Ballnacht von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Aus den aufgestellten Boxen dröhnte laute Bassmusik, die sich mit jener der spielenden Band auf der Bühne vermischte. Auf der Tanzfläche wurde ausgelassen getanzt und dutzende verliebte Pärchen standen die Arme umeinandergeschlungen da. Meine Wenigkeit hatte sich darauf beschränkt die Arme an der Bar abzustützen und zuzusehen. Caleb neben mir machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Es war schon eine Tortur gewesen ihn in das schwarze Hemd zu bewegen, das optisch sehr gut zur dunklen Jeans und seinen Sneakers passte. Ich mochte es, wenn er solche Sachen anhatte, das betonte seine Figur ganz besonders. Wegen meines Freundes musste ich mich auch nicht verstecken, überhaupt nicht, im Gegenteil: Er war groß, breitschultrig und sah verboten gut aus, zumindest in meinen Augen. Die seltenen Momente, in denen er lächelte, ließen mich dahinschmelzen. Davon war nur leider gerade gar nichts zu sehen. Er stand einfach nur da, in der rechten Hand ein Glas Cola, und starrte missmutig vor sich hin. „Caleb? Es ist bald Weihnachten und wir befinden uns auf einem Ball. Ein bisschen mehr Freude wäre angebracht“, hob ich die Mundwinkel an und griff hinter mich, nach meinem Glas mit Wodkabull. „Ich frage mich sowieso was in mich gefahren ist, dass ich mich dazu breitschlagen habe lassen“, murrte er ohne zu mir herüberzuschauen. „Ich“, neckte ich ihn und rückte dabei ein wenig näher an meinen Freund heran. „Komm schon. Außerdem steht dir das Hemd verdammt gut.“ Ich zupfte an einem seiner zurückgekrempelten Hemdsärmel. „Mh, und du mich auch.“ Ich seufzte innerlich. Das mit Caleb war kompliziert. Er hatte einen wunderbar weichen zärtlichen Kern. Diesen zeigte er nur viel zu selten. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Wie jemand, der sich so gegen gesellschaftliche Anlässe wehrte, Freude an Dingen wie Kekse backen haben konnte, war mir ein Rätsel. Ich schob mich unter seinen Armen hindurch und lehnte mich gegen seine Brust. „Pass auf, du verschüttest noch meine Cola“, zischte er. „Angst meinen Anzug waschen zu müssen?“, lachte ich leise und sah nach oben. Er war mittlerweile ein wenig größer als ich, außerdem war ich mit den Beinen ein wenig nach vor gerutscht, damit er auf jeden Fall wie der Ältere von uns beiden aussah. „Als ob ich diesen Fummel anfassen würde.“ „Stimmt – dir würde so ein Ding aber sehr gut stehen.“ Ich zupfte an meinem eigenen weißen Hemd und der gelben Krawatte herum. Dann drehte ich mich zu Caleb um, sorgsam darauf bedacht, sein Glas nicht zu berühren und nestelte an seiner roten Krawatte herum. „Connor, lass den Scheiß. Wie das aussieht. So als wärst du …“ „Was? Dein Freund? Deine Freundin?“ Ich hob die Mundwinkel erneut an und richtete ihm die Krawatte. „Manchmal tust du so als wäre ich ein schlechter Fang gewesen.“ „Ach sei einfach still“, schnaubte er. Ich begnügte mich die nächsten zehn Minuten damit in einer Umarmung, der die Komponente eines um mich gelegten Arms fehlte, zu verbringen und die Pärchen dabei zu beobachten, wie sie sich beim Tanzen näherkamen. Die ersten hatten sich schon geküsst. Innerlich seufzte ich. Caleb zum Tanzen zu bewegen war nahezu unmöglich. Ich hatte es einmal versucht und es war in einem Desaster geendet. Wenn er nicht so stur wäre… dann würde ich ihn wohl auch nicht so lieben. Er war so anders als sein Bruder und doch brachte er mein Herz zum Rasen und ich war Wachs in seinen Händen. Hätte man mir vor einem halben Jahr gesagt, ich würde mit Caleb zusammen sein, ich hätte derjenigen Person einen Vogel gezeigt. Jetzt war ich glücklich. „Wie wäre es, wenn du mir den Arm um die Hüften legst, hm?“, schlug ich vor. „Wie wäre es, wenn du mir von der Pelle rückst?“, war die griesgrämige Antwort. „Ach Caleb, jetzt gib dir endlich einen Ruck. Ich will ja nicht mal, dass du mit mir tanzen gehst, nur ein wenig Nähe und Zärtlichkeit. Ist das zu viel verlangt?“ „Ist es“, bestätigte mein Freund. Ich rollte mit den Augen, schnappte mir seine freie Hand und legte sie mir auf den Bauch. „Connor, das ist megapeinlich. Die Leute gucken schon.“ Gerade als Caleb seine Hand wieder zurückziehen wollte, hielt ich sie mit meinen eigenen an Ort und Stelle. „Was interessieren mich die Leute? Ich bin mit dir hier und in diesem Raum bist nur du für mich interessant.“ „Das ist so dermaßen kindisch“, verdrehte Caleb die Augen. „Du bist ja schlimmer als Danny.“ „Ich weiß“, grinste ich frech. „Genauso magst du mich aber.“ „Du hast Glück, dass bald Weihnachten ist und ich gute Laune habe.“ „Aha? Wenn du schlecht draufwärst, was dann? Würdest du tanzen gehen oder was?“ „Ich würde dich stehen lassen und nach Hause fahren.“ „Würdest du nicht“, schmunzelte ich und griff in meine Hosentasche, um den Schlüssel des Porsches herauszufischen und damit vor seinem Gesicht herumzuwedeln. „Wir sind mit meinem Auto hier, schon vergessen?“ „Du darfst sowieso nicht mehr fahren.“ „Dann penne ich im Auto.“ Ich schob den Schlüssel wieder in die Hosentasche und lehnte mich weiter gegen Caleb. „Frierst du dir eben den Hintern ab“, zuckte er mit den Schultern und exte seine Cola. „Sehr gefühlskalt“, kommentierte ich die Art meines Freundes, griff an ihm vorbei und schnappte mir mein Glas mit Wodkabull. „Willst du auch einen Schluck?“ „Sehe ich so aus?“ „Ein Schluck würde dich nicht umbringen.“ „Sich normal zu verhalten dich auch nicht.“ Ich setzte das Glas rasch an meine Lippen um mein Grinsen zu verbergen. Mittlerweile hielt er mich von sich aus fest. Ein bisschen noch und er würde auftauen, vielleicht sogar mit mir tanzen gehen. Ich versuchte in der Zwischenzeit Calebs Aufmerksamkeit auf die Weihnachtsdekoration im Kongresssaal zu lenken und subtil vor allem auf die Mistelzweige, die von der Decke herunterbaumelten. „Und wie lange dauert der Mist jetzt noch?“, brummte mein Freund. „Bis ich genug habe. Kann also noch dauern.“ Jetzt grinste ich ihm unverhohlen entgegen, was zur Folge hatte, dass Caleb seine Brauen nach unten schob, über diese dunkelbraunen Augen, in denen ich mich hätte verlieren können. Sie waren wie ein Abgrund, der zurückstarrte, wenn man zu lange hineinschaute. Ich hatte ihm einmal so etwas ins Ohr gesäuselt und er mich dafür ausgelacht. Insgeheim hatte sich Caleb aber gefreut, das wusste ich. Ich war so viel anders als seine bisherigen Beziehungen und er musste einfach lernen damit umzugehen. „Lass mich raten – du willst eher nach Hause, wenn wir, genauso wie die ganzen anderen verliebten Idioten, auf der Tanzfläche einen auf Pärchen machen, oder?“ „Exakt.“ „Das ist Erpressung“, murrte er erneut. „Ich weiß“, antwortete ich unschuldig. Caleb stellte sein leeres Glas auf den Bartresen, nahm mir meines aus den Fingern und tat das gleiche, bevor er mich an der Hand nahm und hinter sich herzog. Ich unterdrückte ein Kichern. Er war ja so berechenbar. Ich hatte am Anfang zugegebenermaßen meine Schwierigkeiten gehabt ihn einzuschätzen: Caleb war ruhig, redete nicht so viel und wusste genau was er wollte. Seinen Sturschädel zu knacken war zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Mittlerweile war es nur mehr ein Spiel und jeder bekam seinen Willen. Nicht, dass ich mich dagegen gewehrt hätte: Caleb bekam alles von mir was er wollte, denn ich liebte ihn wirklich. Ein Augenaufschlag genügte und ich ließ alles liegen und stehen. Er nutzte das aber kaum aus. Dafür war er zu stolz. Bei seinen Hausaufgaben durfte ich auch nur notgedrungen helfen – ich korrigierte nachher und strich die Sachen an, die falsch waren und er besserte sie am Morgen, bevor er in die Schule ging, aus. Auf der Tanzfläche angekommen drehte er sich zu mir herum und legte mir halbherzig die Arme um den Nacken. Ich verdrehte die Augen und tat es ihm gleich. Innerlich jubelte ich aber, denn er hatte sich tatsächlich breitschlagen lassen. Wie aufs Kommando wurde das Licht ein wenig gedimmt und irgendein Kram aus den 80ern lief, ganz langsam und perfekt, um im Takt ein wenig mitzuwippen. Mir war zu Beginn kurz der Gedanke gekommen dem DJ was zuzustecken, damit er etwas Passendes spielte, oder die Balljury zu bestechen, damit Caleb und ich Ballkönig und Ballkönig…in werden konnten, aber das hätte er ganz schnell kapiert und er wäre dann sauer gewesen. „Du machst ja gar nichts“, meinte ich und sah dabei bewusst verliebt nach oben. „Sollte ich?“ „Ja, weil normalerweise der Mann führt.“ Ich biss mir auf die Unterlippe um ein erneutes Lachen zu verbergen, denn Caleb sah aus, als hätte ich ihm in die Eier getreten. „Du bist heute verdammt frech, weißt du das?“ „Wann bin ich das laut dir nicht?“ Mein kleiner Seitenhieb brachte den gewünschten Effekt: Caleb verhielt sich einigermaßen normal und schaukelte mit mir hin und her; mehr wollte ich auch nicht. Für einen kurzen Moment glaubte ich ein Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen, war mir aber nicht sicher. Konnte auch ein Schatten gewesen sein, denn jetzt wirkte er wieder verstimmt wie eh und je. „Was machst du eigentlich bei deinem Abschlussball?“, wollte ich wissen. „Nicht hingehen.“ „Ach komm schon, das wird sicher lustig.“ Ich wanderte mit dem Gesicht ein wenig nach vorne, knapp bevor sich unser beider Stirn berührte und legte den Kopf ein wenig schief. „Wenn du einen Tanzpartner brauchst…“ „Dann suche ich mir ein Mädchen aus der Schule.“ „Muss ich dann eifersüchtig sein?“, gluckste ich. „Wenn du willst.“ „Mh, ich glaube nicht.“ „Du bist dir deiner Position aber sehr sicher.“ „Bin ich.“ Ich sah nach oben und grinste unheilvoll. Wir waren genau unter einem Mistelzweig. Caleb spannte das auch und schüttelte sogleich den Kopf. „Ganz sicher nicht, Connor.“ „Ach komm, tus für mich.“ Ich schob die Unterlippe gespielt nach vorne. „Nein, Connor.“ „Wenn ich es mir zu Weihnachten wünsche?“ Caleb überlegte kurz. „Können wir dann endlich heim?“ „Ich denke schon, ja“, nickte ich. Mein Freund beugte sich nach vorne und ich spitzte vergebens die Lippen. Ich bekam einen Kuss auf die Stirn und dieses Lippenaufsetzen konnte man kaum als Kuss bezeichnen. „Das zählt nicht.“ „Tut es nicht?“, flüsterte mir zu, wobei seine Lippen knapp vor meinen ruhten. „Nein, tut es nicht“, hauchte ich. „Du willst also einen richtigen Kuss?“ „Will ich“, bestätigte ich. Zu meiner Enttäuschung löste sich Caleb von mir, schnappte mich wieder an der Hand und zog mich hinter sich her. So stur, so… Ich wollte schon etwas sagen, da waren wir auch schon in einer kaum beleuchteten Ecke angekommen. Man konnte fast niemanden sehen und wir waren wohl auch gut versteckt. Kaum, dass ich die Situation realisiert hatte, wurde ich schon an den Hüften gepackt, zur Mauer gedreht und Caleb schlang seine Arme um mich. Eine Hand hielt mich im Nacken, die andere am Rücken. Ich musste nichts weiter tun als dazustehen und den folgenden Kuss zu genießen. Caleb küsste mich genau so wie ich es mochte: Zärtlich und behutsam, ohne Zunge, unschuldig. Ich legte meine Arme um ihn und reckte mich meinem Freund entgegen, stieg dabei ein wenig auf die Zehenspitzen und seufzte wohlig. Ich hatte das Gefühl unter den Berührungen unserer beider Lippen dahinzuschmelzen. Mein ganzer Körper zitterte und ich konnte spüren wie Caleb in den Kuss hineinlächelte. Es war ein wunderschöner Moment, innig und voller Liebe, in dem ich alles um uns herum vergaß. Keine Musik, keine Menschen, kein Gläsergeklirre, nichts – es gab nur meinen Freund und mich. Nach einer kleinen Ewigkeit löste sich Caleb von mir, blieb aber mit dem Gesicht so nahe, dass ich seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte, was mir eine Gänsehaut verpasste. „Ist dieser Kuss richtig genug gewesen?“ „Ja“, säuselte ich verträumt. „Weißt du eigentlich wie sehr ich dich liebe, Caleb?“ „Weiß ich“, antwortete er leise und ließ seine Hand von meinem Rücken zu meiner Hüfte wandern. „Wirklich? Ich liebe dich wahrscheinlich so wie Zeus seine erste Frau Metis geliebt hat. Ich würde dich sofort heiraten.“ Ich schloss die Augen und lehnte mich noch ein wenig mehr an Caleb, dessen Hände weiter über meinen Körper glitten. „Würdest du tatsächlich?“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauchen und hatte einen Unterton, der mir fast die Knie weich werden ließ. „Würde ich“, bestätigte ich. „Weißt du was ich darauf antworten würde?“ „Nein?“ „Dass wir jetzt nach Hause fahren.“ Ich riss die Augen auf und schaute nach unten. Caleb hatte seine Hand unbemerkt in meine Hosentasche geschoben und sich den Schlüssel geklaut. Dreckig grinsend rieb er ihn mir unter die Nase. „Du bist ein Arsch“, fauchte ich. „Ich weiß“, entgegnete er süffisant. „Geh dein Sakko holen.“ Ich schluckte einige nicht ganz so nette Wortkombinationen hinunter, löste mich von meinem Freund und machte Anstalten zur Garderobe zu gehen, als er mich an der Hand zurückhielt. „Connor?“ „Was?“, fragte ich gereizt. „Ich liebe dich auch.“ Damit ließ er mich auch schon los und ging an mir vorbei. „Ach und vergiss meine Jacke nicht, ja?“ Ich schüttelte den Kopf und mein Ärger war verraucht. „Hohlkopf“, murmelte ich und ertappte mich dabei, wie ich ihm verliebt nachschaute. Er war mein Hohlkopf und ich liebte ihn, mit jeder Faser meines Körpers. Wenn er ein wenig älter wurde, und studierte, würde er sich vielleicht noch etwas ändern, oder auch nicht – Hauptsache wir waren zusammen. Hoffentlich trat er den Porsche nicht wieder zu sehr; auch wenn er es nicht zugab, er mochte mein Auto, fast noch mehr als seinen Escort, aber nur fast. Manchmal war ich ein wenig eifersüchtig auf die Schrottkarre. Der Typ an der Garderobe riss mich aus meinen Gedanken. Ich ließ mir unsere Sachen aushändigen und ging nach draußen, in die Kälte, aber es fröstelte mich nicht, auch ohne Sakko, im Gegenteil: Mir war warm, fast schon heiß und ich lächelte breit, als Caleb mit dem Wagen vorfuhr. „Mein Ballkönig“, murmelte ich und stieg ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)