“ „Ja“ antworten 11 Kehlen auf die Ansage ihres Kapitäns. Mario postiert sich noch einmal vor das aufgemalte Tor an der Steinmauer und fasst das heutige Training zusammen. „Unser nächster Gegner, die Tornados, sind stark im Angriff. Wir müssen also die Abwehr fit machen. Sascha, Tommy, Christopher und Benjamin ihr trainiert bitte direkt mit den Stürmern zusammen diverse Angriffssituationen. Vor Allem muss Saschas Ballsicherheit besser werden.“ „Na gut“ murmelt Sascha etwas geknickt in sich hinein. „Keine Sorge Sascha, das wird schon!“ heitert Gregor ihn auf. Er steht neben dem massigen Verteidiger und lässt einen Fußball spielerisch auf seiner Stirn herumhüpfen, während er weiterspricht. „Wir haben noch 10 Tage Zeit bis zum Spiel. Bis dahin wird der Fußball dein bester Freund und ständiger Begleiter werden, den du gar nicht mehr loslassen möchtest.“ Sascha sieht ihn unsicher an. Er legt einen Zeigefinger an den Mund. „Wenn du das sagst, Gregor.“ „Na klar! Ohhh neeeeiiin!“ Gregor hatte sich bei seinen letzten Worten zu Sascha umgedreht und dabei den Ball vergessen. Der verfehlt seine Stirn, prallt an seinem Rücken ab und hüpft jetzt fröhlich in Richtung Treppe, die schier endlos nach unten in den Park führt. „Hier geblieben!“ Gregor hechtet hinterher. Unter den ungläubigen Blicken seiner Mannschaftskameraden verschwinden erst der Ball und dann Gregor die ersten Treppenstufen hinab. „Siehst du Sascha, da hast du einen Grund, den Ball nicht loszulassen. Hehehehe.“ lacht Kevin. Einige andere stimmen in das Lachen mit ein. „So viel zum Thema Ballsicherheit.“ kommentiert Jeremy lakonisch. „Heeee hepp!“ tönt es von der Treppe und eine Millisekunde später erscheint der Ball hoch über ihren Köpfen. Gregor hat ihn aufgehalten und zum Trainingsplatz hinauf zurückgeschossen. Sascha dreht sich erschrocken um, doch zu spät: Der Ball trifft ihn genau am Kopf. „Autsch!“ Bevor der Ersatzspieler begreifen kann, was geschehen ist, fliegt der Ball weiter über die Mannschaft hinweg und knallt direkt neben dem perplexen Mario gegen die Mauer. ——- „Hat eigentlich Amy mit dir gesprochen?“ fragt Conny neugierig als sie in Richtung Strandpromenade abbiegen. „Amy?“ „Na, meine Freundin Amy.“ „Ach die kleine mit den Pausbäckchen und den kurzen Beinen?“ „Viktor!“ ruft Conny empört aus, „Du bist unmöglich. Amy hat keine kurzen Beine! Und übrigens wollte sie dich etwas fragen.“ Viktor schmunzelt nur über seine aufgeregte, kleine Schwester. „Nein, hat sie nicht. Was will sie mich den fragen?“ Er versucht so lässig wie möglich zu klingen, um seine Nervosität nicht zu verraten. Er hatte gestern schon allein an Amys Blick erahnen können, was sie von ihm wollte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich für Fußball interessiert.“ „Nein, es geht nicht um Fußball. Stell dir vor, es gibt auch noch andere Dinge in der Welt.“ „Hmmm, mag sein.“ Viktor fühlt sich zunehmend unwohl. Ihm gefiel nicht, wohin ihr Gespräch sich entwickelte. „Was macht deine Sonate für den Wettbewerb? Kommst du voran?“ Connys Gesicht verdunkelt sich. Mit einem Mal wirkt sie unsicher und in sich gekehrt. „Ich weiß nicht.“ murmelt sich leise, „Ich glaube nicht, dass es richtig war, mich dort anzumelden.“ „Conny, hör mal.“ Viktor bleibt abrupt stehen und wendet sich ihr zu. „Warum machst du dir denn solche Sorgen, dass du es nicht schaffen könntest? Du spielst fantastisch Klavier! Hast du dir so ein schweres Stück ausgesucht?“ „Ich… nun ja, es gibt Stellen an denen übe ich schon seit Wochen und sie gelingen mir immer noch nicht.“ sie traut sich kaum ihm in die Augen zu sehen. „Aber du hast doch noch genügend Zeit um zu üben. Wenn du an einer Stelle immer den gleichen Fehler machst, dann musst halt genau analysieren, wo deine Schwachstellen sind. So würde ich das machen, wenn ich bei bestimmten Schüssen Probleme hätte. Und dann gezielt trainieren, zur Not die Nächte durch.“ Sie haben den Strand erreicht. Mit einem Seufzer lehnt Conny sich gegen die Wasserschutzmauer. „Was sagt denn dein Lehrer?“ Conny entfährt ein verzweifeltes Lachen. „Du weißt doch, Herr Ando ist eigentlich nie zufrieden.“ „Wie Vater…“ Mit langsamen Schritten läuft Viktor die Treppe zum Strand hinunter. Conny folgt ihm. „Ja, die beiden sind sich in dieser Hinsicht sehr ähnlich.“ „Sieh es so: Er will deinen Ehrgeiz wecken, so dass du noch härter übst.“ >Schon wieder: härter üben, härter üben.< Sie bleibt auf der Hälfte der Treppe stehen. „Aber…“ sie hebt eine Hand vor den Mund. Viktor macht wieder einen Schritt auf sie zu. „Sie meinen es doch nur gut. Natürlich wirst du bei dem Wettbewerb antreten. Jetzt sei nicht so stur!“ Conny krampft die Hände zusammen. Sie spürt die Tränen in ihren Augen. „Aber ich kann nicht! Warum versteht das keiner? Ich kann nicht noch härter üben!!“ schreit sie ihn an, macht auf dem Absatz kehrt und rennt die Treppe nach oben und über die Promenade davon. ——- „Heee hepp!“ Mit dem Ball voran jagt Gregor über den Strand. Trotz des harten Trainings hat er immer noch jede Menge Energie. Ein Umstand über den vor Allem Kevin stets lautstark den Kopf schüttelte. Aber Gregor genoss es einfach durch den Sand zu jagen. Allmählich werden seine Schritte langsamer. Der Ball bleibt im Sand stecken. Nachdenklich betrachtet er die Sonne, die kurz davor ist in den Horizont einzutauchen. Gestern um die Zeit hatte er Conny hier getroffen. Zum ersten Mal hatten sie länger gesprochen. Conny hatte Fragen gestellt, die ihn etwas überrascht hatten und er hofft, dass er sie gut beantwortet hat. Mit einem Lächeln beobachtet er die Wellen, die den Strand hinaufkrabbeln. Das mit dem Respekt hatte ihm sein Vater gesagt kurz bevor sie gegen die Teufel angetreten waren. „Wichtig ist, dass ihr nicht aufgebt, Junge.“ hatte er damals gesagt, „Gewinnen könnt ihr wohl nicht, aber euch Respekt verschaffen, indem ihr bis zur letzten Minute kämpft. Egal, wie das Spiel steht.“ Gregor hofft, dass seine Antwort ihr geholfen hat. Sie hatte ziemlich verzweifelt ausgesehen und nach seiner Rede nicht mehr viel gesagt. Er macht sich immer noch etwas Sorgen um sie. Laute Worte, wie bei einem Streit, reißen ihn aus seinen Gedanken. Gregor schaut auf. Vor ihm an der Mauer zum Strand stehen Viktor und Conny und scheinen zu diskutieren. Da schlägt Conny die Hände vors Gesicht, dreht sich um und rennt eilig die Treppenstufen hinauf und davon. Gregor bleibt wie angewurzelt stehen. Stöhnend dreht Viktor sich um und reibt sich nachdenklich das Kinn. Dann entdeckt er den unfreiwilligen Zeugen ihres Streits. „Und sie will nicht sagen, warum sie den Wettbewerb absagen will?“ fragt Gregor den älteren ungläubig, nachdem dieser ihm kurz die Lage erläutert hat. „Nein. Das ist es ja. Seit Tagen druckst sie nur so rum. Aber sie weigert sich, es mir richtig zu erklären.“ So langsam begreift Gregor auch die seltsamen Fragen, die Conny ihm gestern gestellt hatte. Er runzelt die Stirn. Es ist an der Zeit, ihr ein paar Fragen zu stellen. Er sieht noch einmal zu Viktor, aber der starrt nur ratlos in den Sonnenuntergang. Kurzentschlossen greift er nach seiner Tasche, springt auf und läuft die Promenade hinunter, Conny hinterher. „Connyyyyyyy!“ ruft er als er sie endlich einholt. Connys Gesicht hellt sich auf. „Gregor!“ „Warum, Conny? Warum willst du beim Wettbewerb nicht antreten?“ platzt er sofort heraus. Augenblicklich verfinstert sich Connys Miene. „Schickt dich etwa mein Bruder?“ fragt sie vorwurfsvoll. Gregor greift sich ertappt an den Hinterkopf. „Nein Conny, mich schickt niemand.“ Sie antwortet nicht, aber Gregor kann sehen, dass sie ihm nicht so recht glaubt. „Was ist los Conny? Alle sagen, dass du eine tolle Klavierspielerin bist und du kannst bei diesem Wettbewerb den ersten Preis holen!“ Sie presst die Lippen aufeinander. Schweigend dreht sie sich um. „Conny?“ „Das verstehst du nicht.“ sagt sie mit zittriger Stimme, „Mich versteht keiner!“ Wieder rinnen ihr Tränen über die Wangen. Dabei waren die Spuren der letzten gerade erst getrocknet. Sie will nicht, dass Gregor sie sieht. Und sie will nicht, dass er ihr weiter Fragen stellt. Und so läuft sie los. Sie rennt so schnell sie kann. Die Mauer entlang. Bei der nächsten Treppe hinunter auf den Strand. Sie sieht nicht, wohin sie läuft. Sie läuft einfach nur davon. Ihre Füße stolpern im Sand. Ihre Lungen brennen. Sie kneift die Augen zusammen um die Tränen abzuschütteln. Sie sieht den großen Stein nicht, der aus dem Sand ragt. Sie stolpert und landet mit Händen und Knien auf dem Boden. Gregor bleibt hinter ihr stehen. Es war nicht schwer gewesen ihr zu folgen. Er ist nicht einmal außer Atem. Er wartet bis Conny wieder ruhig atmet und den Sand von den Händen und die Tränen vom Gesicht gewischt hat. „Conny“ beginnt er zögerlich. „Nein Gregor!“ unterbricht sie ihn unwirsch. „Du musst es mir nicht auch noch sagen.“ „Was sagen?“ „Dass ich nur noch ein bisschen mehr üben muss, nur ein bisschen mehr anstrengen, ein bisschen mehr wollen muss! Was wenn ich diesen blöden Wettbewerb gar nicht gewinnen will?“ sie schreit es ihm förmlich entgegen. „Du willst nicht….?“ Gregor sieht sie verdattert an. Sowohl der plötzliche Ausbruch als auch die Worte selbst überrumpeln ihn. Conny ignoriert sein fragendes Gesicht. „Alle erwarten, dass ich diesen Wettbewerb gewinne. Nicht nur antrete und spiele, nein, ich muss natürlich etwas besonders schwieriges spielen! Und natürlich muss ich auch gewinnen!“ „Naja…“ Gregor fasst sich an seine Haare, wie immer, wenn er mit einer Situation überfordert ist. Kurz wünscht er sich, Viktor wäre doch mitgekommen. „Wenn das so weiter geht, weiß ich nicht, ob ich überhaupt noch Klavier spielen will.“ Conny setzt sich in den Sand und umschlingt ihre Knie mit den Armen. Zögerlich lässt Gregor sich neben ihr nieder. „Liebst du es denn nicht Klavier zu spielen?“ „Doch, aber nicht so… Nicht mit diesen… ganzen… Erwartungen.“ Conny vergräbt ihr Gesicht in ihren Armen. „Ich will einfach nur spielen! Ich will nicht immer die beste sein müssen!“ Einen Moment lang sieht Gregor sie schweigend an. Er überlegt, was er Conny am besten sagen sollte. „Spielst du auch ‚Love of my life‘?“ Conny hebt verdutzt den Kopf aus ihren Armen und sieht ihn an. „Ich spiele eine Sonate von Mozart.“ klärt sie ihn auf. „Ah… ich kenne keine Sonate von Mozart.“ antwortet Gregor ehrlich. Die Wellen rauschen zu ihren Füßen. Ein kleiner Krebs krabbelt vorbei. „Und du kannst wirklich ‚Love of my life‘ nicht? Schade, ich würde mich freuen.“ Conny sieht ihn immer noch entgeistert an. „Gregor das ist…“ >banal, profan, unter meinem Niveau?< Sie schluckt. „… würdest du dich wirklich freuen?“ „Klar!“ Gregor springt begeistert auf. „Ich liebe dieses Lied! Und wenn du es spielen würdest, würde ich sogar laut mitsingen, … obwohl ich nicht singen kann.“ fügt er kleinlaut hinzu und greift wieder in seinen schwarzen Wuschelkopf. Conny zwinkert mehrmals mit den Augen. Dieser Junge… Gregor… war einfach... Sie beginnt zu kichern. Da beginnt Gregor die Melodie des Popsongs zu summen. Er trifft die Töne nur bedingt richtig. Aber es ist ihm egal. Er breitet die Arme aus und fängt an sich um sich selbst zu drehen. „Lala lala lalalalalaaaaaa!“ ruft er laut über den Strand. Conny muss jetzt laut lachen. Gregor hält kurz inne und sieht sie an. Ihr Lachen klang wunderbar in seinen Ohren. Hell und klar. Er strahlt. „Lalala lala lalalalaaa“ singt er weiter. Conny kneift die Augen zusammen und krümmt sich vor Lachen. Das spornt Gregor an. In immer wilderen Kreisen tanzt er um sie herum und singt sein „Lalala“. Connys Lachen halt über den Strand und übertönt sogar die Schreie der Möwen am Abendhimmel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)