Through Space and Time von Sweet_Sakura0307 (God's Fallen Angel / Satoru X Yashiro) ================================================================================ Kapitel 5: Donnerstag --------------------- Als Yashiro am nächsten Morgen aufwachte, war es immer noch etwas dunkel, jedoch zeichnete sich der nahende Sonnenaufgang aber durch den heller werdenden Himmel ab. Lautlos entglitt er dem Futon neben seinem Geliebten und verließ das Zimmer. Weiter kam er jedoch nicht, sondern brach gleich an dem kleinen Esstisch zusammen. Sein Schädel brummte wie verrückt, als wären es die schlimmsten Kopfschmerzen seines Lebens. Während sein Herz schneller und stärker in seinem Brustkorb pumpte, zitterten seine Muskeln innerlich unter dem Schwächeanfall. Waren das die Auswirkungen des Rerun? Es war das erste Mal, dass er solche Symptome hatte, deshalb konnte er es nicht hundertprozentig darauf hin zurück führen. Da es aber schon der dritte Tag in Satorus Zeit war, konnte es nur damit zusammenhängen. Nachdem Yashiro die Wucht der ersten Schmerzwelle mit dem Kopf auf dem kühlen Tisch liegend abgewartet hatte, ging er ins Bad und schwang sich zunächst kaltes Wasser ins Gesicht und danach gleich eine Schmerztablette hinterher. Hoffentlich half das Zeug etwas. Er wollte unter gar keinen Umständen, dass Satoru etwas bemerkte. Bis nach dem Frühstück müsste er also durchhalten. Einige Minuten saß er auf dem Toilettendeckel während er die Wirkung der Tablette abwartete. Tatsächlich schien es ihm nach einer viertel Stunde soweit besser zu gehen, dass er sich an der Zubereitung des Frühstücks machen konnte. Als Satoru eine Stunde später aufwachte, war alles vollkommen normal - wie die letzten Tage auch. Yashiro stand kochend in der Küche und er schlich sich an der Wand vorbei ins Badezimmer. Ein Morgen wie immer, doch plötzlich hörte er ein lautes Scheppern, das aus der Küche zu kommen schien und ihn so erschrak, dass er mit dem im Waschbecken hängenden Kopf gegen den sich darüber befindenden Spiegelschrank stieß. Erschrocken öffnete er die Tür einige Zentimeter, um nach dem rechten zu sehen. Dabei sah er Yashiro auf dem Boden knien und einige Scherben aufheben. „Entschuldige,“ lächelte er verlegen, „Mir ist der Teller aus der Hand gefallen.“ Eigentlich untypisch für den sonst so selbstsicheren Älteren, der immer alles im Griff zu haben schien. Trotzdem dachte sich Satoru nichts dabei, schloss die Tür und widmete sich weiter seiner morgendlichen Badroutine, die er noch nicht beendet hatte. Wie üblich breitete sich an seinem Platz des Frühstückstisches ein Festmahl aus, wohingegen ihm die gähnende Leere auf Yashiros Seite auffiel. „Bist du seit heute Morgen auf Diät, oder was soll das?“, fragte er und deutete mit seinem Finger auf den einsamen Kamillentee und erntete als Antwort wieder einmal ein geheimnisvolles nichts-verratendes Lächeln. Mittlerweile lebten Satoru und Yashiro nun jedoch schon drei Tage zusammen und, wenn es eines gab, das Satoru in diesen drei Tagen über den Braunhaarigen gelernt hatten, dann, dass er nichts aus ihm rausbekommen würde. Nur, dass er jünger war, bedeutete noch lange nicht, dass er dümmer oder naiver war. Er war kein kleiner Junge - auch, wenn Yashiro ihn oft so behandelte - und spürte, dass etwas in der Luft lag. Außerdem hatte er seit gestern Abend schmerzlich gelernt zu akzeptieren, dass der Ältere selbst entschied, wann er welches Geheimnis von sich preis gab. Er allein entschied das. Schon seit dem zerbrochenen Teller hatte er gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Doch er würde nichts aus ihm heraus bekommen. Kein Sterbenswörtchen. Nicht mehr als dieses Lächeln. Vielleicht meinte er es auch gar nicht böse oder er interpretierte nur zu viel in die Situation hinein. Ungehalten frühstückte er zu Ende, brachte das benutzte Geschirr zur Spüle und machte sich für die Arbeit fertig. Eigentlich hätte er nichts Wichtiges zu erledigen, ein Ortswechsel würde ihm sicher gut tun. Manchmal brauchte er diese räumliche als auch zeitliche Distanz. Wenn er abends zurück kommen würde, wäre er bestimmt anders drauf - und Yashiro auch. 
Wie gewohnt zog er Schuhe und Jacke an und schwang sich seine Tasche über die Schulter. „Bin heute Abend so gegen sechs zurück.“, meinte er kühl und schloss die Tür hinter sich. Gott sei Dank - er war endlich weg und hatte von allem nichts mitbekommen. Geschwächt stützte er sich einen Moment an der Wand ab, um wieder etwas zu Kräften zu kommen. Gar nicht so leicht diese höllischen Kopfschmerzen zu ignorieren. Die Maskerade war ihm aber gelungen und Satoru hatte von allem nichts gemerkt. 
Unter Schmerzen schlürfte er wieder zum Frühstückstisch und vergrub seinen pochenden Kopf in seinen Armen. So verweilte er ein paar Minuten und glücklicherweise ließ das Pochen etwas nach. Als es ihm besser ging, wollte er sich aufmachen das Geschirr zu spülen, doch das war auch leichter gesagt als getan. Sobald er aufstand und sein Kreislauf wieder in Schwung kam, schoss das Blut in seinen Kopf. Ein Gefühl als würde sein Kopf platzen. Noch dazu bekam er diesen komischen Schüttelfrost und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Als seine Knie nachgaben und er umzukippen drohte, versuchte er sich noch mit den Händen an der Spüle festzuhalten. Dabei erwischte er mehrere gestapelte Teller und Gläser, die entweder auf den Boden oder in die Spüle fielen, einige zerbrachen. „Scheiße!“, fluchte Yashiro mehr über die schlechte Konstitution seines Körpers als das zerbrochene Geschirr. Mittlerweile war er sich sicher, dass das Gottes Werk sein musste. Solche Kopfschmerzen waren nicht normal und wahrscheinlich ein Zeichen, dass ihn das gleiche Schicksal wieder ereilen würden. Nein, er würde sich sicher jetzt noch nicht ergeben. Nicht kampflos. Nicht, wo er schon so weit gekommen war. Gott, das konnte doch nicht sein Ernst sein. Das würde er nicht akzeptieren. Aber diese Kopfschmerzen trieben ihn einfach in den Wahnsinn. Sie waren so schlimm, dass er kraftlos an der Spüle herunter glitt und in den in dem Geschirrscherbenhaufen landete. „Sorry, hab meinen Geldbeutel vergessen.“ - unvermittelt ging plötzlich die Tür auf und Satoru trat herein. Seine Augen weiteten sich vor dem Bild, das sich ihm bot. Vor ihm auf dem Boden lag ein zusammengebrochener Yashiro in einem Meer aus Scherben. „Gaku-san!!!“, rief er panisch und eilte zu dem am Boden Liegenden, „Um Himmels Willen, was ist denn passiert?!“ Vorsichtig packte er ihn an den Schultern und legte dessen Kopf auf seinen Schoß. Als er seine Hand auf die Stirn legte, bemerkte er das hohe Fieber und brachte Yashiro schnell zu ihren Futons. „Mensch, wieso hast du nicht vorher gesagt, dass es dir so schlecht geht?!“ „Ach, mach dir keine Sorgen, das ist bestimmt nur eine leichte Erkältung.“ „Machst du Witze, deine Stirn glüht! Für heute ist Bettruhe angesagt! Um das Essen werde ich mich kümmern.“ „Tut mir Leid, wegen der Umstände.“ „Das sind doch keine Umstände. Werd du mir lieber schnell wieder gesund!“ „Wie schon gesagt: ist sicher nur ’ne Erkältung…“ Wieder versuchte Yashiro sich ein Lächeln auf die Lippen zu zwingen, obwohl es ihm miserabel ging. Aber was sollte er dem Jüngeren auch sonst sagen? Wie sollte er es ihm erklären? Vielleicht hatte er auch Glück und Gott würde ihn noch eine Weile verschonen. Jetzt galt es jedoch Satorus Rat zu befolgen, sich zu schonen und etwas zu schlafen. Währenddessen versuchte der Blauhaarige das zu Bruch gegangene Geschirr so leise wie möglich aufzusammeln und die Splitter aufzukehren. War das ein Schreck gewesen Yashiro so auf dem Boden liegen zu sehen! Seine Hände zitterten immer noch ein bisschen und sein Körper stand unter Hochspannung. Gut, dass er zurückgekommen war. Was wäre bloß gewesen, wenn er seinen Geldbeutel nicht zu Hause vergessen hätte? Besorgt kreisten seine Gedanken darum, was jetzt zu tun wäre und wie er dem Älteren helfen könnte. Er fühlte sich irgendwie hilflos und wollte dieses Gefühl durch Tatendrang loswerden. Dennoch gab es nicht viel, das er tun könnte. Einem Kranken half meistens nur Geduld, Schlaf und Bettruhe. Auch Medikamente wirkte nicht immer die gewünschten Wunder. Für ihn als Betroffenen hieß es nur abwarten und Tee trinken. Apropos Tee - sicher half ihm ein leichtes aber gesundes Mittagessen um wieder zu Kräften zu kommen, nachdem er zum Frühstück nur einen Kamillentee getrunken hatte. Um sich also nicht ganz nutzlos zu fühlen, ging er schnell zum nächsten Kombini und kaufte ein paar Zutaten ein und fing dann an zu kochen. Sicher ging es ihm nicht so leicht von der Hand wie Yashiro, aber eine Misosuppe mit verschiedenen Gemüsessorten und etwas Hühnchenreis würde auch er irgendwie hinbekommen. Nach ein paar Stunden hatte er das Mahl fertig kreiert, servierte alles in zwei kleine Schüsseln und brachte diese mit einem Tablett zum Schlafzimmer. Vorsichtig klopfte er zunächst am Türrahmen um sich anzukündigen und schob dann die Papiertür zur Seite, doch das Bett war leer. Komisch, vielleicht war er kurz auf die Toilette gegangen ohne, dass er es bemerkt hatte. Er stellte das Tablett also wieder auf dem Küchentisch ab, schloss die Tür und wartete etwas. Es tat sich nichts. Komischerweise kamen auch keine Geräusche aus der Toilette oder dem Bad. Unglaubwürdig, ob seine Vermutung tatsächlich richtig war, klopfte er an der Toiletten- und Badezimmertür. Nachdem er keine Antwort bekam, öffnete er diese einen Spalt um dann festzustellen, dass sich niemand darin befand. Das konnte doch nicht sein! So groß war seine Wohnung nicht, dass man einfach verschwinden konnte! Seine Schuhe standen auch noch im Flur, also konnte er die Wohnung nicht verlassen haben. Dann musste er doch im Schlafzimmer sein! Etwas panisch eilte er wieder an den Ursprungsort seiner Suche und schwang die Tür schnell beiseite. Plötzlich lag Yashiro dort genauso wie Satoru ihn ursprünglich in den Futon gelegt und zugedeckt hatte. Er hatte sich keinen Zentimeter bewegt. Da war doch etwas faul an der Sache. So langsam bekam es der Jüngere mit der Angst zu tun. Seine Wohnung hatte weder einen doppelten Boden, noch sonst irgendwelche Wandschränke in die Yashiro hätte verschwinden können. Wieso lag er vor zehn Minuten nicht da wie jetzt gerade auch? War es überhaupt der wirkliche Yashiro? Oder halluzinierte er jetzt auch schon? Leise kniete er sich hin und besah sich den vor ihm Liegenden. Er schien tief und fest zu schlafen. Sicher ging es ihm hundeelend. Und doch sah er so friedlich und schön beim Schlafen aus. Seine flache Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Die Haare dunkelbraun wie Ebenholz, seine Haut rein und weiß wie Porzellan - fast wie bei Dornröschen oder war es Schneewittchen? Er schlief so tief und fest, dass er ihn irgendwie nicht wecken wollte. Gleichzeitig allerdings hatte er das große Bedürfnis danach ihn zu berühren. Zu spüren, dass es ihm gut ging. Yashiros schneeweiße Hand lag etwas außerhalb der Futondecke auf dem Boden. Satoru wollte seine Hand die Hand des Kranken legen. Doch plötzlich spürte er nicht die Körperwärme seiner Haut, sondern nur die Kälte des Tatamibodens darunter. Was hatte das zu bedeuten? Seine Hand war durch ihn hindurchgefahren, als wäre sie nicht da. Und tatsächlich - bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass Yashiro nicht nur blass sondern durchsichtig wirkte. Als würde er verschwinden. „Gaku-san…“, zuerst flüsterte er leise, doch da der Kranke nicht aufwachte, wurde er panisch und schrie schließlich seinen Namen, „Gaku-san! Gaku-san!“ Plötzlich manifestierte er sich wieder mehr und wachte tatsächlich auf. „Satoru, du bist ja noch da…Ich dachte du wärst zurück auf die Arbeit gegangen.“, flüsterte der Ältere mit schwacher Stimme. „Ich kann dich doch in diesem Zustand nicht hier alleine lassen!“, nun war Satoru richtig ungehalten. „Du musst dir meinetwegen keine Sorgen machen. Schließlich bin ich ein erwachsener Mann und kann auf mich selbst aufpassen.“, witzelte Yashiro, irgendwie war Satoru ja schon süß. Doch Satoru wurde nur noch wütender: „Verarsch mich nicht!“ Das allein hatte gereicht um Yashiro zum Schweigen zu bringen und ihm Gehör zu verschaffen: „Es geht nicht nur darum, dass ich mir Sorgen mache! Ich will einfach nicht, dass dir etwas passiert. Nicht ohne, dass ich da bin! Nun schien es auch Yashiro langsam zu dämmern und er sah ihn ungläubig an. Er war doch nicht etwa - „Mann, du hättest dich vorhin fast in Luft aufgelöst!“, schrie ihn der Jüngere nun an. Der Braunhaarige, der sich vorhin etwas aufgesetzt hatte, ließ sich nun wieder erschöpft in den Futon fallen. Er war also für ein paar Sekunden tatsächlich weg gewesen. Ohne, dass er etwas gemerkt hatte. Klar, dass Satoru so panisch reagierte. Wahrscheinlich hätte er ähnlich reagiert, wenn vor seinen Augen jemand verschwunden wäre. Nun wurde er von einem verärgerten Satoru an den Schultern gepackt und aufgefordert: „Gaku-san, du musst mir endlich die Wahrheit sagen! Das ist doch nicht normal, dass du vor meinen Augen…einfach so…“ „Weißt du…“, begann Yashiro leise. Wo sollte er nur anfangen? „Er möchte nicht, dass wir zusammen sind. Nach all der Zeit ist er immer noch wütend und ruft mich zu sich.“ „Wer?!“, rief Satoru, „Wer zum Teufel ist ‚ER‘?!“ „Gott.“ Gott? Plötzlich versagte dem Dunkelblauhaarigen die Stimme. Der innere Sturm der bis gerade eben noch in ihm tobte war zu einer regelrechten Windstille geworden. In ihm herrschte nun vollkommene Leere. Eine Information, mit der er absolut nichts anzufangen wusste. Gott? Einige Sekunden sagte keiner der beiden etwas. Doch schließlich war es der Braunhaarige, der seine Stimme als erstes erhob und zu einem längeren Monolog ansetzte. „Weißt du Satoru, im Himmel haben alle Engel weiße bis dunkelbraune Flügel. Es gibt die verschiedensten Muster und Abstufungen. Ich jedoch war der einzige mit pechschwarzen Flügeln. Sie machten mich zum Außenseiter - ja, so etwas gibt es auch unter Engeln. Je mehr mich die anderen ausschlossen, desto spezieller wurde mein Charakter. Ich wurde zu einem echten Unruhestifter, machte die ganze Zeit Probleme und errang Aufsehen. Insgeheim wollte ich, dass mich die anderen bemerkten, wollte ihre Aufmerksamkeit, Gottes Aufmerksamkeit. Und je mehr ich diese Rolle annahm, desto mehr wurde ich ausgegrenzt. Es war wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Du warst der Einzige, der sich mit mir abgab. Wieso weiß bis heute nicht. Vielleicht tat ich dir Leid und du hattest Mitleid mit mir, vielleicht fandest du mich aber auch interessant. Jedenfalls hast du meine Einsamkeit irgendwie aufgefangen und ich hab mich wohl bei dir gefühlt. Eigentlich dachte ich immer, dass du voll der Streber wärst, aber irgendwie fand ich dich dann doch ganz cool. Jedenfalls wurde aus unserer Freundschaft irgendwann…mehr.“ Obwohl der Blauhaarige die ganze Zeit ruhig dagesessen und aufmerksam zugehört hatte, schreckte er plötzlich auf: „Moment, wie meinst du das? ‚Mehr‘?“ Unweigerlich kamen ihm wieder die Kondom-Worte seiner Mutter in den Sinn und das Blut stieg ihm immer mehr ins Gesicht. Eigentlich hätte er sich die Frage auch sparen können immerhin gab es nach Freundschaft nur noch ein nächstes Stadium, gerade wenn man in diesem Kontext davon sprach. Yashiro hatte sicher schon bessere Tage gesehen und er konnte immer noch nicht sagen, dass er sich schon lebendiger fühlte, trotzdem musste er bei Satorus schamvollen Gesichtsausdruck unweigerlich schmunzeln und setzte sogar noch einen oben drauf: „Ich meine es genauso, wie ich es sage. Du weißt ganz genau worauf ich hinaus möchte, denn auch du spürst es. Dass zwischen uns etwas ist.“ Spätestens jetzt läuteten bei dem Brillenträger die Alarmglocken und Panik brach in ihm aus. „ Du solltest jetzt schlafen, Gaku-san. Mein Gott, du sprichst wie im Delirium. Kein Wunder, du hast ja überhaupt keine Ahnung mehr was du sagst! Also dann, ich gehe jetzt mal einkaufen und besorge bei der Gelegenheit noch etwas aus der Apotheke.“ Dabei ließ er Yashiro gar keine Zeit mehr zu antworten, verschwand aus dem Zimmer und hatte noch schneller das Haus verlassen. Seine unter den Haaren hervorstehenden rot angelaufenen Ohren und die roten Wangen glühten in der Winterkälte und hinterließen kleine Nebelwölkchen. Wie ein Flugzeug das seinen Kondensstreifenschwanz hinter sich herzieht. Hier an der frischen Luft musste er sich erst einmal abreagieren. Runter kommen. Irgendwie ging das zwischen ihnen beiden alles viel zu schnell. Vor ein paar Tagen hätte er nicht einmal im Traum daran gedacht, seinem ehemaligen Grundschullehrer über den Weg zu laufen und jetzt - Andererseits war die Zeit, die sie zusammen verbringen konnten, begrenzt. Jede Minute, jede Sekunde mit ihm zusammen war kostbar. Und deshalb wollte er nicht, dass es zu Ende ging. Aufgrund dieser Erkenntnis sollte er eigentlich so schnell wie möglich umkehren. Doch bei dem Gedanken an den im Pyjama gekleideten kränklichen Braunhaarigen schoss ihm so viel Blut in den Kopf, dass er Angst hatte Nasenbluten zu bekommen. Yashiros flache, männliche Brust. Das Pyjamahemd etwas aufgeknöpft. Sein verschmitztes Lächeln. Schon bei dem Gedanken daran wurde er ganz kirre. Deshalb taten ihm der Spaziergang zum Supermarkt und zur Apotheke wahrscheinlich ganz gut. So hatte er auch Gelegenheit über Yashiros Erzählung nachzudenken. Denn das konnte er sich nicht im Geringsten vorstellen. Er sollte mal ein Engel gewesen sein? Und Yashiro auch? Im Himmel? Bei Gott? Wirklich schwer vorstellbar, vor allem nachdem er nicht einmal christlich war. Zumindest würde es erklären, wieso er immer diese mysteriösen blauen Schmetterlinge sah. Doch er hatte noch so viele Fragen. Die Rerun-Fähigkeiten hatten sie also von Gott erhalten. Aber zu welchem Zweck? Und wenn dem so war - wenn sie beide wirklich diese Vergangenheit teilten - wieso konnte sich dann nur der Braunhaarige erinnern? Satoru war durch die ganzen Fragen und Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, so abgelenkt, dass ihm die Menschenmengen bei Einkaufen und in den Straßen gar nichts ausmachten. Im Gegenteil bemerkte er sie dieses Mal gar nicht. Tatsächlich wurde er von vielen sogar komisch beäugt, da er seine zwar seine Winterjacke anhatte, aber seine Schuhe vergessen hatte und stattdessen immer noch seine Hausschuhe trug. Als er wieder nach Hause kam, öffnete er die Schiebetür zum Schlafzimmer einen Spalt und erblickte den friedlich schlafenden Braunhaarigen seelenruhig im Futon liegen. Um ihn nicht zu stören versuchte er beim Einräumen der Einkäufe so leise wie möglich zu sein. Am Abend würde er dem Älteren ein heißes Erkältungsbad einlassen. Auch, wenn Yashiro eigentlich keine Erkältung hatte, konnte das auf keinen Fall schaden. Um die Zeit zu überbrücken, bis Yashiro von selbst wieder aufwachen würde, setzte er sich mit ein paar weißen Blättern und einem Stift an den Küchentisch und versuchte an seinem Storyboard weiter zu zeichnen. Doch irgendwie gingen die Skizzen nur schwer von der Hand. Er konnte sich gar nicht wirklich konzentrieren und verbrachte die meiste Zeit mehr damit auf die weißen Blätter zu starren als etwas zu Papier zu bringen. Weiß, weißer am weißesten. Schneeweiß, blütenweiß. Weißer als weiß. Schließlich gab er es auf und bemerkte bei der Gelegenheit auch, dass es schon relativ spät geworden war. Da der Schlafende immer noch keine Mucks von sich gab, beschloss er ihn für das Bad nicht zu wecken und ihn schlafen zu lassen. Er selbst hüpfte schnell unter die heiße Dusche und dann ins kalte Schlafzimmer in den warmen, weichen Futon. Na wunderbar, da hatte er sich nun bettfertig gemacht und konnte doch nicht einschlafen. Wenn er jetzt aber wieder aufstand, würde er sicher Yashiro neben ihm wecken. Was sollte er nur tun? „Tut mir Leid, dass ich dir so viele Sorgen bereite.“, kam es aus der Stille hervor. Überrascht fuhr Satoru in seinem Futon hoch und blickte neben sich. Yashiros Augen blitzten durch den ins Zimmer fallende Mondlicht wie Katzenaugen auf. Er schien wach zu sein. Wieso? Seit wann? Und plötzlich spürte er die Wärme seiner Handfläche die auf seinem Handrücken lag und sie etwas drückte, was in ihm unweigerlich Herzklopfen auslöste. Verträumt blickte er in das hell erleuchtete Gesicht dieses wunderschönen Mannes und lauschte seiner tiefen Stimme. „Du hast sicher gemerkt, dass wir beide anders sind als andere Menschen. Dafür spricht nicht nur die Rerun-Fähigkeit, die wir von ihm bekommen haben. Es gibt noch viele andere Dinge, die uns unterscheiden. Zum Beispiel sind unsere Seelen unsterblich. Allerdings sind die irdischen Hüllen, die wir hier auf der Erde als Gefäß für unsere Seelen benutzen, den gewöhnlichen Gesetzen der Menschheit unterworfen, denn menschliche Körper altern und verfallen.“ Nichts sagend hörte der Blauhaarige aufmerksam zu. Der Ältere hatte sich bereits etwas aufgerichtet und kam ihm nun näher. Yashiros Hand umschloss die des Jüngeren etwas fester, wodurch Satoru noch mehr Herzklopfen bekam. Einerseits wollte er seinem Blick ausweichen, doch sein Antlitz war so hypnotisierend schön, dass er sich nicht abwenden konnte. Mit seiner anderen Hand fuhr der Braunhaarige noch oben und streichelte sanft Satorus Wange. Sie waren sich nun ganz nahe und das gleißende Mondlicht drang nur noch einen kleinen Spalt breit an ihren Gesichtskonturen vorbei und warf ihre Schatten an die dahinterliegende Wand. Keiner von beiden sagte etwas. Sie genoßen einfach die Stille, während sie sich einfach nur tief in die Augen blickten und mit der Nase zärtlich das Gesicht des anderen umfuhren und so die Distanz zwischen ihnen immer geringer werden ließen. Wie elektrisiert hatte Satoru das Gefühl dass jede Faser seines Körpers auf Yashiros Streicheleinheit reagiert und sich ihm entgegen beugte. Das alles zwischen ihnen ging viel zu schnell und doch konnte es ihm nicht schnell genug gehen. Wollte das sein grenzenloses Verlangen nach diesem Mann gestillt wurde. Deshalb genoss er es sichtlich von diesem Adonis berührt zu werden. Insgeheim hoffte er jedoch, dass er noch ganz andere Sachen mit ihm anstellen würde. 
So wie der Jüngere sich seiner Zärtlichkeit hingab, waren ihm Satorus Gedankengänge mehr als klar. Dazu brauchte er nicht einmal seine übermenschlichen Fähigkeiten. Doch er wollte nichts überstürzen, auch wenn er sich wie ein hungriges Tier über seine Beute herfallen wollte, musste er sich beherrschen. Mit seinen Fingern fuhr er über seine Lippen und herunter an sein Kinn, das er leicht anhob und schließlich überwand Yashiro den letzten Zentimeter und küsste ihn. Einerseits kam es Satoru wie eine nie enden wollende Ewigkeit vor, andererseits schienen sie sich schon nach wenigen Sekunden zu lösen, um im nächsten Augenblick ihre Lippen wieder miteinander zu verschließen. Er wollte mehr, doch der Ältere ließ ihn nicht gewähren, sondern gab ihm irgendwann einen letzten Kuss auf die Stirn und fuhr Satoru mit seiner Hand über den Hinterkopf und massierte seinen Nacken. Satoru ruhte seinen Kopf auf dem Schlüsselbein des Älteren aus, sog mit sich aufgeregt hebender und senkender Brust den Duft seines Geliebten ein und versuchte sein Verlangen wieder unter Kontrolle zu bekommen, während er Yashiros Stimme lauschte. „Weißt du Satoru, wenn das geschieht, wenn unsere Hüllen sterben, werden unsere Seelen in einem anderen neuen Körper wieder geboren. Wir beide haben schon unzählige Wiedergeburten hinter uns. Aber in jeder Wiedergeburt ist mein Leben auf nur einen, einen einzigen Moment ausgerichtet - dich wieder zu treffen. Nur dafür lebe ich. Nur um dich zu finden. Und doch ist der Moment immer bittersüß, denn du bist der Einzige von uns beiden, der sich nicht erinnern kann. Du hast alles vergessen. Die schönen Momente, unsere Glück, unsere Liebe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)