Through Space and Time von Sweet_Sakura0307 (God's Fallen Angel / Satoru X Yashiro) ================================================================================ Kapitel 7: Samstag ------------------ Mit höllischen Schmerzen wachte der blauhaarige junge Mann an diesem Tag auf. Seine Ohren verrieten ihm, dass Gaku in der Küche war und das Frühstück vorbereitete. Also kein Grund zur Sorge. Erleichtert atmete er auf und blieb noch ein paar Minuten im Futon liegen. Obwohl ihm die letzte Nacht eher wie ein Traum erschienen, war sein grausam schmerzender Körper die grausame Realität. Der Ältere war nunmal kein Fliegengewicht und unter dessen Körper zu liegen, hatte einen Muskelkater und einen verspannten Rücken vom Feinsten nach sich gezogen. Zumal er selbst null komma null null Prozent Muskeln besaß, die das ganze hätte kompensieren können. Nachdem er sich endlich überwunden hatte aufzustehen, machte er einen paar Dehnübungen für den Rücken und schob, ging dann in seinem Pyjama in den Wohn-Essbereich. Ein wohliger Geruch strömte in seine Nase, während er sich zu dem Braunhaarigen an den Herd stellte, der gerade mit dem Wenden von Pfannkuchen beschäftigt war. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, den jüngeren an sich zu ziehen und ihm einen leidenschaftlichen Guten-Morgen-Kuss zu geben. „Hast du gut geschlafen?“ „Ja, ich denke schon.“ Die beiden unterhielten sich, während sie gemütlich und in Ruhe ihr Frühstück einnahmen und besprachen den heutigen Tagesablauf. Obwohl sich die Tatsache, dass sein Mitbewohner jederzeit von seiner Seite verschwinden konnte, nicht geändert hatte, bedrückte ihn das weniger als gestern. Beide schafften es sich ungezwungen zu unterhalten, ohne von diesen Hintergedanken geplagt zu werden. Außerdem war Wochenende, also konnte es der Mangazeichner etwas ruhiger angehen lassen, da ihm seine Verleger und Redakteure nicht im Nacken saßen. Andererseits hatte er gestern nicht viel geschafft, was er heute definitiv aufholen musste. Der Vormittag sollte dafür aber absolut ausreichend sein. Das war dem Älteren jedoch mehr als Recht, denn obwohl er sich nichts anmerken ließ, wurde sein Körper immer schwächer. Er spürte, dass seine Rerun-Kräfte, die ihn in dieser Zeit hielten, schwanden. Bitte, nur noch etwas länger, flehte er in sich verzweifelt und versuchte sich zusammen zu reißen. Nach dem gestrigen Vorfall wollte er seinen Geliebten jedoch nicht noch mehr beunruhigen. Dafür war ihre gemeinsame Zeit zu schade. In der Hoffnung, dass ihm ein starker Kaffee die nötige Energie schenken würde zumindest den Tag zu überstehen, trank er seine Tasse aus. Nach dem Frühstück machte Satoru sich gleich an die Arbeit und versuchte dabei so gut es ging den attraktiven Mann auszublenden, was ihm erstaunlich gut gelang. Da er heute besonders motiviert war und er förmlich auf einer Welle der Inspiration ritt, schaffte er es in Windeseile mehrere Seiten zu zeichnen. Er war so ins Zeichnen vertieft und ging in einen kompletten Flow-Modus über. Zuweilen hatte er auch ganz vergessen, dass sich noch eine Person in seinem Haushalt befand. „Zeit fürs Mittagessen.“, holte ihn eine verführerische Stimme an seinem Ohr wieder zurück in die Realität, während sich zwei Arme von oben an seiner Brust herunter schlangen und ihn von hinten umarmten, „Oder hast du etwa keinen Hunger?“ Erschrocken fuhr er hoch. So in der Arbeit versunken, hatte er gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Da er seinen Rückstand mehr als aufgeholt hatte, packte er seine Sachen ruhigen Gewissens beiseite und widmete sich dem Mittagessen. Drei Mal am Tag so wunderbar bekocht zu werden, war der pure Luxus und da er als Mangazeichner, der stetig im Stress war und nie Zeit fürs Kochen hatte, wusste er das umso mehr zu schätzen. Und obwohl man ihm es an seinem dürren Körper nicht ansah, ging in seinen Magen extrem viel rein, sodass er sogar einen Nachschlag verlangte. „Du Satoru, wir müssten heute etwas einkaufen gehen.“ So viel Kochen führte aber auch dazu, dass sich der Kühlschrank schnell leerte und man immer wieder für Nachschub sorgen musste. Auch der Nachmittag wäre somit verplant. Beide zogen sich an und machten sich deshalb auf, um alles zu besorgen. Und wie es dabei so war, bekam man nicht alles in einem Supermarkt, sodass sie mehrere Läden abklappern mussten. Bei der Strecke, die sie zurück legten, musste der Braunhaarige ganz schön schnaufen. Jetzt merkte auch Satoru, dass der Ältere neben ihm ziemlich langsam ging. So langsam, dass es sogar einer unsportlichen Person wie ihm, wie das reinste Schneckentempo vorkam. Als Gaku plötzlich auch anfing hin und her zu taumeln, blieb er kurz stehen, während der Braunhaarige apathisch weiterging. „Alles okay?“, fragte er besorgt und eilte voran um seinen Geliebten, der fast umgekippt wäre, zu stützen. „Ja, schon gut.“, lächelte dieser außer Atem. „Bist du sicher? Ich kann den Rest auch alleine erledigen. Du kannst dich in dem nächsten Cafe etwas ausruhen.“ „Nein, danke. Aber wie wäre es, wenn wir beide uns in dem nächsten Cafe etwas aufwärmen.“, schlug der Ältere vor, da es heute besonders kalt war. Satoru stimmte dem zu und so fanden sie sich in einem gemütlichen Cafe an der nächsten Ecke bei einer heißen Schokolade wider. Satoru hatte ein schlechtes Gewissen. Er hatte gar nicht gemerkt, wie schlecht es dem Älteren eigentlich ging. Wieso war es ihm nicht früher aufgefallen? Die gestrige Nacht hatte ihn in Sicherheit gewogen. Noch dazu war der Braunhaarige ein unglaublich guter Schauspieler, was ihn aber eher kränkte. „Wieso zeigst du mir nicht, wie du dich wirklich fühlst?“, fragte Satoru traurig. „Das kann ich nicht.“, bekam er sogleich die Antwort, was ihm einen Stich ins Herz versetzte. Vertraute er ihm denn etwa nicht? „Wieso nicht? Ich weiß, dass ich vielleicht nichts ausrichten kann, aber wenn es dir schlecht geht, möchte ich für dich da sein.“, erwiderte Satoru protesthaft. Seine Stimmung war gerade dabei wieder zu kippen und er wieder der gestrigen Melancholie zu verfallen. Wieso wurde er in Allem immer außenvor gelassen? Waren sie nicht beide an der Sache beteiligt? „Der Rerun…“, begann Gaku verständnisvoll lächeln, „Ich habe mich der Kraft des Rerun bedient um letztendlich in Selbstmitleid zu verfallen, sondern um mit dir zusammen zu sein. Das habe ich dir doch versprochen.“ Damit spielte Gaku wohl an ihre gemeinsame Zeit als Engel im Paradies an. Die Zeit, an die er sich nicht erinnern konnte. Satoru hörte sich alles an, wurde aber dann doch etwas niedergeschlagen. „Ist der Rerun dann ein Fluch oder ein Segen?“, fragte der Blauhaarige in sich gekehrt. „Wohl beides.“, beantwortete der Braunhaarige die Frage lächelnd. „Stört es dich eigentlich nicht, dass ich mich nicht erinnern kann?“ - ihn störte es nämlich gewaltig. Er wüsste gerne, wie ihr Leben ihm Paradies ausgesehen hatte. Wie er als Engel war. Wie Gaku war. Wie Gott war. Und was sie dort für ein Leben geführt hatten. Wieso hatte Gott nur ihm die Erinnerungen genommen und nicht ihnen beiden? Gaku hatte zwar erzählt, dass Gott ihn mehr als alle Engel geliebt hätte, wieso aber wurde dann nur er mit dieser Strafe belegt? „Ehrlich gesagt“, fing der Ältere an und Satoru wurde abermals hellhörig, „bin ich schon etwas traurig darüber. Aber du kannst ja nichts dafür.“ Satorus Herz schlug wie wild als er diese Worte aus Gakus Mund hörte. Es war das erste Mal, dass auch er etwas Schwäche ihm gegenüber offenbarte. Es waren die ehrlichsten Worte, die er bis jetzt von ihm gehört hatte. Und auch, wenn er darüber eine gewisse Schuld empfand, war er in diesem Moment unglaublich glücklich. „Und trotzdem - das Einzige, was für mich zählt, ist unsere Liebe.“, meinte Gaku und legte seine Hand auf die des Blauhaarigen. Genau. Was zählte, war, dass er im hier und jetzt glücklich war. Egal, wie dreckig es ihm ging. Egal, wie schwach er war. Ihre Zeit als Engel gehörte der Vergangenheit an und es gab keinen Weg wieder dorthin zurück. Deswegen machte es keine Sinn länger darüber einen Gedanken zu verschwenden. Sie würden nie wieder zu Engel werden, denn sie waren Menschen. Als sie ihre Tassen ausgetrunken und gezahlt hatten, setzten sie ihre Einkaufsreise fort. Satoru achtete dabei sehr darauf, dass er dicht neben Gaku ging um ihm im Notfall aufzufangen und sich seinem Gehtempo anzupassen. Einerseits erkannte der Ältere den guten Gedanken dahinter, andererseits war das alles doch etwas zu viel des Guten, da er sich bei der heißen Schokolade wieder etwas erholt hatte und sich im vollen Besitz seiner Kräfte befand. „Wenn du noch langsamer läufst, kommen wir erst morgen nach Hause.“ „Ich nehme doch nur Rücksicht auf dich.“ „Die Rücksicht kannst du dir sparen. Du tust so als würde ich jeden Moment tot umkippen.“ Der Rerun hatte ihn zwar etwas ausgelaugt, was aber nicht hieß, dass sein Leben am seidenen Faden hing. Beleidigt blieb Satoru stehen und grummelte ein paar Schimpfwörter vor sich hin. Doch genau in diesem Moment war ihm, als ob er ein Flimmern wahrgenommen hätte. „Gaku-san?“, rief er den Braunhaarigen unsicher. Wieso reagierte er nicht? Sein Herz machte einen Aussetzer. Mit geschärften Sinnen hielt er inne und hoffte, dass er sich da gerade verguckt hatte. Aber dem war nicht so. Tatsächlich wurde Gaku, der ein paar Meter vor ihm lief immer durchsichtiger, als würde er genau jetzt verschwinden. Wie konnte das sein? Der Ältere hatte doch gesagt, dass es ihm gut ging! „Gaku-san!“, noch einmal rief er ihn, bekam aber keine Antwort. Stattdessen wurde er immer durchsichtiger. Er schien schon fast verschwunden zu sein, da ließ Satoru panisch die Einkaufe fallen und rannte auf ihn zu. „Gaku-san!!!“, noch in letzter Sekunde hatte er es geschafft ihn von hinten zu umarmen, sodass Gakus Körper wieder Form und Gestalt annahm. Auch dem Braunhaarigen, der vorhin noch so selbstsicher getan hatte, war gerade das Herz in die Hose gerutscht. Verdammt! Dass war knapp! Verärgert biss er die Zähne zusammen. Was sollte das? Es waren überhaupt nicht die typischen Anzeichen gewesen. Normalerweise spürte er förmlich wie jegliche Kraft seinen Körper verließ, bevor er sich komplett auflöste. Gerade war es nicht so. Er hatte überhaupt nichts gemerkt. Gar nichts. Als er wieder bei Sinnen war, merkte er, dass die ganzen Einkaufe auf dem Boden verstreut lagen, sodass er diese schleunigst wieder aufsammelte und in die Stofftaschen tat. „Entschuldige, Satoru. Und danke. Damit habe ich echt nicht gerechnet.“, gab er kleinlaut zu und bemerkte erst jetzt, dass sich Satoru keinen Zentimeter bewegt hatte und wie apathisch ins Leere starrte. Nun war es der Braunhaarige der besorgt den Jüngeren an den Schultern schüttelte und immer wieder seinen Namen rief. Keine Reaktion. Was sollte das? Was geschah hier? Satoru stand einfach nur dran und fing an unglaublich zu zittern. Sein Gesicht verdunkelte sich und seine Augen füllten sich mit Tränen. Als ob er vor sich nicht Gaku, sondern jemand anderen sehen würde, streckte er seine Hand aus und flüsterte mit gequälter Stimme „Mein Liebster…“ während ihm Tränen die Wangen herunter liefen. Geschockt und hilflos nahm Gaku ihn in seine Arme und hielt seinen Geliebten einfach nur fest. Konnte es tatsächlich sein, dass er sich erinnerte? Dass er sich an ihre Zeit als Engel erinnerte? In all ihren Wiedergeburten war es kein einziges Mal passiert. Es wäre das erste Mal, wenn Satoru sich hier und jetzt erinnern sollte. Und genau so war es auch: Satoru sah es vor sich, als würde er alles jetzt noch einmal durchleben. Nachdem Gott von ihrem Verhältnis erfahren hatte, wurden sie beide in getrennte Gefängniszellen gesteckt. Auch, wenn ihnen kein Urteil offenbart wurde, war ihnen klar, was mit ihnen passieren würde. Alle kannten die Geschichte um Adam und Eva, die aus dem Paradies verbannt wurden. Das gleiche Schicksal würde wahrscheinlich auch sie ereilen. „Tut mir Leid, dass ich dich in diese Sache mit hinein gezogen habe.“, entschuldigte sich der Schwarzgeflügelte. Er hatte tiefe Schuldgefühle, denn schließlich wäre das alles ohne seine Initiation nie geschehen. So hätte er zumindest seinem Geliebten diese Strafe ersparen können. In dieser Hinsicht zeigte er eine gewisse Reue. Außerdem war das noch etwas anderen. Er mit seinen pechschwarzen Flügeln war immer der Außenseiter gewesen, doch egal wie weit er es mit seinen Provokationen getrieben hatte, hatte Gott immer Gnade walten lassen. Dabei war ihm bewusst, dass er sich früher oder später ins Aus katapultieren würde. Dass es aber damit zu tun haben würde, sich in einen anderen Engel zu verlieben, damit hätte er nicht gerechnet. „Wieso entschuldigst du dich?“, hörte er eine Stimme einerseits fragend andererseits vorwurfsvoll hinter ihm. Auch dem Engel mit den weißen Flügeln war absolut bewusst gewesen, auf welches Terrain er sich begeben würde, als er seinem Verlangen nachgab. Als Lieblingsengel Gottes war er zwar vorbildlich in seinen Taten, jedoch keinesfalls dumm oder naiv. Er wusste genau, dass er Gottes Gesetz brach. Vorbildlich hieß eben nicht perfekt oder unfehlbar zu sein. Und schließlich gab es noch eine Frage, die ihm auf der Zunge brannte: „Bereust du es etwa?“ Doch damit traf er einen wunden Nerv bei dem Schwarzgeflügelten, der sich abrupt umdrehte und ein bestimmtes „Niemals!“ hervor rief. Auch wenn er unter den anderen Engel als Unruhestifter bekannt war, so wollte er mit seiner Tat niemals den Ärger und die negative Aufmerksamkeit der anderen auf sich ziehen. Nein, diesmal war es anders gewesen und genau das bereitete ihm Sorgen. Denn aufgrund seines Verhalten in der Vergangenheit, dachten die anderen wahrscheinlich, dass er den Engel aus lauter Jucks und Tollerei verführt hätte. Doch dem war nicht so. Seine Gefühle hätten nie reiner und aufrichtiger sein können. Und er betete, dass Gott das auch so verstanden hatte. Überglücklich rannen dem Weißgeflügelten Tränen über die Wangen, der das mit einem „Ich auch nicht“ erwiderte. Genau das. Nur das wollte er hören. Ihm war egal, was die anderen über ihn dachten, was Gott dachte. Als sie vor das Gottesgericht gestellt wurden, hatten sie beide die Gelegenheit gehabt ihre Tat zu rechtfertigen. Darüber war er nicht nur froh, sondern auch dankbar, denn so hatte er die Chance Gott von der Echtheit seiner Gefühle zu überzeugen. Doch über das Gesetz ließ sich nicht verhandeln, so rein ihre Beweggründe auch sein mochten. „Ich liebe dich! Ich werde es nie vergessen, auch wenn wir als Menschen wieder geboren werden, Yael.“, weinte der Weißgeflügelte und sah seinen Geliebten mit Tränen in den Augen, aber auch glücklich lächelnd an. Auch der Schwarzgeflügelte sah seinem Geliebten tief in die Augen und antwortete: „Ja, ich werde unsere Liebe auch nicht vergessen, Ariel. Das verspreche ich!“ Am folgenden Morgen wurde ihnen das Urteil verkündet, das sie bereits erwartet hatten: Verbannung aus dem Paradies, Aberkennung der Unsterblichkeit und unendliche Wiedergeburt in einem menschlichen, sterblichen Körper. Und dann wurde ein kleine aber wichtige Nebensächlichkeit erwähnt. Ariel sollte als Einziger seine Erinnerungen verlieren. Die sofortige Vollstreckung lag im Sinne der Wahrung der göttlichen Ordnung. Panisch sahen sich beide an und wollten zueinander eilen, wurden aber durch zwei Erzengel daran gehindert. „Nein, Gott, das ist ungerecht! Wieso belegst du ihn mit dieser Strafe, obwohl ich der Hauptsünder bin!“, schrie er und wurde von dem Erzengel zu Boden gedrückt. „Das siehst du falsch.“, erklärte ihm dieser von oben herab und ließ Yael hellhörig werden, „Denn während Ariel mit den Freuden des Vergessens gesegnet sein wird, wirst du an den Qualen der Erinnerung leiden.“ So war das also? Es sollte eine Strafe sein. Eine unendliche Strafe, der er nicht entrinnen konnte. Und doch konnte er es nicht glauben. Was war dann mit ihrem Schwur? Sie hatten sich doch versprochen als Menschen wiederzufinden. Wie sollte das gehen, wenn Ariel alles vergessen würde? Yael lag Gott zu Füßen, bettelte und flehte ihn an, doch dieser verlor kein Wort darüber und ließ sich nicht umstimmen. Während er festgehalten wurde, musste er zusehen, wie dem Ariel die Erinnerungen genommen wurden. Sein Geliebter sah ihn nur noch mit leeren Augen gefühllos an. Nun war seine Gegenwehr erschlossen und ließ seinen Körper schlaff hängen, sodass der Erzengel von ihm abließ. Es machte sowieso keinen Sinn mehr. Ungläubig lag er da und spürte nicht einmal, dass sein eigener Körper in Flammen stand. Sein Herz schmerzte schlimmer als es die Brandwunden je tun könnten. Stück für Stück wurde er von ihnen aufgefressen. Während der Schwarzgeflügelte in Flammen aufging und von ihnen wie von einem Monster verschlungen wurde, sah der Weißgeflügelte reglos zu. Und auch, wenn dieser nicht wusste warum und er bei der Verbrennung dieses Engels nichts fühlte, liefen ihm trotzdem Tränen die Wangen herunter. Plötzlich blinzelte Satoru und sein Geist kehrte er wieder in seinen Körper zurück. Ungläubig was mit ihm geschehen war, sah er den Braunhaarigen an, als wären sie sich heute zum ersten Mal begegnet. Unsicher sah er nun an sich selbst herunter und sagte: „Ich bin…nein, ich war…Ariel.“ Der Braunhaarige war so geschockt, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte. Er wusste nicht, ob er in diesem Augenblick lachen oder weinen sollte. Ein Wunder war geschehen. Er hatte sich tatsächlich erinnert. Das, was in ihren unzähligen Wiedergeburten noch nie vorgekommen war. Das, was Gott mit seiner Strafe unter allen Umständen verhindern wollte. Nun wandte der Blauhaarige seinen Blick wieder zu dem Älteren und blickte ihm tief in die Augen. Zuerst lächelte er, wurde im nächsten Moment aber wieder etwas schüchtern, streckte seine Hand nach der Wange des Braunhaarigen aus und meinte: „Und du, Gaku, du bist Yael.“ Nun war es der Braunhaarige, der mit einem Lächeln und Tränen in den Augen mit einem erleichterten „Ja…“ antwortete. Er zog den Kleineren wieder zu sich in die Arme und verharrte mit ihm so für die nächsten fünf Minuten. Erst dann ließen sie voneinander ab und gingen nach Hause, während Satoru ihm alles erzählte. Natürlich war es mit der Erzählung an seine Erinnerung nicht zu Ende. Als sie zu Hause angekommen waren, die Einkäufe eingeräumt und ein Bad genommen hatten, löcherte Satoru den Älteren mit weiteren Fragen, denn, obwohl er sich an ihre Vergangenheit als Engel im Paradies erinnern konnte, hieß nicht, dass er sich auch an seine sämtlichen Wiedergeburten erinnerte. Außerdem ging es ihm noch nicht auf, wieso Gaku so viel Energie einsetzen musste, um in einer Zeit zu verharren. Als er den Rerun in das Jahr 1988 eingesetzt hatte, war es für ihn ein leichtes dort zu bleiben so lange er wollte. Im Gegensatz zu Gaku schien er sehr viel mehr Kontrolle über den Rerun zu besitzen. Und dann gab es noch eine äußerst unangenehme Sache: Gaku hätte sich fast wieder aufgelöst. Auch das war Satoru bei seinen Reruns nie passiert. Während das den Braunhaarigen nicht weiter kümmerte, war es für den Blauhaarigen immer wieder ein Ereignis, bei dem er mit einem Schrecken davon gekommen war. Eines schien jedoch zu helfen. Der Ältere manifestierte sich immer, wenn er dessen Namen rief oder nach ihm griff. Gab es nicht eine andere Möglichkeit ihn in dieser Zeit zu behalten? Bestünde vielleicht ein Weg, wie Satoru Energie an Gaku übertragen könnte? Darüber grübelten sie beide angestrengt nach, während sie nach dem warmen Bad in ihre Futons geschlüpft waren. Satoru, der im Schneidersitz saß, war dabei etwas ernsthafter bei der Sache als Gaku, der schon unter der Bettdecke lag. Jetzt wo der Jüngere sich an alles erinnerte, hatte er ein unheimliches Redebedürfnis. Außerdem hatte er durch den Gewinn seiner Erinnerungen auch an Selbstsicherheit. Schließlich war er jetzt wieder im Besitz seiner zweiten verlorenen gewesenen Hälfte. „Wie lange dauert es bis sich deine Kraft wieder aufgeladen hat?“, fragte Satoru ihn, was unweigerlich zu einem Stich in Gakus Herzen führte. Der Blauhaarige schloss von seinen Kräften und Rerun-Erfahrungen auf die des Braunhaarigen. Seinen Vermutungen nach müsste Gaku nur wieder im Besitz seiner vollen Kräfte sein, um wieder einen Rerun durchführen zu können. Der Ältere wich den fragenden Blicken des Jüngeren aus und antwortete monoton: „Keine Ahnung. So pauschal kann ich das nicht sagen.“ Ihre Rerun-Fähigkeiten unterschieden sich in einigen Punkten. Einige hatte er Satoru offen gelegt, andere nicht. Da Satoru den Rerun mehrmals eingesetzt hatte, ging er davon aus, dass auch Gaku das konnte. Genau das war der Denkfehler, doch darauf wollte er nicht eingehen. Es reichte ihm auch so schon, dass der Jüngere in dem Unwissen wann und wie sie sich wieder treffen könnten sich den Kopf zerbrach. „Wie viel Kraft besitzt du noch?“, fragte der Blauhaarige ihn besorgt, aber ernst. „Auch das ist schwer zu sagen.“, meinte dieser und versuchte die Lage realistisch einzuschätzen, „Schätzungsweise fünfzig Prozent abwärts. Der Wert schwankt ziemlich und ist nie konstant. Manchmal fühle ich mich relativ fit, manchmal bin ich am Ende meiner Kräfte. Aber nach dem heutigen Tag hat auch diese Einschätzung wenig auszusagen.“ „Dann könnte es jederzeit passieren, dass du…“ „Es kann morgen geschehen, aber auch übermorgen. Kann sein, dass es mitten in der Nacht geschieht.“ Da kam Satoru die Idee. Wenn er Gakus Verschwinden aufhalten könnte, indem er seinen Körper festhielt, dann wäre doch die Lösung, dass er den Älteren im Schlaf fest umschlungen hielt und nicht mehr losließ. Er kuschelte sich unter den Futon und klammerte sich fest an ihn. „Satoru, so kann ich nicht schlafen.“, kamen aber sogleich Proteste. Es war nicht nur unbequem, sondern ganz und gar unmöglich so ein Auge zu zubekommen. „Ich will auch nicht schlafen. Denn wenn ich dich loslasse, wirst du nächsten Morgen verschwunden sein.“ Satoru war einerseits wütend, andererseits verzweifelt. Er würde seinen Geliebten unter allen Umständen beschützen und koste es ihn den Schlaf. „Du hast gesagt, dass ich Gottes Liebling gewesen wäre. Wenn ich ihn von ganzem Herzen bitte, wird er mir dann meinen Wunsch erfüllen?“ Ungläubig sah Gaku den Jüngeren an, der sich wieder aufgerichtet und über ihn beugte. Seit er seine Erinnerungen wieder erlangt hatte, war er nun noch energischer und verbissener geworden. Seine Augen sahen ihn verzweifelt an und suchten in ihm die Bestätigung, die er ihm leider nicht geben konnte. „Ich glaube nicht, dafür hasst er mich viel zu sehr.“, antwortete Gaku realistisch. Er war zwar kein Pessimist, aber auch kein Optimist, dafür hatte er viel zu viele Wiedergeburten hinter sich und, wenn es eines war, was sie ihn gelehrt hatten, dann die Tatsache, dass man nichts gegen diesen auferlegten Fluch tun konnte. Die Dunkelheit, die ihr Zimmer durchflutet hat, bedeckte nun auch sein Herz. Es war als hätten sie die Rollen getauscht. Nun war es Satoru derjenige, der vor Tatendrang nur so trotze und er der, der ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück holen musste. Er hatte schon viel darüber nachgedacht und nichts unversucht gelassen. Schließlich musste er es einsehen - Gott war allmächtig. „Dann wende ich mich auch gegen ihn.“, meinte der Blauhaarige übermütig, was den Braunhaarigen nun neue Hoffnung gab. Wie das Licht des Vollmondes, das durch die durchsichtigen Vorhänge hineinschien, erhellten Satorus Worte sein Herz. Woher nahm er plötzlich diesen Mut? Sich gegen Gott stellen, sowas Albernes! Nun war es Gaku, der den Jüngeren wieder zu sich nach unten in die Arme zog und ihn nicht mehr loslassen wollte: „Du dummer Junge. Wenn du das sagst, will ich dich für immer bei mir behalten. Außerdem…wenn du das tust…wird sich die Geschichte wiederholen…Und genau in diesem Moment wird Gott uns entzweien.“ Abermals drückte sich der Satoru von dem Älteren weg, beugte sich über ihn und erklärte: „Nein, ich glaube das nicht. Gott hat mir, uns, nicht umsonst diese Fähigkeit gegeben. Ich glaube es ist eine Chance. Eine Chance, dass wir unser Glück doch noch irgendwann finden. In…unendlicher Gnade.“ Gaku sah Satoru entgeistert an. Eine Chance? Auf diese Idee wäre er selbst nie gekommen. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass Gott auch ihn liebte? Ihn - den Sünder? Konnte es sein, dass auch er glücklich sein durfte? Auch, wenn ihre Zeit begrenzt war, machte es ihnen die Reruns und Wiedergeburten dennoch möglich sich irgendwann wiederzusehen. Der Blauhaarige war in mentaler Höchstform und seine Gedanken ratterten auf Hochtouren, während er scharf nachdachte: „Ich konnte es schon einmal.“ Für einen Moment hatte er auch in Erwägung gezogen einen Rerun in das Jahr 1988 zu machen. Doch da nur sein Geist in die Vergangenheit reisen kann, würde das bedeuten, dass er dann wieder ein kleiner Junge sein würde. Schießlich schien er einen Geistesblitz zu haben: „Ich hab eine Idee! Was ist, wenn wir beide einen Rerun durchführen? In die Zeit als wir beide noch Engel waren. Was ist dann? Dann können wir den Lauf der Geschichte sicher ändern!“ Nun setzte auch der Ältere auf, küsste den Jüngeren leidenschaftlich und streichelte ihm beruhigend über die Wange: „Satoru, weißt du was? Genau das liebe ich so an dir. Ich weiß nicht, wann ich verschwinden werde. Eigentlich dachte ich schon vor zwei Tagen, dass es passieren würde. Aber es geschah nichts. Gott allein hält es in der Hand, das habe ich heute realisiert. Aber egal, wann es geschehen wird. Ich habe jeden Tag, jede Minute mit dir habe ich genoßen. Das war es mir wert.“ „Nein!“, Satoru drückte Gaku an den Handgelenken auf den Futon. Wieder diese Worte als würde er Lebwohl sagen. Diese Worte, die ihn zurück ließen und ihn so verletzten: „Du Mistkerl! Und wie ich mich fühle das kümmert dich überhaupt nicht, oder wie?!“ Mit Tränen in den Augen drückte er seinem Geliebten einen stürmischen Kuss auf die Lippen, mit dem Gaku nicht gerechnet hatte. Er war so dürr und knochig, dass der Braunhaarige ihm gar nicht zugetraut hätte so kräftig zu sein. Als er sich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder von ihm löste, sah Satoru dem unter ihm Liegenden fest in die Augen und meinte: „Ich liebe dich, Gaku-san! Ich lasse dich nicht so einfach gehen!“ „Satoru, du darfst dich nicht gegen Gott stellen. Nicht du, den er so sehr liebt. Es ist genug, wenn er mich verstoßen hat. Du dummer Junge. Du darfst dich nicht von ihm entfernen.“, meinte der Braunhaarige ernsthaft, setzte sich ebenfalls zu ihm auf und strich ihm verträumt über die zarte Wange. Dass der Jüngere bereit war so weit für ihn zu gehen, hätte er nicht für möglich gehalten. Es machte ihn so glücklich, dass sein Herz vor Glück überquoll. Trotzdem musste er den Jungen zur Räson bringen und seinen Blick auf das Wesentliche richten: das Hier und Jetzt. „Und jetzt lass uns das Ganze vergessen und uns einfach die Nacht genießen.“, hauchte er ihm in einem Kuss auf die Lippen und nachdem sie sich beide ihres Pyjamas entledigt hatten, verkrochen sie sich beide in die angenehme Wärme unter der Decke ihres Futons. Ihre beiden nackten Körper schmiegten sich aneinander, während sie sich mit Küssen und Streicheleinheiten übersäten. Einige Stunden später lag Gaku immer noch hellwach da und sah nachdenklich seinen Geliebten an, der friedlich und unschuldig in seinen Armen schlief, während er dachte: Satoru, zwischen deinem und meinem Rerun gibt es noch einen Unterschied: Im Gegensatz zu dir, kann ich den Rerun nur ein einziges Mal durchführen. Das heißt, wenn ich verschwinden sollte, wird es ein Abschied, ein Lebewohl, für immer sein. Denn dann wird sich das Fenster für mich für immer schließen - bis zu meiner nächsten Wiedergeburt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)