Monatsmagie von Runaan (NaruHina | SakuSasu | NejiTen | No Actual Magic Involved) ================================================================================ Prolog: June is for Romantics ----------------------------- Wenn der Sommer im Juni begann, änderte sich die Luft – das frische Frühlingshafte wurde blumiger, durchtüncht mit Pfingstrosen und Kamillenblüten sowie frisch gemähtem Gras. In dieser Zeit ließ Sakura ihr Fenster so weit wie möglich geöffnet – auch, weil die Wespen noch nicht zu schwärmen begonnen hatten und sich somit nur ab und an ein kleines Bienchen in das WG-Zimmer verirren konnte. Temari störte das die meiste Zeit nicht, was daran lag, dass sie vor allem morgens – wenn dieser Geruch am stärksten war – komplett unansprechbar blieb. Als Nachteule erreichte sie um 8 Uhr früh die Tiefschlafphase, aus der man sie normalerweise nicht herausbekam. Heute war es anders gewesen.   Gemeinsame WG-Essen geschahen vorallem abends, meistens gegen Mitternacht, wenn Tenten von der Arbeit zurückkehrte, Ino und Temari die Clubs sein ließen und Hinata und Sakura ihre Lernsessions beendet hatten. Der erste heiße Sommertag im Jahr verlangte nach einer besonderen Feier. Die Kücheninsel, die den Bergen aus Waffeln, frischen Eiern, der Glaskaraffe mit Orangensaft und der Kaffeekanne wunderbar stand hielt, war liebevoll ignoriert worden. In der warmen Junisonne saß es sich auf dem Balkon noch am besten – insbesondere beim Frühstück.   Die Vier-Zimmer Wohnung in der fünften Etage (kein Fahrstuhl), überblickte das morgendliche Treiben trotz der dichten Bäume, die ein bisschen zu nahe am Fußweg gepflanzt worden waren. Der WG-Balkon fasste gerade so einen kleinen Tisch und zwei Stühle, weshalb die meisten von ihnen sich auf den Fußboden gesetzt hatte. Die Sonne wärmte sie alle so sehr ,dass man nicht auf komfortable Sitzgelegenheiten angewiesen war.               „Okay, du musst uns das jetzt nochmal erklären – was ist das schon wieder für ein Astrotrip auf dem du bist?“, schallte es durch die Straßen. Ino Yamanaka, deren Frühstück aus einem selbstgemachten Smoothie und Spiegeleiern auf Avocado-Toast bestand, hatte beschlossen im Bikini zu Frühstücken und an ihrer Bräune zu arbeiten. Sie sah es nicht ein ihre Stimme zu senken.               Tenten, an die diese Frage gerichtet worden war, aß lieber eine Schüssel Haferbrei mit Früchten und begnügte sich mit Kaffee. Der rosa Morgenmantel, den sie trug, gehörte ihr nicht. Momentan war sie damit beschäftigt in ihren Kaffeesatz zu sehen und blickte deshalb nicht auf,             „Es ist kein Astrotrip, es ist eine spirituelle Lebenseinstellung.“               „Astrotrip. Jetzt sag.“               „Es ist Anfang Juni, also schaue ich in meinen Kaffeesatz – ich mache das jeden Monat und bis jetzt hat es mir nicht geschadet. Und immer wenn ich meine Tarotkarten auspacke, seid ihr doch auch alle total Feuer und Flamme“, sie beugte sich etwas nach links zu Sakura, „Sieht das aus wie ein Berg oder doch eher wie ein Pferd?“               „Es sieht aus wie Kaffeesatz, Tenni. Sorry.“   Sakura Haruno war bereits für die Uni fertig angezogen und aß ihr Frühstükc oft unterwegs, wenn sie nicht so wie heute dazu gezwungen wurde, zu bleiben. Während die meisten ihrer Mitbewohnerinnen Waffeln und Eier in Kombination nicht mochten, hatte sie sich beim letzten gemeinsamen USA-Urlaub mit ihrer Cousine geradezu darin verliebt.               „Hattest du nicht mal gemeint, dass jeder Monat eine Bedeutung hat?“   Die Frage wurde von Hinata Hyuuga gestellt – der Person, die auf dem Mietvertrag stand und es irgendwie schaffte, dass sie noch nie mit der Zahlung im Rückstand gewesen waren. In dem blauen Häschenpyjama und mit dem Teller voller French Toast mit Früchten sah sie wie ein offenes Buch für die anderen aus. Hinata war lieb und hatte immer ein offenes Ohr – insbesondere für Tentens kleinen Esoterikfimmel.               „Ganz genau“, grinste Tenten und stellte die Tasse auf der Erde ab, „Jeder Monat ist für bestimmte Ziele besonders gut geeignet. Und der Juni? Naja, der Juni ist halt für Romantikerinnen – was meinst du, warum jeder sonst im Juni heira…Temari, jetzt hab‘ ich deine Scheißasche in meiner Zukunft!“               „Huch! Sorry, Süße. Passiert“, die Älteste von ihnen war Temari Sabakuno, die in einem ausgewaschenen Bandshirt auf das Balkongeländer geklettert war und in Ruhe ihre Zigarette rauchte. Temari frühstückte nie, „Sieht es jetzt besser oder schlechter bei dir aus?“               „Es sieht aus als ob ich es nochmal machen müsste“, stöhnte Tenten und stand bereits auf, „Könnt ihr mit dem Lästern warten, bis ich drinnen bin?“               „Aber natürlich, Kassandra.“   Obwohl Tenten den Anschein gab, wütend zu sein, schloss sie die Balkontür doch um einiges sanfter als erwartet.               „Der Juni ist für Romantikerinnen“, seufzte Ino mit einem Hauch von Bitterkeit, „Ich wünschte nur es wäre wahr. Shikamaru könnte sich wirklich mal ein bisschen ins Zeug legen, wisst Ihr?“   Temari und Sakura warfen einander geduldige Blicke zu. Shikamaru war Inos Thema Nummer 1 seit sie vor Ewigkeiten zusammengezogen waren. Irgendwie stritten die beiden sich öfter, aber am Ende war doch immer alles beim alten. Die Mädels hatten ihn gern – klar, Shikamaru war immer müde und ein bisschen lethargisch, aber er war jemand, mit dem man sich unterhalten konnte, ohne sich vor einer billigen Anmache in Acht nehmen zu müssen.               „Hast du ihm mal gesagt, dass er sich ins Zeug legen soll?“, fragte Sakura gutmütig, „Weißt du, er mag vielleicht ein Genie sein, aber hellsehen kann er nun auch nicht.“               „Nein, nur Tenten.“   Hinata schüttelte den Kopf und lehnte sich gegen das Balkongeländer mit dem Rücken. Während die anderen Mädels zumindest einige Dates oder kurze Beziehungen gehabt hatten, fühlte sie sich noch so unerfahren wie in der Oberstufe,             „Ich finde das gar nicht so schlecht. Wenn jeder Monat für eine Sache gut ist, wüsste man zumindest, wo man sich mehr anstrengen müsste. Oder man hätte eine Absicherung, dass etwas gut geht.“               „Ach, Hina, aber gerade das ist doch das Leben. Es gibt keine Absicherungen – nur Auf und Abs wie eine Achterbahn…“, Temari blies den letzten Rauch aus ihrer Zigarette und drückte diese am Geländer aus. Der ehemalig kleine Brandfleck war inzwischen genauso sehr Teil der Wohnung geworden wie der Schimmel, der sich nicht aus dem Bad entfernen lies, „Trau dich einfach mal was.“               Sakura legte der Jüngsten von ihnen einen Arm um die Schulter. Auch bei ihr sah es in der Liebesfront nie sonderlich gut aus, was sie dazu brachte, sich besonders für die Schüchternste unter ihnen einzusetzen,             „Vielleicht hat das was mit dem Gleichgewicht zu tun? Wenn es einen Monat für Romantik gäbe, dann gibt es doch bestimmt auch einen Trennungsmonat, oder?“   Die Stille zwischen ihnen kam plötzlich und unerwartet. Temaris wölfisches Grinsen ließ ihre Eckzähne noch schärfer aussehen, während sowohl Ino als auch Hinata etwas erschrocken dreinsahen,             „Haruno, Honey, jetzt wird es aber eiskalt.“               „Hä, was hab ich denn bitte gesagt?“               „Naja, wenn der Trennungsmonat kommt, dann ziehen sich wahrscheinlich alle kleinen Bettgeschichten und Herzensbrecher aus dem Verkehr“, mit einem tiefen Lachen kletterte sie endlich vom Geländer herunter und begann ,das leere Geschirr einzusammeln, „Das wäre dann sicherlich mein Monat – passt doch gut, oder?“   Die Balkontür öffnete sich wieder. Tenten sah nun um einiges entspannter aus, insbesondere als sie sah, dass Temari begann sich um die Abwasch zu kümmern.             „Was sagt dein Kaffeesatz?“, fragte Ino versöhnlich.   Tentens Lächeln wurde zu einem stolzen Grinsen,             „Sagen wir mal, dass wir einen guten Juni vor uns haben werden.“ Kapitel 1: June 8th - Hopeless Romantic (Sakura) ------------------------------------------------ Tentens kleiner Esotrip störte mich theoretisch nicht. Ich glaubte nicht an Magie. Jeder selbst war seines Glückes Schmied und das Vorhandensein von Tarotkarten, Schicksal und Seelenverwandten war für mich der Stoff von Büchern und nicht der des wahren Lebens. Ganz los ließ mich diese Sache jedoch nicht und das machte mir Sorgen.   Die stickige Luft des Zugabteils half mir nicht gerade dabei, meine Gedanken abzulenken. Entweder ich würde meinen Blick nicht von den verschwitzten Gesichtern von Kommilitonen, Pendlern und Touristen abwenden können oder ich ließ meine Gedankenschweifen und blieb bei der Kernaussage meiner Freundin hängen.                                                                     Juni ist für Romantikerinnen.   Tatsächlich hatte ich mir für diesen Juni etwas vorgenommen, was äußerst romantisch war. Schon insbesondere für mich. Die, die Augen bei den meisten Schnulzen verdrehte, weil ich die großen Liebesgesten nur peinlich und übergriffig fand. Das kirschrote Top, welches es schaffte sich mit meinen rosa Haaren zu vertragen und den ebenso roten Lippenstift hervorbrachte, hatte ich nur gewählt, weil ich mich etwas bestärkt von diesen Kinderein gefühlt hatte.   Dabei war theoretisch ja nichts dabei den wohl interessantesten Mann, den ich je getroffen hatte, nach seiner Nummer zu fragen.   Als ich aus dem Zug ausstieg und mit etwas kühlerer Luft meinen Weg zur Medizinischen Fakultät der Sarutobi Universität machte, hielt ich bereits Ausschau nach ihm. Das Herz in meiner Brust machte ein paar Sprünge. Stattdessen spürte ich nur eine Hand auf meinem Arm und wirbelte erschrocken herum. In letzter Zeit trieben sich eine Menge suspekter Typen an den Bahnhöfen herum.               „Ich bins nur“, murmelte Shikamaru und lächelte mir müde zu, „Sorry, soll ich dich vielleicht in Ruhe lassen?“   Shikamaru Nara war so tiefenentspannt, dass es mich manchmal ein wenig überraschte, wie lange er und Ino bereits zusammen waren. Während sie voller Kraft strotzte schien er es sich zum Prinzip gemacht zu haben, nur im Energiesparmodus zu funktionieren. Der Pferdeschwanz war so wie immer ein wenig lose, der Blick vollkommen übermüdet,             „Hab mir nur etwas Sorgen gemacht. Du sahst etwas gedankenverloren aus.“               „Ich geh nur ein paar Begriffe durch“, das war nicht einmal eine volle Lüge. Meistens ging ich noch einmal alle lateinischen Fachbegriffe durch, bevor mein Seminar begann. Prof. Senju war besonders streng und achtete auf so etwas. Dadurch, dass ich gerne im nächsten Semester eine Hilfskraftstelle bei ihr aufnehmen wollte, musste ich glänzen, „Wusstest du, dass riger mortis eigentlich-“               „Die Totenstarre ist? Und, dass sie tatsächlich auch wieder aufhört?“               „Streber“, grinste ich und begann mich zu entspannen. Fachgespräche heiterten mich immer ein wenig auf. Da hatte ich das Gefühl nicht zu schnell was Falsches sagen zu können. Und obwohl Shikamaru verdammt klug war, ließ er es nicht so raushängen, „Aber der Rechtsmedizinkurs besteht drauf.“   Er verdrehte die Augen,             „Einfach anstrengend“, sagte er, wie so oft, „Ich verstehe nicht ,was es euch bringt, die ganzen lateinischen Begriffe zu nennen. Erscheint mir wie so oft einfach nur wie eine zusätzliche Schranke, die Leuten die Zugang zu Fachwissen erschweren soll.“   Gut, vielleicht ließ er es doch manchmal raushängen. Gemeinsam liefen Shikamaru und ich zur Fakultät und atmeten erleichtert auf ,als wir in den klimatisierten Raum traten. Auch wenn der Juni noch jung war, so fühlte es sich für mich so an, als wären wir bereits im Hochsommer.               „Sag mal, was machst du im August?“, fragte Shikamaru plötzlich und ließ die Hände in die Hosentaschen sinken, „Ich hatte überlegt campen zu gehen und dachte Ino hätte da sicherlich mehr Spaß, wenn ihr als ihre Freundinnen dabei seid.“   Arme Ino. Wenn Juni für Romatikerinnen war, dann war es definitiv nicht Shikamarus Monat. Zumindest hatte er es geschafft darauf zu kommen, dass Camping vielleicht nicht die beste Idee war.             „Campen", wiederholte ich noch einmal für ihn,  "Mit Ino?“               „Hey, sie hat einen grünen Daumen. Pflanzen stören sie nicht. Nur gegen Moskitos hat sie was. Und sie würde euch alle eh den ganzen Tag anrufen. Also könnt ihr auch gleich mitkommen ,wir mieten ein Wohnmobil und ich kann ab und an ausschlafen ohne sie zu vernachlässigen.“   …ich wünschte ich wäre in der Lage zu wissen, ob das nun eine besonders liebevolle Geste war oder Shikamaru mal wieder nur auf Sparflamme blieb. Meinen letzten Freund hatte ich allerdings in der Oberstufe gehabt und das war nun fast mehr als vier Jahre her.               „Wie wäre es denn, wenn du das mal mit ihr besprichst?“               „Sie liebt Überraschungen“, das leichte Lächeln kam unerwartet auf seine Lippen und versetzte meinem Herzen einen kleinen Stich. Ich hatte ganz vergessen, wie verliebt er dreinschauen konnte. Ob mich auch mal jemand so ansehen würde? Naja, ich bezweifelte es.               „Also ich kann schon mitkommen aber ich weiß nicht, wie es bei den anderen aussieht. Frag doch Temari die nächsten Tage, sie hat uns irgendwie immer am besten auf dem Schirm“, ich legte ihm freundschaftlich  zum Abschied die Hand auf die Schulter, „Ich muss dann mal zu Rechtsmedizin.“   Erst als ich bereits die Stufen in den Keller der Fakultät machte bemerkte ich, dass ich ihn gar nicht gefragt hatte, was er hier trieb. Shikamaru studierte nicht Medizin. Wäre dem so, würden er und ich immer zusammensitzen. Das taten wir zumindest bei den Vorträgen, die wir uns gerne anhörten. Und zu den Juristen, die genauso wie ich diesen Rechtsmedizinkurs wählen sollten, gehörte er auch nicht. Warum ich das wusste?   Der Grund dafür wartete bereits vor dem Raum und scrollte langsam durch sein Handy. Das tiefschwarze Haar fiel ihm ins Gesicht und verdeckte dabei die noch schwärzeren Augen. Ich sah an mir herunter und mir wurde mit einem Mal bewusst, wie tief der Ausschnitt meines Tops war. Zwar war ich nicht schüchtern aber in Liebesdingen fehlte mir nun einmal Inos Sicherheit, Temaris Coolness oder Tentens Gelassenheit. Hinata hatte noch nie jemanden gut gefunden, solange ich sie kannte. Und ich?               „Oh, guten Morgen, Sasuke!“, ich wurde zu einer Schleimerin. Ich war nicht stolz drauf aber wann immer ich versuchte, es abzustellen, klang ich noch verzweifelter. Die Schleimerin war das kleinere Übel.   Sasuke sah von seinem Handy auf. Sein Mundwinkel bewegte sich zu einem leichten Lächeln. Er nickte mir zu. Mehr aber auch nicht. Ich fühlte mich auf einmal nur kindisch mit meiner Kleiderwahl vor. Dass der Blick nur wegen eines Kleidungsstücks hängen bleibt, ist dann doch ein bisschen zu optimistisch.               „Sasuke, guten Morgen“, flötete es hinter mir. Es war kein Geheimnis, dass Sasuke gut aussah und daher war ich mir sehr wohl bewusst, dass es auch andere gab, die ihn romantisch interessant fanden. Karin Uzumaki zum Beispiel hatte ihre Röcke bei weitem gekürzt und wirkte als käme sie zu einer Party im Nachtclub und nicht zu einer vorbereitenden Maßnahme für eine Leichenschau.   Ich verkniff mir den zickigen Kommentar. Karin war mir zwar unsympathisch, aber sie war gut in dem, was sie tat und würde einmal eine verdammt gute Ärztin abgeben. Über persönlichen Rivalitäten über Männer standen wir, als erwachsene Personen, doch alle drüber, oder?               „Oh, Haruno. Hab dich gar nicht gesehen. Süßes Top…so 2017!“, grinste sie mir zu. Das bedeutete so viel wie oh, ich sehe, du trägst immer noch deine Sachen aus der High School.  Zumindest wusste ich jetzt, dass Tentens Monatsmagie totaler Schwachsinn gewesen wäre oder Sasuke wäre mir ritterlich zur Hilfe gesprungen. Stattdessen starrte er weiterhin auf sein Handy und ignorierte uns.               „Bevor wir uns weiter über Mode unterhalten“, begann ich stattdessen und wischte mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „Du hattest doch neulich auf einen Artikel zu Rückständen von Arsen im menschlichen Körper verwiesen – 19. Jahrhundert in etwa? Meine Mitbewohnerin liebt so etwas aber ich hab es auch trotz Google nicht finden können. Hast du den zufällig noch?“   Karin hob überrascht eine Augenbraue an und sah zwischen Sasuke und mir hin und her, ehe sie, etwas sachlicher als zuvor, ihr Handy herauszog, „Du meinst die Studie zu Napoleons Tod, richtig? Es ging um Scheelisches Grün, einen arsenhaltigen Farbstoff. Ich kann ihn dir nachher geben, wenn du willst.“   Die Stille zwischen uns dreien war kurz davor vollkommen unangenehm zu werden, als Professor Senju den Raum aufschloss und uns und die anderen Studenten bat einzutreten. Ich bedankte mich bei Karin und ging zu meinem Platz in der ersten Reihe.   Der Kurs „Rechtsmedizin“ umfasste genau 21 Studierende. Zwar war Professor Senju so gut, dass sie einen gigantischen Hörsaal ohne Probleme unterhalten konnte, doch Rechtsmedizin, insbesondere im Zusammenschluss mit Juristen, benötigte eine intensive Arbeitsatmosphäre. Gefallen hatte mir Sasuke optisch schon zuvor, doch es war der Unterricht des Seminars gewesen, der dazu geführt hatte, dass diese Schwärmerei mich nicht losließ. Hätte ich es den anderen erzählt, hätten sie bestimmt gelacht. Vielleicht waren mir deshalb Tentens Juniprophezeihungen noch im Kopf geblieben.                      Nur jemand hoffnungslos romantisches würde sich in einem Seminar über Leichen verlieben.   Während das Seminar losging, begannen meine Gedanken abzuschweifen. Der Raum war viel zu kühl und ich ärgerte mich, schon wieder keine Strickjacke oder Pulli mitgebracht zu haben. Während die Züge sich wie Öfen anfühlten, war es hier unten wie im Gefrierfach. Professor Senju lenkte uns von dieser Kälte mit bizarren Beispielen ab – den Umständen, die das Moor auf eine tote Person haben konnte. Warum es in Disney World einen Staubsauber für Asche gab. Dass Tränen je nach Art der Hervorrufung sich anders zusammensetzten. Jede Stunde begann Professor Senju mit so einem Beispiel, ehe sie uns zu den harten Fakten der Medizin zurückbrachte.               „Die Festellung der Todesursache bildet ein verbindendes Element zwischen der Medizin und dem Strafgesetzbuch“, erklärte Sasuke gerade. Seine Stimme war vollkommen dunkel und ruhig. Er klang selbstischer und gewählt, aber nicht aufgesetzt. Sasuke wusste, wovon er sprach, aber er lernte nicht blind auswending, „Während einige Mordmerkmale auf das Tätermotiv abstellen, bezieht sich das Merkmal der Grausamkeit auf die Todesursache. Das Opfer muss Qualen durchgestanden haben, um das Merkmal zu qualifizieren. Stirbt es jedoch bevor das Quälen beginnt, ist das Mordmerkmal nicht erfüllt und wir sprechen von Totschlag.“   Während meine Mitstudierenden zu nicken begannen, merkte ich, wie mein Magen sich leicht umdrehte. Ich nahm einen tiefen Atemzug, versuchte meine Gedanken zu ordnen. Wahrscheinlich übertrieb ich nur ein wenig, aber…               „Frau Haruno? Möchten Sie etwas sagen?“, fragte Professor Senju, die mich nicht aus dem Blick gelassen hatte. Ich merkte erst jetzt, dass ich meine Hand begonnen hatte zu heben. Scheiße.   Anders als Sasukes Stimme, begann meine zu zittern – ich klang höher, unsicher, „Es ist keine Frage auf medzinischer Seite aber…wieso ist in jenem Moment das Opferempfinden wichtig, wenn es doch sonst laut Sasuke nurnach der Tätermotivation geht? Wenn jemand einer Person Qual zufügen möchte, dann sollte dies doch auch gelten.“               „Es erfüllt den Tatbestand nicht“, wie ein Anwalt erlaubte Sasuke keine Gegenargumentation.               „Ich hab das schon beim ersten Mal verstanden“, wer hätte gedacht, dass im Kampf zwischen der inneren Schleimerin und der Streberin Letztere siegen würde?, „Ich frage dich nur, warum. Geht es nicht genau darum in deinem Metier?“   Es war das erste Mal, dass Sasuke mir in die Augen sah. Ich bekam kein Herzrasen und hörte auch keine Engel singen. Er stand auch nicht auf und nahm meine Hand, um sich bei mir liebevoll zu entschuldigen. Aber er sah mich an, für einen Augenblick, und nicht mehr so flüchtig wie im Flur.               „Im Allgemeinen werden die Mordmerkmale momentan kritisch beurteilt, da ihre Art der Kategorisierung sehr veraltet ist. Die Feststellung von Grausamkeit ist eines davon – das Hauptproblem hierbei ist, dass wir, wenn wir nur auf den Täterwillen abstellen, ebenfalls Mordfälle übersehen, in dem Personen unter schlimmsten Qualen verstorben sind aber ohne Wissen des Täters. Momentan ist unsere Version dieses Merkmals also das kleinere Übel“, das Lächeln begann seine Lippen zu umspielen, „Aber, das gehört nicht hierher. Ich wollte lediglich einen Einblick in mein Metier geben.“               „Zwar ist Hauptfunktion dieser Veranstaltung zu demonstrieren, welche medizinischen Schritte zur Festellung von Tod und Todesmerkmalen angewendet werden, doch ich habe mit Grund darauf gedrängt, dass wir auch Jura-Studenten wie Sie, Herr Uchiha, bei uns begrüßen. Genauso ist deshalb ein Austausch wie zwischen Ihnen beiden sehr wichtig – nur durch das Stellen der Fragen erlangen wir Erkenntnis. Auch, wenn nicht jede Frage hypothetisch gesehen hierher gehört.“   Ich bekam kaum noch etwas mit von dem, was Frau Senju sagte. Wie ein Teenager ließ ich den Moment Revue passieren und wusste nicht, ob ich mich freuen oder schämen sollte. Ich kopierte leise das Tafelbild und spürte, wie Karin mich mit ihren Blicken durchbohrte. Wenn Sasuke weiterhin im Seminar sich meldete blickte ich nicht auf.   Erst als der Kellerraum sich geleert hatte, begann ich meine Sachen zusammen zu räumen. Bücher und Blöcke verschwanden in meinem pastelrosa Rucksack, den ich schulterte, und mit welchem ich den Raum verließ. Zu meiner Überraschung warteten sowohl Karin als auch Sasuke auf mich.               „Du wolltest den Artikel. Für deine Mitbewohnerin?“               „Oh, ja, stimmt. Dein Spind?“               „Ja“, Karin rührte sich nicht vom Fleck. Sie hatte genauso wenig Ahnung wie ich von dem, was Sasuke wollte, aber die Tatsache, dass ihre Bluse nun einen Knopf weniger geschlossen hatte, zeigte, dass sie das Schlachtfeld nicht räumen wollte.               „Haruno“, nickte er mir zu. Jetzt kannte er meinen Namen natürlich.               „J-ja?“               „Karin meinte, ihr beiden wollt in den weiterführenden Kurs nächstes Semester“, er stieß sich leicht von der Wand ab. Er sah ganz anders aus, jetzt wo sein Fokus direkt auf uns war – nicht mehr so geheimnisvoll wie vor dem Seminar aber immernoch faszinierend, „Mein Bruder hat diesen Kurs vor ein paar Jahren belegt. Wir sollten zusammen lernen.“   Ich war so froh ,dass ich einen Rucksack trug, oder mir wäre die Tasche aus der Hand gerutscht,             „K-klar, ähm…“               „Meine Emailaddresse steht im Online-Kurs für diese Gruppe. Schreibt mir und ich schicke euch meine Nummer. Wegen Terminen können wir uns dann noch einmal austauschen.“   Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging einfach. Verwirrt sah ich zu Karin zurück, die ihre Augen noch nicht von Sasukes Hintern abgewendet hatte. Als sie meinen Blick bemerkte, räusperte sie sich und rückte ihre Brille zurecht. Vielleicht war der Juni ja doch irgendwie auf meiner Seite.  Mit Pech war er jedoch auch auf Karins. Ich wollte ihr den Romantikerinnen-Titel nicht verweigern. Kapitel 2: June 16th - Romantic Support (Tenten) ------------------------------------------------ Die Anderen zogen mich gerne als abergläubisch auf. Dabei zwang ich niemanden an Magie und Schicksal teilzuhaben. Ich sah es nur nicht ein, warum ich es verstecken sollte. Temari, Sakura, Ino und Hinata waren meine Freundinnen. Die ersten Mädels, mit denen ich mich auch mal verstand, ohne, dass es Drama gab. Aber nein, sobald man sein Tarotdeck auch nur überlegte herauszuholen waren Temari, Ino und Sakura um keinen Spruch verlegen. Umso besser fühlte ich mich daher, als Sakura mit mir gemeinsam kochte und aus heiterem Himmel mich mit einem Vielleicht hast du nicht komplett Unrecht, Tenni beglückte. Sakura war rechthaberisch. Sie gab ungerne Fehler zu und sie machte leider auch viel zu wenige Fehler, auf die man sie hätte hinweisen können. Während ich also die gerösteten Pinienkerne zerkleinerte und Sakura sich um die Nudeln kümmerte, hakte ich nach, „Also habt ihr Nummern getauscht, nachdem er dich ewig nicht angesehen hat. Das macht der Juni, definitiv.“ Ich wusste, dass es nicht der Juni war. Aber ich war auch ein wenig rechthaberisch. „Sie kommen halt nächsten Donnerstag“, erklärte Sakura leise, „Sasuke meinte bei ihm ging es nicht und bei Karin wollte ich nun mal nicht einkehren. Hier hab ich ja zumindest euch, aber andererseits können wir auch nur auf dem Balkon ungestört lernen.“ „Am 24.?“ „Ja, ich muss noch einen Aufsatz fertig schreiben, der ist wichtiger.“ Das war typisch Sakura – selbst in Liebesangelegenheiten ruhte sie mit einem Auge auf ihrer Karrierelaufbahn. Ich ließ Pinienkerne mit Parmesan, sonnengetrockneten Tomaten und Knoblauch in den Mixer gleiten und vermischte alles mit Knopfdruck. Aus Sakuras und Temaris Zimmer tönte ein erbärmliches Stöhnen. Temari hatte mal wieder ein Hangover. „Ist doch super. Du kannst dich sommerlich anziehen und ich kann uns von Arbeit was mitbringen. Teuchi mag dich eh total gerne, wenn ich ihm sage, wofür seine Superramen sind, gibt er uns sicher Rabatt.“ „Dass du immer noch hauptberuflich kellnerst, hätte ich nie gedacht.“ „Hey, warum nicht? Liebe geht durch den Magen“, zwinkerte ich ihr zu, „Und eine Kochausbildung ist auch mega-schwer zu bekommen. Teuchi bringt mir und Ayame alles bei, was ich wissen muss, und ich kann auch noch mit Lee abhängen. Traumjob, sag ich dir.“ Das Lächeln auf Sakuras Lippen war ein bisschen mitleidig. Ich hatte diesen Gesichtsausdruck schon unzählige Male gesehen – auf Frau Yuuhis Lippen, die mir die Wohnung vermittelt hatte. Auf Shikamarus Stirn, als ich ihm erzählte, dass ich momentan nicht viel über Aufstiegschancen nachdachte. Und genau hier, wenn ich Sakura ein weiteres Mal erzählt, dass ein Studium für mich nichts war. „Scheiße, das Nudelwasser!“, keuchte Sakura und stieß mich zur Seite. Die Herdplatten waren zum Teil in Wasser getaucht, während sie hektisch nach dem Sieb griff und die Nudeln abgoss. Ich drehte die Hitze schnell ab. Angelockt von dem Geruch von Essen, kamen auch Temari und Hinata aus unseren Zimmern. Ino schlief heute bei Shikamaru, was bedeutete, dass sie morgen entweder vollkommen überdreht oder wütend nach Hause kommen würde. „Aw, habt ihr schon geputzt?“, zwinkerte Temari uns zu und half uns schnell bei der Chaosbeseitigung. Über vier Tellern Nudeln mit Pesto erzählte uns Sakura was Sache war. Während Hinata alles über den jungen Mann wissen wollte, fasste Temari die Karinsituation zusammen: „Was für eine Bitch.“ „Sie ist halt megakompetent“, zwischen zwei Bissen Nudeln wischte sich Sakura den Mund ab, „Ich hätte gedacht, dass andere Streber nicht so kindisch sind.“ „Die meisten Frauen werden zu Bitches, wenn sie verliebt sind. Ino ist sogar stolz drauf.“ „Oh, das hatte ich auch noch vergessen“, Sakura rollte mit den Augen, „Shikamaru hat gefragt, ob wir nicht alle zusammen campen gehen wollen. Im August.“ Ach, August, Monat der Sommerflirts und schnellen Nummern. Außerdem die einzige Zeit, in der keine von uns sich mit Deadlines herumschlug, ständig Gigs hatte oder nur noch Nachtschichten schieben musste. Ichiraku heuerte immer Studierende in der Zeit an und da ich mit den anderen beiden Jungs festangestellt war, hatten wir die erste Wahl bei den Schichten. „Aber das wäre doch eigentlich ganz schön“, Hinata lächelte aufmunternd in die Runde, „Letztes Jahr waren wir doch auch eine Woche im Urlaub und es hat Spaß gemacht.“ „Aber Ino will einen richtigen Pärchenurlaub“, betonten Sakura und Temari gleichzeitig, „Sie will Shikamaru mal für sich haben.“ „Und Camping ist gar nicht so ihrs“, seufzte ich leise. Schon eine Mücke oder Wespe war zu viel für Ino und normalerweise durfte ich sie dann aus ihrem Zimmer scheuchen. „Ich kann nochmal mit ihm reden“, erklärte Temari schließlich, „Beim Rauchen kann man solche Gespräche immer besser führen. Aber…“, und damit wendete sie sich Sakura zu, „Erstmal kümmer ich mich um dein Karinproblem.“ „Ich habe kein Problem mit Karin.“ „Süße, wenn zwei „megakompetente“ Frauen auf den gleichen Kerl stehen gibt es immer Probleme, glaub mir. Und gerade durch die Lerngruppe und das gemeinsame Seminar wirst du ihn nie alleine zum Reden bekommen. Also…“, Temari beugte sich verschwörerisch nach vorne, „Lass das mal meine Sorge sein und du gibst mit deinem großen Gehirn ein bisschen an, okay?“ „Du sprichst mit mir als sei ich ein Kind.“ „Bist du ja auch – ich hab das Gefühl ich wohne mit Barbie und drei Nonnen zusammen“, kicherte Temari und nahm sich noch einmal ordentlich nach. *~*~*~* Als ich mich für die Schicht fertig machte, wartete Hinata an der Tür auf mich. Obwohl es draußen noch 26 Grad waren trug sie wieder einen langen Rock und eine dünne Strickjacke. Hinata war so hübsch aber zeigte ungern Haut. Ich fühlte mich in meinem Croptop und Shorts wie in Unterwäsche dagegen. Allerdings würde es auch der letzte kühle Tag für eine Weile sein. Bis Montag waren wir deutlich über die 30 Grad Marke und die Stadt würde zum Kessel werden. Vielleicht wollte Hinata einfach nochmal diese Art der Kleidung anbehalten? „Kommst du ein Stück mit?“, fragte ich sie. Sie lächelte und hob die Einkaufstasche hoch, die sie gerade an ihrem Fahrradlenker befestigte, „Mein Cousin ist heute wegen Arbeit in der Stadt und hat seine Zahnbürste vergessen. Er ist da etwas empfindlich, also hab ich ihm eine neue gekauft.“ Hinatas Familie war eine merkwürdige Art von Geheimnis. Ihr Nachname war Hyuuga, so wie die großen Hyuuga Hotels. Aber sie sah ihre Familie nie, außer zu Weihnachten und selbst dann war sie bereits für Sylvester wieder hier. Wann immer sie von ihrer Familie sprach, wurde sie schnell wieder stumm. Ich ließ es also. Familien waren auch immer ein Tabuthema für mich gewesen. „Kann er sich nicht selber eine kaufen?“ Besonders unytpisch für Hinata war das leichte Augenrollen. Nachdem wir ihr Fahrrad abgeschlossen hatten und uns langsam Richtung Ichiraku aufmachten, sprach sie weiter, „Neji würde einfach die Nacht durcharbeiten und dann zu Hause seine alten Zahnbürste nehmen. Und dann wird er sich aufregen, dass das Hotel keine Gästezahnbürsten kostenlos mitgibt. Alles Stress, den er nicht braucht.“ Ich prüfte im Gehen meine Spacebuns und fühlte, ob die Haarklammern auch richtig saßen, „Ist Neji der Cousin, der dich als Kind so gehänselt hat?“ Sie lächelte nur verlegen. Keine Antwort war auch eine Antwort. „Ist dir das denn mit Sakuras Lerngruppe eigentlich Recht?“ „Naja, du meintest doch, der Juni sei für Romantikerinnen. Da brauche ich sie ja nicht zu stören“, Hinata sah stur gerade aus. Wann immer wir nur zu zweit waren zeigte sie mir diese Seite – nicht nur das süße Mädchen, sondern eine junge Frau, die etwas traurig war. Wir wussten alle, dass Hinata sich am meisten nach einem Seelenverwandten sehnte. Ino hatte für eine Weile mal versucht sie mit einem Kindheitsfreund zu verkuppeln, doch beide hatten sich nur angeschwiegen. „Wir könnten uns ja auch um deinen Juni kümmern, Hinalein.“ „Bitte verkuppel mich nicht, Tenten“, lachte sie nervös, doch es klang ein kleines bisschen resigniert, „Ich werde kein weiteres Blinddate überleben. Vielleicht schaffe ich mir eine kleine Katze an. Oder einen Hund.“ „Wie müsste denn dein Traumpartner sein?“ „Ach, ich weiß nicht“, murmelte sie nur und wurde etwas langsamer, als wir Ichiraku bereits sahen. Die zwanzig Minuten Fußweg verflogen immer, wenn wir zu zwei unterwegs waren, „Ich hatte nie so einen richtigen Typ. Ich glaube eher…,dass die Seele passen muss, weißt du?“ Ich wusste es nicht. Ich hatte oft genug gedacht, dass meine Seele gepasst hätte und war dann als „nur eine gute Freundin“ schnell für die nächste Frau mit kurzen Rock oder größeren Brüsten fallen gelassen worden. Stattdessen lächelte ich Hinata nur an und nickte ihr zustimmend zu, „Das klingt doch nach was.“ „Es klingt nicht kindisch? Wenn Ino und die anderen immer über Körperteile reden fühl ich mich ein bisschen fehl am Platz.“ Ich erinnerte mich lebhaft an die letzte Diskussion in der Temari und Ino lautstark über Chris Hemsworth diskutiert hatten. Das geduldige Lächeln auf meinen Lippen war ein bisschen falsch, doch ich nickte, „Gar nicht kindisch.“ Es war ja auch nicht kindisch. Aber fehl am Platz fühlte ich mich auch nicht. Chris Hemsworth hatte die schönsten Arme, die es gab. Hinatas Lächeln wurde offener und glücklicher, beinahe erleichtert. Das war es wert, Chris‘ schöne Arme zu verschweigen. „Viel Spaß auf Arbeit“, grinste sie mir zu und umarmte mich für einen kurzen Moment, ehe sie aufs Fahrrad stieg und davonfuhr. Ich blieb noch einen Moment stehen und genoss den Sonnenuntergang, der sich langsam über Konoha legte. Das Ichiraku würde sich noch einmal ordentlich füllen – der Dinnerrush begann schon um 17 Uhr und blieb meistens bis 22 Uhr im vollen Gange. Die Ramen waren gut und die Cocktails billig, sodass wir einen Haufen von Kundschaft anzogen, vor allem im Sommer. Da waren ruhige Momente wie dieser gut. Ich ging durch den Hintereingang und trat in einen regelrechten Backofen. Im Pausenraum war die Klimaanlage bereits jetzt ausgefallen – aber da die Schweißflecken in meiner Uniform sowieso kaum noch herauswaschbar waren, war das vielleicht das Beste. „Ich hab‘ ein Match!“, schrie es vom kleinen Pausentisch, auf dem Lee und Naruto Platz genommen hatten. Ja richtig, nicht am Tisch, sondern auf dem Tisch. Wir mochten zwar Mitte zwanzig sein, aber Lee und Naruto benahmen sich noch wie Schuljungs. „Wer von euch hat ein Match?“ „Lee natürlich!“, lachte Naruto und warf mir eine der Schürzen zu. Naruto, Lee und ich waren der Kern des Kellnerpersonals. Wir hatten alle etwa zeitgleich angefangen und waren nun in der Lage, den Laden größtenteils alleine zu schmeißen, wenn es nicht gerade Hochsommer war. „Ich kann nicht glauben, dass die Welt des online datings mir solange verwehrt blieb, Tenni. Warum hast du mir nur davon abgeraten?“ „Weil du mehr bist als nur ein Stückchen Kuchen, dass man gerne vernascht?“ Ich kannte mich leider nicht gut in der queer dating scene aus, aber meine Erfahrung mit tinder und co war eher bescheiden. Ich hatte Lee größtenteils davon ferngehalten, aber hier saß er nun, die Unschuld vom Lande, und ließ sich von Naruto in den Abgrund ziehen. Ich hoffte, Naruto würde auch Lees Tränen trocknen, wenn ihm das Herz gebrochen wurde. „Ach, er hält das schon aus“, zwinkerte mir der Blonde zu und kletterte vom Tisch herunter, „Ich muss wieder raus, Moegi hat gleich Feierabend.“ Lee und ich blieben allein zurück. Ich ließ mir für einen Moment alle Bilder von replacementgoldfish1992 zeigen, welche seinen Kopf nicht beinhielten, aber dafür einige Katzen. Wunderbar, Naruto, da hattest du ihn ja großartig beraten. „Du wirkst fertig“, bemerkte Lee leise und legte mir wohlwollend den Arm auf die Schulter, „Alles okay mit den Mädels?“ „Ino und Shikamaru steuern auf den nächsten großen Streit zu, Sakura hat hyperintelligentes Liebesdrama am Laufen, Hinata verdient zwölf Umarmungen. Temari will jetzt weniger Rauchen.“ Mein bester Freund wandte den Blick nicht von mir ab. Lee war eine wahre Frohnatur, die es schaffte, jedem den Tag zu erleichtern, „Aber was ist mit dir, Tenten?“, hakte er jetzt jedoch nach. Was war mit mir? Eigentlich nichts. Ich hatte einen guten Job, war gesund und besaß einen wunderbaren Freundeskreis. Doch während mehr und mehr von ihnen sich im romantischen Juni verloren stellte ich ein weiteres Jahr fest, dass für Kumpeltypen wie mich sich nicht viel ändern würde. Ich war nicht verbittert oder frustriert. Aber vielleicht ein kleines, kleines bisschen enttäuscht. Kapitel 3: June 21st - Patient Romantic (Hinata) ------------------------------------------------ Es war schlimmer, als ich es befürchtet hatte. Nejis Koffer war zwar ausgepackt und mein Cousin sah gepflegt wie eh und je aus, aber sein Hotelzimmer roch nach ihm. Nicht mehr nach Hotel, sondern nur noch nach ihm. Er hatte den Raum also nicht verlassen. Neji sah mich mit großen Augen an, als ich ihn fragte, ob er sich denn die Gegend ein wenig angesehen hatte.         „Wieso denn das? Ich habe hier alles was ich brauche.“   Neji-nii-san war ein Workaholic. Das war kein Kompliment. Es hieß, dass er das Hotel nie verließ, denn Hyuuga Hotels war sein Arbeitsplatz und sein Schlafplatz. Essen bekam er in einem der Restaurants, Massagen im Wellnesssalon, als Sozialkontakt zählte er seine Konferenzteilnehmer. Und dadurch, dass die meisten Hotels inzwischen auch ein Fitnessstudio besaßen, bekam er auch noch Bewegung. Ich bereute es fast ,dass ich ihm die Zahnbürste mitgebracht hatte. So hätte Neji zumindest für den Supermarktbesuch einmal nach draußen gehen müssen.               „Aber du kannst doch nicht nur die Klimaanlagenluft einatmen. Du brauchst etwas Frisches.“               „Bei 36 Grad draußen?“               „Es würde dir gefallen die Stadt zu sehen.“               „Wenn es mir so gefallen würde“, Neji bekam einen Ausdruck, der mir mehr als bekannt war. Er hatte ihn schon gehabt als wir zwölf gewesen waren und er mir erklärte, dass ich eine Schande für die Familie war. Neji wusste nicht ,dass er noch immer genauso herablassend schauen konnte, oder wie oft er es tat. Es war das Gesicht, was mir immer in den Kopf kam, wenn ich an ihn dachte, „Warum lädst du mich dann nicht einmal bei dir zu Hause ein?“   Trotz der Klimaanlage bekam ich kaum Luft. Ich merkte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. Zwischen mir und Neji gab es Frieden, aber es war ein brüchiger Frieden. An schlimmeren Tagen hatte ich Angst, dass er meine Grenzen, die ich mir mühsam aufgebaut hatte, wieder einreißen würde. Aber zumindest weinte ich nicht mehr sofort los. Nur meistens danach, wenn mich niemand mehr sah.               „Dein Vater ist übrigens weiterhin sehr besorgt um dich. Warum du es nicht an einer Privatuni versuchst ist ihm schleierhaft“, auf Nejis Lippen zeigte sich ein versöhnliches Lächeln. Nichts war ein besserer Kompromiss zwischen uns als mein Vater, unter dem wir beide sehr gelitten hatten, „Willst du mir immer noch nicht verraten, was du studierst?“ Vielleicht war es kein Wunder, dass Neji und ich uns nur auf so dünnem Eis bewegten. Ich hegte meine Geheimnisse genauso wie er es tat,             „Heute nicht. Aber…ich könnte dich zum Essen einladen, wenn du möchtest. Außerhalb des Hotels natürlich.“   Zu meiner Überraschung befreite sich Neji von seinem Jacket und krempelte die weißen Ärmel seines Hemdes hoch,             „Du kannst mich einladen, wenn du mir etwas von dir erzählst.“   So war es immer in unserer Familie. Es gab keine liebevollen Umarmungen. Keine Komplimente. Kein Lob, nur Kritik. Jedes Jahr machten wir neue Bilder, gaben Interviews, standen Modell. Es war, als hätte ein ewiger Winter geherrscht und ich erwachte erst langsam aus einem hunderjährigen Schlaf. Doch bestimmte Dinge vergaß man nicht. Es gab keine Gespräche im Hause Hyuuga. Nur Verhandlungen.               „Nichts zum Studium und nicht meine Addresse“, gab ich schließlich an.               „Deal“, seufzte mein Cousin, „Aber du lädst mich ein.“   Wir liefen eine Weile ziellos umher. Der Schweiß klebte mir an den Beinen als die Stadt immer mehr zum Heizkessel wurde. Neben ihm musste ich wie ein schiwtzender Pudel aussehen. Neji wurde nähmlich sehr oft hinterhergestarrt. Die Zimmermädchen tuschelten, während er stur geradeaus sah. Trotzdem lief mein Cousin mit etwas geraderem Rücken als er es sonst tat. Meine Wangen begannen zu glühen. Ich fühlte mich, wie so oft, ein wenig fehl am Platz.   Zudem war Neji leider sehr wählerisch. Sushi hatte er sofort abgelehnt, ebenso wie Pizza und Burger. Meine Standardplätze waren damit ausgeschieden. Je länger wir draußen waren, umso unerträglicher wurde es. Bald würde hoffentlich ein Gewitter einschlagen und für etwas abkühlen sorgen. Momentan rannten wir jedoch schwitzend wie im Kreis um das Hotel.               „Was ist hiermit?“, hatte Neji schließlich gefragt und zum Ichiraku gedeutet.   Ich hatte mich an meinen Fahrradlenker geklammert, aber sonst nichts gesagt. Meine Wohngemeinschaft liebte ich innigst aber Ino und Temari, so sehr ich sie bewunderte, würden Neji über alles ausfragen. Sakura und Tenten hingegen würden erst mich ausfragen, nachdem Neji gegangen war. Außerdem mochte Neji Ramen und ich war ewig nicht mehr im Ichiraku gewesen. Es war meistens komisch sich von Tenten bedienen zu lassen, und da Tenten ständig Ramen zu sich nahm, wollte sie an unseren gemeinsamen Abenden auch einmal woanders hingehen.   Es war schlichtweg perfekt.               „Das ist gut. Das Essen ist hausgemacht. Ramen vorallem aber sie haben auch ganz viel andere-“               „Haben sie vegetarisches Essen?“   Ich versuchte mir die Überraschung nicht anmerken zu lassen. Ich wusste gar nicht ,dass Neji Vegetarier geworden war,             „Ich denke bestimmt.“   Das Ichiraku war voll. Jetzt wo der Sommer begonnen hatte, wollte jeder so lange wie möglich etwas davon genießen. Der Hinterhof war komplett belegt und die Kellnerin kannte ich nicht, weshalb ich schon befürchtete wieder umkehren zu müssen als mir jemand um den Hals fiel. Neji hob überrascht eine Augenbraue an, während ich begann nach meinem Atem zu ringen. Trotzdem fühlte ich mich sofort warm und willkommen.               „Hinata, ich hab‘ dich ja ewig nicht mehr gesehen!“, Lee ließ mich etwas los, um mich näher anzusehen, „Wie geht es den anderen? Tenni meinte schon ihr habt diesen Donnerstag wichtigen Besuch?“, erst jetzt nahm er von Neji neben mir Notiz. Wie alle Leute, die uns zum ersten Mal sahen, begannen seine Augen zwischen und blitzschnell hin und her zu wandern. Er verglich Kinn und Haare, Augenform und herzförmige Lippen,               „Ein Zwilling?“, stellte Lee überrascht fest. Neben mir begann Neji seinen gesamten Körper anzuspannen,             „Ein Cousin“, beschwichtigte ich ihn und hakte mich bei Neji unter, „Ihr seid gerade sehr voll, oder? Sollen wir später wiederkommen?“   Zwar würde Neji morgen abreisen, aber ich wollte auch dem Restaurant keine Umstände machen. Lee schüttelte jedoch beruhigend den Kopf,             „Ach, für dich haben wir immer Platz. Tenni macht heute Küchenhilfe, Ayame ist ausgefallen, aber sie kommt nachher sicher gerne rum und sagt hallo. Wie wäre es mit…Naruto? Naruto, hat deine Sektion noch Platz?“   Ich folgte Lees Blick und sah in ein paar warme blaue Augen, die aus einem Märchen hätten sein können. Naruto trug gerade ein Tablett voller bunter Cocktails und winkte uns schnell heran. Der Tisch, neben dem er stand, war ein bisschen in der Ecke, was mit gefiel. So hatten wir trotz der lauten Atmosphäre unsere Ruhe. Neji rümpfte die Nase, doch lies sich ohne Beschwerde mit mir zum Platz führen.               „Herzlich Willkommen im Ichiraku“, grinste Naruto eine Minute später, nachdem er die Cocktails serviert hatte und platzierte die Speisekarten vor uns, „Wer auch immer gesagt hat, in Ramen wäre nichts Gutes – ich bin der Gegenbeweis. Aus mir ist ganz sichtbar etwas geworden, nicht?“, er zwinkerte mir für einen Moment zu. Normalerweise erntete vorallem Ino die typischen Kellnerflirtereien,             „Ich empfehle auf jeden Fall eine Portion Misoramen pro Person, die ist gut für die Seele, gleichzeitig auch ein super Getränk und hebt die Stimmung vor allem wenn unsere charmante Tenten den Kochlöffel schwinkt. Hat irgendjemand von euch eine Lebensmittelallergie? Milchprodukte, Nüsse, Gluten?“   Neji hatte die Lippen zusammengepresst. In seinem feinem Hemd und der Anzugshose wirkte er sichtbar fehl am Platz. Ich weiß nicht, was er erwartet hatte…tradtionell japanisches Essen in super teurer?               „Er ist Vegetarier“, erklärte ich schlichtend, „Oh, und habt ihr heute Tentens Hausdango? Sie stehen nicht auf der Liste aber sie meinte mal-“               „Secret Menu“, lachte Naruto wissend, „Du kennst also unsere Tenni? Dann muss ich wohl ganz besonders lieb zu euch sein. Dann einmal Misormanen mit Fleisch, einmal Veggie und eine Portion himmlisches Tentendessert? Alkohol oder Limonade vielleicht?“               „Nein danke“, erklärte Neji stumm und wartete bis Naruto sich vom Tisch verzogen hatte. Als mein Cousin mir wieder in die Augen sah, wirkte es, als hätte ihm jemand ins Essen gespuckt,             „Dann hätten wir auch zu McDonalds gehen können“, zischte er, „Solche Läden haben genau eine Brühe wie Mäcces Fett benutzt. Und heruntergekommen ist es auch noch.“   Es stimmte, dass Ichirakus etwas rustikal wirkte, aber das gab ihm seinen Charme. Vielleicht müssten die Wände mal wieder gestrichen werden, doch das Essen schmeckte immer vorzüglich, da es ein Familienbetrieb war. Mir war schon ein paar Mal aufgefallen ,dass Neji und ich andere Geschmäcker hatten, aber normalerweise konnte mein Cousin sich als Gast benehmen.               „Es ist wirklich sehr gut besucht“, betonte ich vorsichtig, „Das ist doch immer ein gutes Zeichen. Vater sagt doch auch immer – Was bringt ein Fünf Sterne Hotel, wenn…“               „Wenn die Zimmer leer sind“, beendete Neji unser inoffzielles Familienmotto. Außerhalb des Hotelzimmers sah er jünger und zugleich müder aus. Hatte er überhaupt eine Pause gemacht?   Zumindest machte er keine Pause darin, das Ichiraku zu bemängeln,             „Wenn ein Restaurant es nötig hat, dass seine Kellner dir Hoffnungen machen, Hinata, dann kann es nicht gut sein.“   Es war eine einfache Kritik am Restaurant und nicht an mir. Aber es tat trotzdem weh. Mir Hoffnungen zu machen bedeutete was für Neji? Dass Männer wir Naruto mich im wahren Leben nicht ansprechen würden? Das wusste ich auch selbst. Aber es war schön, mal ein Kompliment zu bekommen – vorallem, weil es nicht schmierig wirkte. Er hatte Spaß an der Arbeit, lachte mit Kundinnen und Kunden, aber ließ keinen der Tisch für lange unbeaufsichtigt,               „Du bist heute auch mein Gast, Neji“, meine Stimme betrog mich noch mehr als meine Wortwahl. Sie war belegt und zittrig, drohte bereits mit den Tränen, „Bitte. Lass uns doch einfach einmal miteinander auskommen. Ich  kann nicht immer gegen dich ankämpfen.“   Obwohl der Laden so voll war, fühlte er sich leer und der Tisch einsam an. Es war fast eine Erleichterung, als Naruto mit unserem Essen zurückkehrte, vor mir die Schüssel Ramen platzierte und zwischen uns den Nachtisch. Ich sah auf und bedankte mich, als ich merkte, dass mir nun doch eine Träne die Wange herunterlief.   Am liebsten wollte ich im Erdboden versinken. Doch Narutos Gesicht wurde etwas sanfter, seine Hand glitt tief in seine Schürze. Wortlos platzierte er eine Packung Taschentücher und ein Zitronenbonbon neben meinen Esstäbchen,             „Wenn du noch etwas brauchst“, und diesmal sah er nicht einmal zu Neji, „Dann wink mich einfach rüber, okay?“   So etwas war mir neu. Ich kannte es nicht, dass jemand Hilfe anbot. Partei für mich ergriff. Seit ich die Kernfamilie so weit wie möglich verlassen hatte, waren es nur die zwischenmenschlichen Kämpfe, die ich noch austragen musste. Sachen wie das zwischen mir und Neji oder mir und Vater. Meine Mädels waren mein Sonnenschein, ohne zu wissen ,wie sehr mir an unserer WG lag.   In der Schule hatte mir niemand geholfen. Warum also jetzt?               „Du machst eine Szene“, meinte Neji und rührte sein Essen nicht an, wenn gleich auch seine Augen immer wieder zu der köstlich duftenden Schüssel wanderten. Die Brühe hatte eine ganz andere Farbe als meine, ein kleines Zeichen, dass es wohl doch Unterschied zwischen der vegetarischen und der Fleischoption gab.               „Iss einfach, Neji. Wir haben unser Bestes für heute versucht.“   Mein Cousin nahm widerwillig die Stäbchen in die Hand. Der Benimmunterricht, den wir als Kinder besucht hatten, zeigte noch immer volle Wirkung – es wäre unhöflich, das Essen ohne es zu kosten zurückgehen zu lassen. Er fischte ein paar Ramen heraus und nahm einen Bissen.   Für eine Sekunde dachte ich, ihm würden die Nudeln gleich aus dem Mund fallen.   Neji sah ungläubig auf seine Schüssel und nahm einen weiteren Bissen zu sich. Während sein Gesicht keine weitere Regung zeigte, färbten sich seine Ohren tiefrot. Ich war eigentlich nicht schadenfroh. Aber während Neji schuldbewusst Tentens Ramen aß und Naruto mir aus dem Augenwinkel ein paar aufheiternde Grimassen zu war, begann ich mich bei um einiges Besser zu fühlen.     Hosted by Animexx e.V. 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