The fragrant Flower von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 5: Tränendes Herz ------------------------- [[BILD=8423918.png]] Es war ein einfaches Haus, kaum größer als die Hütte, in der Milo übernachtet hatte. Die Luft war etwas abgestanden, dafür war es aber trocken. Das Mädchen hatte ihn direkt zu dem Bett geführt, das in einer Ecke des einzigen Raumes stand. Davor ging sie auf die Knie und griff nach der blassen Hand der darin liegenden Frau. „Mutter, ich habe jemanden gefunden, der dir helfen kann. Vater wird auch bald zurück sein. Bitte wach auf.“ Milo kniete sich neben sie und griff nach dem Handgelenk der Frau um nach dem Puls zu fühlen. Sie sah nicht sonderlich gesund aus. Doch er war vorhanden, wenn auch nur schwach. „Wie heißt du?“, fragte er das Mädchen, während er das Stoffpäckchen behutsam öffnete. „Lysil.“ „Ich heiße Milo.“ „Werdet Ihr meiner Mutter helfen können?“ Ihr Blick hatte sich auf ihn gerichtet und er konnte nur allzu deutlich die verzweifelte Hoffnung in ihren Augen erkennen. „Das hoffe ich doch.“ Nachdem er noch einmal zu der schlafenden Frau geschaut hatte, senkte er seinen Blick auf die Kräuter. Er wusste nicht, was es für welche waren, doch es waren nicht die, die Fenin auf seinen Knöchel gegeben hatte. Dafür rochen sie eindeutig zu unangenehm. Warum trug der Mann so viele verschiedene Kräuter bei sich? Leider kannte sich Milo mit heilenden Kräutern nicht wirklich aus. Noch weniger mit der Behandlung kranker Menschen. Er wusste ja nicht einmal, was diese Frau hatte. Bevor er eine Entscheidung darüber treffen konnte, was er nun damit anfangen sollte, beugte sich Lysil in sein Blickfeld. „Das ist Furuskraut, stimmst?“ „Du kennst es?“ Milo konnte nicht sagen, ob sie mit ihrer Bestimmung richtig lag, schließlich kannte er es nicht. „Mein Vater hat oft davon geredet, leider ist es sehr selten und schwer zu bekommen.“ „Wie kannst du dir dann so sicher sein?“ Er versuchte es so klingen zu lassen, als wüsste er, dass es stimmte und wollte sie nur überprüfen. „Einmal gerochen vergisst man es sein Leben lang nicht mehr.“ Sie grinste schief und sprang dann auf. „Ich setze Wasser auf.“ Selbst mit dieser Aussage war sich der Mann noch unsicher, ob es nun zur Inhalation, zum Baden oder gar zum Trinken verwendet wurde. Er verließ sich auf das Mädchen, er selbst würde es kaum besser machen können. Mit einem letzten Blick auf das bleiche Gesicht der Frau ließ er sich auf dem Boden nieder und lockerte seinen Schuh. Die betäubende Wirkung der Kräuter an seinem Knöchel war längst verflogen. Bei jeder noch so kleinen Bewegung zuckte ein stechender Schmerz durch seinen Fuß. Als er den Schuh möglichst vorsichtig abstreifte, rechnete er damit, dass er noch weiter angeschwollen war. Umso erstaunter und irritierter war Milo als er sah, dass die Schwellung unter dem Verband zurückgegangen zu sein schien. Wie kann das sein? Er war den halben Tag unterwegs gewesen. Selbst wenn er stillgelegen hätte würde es in so kurzer Zeit nicht wieder abheilen. Konnte es wirklich an den Kräutern liegen? „Fangt!“ Hätte Milo keine guten Reflexe, wäre ihm im nächsten Augenblick eine Birne gegen den Kopf geflogen. So fing er das Obst mit seiner rechten Hand und starrte es etwas verdutzt an. „Denkt Ihr ich hätte die Bezahlung vergessen? Auch wenn mein Vater noch nicht gefunden ist, so will ich Euch doch danken.“ Milo war hungrig und hätte sich über die Birne freuen sollen, doch sein schlechtes Gewissen holte ihn ein. „Wenn das einer verdient, dann Fenin.“ Zumindest für einige Minuten hatte er die Gedanken unterdrücken können, doch nun trafen sie ihn wieder mit voller Wucht. Fenin hatte nichts, um sich zu verteidigen und selbst wenn, konnte er vermutlich nicht einmal kämpfen. Er hatte sich im Wald verlaufen und Milo um Hilfe gebeten. Und nun irrte er seinetwegen da draußen herum, um nach jemandem zu suchen, der möglicherweise einem Monster zum Opfer gefallen war. Wie hatte er das nur zulassen können? Am liebsten wäre er jetzt noch aufgesprungen, um ihn suchen zu gehen. Doch mit seinem Fuß würde ihm das niemals gelingen. Er gab die Schuld aber nicht nur sich. Was hatte sich dieser Kerl nur dabei gedacht? „Ihr klingt nicht glücklich dabei?“ Sie kam mit einem Kessel heißen Wassers und einer Schale zurück. Ohne ein Wort überließ Milo ihr die Kräuter. „Ich bin der Monsterjäger, nicht Fenin. Ich habe ihn nur aufgelesen, um ihn in die nächste Stadt zu eskortieren“, machte er seinem Kummer Luft. Eigentlich würde er mit Fremden nicht über so etwas sprechen, doch Lysil war noch ein Kind, was seine Hemmschwelle sinken ließ. „Und ich habe mich schon gewundert, wie Ihr mit jemandem wie ihm reisen könnt. Er ist wohl alt genug, um solche Entscheidungen für sich treffen zu können.“ Sie hatte einen Teil der Kräuter in die Schale gegeben und schüttete nun behutsam das heiße Wasser darüber. „Mit jemandem wie ihm?“, wiederholte er ihre Worte. Dafür dass sie Milo anfangs nicht einmal beachtet hatte, redete sie nun ziemlich abwertend über Fenin. Sie schien ihre Worte sofort zu bereuen. „Tut mir leid, es war nicht so gemeint. Es ist nur, er ist irgendwie... unheimlich.“ Bei ihren Worten legte Milo die Stirn in Falten. Auf ihn hatte der Mann diesen Eindruck definitiv nicht gemacht. Möglicherweise hatte es an dem arroganten Blick gelegen, den Fenin ihr vorhin hatte zukommen lassen. Milo konnte nicht sagen, was es damit auf sich hatte, doch ihm gegenüber war er bisher überaus freundlich und hilfsbereit gewesen. Er entschied sich, dass es das Beste wäre, nicht weiter darüber zu sprechen. „Willst du sie das trinken lassen?“ Er deutete auf die Schale, von der sich ein unerträglicher Geruch ausbreitete. „Natürlich, was dachtet Ihr denn?“ Milo schüttelte leicht den Kopf. „Wie soll sie es trinken, wenn sie schläft?“ Natürlich war die Antwort offensichtlich, sie musste geweckt werden. Fraglich war jedoch, ob das in ihrem Zustand noch möglich war. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie zu spät gekommen waren. Lysil verdrehte die Augen, drückte ihm die heiße Schale in die Hand und trat dann wieder ans Bett ihrer Mutter. Nicht gerade zögerlich begann sie an deren Schulter zu rütteln, bis ein raues, kaum mehr hörbares Keuchen zu vernehmen war. „Mutter, Mutter! Wir haben Kräuter. Bitte, du musst sie nehmen. Dann wird es dir besser gehen.“ Während Lysil immer weiter auf ihre Mutter, die nur langsam zu sich kam einredete, trat Milo mit der Schale an sie heran. Er hatte sich Mühe gegeben das stinkende Wasser abzukühlen, ehe er es der Frau reichte, die es tatsächlich geschafft hatte, sich mehr oder weniger aufzusetzen. Ihre trüben Augen machten aber deutlich, dass sie nicht mehr allzu viel von ihrer Umgebung wahrnahm. Nach und nach sorgte das Mädchen dafür, dass der Tee getrunken wurde, wobei Milo schweigend zuschaute. Seine Gedanken schweiften wieder ab, seine Sorgen wurden immer schlimmer. Schließlich ließ er sich wieder zu Boden sinken, um seinen Fuß zu schonen. Wenn Fenin bis Sonnenuntergang nicht zurück war, würde er ihn suchen gehen. Ob es nun sinnvoll war oder nicht, das konnte er einfach nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. „Nun esst doch was.“ Lysil hatte die leere Schale auf dem Boden abgestellt und sich zu ihrer wieder liegenden Mutter aufs Bett gesellt. Anscheinend war sie erneut eingeschlafen. „Eurem Freund ist nicht damit geholfen, wenn Ihr hier hungert.“ Am liebsten hätte Milo etwas erwidert, er verbiss sich aber den Kommentar und hob die Birne wieder auf. Nervös ließ er sie durch seine Hände wandern, ohne auch nur daran zu denken, hineinzubeißen. „Wisst Ihr, das ist die Bezahlung dafür, dass Ihr mir diese wertvollen Kräuter überlassen habt. Ich fühle mich wirklich schlecht, wenn Ihr sie nun nicht annehmt.“ „Sie wird nicht so schnell verderben.“ Auf seine Entgegnung verzog Lysil die Lippen, nahm sich dann selbst etwas aus dem Korb und biss hinein. Der Abend brach mit einer geradezu quälend langsamen Geschwindigkeit herein. Bis zuletzt hoffte Milo, dass Fenin zurückkommen würde, während er sich gleichzeitig darauf vorbereitete, in den Wald zu humpeln. Er hatte sich längst wieder in seinen Schuh gequält und sich zum Waldrand, in den Fenin verschwunden war, begeben. Dort saß er als Lysil sich zu ihm gesellte. „Mutter ist aufgewacht, sie hat mich wieder erkannt.“ Die Freude war ihr deutlich anzusehen, was auch Milo kurz lächeln ließ. Dass diese Kräuter derartig schnell anschlagen würden hatte er nicht erwartet. „Euer Freund wird zurückkommen“, versuchte sie ihn aufzumuntern, vergeblich. Sein Blick huschte zum Himmel, wo die Sonne gerade dabei war, hinter den Wipfeln der Bäume zu verschwinden. Während er sich einerseits darüber ärgerte, überhaupt so lange gewartet zu haben, hoffte er andererseits, dass dieser Kerl einfach hier auftauchen würde. Er war kaum in der Lage zu gehen, geschweige denn zu kämpfen. Es war nicht seine Art unter solchen Gegebenheiten für andere sein Leben aufs Spiel zu setzen. Lysil hatte Recht, Fenin war alt genug so etwa für sich selbst zu entscheiden. Und trotzdem machte er sich Vorwürfe. „Wollt Ihr wirklich bei Nacht in den Wald gehen?“ „Ich kann nicht ei-“ Er unterbrach sich selbst, als er etwas im Augenwinkel bemerkte. Augenblicklich lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Gestern noch hatte er dieses Zeichen nur halbherzig beachtet und dafür beinahe mit seinem Leben bezahlt. Noch einmal würde er diesen Fehler nicht machen. Etwas zu schnell sprang Milo auf seine Beine, ignorierte den stechenden Schmerz und starrte in den Wald vor sich, den bunten Schmetterling missachtend. Noch nie hatte er das Insekt in so kurzem Zeitabstand gesehen, was ihn nervös werden ließ. Was sollte er tun? Wegrennen und die Bewohner der Ortschaft ihrem Schicksal überlassen? Versuchen zu kämpfen und zu hoffen, dass es kein weiterer Keiler oder Vergleichbares war? „Lysil, lauf zu deiner Mutter“, forderte er das Mädchen auf, ohne zu ihr zu schauen. „Was ist los? Habt Ihr was gehört?“ Natürlich blieb sie stehen und schaute ebenfalls in den Wald. Milo seufzte genervt, schnappte sich das Mädchen und lief mit ihm zurück zu den Häusern, wobei er ihr Gestrampel ignorierend versuchte, seinen Knöchel nicht noch mehr zu belasten. Wenn es wirklich zu einem Kampf kam, dann konnte er kein Kind gebrauchen, das im Weg herumstand. „Milo! Lasst mich runter! Ich... ich will nicht! Warum lauft Ihr weg! MI- Vater!“ Der plötzliche Ausruf klang in keinster Weise mehr verärgert und ließ den Mann augenblicklich innehalten. Irritiert drehte er sich um und erblickte eine Gestalt am Waldrand. Lysil nutzte die Gelegenheit, strampelte sich frei und rannte das kurze Stück wieder zurück. Milo fluchte leise und folgte ihr, auch wenn er nicht ansatzweise so schnell war wie sie. Erst als er näher kam beruhigte sich sein unruhiger Herzschlag etwas und er wurde langsamer um seinen Fuß zu schonen. Es war Fenin der dort aufgetaucht war. Zusammen mit einem Körper, den er über der Schulter getragen hatte und nun vor Lysil auf dem Boden ablegte. Er konnte es nicht fassen, dass Fenin tatsächlich zurückgekommen war. Als er nah genug war, ließ er seinen Blick aufmerksam über den Mann schweifen. Er schien unversehrt. Er konnte es einfach nicht fassen. Fenin seinerseits musterte ihn genauso, wobei sein Blick an seinem verletzten Fuß hängen blieb. Nach der Aktion gerade wisch er bewusst einem direkten Blickkontakt aus. Der andere musste ihn für bescheuert halten, dass er in seinem Zustand so durch die Gegend rannte. Milo umklammerte seinen Stab noch immer, während er erneuten den Waldrand kontrollierte. „Was ist passiert?“, fragte er schließlich, als er bei ihnen ankam. Auf dem Boden lag ein Mann, der Lysil wie aus dem Gesicht geschnitten war. Mal abgesehen von dem Bart. Und den weißen, toten Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)