Das Geheimnis der Kleeblattinsel von BlueGenie1974 ================================================================================ Kapitel 14: Buch 2 - Kapitel 8 ------------------------------ Buch 2 – Kapitel 8 Aus den Chroniken der Kleeblattinsel: „Unsere Helden haben in San Diego das nächste Rätsel gelöst. Auch ein weiteres Kartenstück gelangte in ihren Besitz. Doch leider wurde der Archäologe Robert Harris von Tosh Kamars Schergen brutal ermordet. Sie werden unseren Freunden immer folgen, bis es keinen Ausweg mehr gibt. Iduna, verwische die Spuren dieser Männer und ihrer weiblichen Begleiterin.“ Marseille, Frankreich, 15. September 1916 8:00 Uhr Ortszeit Im Hafen von Marseille hatte sich eine gewaltige Menschenmenge versammelt. Denn dort lag die 274,9 m lange RMS Aquitania. Ein vierschornsteiniger Passagierdampfer der Cunard Line. Das Schiff hatte Phil Taylor und seine Freunde von New York nach Marseille gebracht. Da jedoch Cherbourg von den großen Transatlantiklinern in der Regel auf ihrem Weg von und nach Amerika angelaufen wurde, sah man solche Schiffe in Marseille eher selten. Doch bevor die vier Freunde und Dr. Harris Assistentin Lucy Lee ihre Reise über den Atlantik angetreten hatten, waren sie nach Tulum gereist und hatten in den Ruinen des Tempels den man dem „Herabsteigenden Gott“ geweiht hatte, umgesehen. Sie hatten zwar einen Hinweis gefunden, doch er verriet nichts über ein weiteres Kartenstück. „Suchet nach Shermine.“, stand auf einem Fetzen Papier geschrieben. Bitter enttäuscht hatte das Quintett die alte Mayastädte in Richtung New York verlassen und war dann an Bord der Aquitania nach Marseille gefahren, wo sie um 6:00 Uhr morgens eingelaufen waren. Der Kapitän des englischen Luxusliners ließ noch einmal Kohlen und Lebensmittel nachfassen, ehe er nach Cherbourg weiterfahren würde. Die vier Freunde und Lucy Lee suchten sich zuerst ein Hotel. Denn der Archäologe hatte ihnen eine nicht unerhebliche Summe Bargeld mitgegeben, damit die Weiterreise und auch die Unterkünfte gesichert waren. Auf Dirks Zimmer setzten sich die Auserwählten zu einer Besprechung zusammen. Der Deutsche holte seine Aufzeichnungen heraus. „Also, der Name des Fischers, den wir aufsuchen sollen, lautet Francois Spinec.“, sagte Dirk. „Da er Fischer ist, wird er sicher im Hafen zu finden sein.“ „Sein Boot dürfte aber nicht im Haupthafen liegen, denn der ist den großen Passagier- und Frachtschiffen vorbehalten. Wir sollten eher im Fischereihafen nachsehen.“, sagte Lars Eric Holm. 224 „So schlau bin ich auch, du Stratege.“ Phil Taylor hatte diese patzigen Worte ausgesprochen. „Phil, wir haben eine Aufgabe zu erledigen. Auf Oamaru setzen alle ihre Hoffnungen in uns.“, mahnte Dirk. „Dessen bin ich mir vollauf bewusst. Aber findet ihr nicht, dass wir bisher verdammtes Glück hatten?“ „Inwiefern?“, fragte Jewgeni den Engländer. „Seht die Sache doch mal so, bisher haben wir Glück gehabt, dass Dr. Mendoza und Dr. Harris bei den Gesetzeshütern ein gutes Wort für uns eingelegt haben. Sonst säßen wir schon längst im Knast.“ „Auch wieder wahr. Aber wir müssen auf alles gefasst sein. Fragen wir doch als erstes nach dem Namen von Francois Spinecs Boot.“, schlug der Schwede vor. „Es darf aber nicht so aussehen, als würden wir rumschnüffeln.“ „Also dann. Klappern wir die ganzen Spelunken am Hafen mal ab. Wollen doch mal sehen, ob wir was herausfinden.“, sagte Jewgeni. In einer der vielen Kneipen am Hafen versuchten die Freunde ihr Glück. Doch keiner der Leute dort, sprach mit ihnen. Also ging es weiter zur nächsten Bar. Doch auch dort hatten die vier Gefährten kein Glück. Auch in der nächsten Spelunke stießen die Freunde auf eine Mauer des Schweigens. In der darauf folgenden Hafenbar das gleiche Bild. Niemand wollte den Auserwählten Auskunft erteilen. Erst in der letzten Pinte im alten Hafen von Marseille hatte die vier Freunde endlich Glück. Ein Matrose sprach die vier Seeleute an. „Bon Jour, Messieurs.“, sagte er. Die Freunde musterten den Mann. Er war 1,85 m groß und hatte ein rundes Gesicht. Eines seiner braunen Augen wurde von einer Augenklappe verdeckt. Seine linke Hand verdeckte ein schwarzer Handschuh. Seine schwarzen Haare standen wirr vom Kopf und bildeten an den Schläfen Koteletten, die in einem schwarzen Lippen- und Kinnbart endeten. Auffällig war auch der etwas kräftige Körperbau des Matrosen. Bekleidet war der Mann mit einem schwarzen Tankshirt in Fishnetoptik, einer roten Leinenhose und schweren, schwarzen Lederstiefeln. Seine Stirn verbarg der Seemann hinter einem roten Stirnband. Sein rechtes Handgelenk war mit einer weißen Stoffbandage verbunden. „Wir suchen das Boot von Francois Spinec. Sie wissen nicht wie es heißt, und wo es seinen Liegeplatz hat?“, sagte Lars Eric Holm. 225 „Das Boot heißt „Aigle en Or“. Aber Francois ist schon eine Ewigkeit nicht mehr rausgefahren.“ „Warum denn dieses?“, fragte Phil Taylor. „Nun ja, Monsieur, mein alter Freund hatte an jenem Tag den Tod seiner Frau und seiner Kinder zu beklagen. Sein Sohn starb, als er mit ihm auf See war. Seine Frau und seine Tochter starben, als das Haus in Brand geraten ist.“ „Und seit dem fährt Herr Spinec nicht auf zum Fischen, Herr…?“, sagte Dirk Hemmler. „Lafitte. Jean-Pierre Lafitte. Und ja Monsieur, seit diesem Tag fährt Monsieur Spinec nicht mehr raus. Er lebt sehr zurückgezogen. Außerdem spricht er mit niemandem. Ich bin der einzige, der noch Kontakt zu ihm hat.“ „Könnten sie für uns ein Treffen arrangieren? Es gibt etwas, wobei er uns vielleicht helfen könnte.“, sagte Jewgeni. Jean-Pierre Lafitte sah die vier Freunde an. „Ich will es versuchen, Messieurs. Aber ich verspreche nichts.“, sagte er dann. „Wo finden wir sie?“ Lars Eric Holm, der Schwede, hatte diese Frage gestellt. „Ich bin immer hier. Kommen sie einfach jeden Tag um die gleiche Zeit wie heute hierher.“, sagte Jean-Pierre. „Danke für ihre Zeit, Mister Lafitte.“ „War mir eine Ehre.“, sagte der Seemann. Die vier Freunde kehrten in ihre Unterkunft zurück. Auf dem Zimmer von Robert Harris Assistentin trafen sie sich. „Wie ist es gelaufen?“, fragte Eurasierin. „Nicht gerade gut. Aber auch nicht gerade schlecht. Wir konnten zumindest den Namen von Mister Spinecs Boot in Erfahrung bringen.“ „Mehr nicht?“, fragte Lucy Lee. „Nicht ganz. Wir konnten noch herausfinden, dass Francois Spinec seit einem Schicksalsschlag, bis auf eine Ausnahme, den Kontakt zu seinen Mitmenschen abgebrochen hat. Aber damit ist der Gag auch schon weg.“ „Verstehe. Meinen sie, dass sie die Person ausfindig machen können?“, fragte Robert Harris Assistentin. 226 „Der Mann heißt Jean-Pierre Lafitte. Und wie gesagt, ist er der einzige, der noch an Francois Spinec herankommt. Wir haben ihn schon gebeten, den Versuch zu unternehmen, ein Treffen mit seinem Freund zu arrangieren.“ „Meinen sie, dass er Erfolg haben wird?“, fragte Miss Lee. Dirk Hemmler seufzte. „Eher nicht. Denn nach allem, was uns Herr Lafitte verraten hat, ist er ein verdammt harter Brocken, den man nur schwer überzeugen kann.“ „Hm. Wo haben sie diesen Jean-Pierre Lafitte eigentlich aufgespürt?“, fragte Lucy Lee. „Wir haben ihn in einer der vielen Hafenkneipen gefunden. Und um ihrer unausgesprochenen Frage zuvorzukommen: Er hat uns angesprochen.“ Marseille, 16. September 1916 12:00 Uhr Ortszeit Die vier Auserwählten machten sich, dieses Mal von Lucy Lee begleitet, hinunter zum Fischereihafen, wo sie am vereinbarten Treffpunkt auf Jean-Pierre Lafitte trafen. Der Seemann erwartete sie bereits. „Bon Jour, mes Amis.“, sagte er freundlich. „Ihnen auch einen guten Tag. Haben sie mit Mr. Spinec sprechen können?“ „Noch nicht. Ich habe ihm aber eine Nachricht hinterlassen. Worum geht es eigentlich?“, fragte der Seemann. „Wo können wir uns ungestört unterhalten? Hier sind mir zu viele Osterhasen.“ „Bei mir zu Hause. Bitte folgen sie mir.“, sagte Jean-Pierre. Der Fischer führte das Quintett zu seinem Haus, an dessen Anleger sein Boot, die „Mantara“ lag. Jean-Pierre Lafitte führte seine Gäste an Bord seines Bootes. Phil Taylor ergriff als erster das Wort, nachdem sich jeder einen Sitzplatz gesucht hatte. „Ich sollte mich im Namen aller für unsere Unhöflichkeit entschuldigen, dass wir uns ihnen nicht vorgestellt haben, Mr. Lafitte. Mein Name ist Phil Taylor. Das sind meine Freunde Dirk Hemmler, Jewgeni Moskrovnovitch und Lars Eric Holm. Die Dame, die uns begleitet, ist Lucy Lee. Sie ist die Assistentin von Dr. Robert Harris, dem Archäologen aus San Diego.“, sagte der Engländer. „Ist nicht so schlimm, Freunde. Aber jetzt solltet ihr mich einweihen.“ Dirk Hemmler breitete die Karte aus, die die Freunde immer mit sich führten. Er erläuterte, welche Stücke der Karte sie schon bei Beginn der Reise im Besitz 227 hatten, und welche im Verlauf neu dazugekommen waren. „In meinen Aufzeichnungen wird der Name ihres Freundes erwähnt. Wenn er ein weiteres Stück der Karte in seinem Besitz hat, oder uns irgendwie Informationen zu einem Ort namens Shermine geben kann, dann würde uns das sehr weiterhelfen. Wir müssen den Feueropal finden und nach Oamaru zurückbringen.“, schloss er seinen Bericht. „Sie meinen die Kleeblattinsel?“ „Woher wissen sie davon, Mr. Lafitte?“, fragte Lars Eric Holm. Die braunen Augen des Franzosen trübten sich, als er antwortete. „Mein kleiner Bruder Alain und meine kleine Schwester Magalie haben nach der Insel gesucht. Sie sind von dieser Suche nie zurückgekehrt. Ich habe sie oft genug gewarnt. Aber wie das bei jüngeren Geschwistern so ist. Sie haben ihren eigenen Kopf. Jedenfalls haben sie nicht auf mich gehört und sind vor drei Jahren mit Magalies kleiner Jolle aufgebrochen. Und beide waren hervorragende Segler.“, sagte Jean-Pierre Lafitte. „Wann haben sie das letzte Mal von ihren Geschwistern gehört?“ „Vor zwei Jahren. Da haben sie mir ein Telegramm aus Buenos Aires geschickt. Die Jolle ist in einem Sturm gesunken. Aber ein Passagierdampfer, ich glaube es war die Olympic, hat sie aus dem Wasser gefischt und in Buenos Aires an Land gesetzt. Seitdem habe ich nichts mehr gehört.“, sagte der Seemann. Dirk Hemmler sah in die Runde. „Was meint ihr, Freunde?“, fragte er dann. „Fragen wir Dr. Mendoza. Vielleicht hat sie ja was mitbekommen.“ „Gute Idee, Phil.“, sagte Jewgeni. Dirk Hemmler wandte sich wieder an den Franzosen. „Wir machen ihnen folgenden Vorschlag: Wir versuchen etwas über den Verbleib ihrer Geschwister in Erfahrung zu bringen, als Gegenleistung bitten wir sie um ein Treffen mit ihrem Freund, Francois Spinec.“, sagte er. Jean-Pierre Lafitte nickte. „D'accord. “, sagte er dann. „Dann sehen wir uns morgen am vereinbarten Treffpunkt wieder.“ Nach dem Gespräch mit Jean-Pierre Lafitte suchten die vier Freunde 228 zusammen mit Lucy Lee das Postamt von Marseille auf. Lars Eric Holm setzte ein Telegramm an Elvira Mendoza auf, in dem er sich nach dem Verbleib von Alain und Magalie Lafitte erkundigte. Außerdem schrieb er dazu, dass der ältere Bruder die beiden suchte. Danach hieß es warten. Elviras Antwort kam am Abend. Die Freunde waren gerade mit dem Abendessen fertig und hatten sich auf Jewgenis Zimmer zurückgezogen, als der Portier des Hotels klopfte. Als der Russe öffnete gab ihm der Portier wortlos das Telegramm mit Elvira Mendozas Antwort und ging wieder. Jewgeni las sich das Telegramm der Marinehistorikerin durch. „Was steht in dem Telegramm?“, fragte Phil Taylor seinen russischen Freund. „Hier steht: Magalie Lafitte lebt heute in unserer schönen Stadt Corozal. STOP! Hat Suche nach Kleeblattinsel laut eigener Aussage aufgegeben. STOP! Ist meine Nachbarin. STOP! Alain Lafitte hat Suche alleine fortgesetzt. STOP! Ist nach einjähriger Pause am 7. Mai 1915 nach Rio de Janeiro aufgebrochen. STOP! Seitdem kein Lebenzeichen von ihm. STOP! Mehr habe ich nicht herausfinden können. STOP! P.S. Magalie lässt ihrem Bruder ausrichten, er ist schon zweifacher Onkel.“ 17. September 1916 12:00 Uhr Ortszeit Die vier Freunde waren wieder am vereinbarten Treffpunkt. Jean-Pierre Lafitte erwartete sie bereits. Der besorgte Ausdruck in seinem Gesicht war unübersehbar. „Habt ihr Neuigkeiten?“, fragte er geradeheraus, nachdem er die Auserwählten begrüßt hatte. „Elvira Mendoza hat auf unser Telegramm geantwortet.“ Jean-Pierre Lafitte gebot den Freunden ihm zu seinem Boot zu folgen. Dort angekommen, übergab ihm Dirk Hemmler das Telegramm der Marinehistorikerin. Der Fischer las sich das Dokument durch. Dann sah er die Freunde der Reihe nach an. „Ich danke euch, meine Freunde. Wenigstens ist meine Schwester noch am Leben. Aber ich fürchte, dass Alain bereits mit Jesus zu Abend isst. Und ab jetzt sind wir per Du.“, sagte er. „Du meinst, er ist…?“ „Tot? Ich befürchte ja, Jewgeni. Trotzdem Danke.“, sagte Jean-Pierre. „Schon in Ordnung. Wir haben unseren Teil der Abmachung erfüllt, würde ich sagen.“ 229 „Und ich werde mein Versprechen einhalten. Heute Abend statte ich Francois einen Besuch ab.“, sagte der Seemann. Die vier Freunde waren gerade auf dem Rückweg, als ein paar Fischer, die ihnen die kalte Schulter gezeigt hatten, auf sie zukamen. Der Anführer baute sich vor Phil Taylor auf. „Was müssen wir denn da hören? Ihr habt mit Jean-Pierre Lafitte gesprochen? Nur damit ihr wisst, wo der Hase läuft: Ihr redet mit keinem der anderen Fischer, ohne dass wir es erlauben.“, sagte er. Doch die Antwort des Engländers ließ nicht lange auf sich warten. Ein Schlag auf den Kopf genügte, um den Fischer zu Boden zu schicken. Doch zwei weitere Fischer zogen ihre Messer, um ihrem Anführer zu helfen. Sie näherten sich Phil Taylor vorsichtig, doch urplötzlich tauchte von Links Lars Eric Holm auf und drehte einem der beiden Fischer den Arm auf den Rücken. Danach setzte es einen Schlag in die Magengrube und danach einen Schlag ins Gesicht. Der zweite Fischer ging nun auf den Schweden los, doch dieser konnte dem Hieb mit dem Messer ausweichen. „Komm her, dir werde ich auch einen vorn Ständer kleistern.“, sagte er und verpasste dem Franzosen einen Schlag ins Gesicht. Der dritte Fischer gab Fersengeld und flüchtete. Die Freunde kehrten ins Hotel zurück. Viel konnten sie nicht mehr tun. Auch mussten sie nun vorsichtig sein. Denn wenn die Fischer auch nur etwas Einfluss bei der Polizei hatten, dann konnten sie den vier Auserwählten noch einmal richtig Schwierigkeiten bereiten. Am Abend traf sich Jean-Pierre Lafitte mit Francois Spinec. Als die beiden bei einem Glas Rotwein beisammen saßen, sagte Jean Pierre: „Hör zu, Francois, es ist vielleicht besser, du redest mit diesen Männern.“ „Dir ist schon klar, dass das den anderen Fischern ein Dorn im Auge sein wird. Die kochen schon vor Wut, weil du mit den Fremden gesprochen hast.“ „Francois, ich hab gute Gründe. Die anderen Fischer sind scharf auf dein Kartenstück. Gib es den Fremden, und du hast deine Ruhe.“, sagte Jean-Pierre. „Dein Wort in Gottes Ohr, Jean-Pierre. Aber gut, du hast mich überredet. Bringe sie morgen Abend zu mir.“ „Es gibt aber noch mehr zu berichten, Francois. Die vier Fremden haben etwas über den Verbleib meiner jüngeren Geschwister herausgefunden. Findest du nicht, dass sie das vertrauenswürdig macht?“, fragte Jean-Pierre Lafitte. „Kommt drauf an, was sie herausgefunden haben.“ 230 „Ich bin zweifacher Onkel, Francois. Magalie hat sich in Corozal niedergelassen.“, sagte Jean-Pierre zu seinem Freund. „Noch nie gehört. Wo liegt Corozal überhaupt?“ „In Belize.“, sagte Francois Freund. Marseille, 17. September 1916 12:00 Uhr Ortszeit Dirk Hemmler und die anderen waren wie am ersten Tag um die Mittagszeit am Fischereihafen von Marseille. Sie hatten sich mit Jean-Pierre Lafitte getroffen. „Also, mes amis. Francois Spinec erwartet euch heute Abend um 21:00 Uhr. Aber seit pünktlich. Mein Spezi mag es nicht, wenn man sich verspätet.“, sagte der Franzose. „Kannst du uns nicht hinbringen, Jean-Pierre?“ „Kann ich machen. 20:30 Uhr hier.“, sagte Jean-Pierre. „Dann bis heute Abend.“ Marseille, am gleichen Tag, 20:30 Uhr Ortszeit Um 20:30 Uhr trafen sich die vier Freunde mit Jean-Pierre Lafitte an der Kneipe im Marseiller Hafen, an der sie sich vor zwei Tagen getroffen hatten. Der Fischer saß wie immer auf einem der Poller an der Mole. In der Ferne konnte man einige Möwen schreien hören. Als der Franzose die vier Männer sah, strahlte er über das ganze Gesicht. „Da seid ihr ja, Freunde. Ich dachte schon, ihr kommt überhaupt nicht.“, sagte er. „Wir stehen zu unserem Wort. Wenn wir sagen, wir kommen, dann kommen wir auch.“ „Machen wir uns auf den Weg. Sonst sind wir bei Einbruch der Dunkelheit noch unterwegs.“, sagte Jean-Pierre. Angeführt von ihrem französischen Freund, machten sich die vier Auserwählten auf den Weg zu Francois Spinec, der ein weiteres Kartenstück in seinem Besitz hatte, das ihnen den Weg zum Versteck des Feueropals wies. Es war 21:00 Uhr, als die kleine Gruppe das Haus des Mannes erreichte. Francois Spinec lebte in einem kleinen Steinhaus, das aus Granitsteinen bestand. Die Fenster waren nicht sehr groß, ließen aber genug Licht herein. Die Tür bestand aus massivem Eichenholz. Jean-Pierre Lafitte klopfte. „Komm rein, Jean-Pierre. Und bring deine Freunde ruhig mit.“, war die Stimme des alten Fischers von drinnen zu hören. 231 Die fünf traten ein. Francois Spinec saß an einem massiven Eichentisch, den er selbst angefertigt hatte. Die vier Freunde musterten den Fischer aufmerksam, als er sich erhob. Francois Spinec war ein 1,74 m großer Mann mit einem ovalen Gesicht, das von einem blonden Vollbart bedeckt wurde. Seine dauergewellten Haare waren an einigen Stellen schon ergraut. Seine braunen Augen trugen Trauer in sich. Bekleidet war der Franzose mit der typischen Fischerkleidung. Die etwas breite Nase wollte so gar nicht zum Gesicht des Fischers passen. Francois Spinec bat die Freunde Platz zu nehmen. „Hören sie, Messieurs. Ich will ehrlich zu ihnen sein. Wer garantiert mir, dass sie mir nicht ans Leder wollen?“, fragte er gerade heraus. Es war jedoch Phil Taylor, der antwortete. „Es ist verständlich, dass sie uns nicht vertrauen. Sie kennen uns nicht, und wir sie nicht.“, sagte der Engländer. Francois Spinec nickte. „Mein Freund hat mir berichtet, dass sie im Beitz einiger Kartenstücke sind.“, sagte der Franzose. Wortlos holte Dirk Hemmler die bereits zusammengefügten Kartenteile aus seiner Tasche und breitete sie auf dem Tisch aus. Der alte Fischer holte sein Kartenstück aus einer Schatulle, die über dem Kamin stand. Er legte sein Kartenstück an verschiedenen Stellen an, bis er die richtige gefunden hatte. Dann wandte er sich an seine Gäste. „Sie können mein Stück haben. Aber passen sie gut drauf auf. Es sind noch andere hinter dem Stück her.“, sagte er dann. „Machen sie sich keinen Kopf. Ihr Stück ist ohne unsere Teile für die anderen wertlos.“ „Seien sie da nicht so sicher. Was glauben sie, wie schnell sie ein Messer an der Kehle sitzen haben?“, sagte Francois Spinec. „Dessen sind wir uns durchaus bewusst. Aber es gibt noch etwas, dass uns Kopfzerbrechen bereitet, Mr. Spinec.“ „Ich höre, Monsieur Taylor.“, sagte der Fischer. „Bevor wir nach Marseille aufgebrochen sind, waren wir in den Ruinen der Mayastadt Tulum. Dort haben wir im Tempel des „herabsteigenden Gottes“ ein Stück Papier gefunden.“ 232 „Haben sie den Papierfetzen mitgenommen?“, fragte Francois. Jewgeni reichte ihm wortlos das Papierstück. „Suchet nach Shermine.“, las der Franzose vor. „Und genau das gibt uns Rätsel auf. Wer oder was ist Shermine?“ „Ich verstehe sie voll und ganz, Monsieur Hemmler.“, sagte der alte Fischer. Jewgeni schaltete sich in das Gespräch ein. „Klingt wie der Name einer Stadt.“ „Möglicherweise.“, sagte Jean-Pierre Lafitte. „Unsere letzte Etappe führt uns nach Marokko. Wissen sie, ob es dort einen Ort mit diesem Namen gibt, Herr Spinec?“ „Nein, nicht das ich wüsste. Aber sie haben Glück. Morgen Nachmittag kommt ein marokkanischer Händler um hier zu handeln. Der Mann heißt Ahmed al Shabuh.“, sagte der Franzose. „Und woher kommt dieser Händler?“ „Aus Agadir, Monsieur Holm.“, sagte Francois Spinec. Jewgeni, der Russe, kam mit der nächsten Frage. „Und wann kommt Mr. Shabuh in der Regel hier an?“, fragte er den Fischer. „So um 13:00 Uhr. Aber am besten kommen sie an ihn heran, wenn er Kasse macht.“ „Und wann macht er das?“, fragte Lars Eric Holm. „Das ist unterschiedlich. Je nachdem, wie das Geschäft läuft. Mal macht er schon um halb vier Kasse, mal erst um 18:00 Uhr.“ Phil Taylor sah auf die Uhr über dem Kamin. „Es tut uns leid, Mr. Spinec. Aber ich fürchte, wir müssen ins Hotel zurück. Vielen Dank für ihre Hilfe.“, sagte er. „War mir eine Freude.“ Marseille, 18. September 1916, 13:30 Uhr Ortszeit Die vier Freunde schlenderten am Hafen entlang. Um keinen Verdacht zu erregen, sah sich jeder einen anderen Stand an. Aber immer in Sichtweite der anderen, um rasch eingreifen zu können, wenn die Situation außer 233 Kontrolle zu geraten drohte. An einem der Liegeplätze entdeckte Jewgeni ein kleines Boot, vor dem ein Mann mit einer schwarz-roten Dschellaba und einem weißen Stoffturban stand. Jewgeni Moskrovnovitch schätzte das Alter des Händlers auf 65 Jahre. Der Mann war etwa 1,72 m groß. Sein Körper war unter der Dschellaba verborgen. Das runde Gesicht mit den braunen Augen verriet, dass der Marokkaner etwas nervös war. Auffällig war auch der bereits ergraute Vollbart. Die Hände des Händlers waren manikürt, was darauf schließen ließ, dass Ahmed al Shabuh ein wohlhabender Mann war. Jewgeni ging weiter und beobachtete aus dem Augenwinkel die Auslage des Marokkaners. In der Mitte des Tisches lag ein riesiges Gemälde, das eine marokkanische Flusslandschaft, mit den für dieses Land typischen Flussbooten. Daneben lagen diverse in Leder eingebundene Bücher. Jewgeni sah auch einige orientalische Schmuckstücke. Er drehte sich zu Phil Taylor um, der kurz den Daumen hob. Der Russe kehrte zum Stand des marokkanischen Händlers zurück. „Salem Aleikum.“, begrüßte Jewgeni den Mann. „Aleikum Salam, Efendi.“ „Das Bild gefällt mir, mein Freund.“, sagte der Russe. „Es freut mich, dass dieses Kunstwerk euren Geschmack trifft, Efendi.“ Ist das ein Gemälde von einem bekannten Maler, wie Rembrandt oder Monet?“, fragte Jewgeni. „Nein, Efendi. Das Bild wurde von einem Künstler erschaffen, der aus dieser Region kommt. Wollte ihr es kaufen, Efendi?“ „Was soll es kosten?“, wollte der einzige Überlebende der DIANA wissen. „100 Francs, Efendi.“ „Ganz schön gepfeffert, mein Freund. Aber das letzte, was ich will, ist, dass der Schöpfer dieses Kunstwerks am, Hungertuch nagen muss.“, sagte Jewgeni und drückte dem Händler eine 100-Francs-Note in die Hand. „Danke, Efendi.“ „Immer wieder gerne.“, sagte Jewgeni. „Kann ich euch sonst noch irgendwie behilflich sein, Efendi?“ „Du bist doch Marokkaner. Kennst du einen Ort mit Namen Shermine?“, sagte Jewgeni. „Efendi, ich kenne mein Heimatland wie meine Westentasche. Und ihr 234 könnt mir glauben, wenn ich sage, dass es keinen Ort mit diesem Namen gibt. Warum fragt ihr überhaupt nach Shermine, Efendi?“ Wortlos reichte Jewgeni dem Händler den Papierfetzen, den er und die anderen in der alten Mayastädte Tulum gefunden hatten. „Ich verstehe, Efendi. Nun, ihr und eure Freunde habt Glück. Ich weiß, wo ihr Shermine findet.“, sagte Ahmed al Shabuh. „Dann bitte. Ich höre.“ „Ihr müsst auf dem Marktplatz von Marrakesch nach ihr suchen.“, sagte Ahmed. „Ich nehme mal an, dass es dort von Dieben und anderen Gaunern nur so wimmelt.“ „Oh ja. Und eine ist ganz besonders gefährlich. Mandara.“, sagte der Händler. „Mandara?“ „Sie ist Shermines jüngere Schwester. Und sie ist ebenso schnell, wie geschickt.“, sagte Ahmed al Shabuh. „Ich bin schon mit ganz anderem Gesindel fertig geworden.“ „Seid trotzdem auf der Hut, Efendi. Und gebt diese Warnung auch an eure Freunde weiter. Wenn Mandara erst einmal in der Menschenmenge untergetaucht ist, dann ist sie nur schwer aufzuspüren.“, sagte Ahmed. 235 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)