Das Geheimnis der Kleeblattinsel von BlueGenie1974 ================================================================================ Kapitel 10: Buch 2 - Kapitel 4 ------------------------------ Buch 2 – Kapitel 4 Aus den Chroniken der Kleeblattinsel: „Der dritte der vier Auserwählten hat seinen Weg zu uns gefunden. Doch noch fehlt einer. Wann wird er kommen? Und können die vier Tosh Kamars Racheplan vereiteln? Unser aller Feind will nach wie vor unseren Untergang. Iduna! Wir flehen dich an! Lass uns in dieser schweren Stunde nicht ungeschützt!“ 7. August 1916 3 Monate nach der Strandung der Goeben Strandung der Fylgia White Hall, London, Vereinigtes Königreich, 7. August 1916 11:00 Ortszeit Sir Hedworth Meux, Admiral of the Fleet, saß im Büro von Winston Churchill. Der erste Lord der Admiralität hatte ihn zu einer Unterredung gebeten. „Gibt es Neuigkeiten von der Glorious?“, fragte Winston Churchill Sir Hedworth. „Sie ist gesunken. Ein amerikanischer Trawler hat den Untergang beobachtet. Laut dem Funkspruch hat nur Phil Taylor, der leitende Ingenieur überlebt.“ „Hatte Mr. Taylor Familie, Sir Hedworth?“, fragte der erste Lord. „Nein, Sir. Phil Taylor ist ledig und hat keine Kinder. Sein Vater ist zwei Tage nach Ausbruch des Krieges an einem Herzinfarkt verstorben. Seine Mutter letztes Jahr am Tag der Versenkung der Lusitania an Lungenkrebs.“ Winston Churchill zog an seiner Zigarre. „Was hat der Trawler noch gefunkt?“, fragte er dann. „Der Kapitän berichtet von einer Insel.“ „Sonst nichts?“, wollte der erste Seelord wissen. „Das war alles.“ „Ist diese Insel auf einer Karte verzeichnet?“, fragte Winston Churchill Sir Hedworth. „Nein, Sir. Aber ausgehend von der Meldung des Trawlers und der Meldungen der „Leipzig“ und der „Slawa“ müsste die Insel hier liegen.“ Sir Hedworth Meux trat an die große Weltkarte und markierte die Stelle. Dann markierte er die Positionen der gestrandeten Schiffe. Winston Churchill zog 181 erneut an seiner Zigarre und runzelte die Stirn. „Sollte diese Insel wirklich existieren, dann erinnert sie mich an ein Kleeblatt, Sir Hedworth.“, sagte er. Buenos Aires, Argentinien, 7. August 1916, 7:00 Uhr Ortszeit Im Hafen herrschte helle Aufregung. Denn es war ein Schiff angekommen, das sich sonst nie hierher verirrte. Es war der schwedische Panzerkreuzer Fylgia. Das Schiff war 117 m lang und 14,8 m breit. Die Fylgia verdrängte maximal 4.980, bei einem Tiefgang von 6,3 m. Die Hauptbewaffnung des schwedischen Panzerkreuzers bestand aus vier Doppeltürmen mit einem Kaliber von 15,2 cm. Dazu kamen noch 14 57mm-Schnellfeuergeschütze. Außerdem trug die Fylgia noch zwei 45,7-cm-Torpedorohre und 37mm-Maschinenkanonen. Der maximale Kohlenvorrat betrug 850 Tonnen. Die beiden 4-Zylinder-Dreifach-Expansionsmaschinen leisteten 12.000 Ps und übertrugen diese auf zwei Schrauben. Das Schiff konnte bei voller Kraft 22,77 Knoten laufen. Wurde die Geschwindigkeit auf 10 Knoten reduziert schaffte die Fylgia eine Strecke von 8.000 Seemeilen. Das Schiff hatte eine Besatzung von 322 Mann, davon 50 Kadetten. Dem schwedischen Kreuzer war am 31. Juli der Ausbruch aus dem Marinestützpunkt Karlskrona gelungen, nachdem die Österreich-ungarische Marine Schweden von jeglichem Nachschub abgeschnitten hatte. Damit hatte man einen Bruch des Völkerrechts begangen, indem man einen neutralen Staat als Faustpfand missbrauchte, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Die Fylgia war zunächst nach New York gelaufen, wobei sie unterwegs mehrfach von einem englischen Kohlentender versorgt werden musste. Doch der Österreich-ungarische Geheimdienst hatte eine Meldung ins Hauptquartier nach Wien geschickt, als das schwedische Kriegsschiff in New York City eingelaufen war. Sofort wurde, ein U-Boot, die SM U 47, in die Gewässer um die Stadt beordert, um die Fylgia abzufangen. Doch Kapitän Fredrik Riben war nicht auf den Kopf gefallen. Er hatte Kohlen und Vorräte soweit ergänzt, dass es reichte, um es bis in die argentinische Hauptstadt zu schaffen. Am7. August um 3:00 Uhr morgens war die Fylgia in Buenos Aires eingelaufen. Am Kai vor ihr lag ein niederländischer Passagierliner. Es war die „Rotterdam“ der Holland-America Line. Deren Kapitän hatte seinem schwedischen Kollegen von einem deutschen Schlachtschiff berichtet, das nach Buenos Aires unterwegs sein sollte. Kapitän Riben hatte deshalb beschlossen, um Mitternacht Buenos Aires zu verlassen. Im Moment wurde die Fylgia mit Kohlen beladen. Ein Pritschenlaster aus dem Hause Ford stand am Kai. Ein Mann stand auf der Pritsche und füllte mit einer Schaufel Kohlebriketts in Jutesäcke, die an Bord des Kreuzers gebracht wurden. Als der Ford-LKW entladen war, sprang der Mann von der Pritsche. Der Wagen wendete und der nächste Lastwagen fuhr vor. Der Fahrer im Führerhaus sah zu dem schwedischen Panzerkreuzer hinüber. Die Brücke der Fylgia befand sich oben auf einem kleinen Turm. Auffällig waren auch die drei Schornsteine, die für die kleineren Kreuzer typisch waren. 182 An Bord von „Friedrich der Große“ Kapitän zur See Theodor Fuchs stand auf der Brückennock der Backbordseite und sah durch sein Fernglas. Er hoffte, dass die fingierte Nachricht aus Berlin ihre Wirkung nicht verfehlen, und den schwedischen Kommandanten zu einem vorzeitigen Auslaufen aus Buenos Aires zwingen würde. Die Befehle, die er von der Admiralität erhalten hatte, waren eindeutig. Er sollte die Fylgia stellen und auf den Meeresboden schicken. Also hatte er am anderen Ende des Panamakanals Stellung bezogen und patrouillierte dort, bis der schwedische Panzerkreuzer auftauchte. Und sollte es der Fylgia gelingen, sich unbemerkt am deutschen Großlinienschiff vorbeizuschleichen, so stand auf der Höhe von Rio de Janeiro das deutsche Linienschiff „Großer Kurfürst“. Das Schiff war nach dem Gefecht mit dem britischen Geschwader nach Valparaíso in die Werft verholt und repariert worden. Buenos Aires, Argentinien, 8. August 1916, 0:00 Uhr Ortszeit Es war soweit! Die Fylgia machte sich auf ihre Reise. Kapitän Riben hatte bereits eine halbe Stunde vorher den Befehl „Alle Kessel „Dampf auf“.“, erteilt. Sein erster Offizier Lars Eric Holm überwachte das Ablegemanöver. Er war ein Mann mit einem Waschbrettbauch, bei dem jede Frau schwach werden konnte. Der 26jährige war 1,84 m groß und hatte schulterlanges, braunes Haar. Der Blick aus seinen blauen Augen war kalt und stechend. Das markante Kinn des Mannes war von einem leichten Vollbart bedeckt. Auf seiner rechten Schulter, sowie einem Teil des rechten Oberarms trug Lars Eric Holm eine Tätowierung, die nur dann zum Vorschein kam, wenn er sein Uniformhemd auszog. Sein rundes Gesicht strahlte Freundlichkeit und Güte aus. Doch die Pflicht gegenüber seinem Heimatland Schweden stand für den Mann aus Trollhättan stets an erster Stelle. Die Nase war zwar fast ein bisschen zu breit, fügte sich aber harmonisch in das Gesicht des jungen Offiziers ein. Lars Eric Holm beobachtete von der Brückennock an Backbord, wie vier kräftige Hafenarbeiter die meterdicken und schweren Taue loswarfen, die von Matrosen der Fylgia aus dem Wasser gezogen und dann auf dem Vordeck fein säuberlich aufgerollt wurden. Danach zogen zwei Schlepper den schwedischen Panzerkreuzer von seinem Liegeplatz im Hafen der argentinischen Hauptstadt weg und drehten das Schiff mit dem Bug in Richtung offene See. Um 0:10 Uhr hatte die Fylgia den Hafen von Buenos Aires hinter sich gelassen. Kapitän Fredrik Riben hatte nach Rücksprache mit seinem ersten Offizier entschieden, die 10 Stunden lange Passage durch den Panamakanal zu nehmen. Nun lag das schwedische Kriegsschiff im Hafen von Colon, welcher den Eingang zum Kanal bildete. Von dort führte die nächste Etappe zu den Schleusen von Gatun mit ihren drei Kammern, die den Weg in den Gatunsee ebneten. Diesem schloss sich der Gaillard-Kanal an, den die Fylgia am Folgetag erreichen sollte. Danach sollte es durch die Miraflores-Schleusen mit ihren zwei Kammern in den Hafen von Balboa gehen, der das Ende des Panamakanals bildete. 183 Um 14:35 Uhr konnte der schwedische Panzerkreuzer seine Reise fortsetzen, denn es waren noch drei größere Schiffe vorher zur Einfahrt in den Kanal vorgesehen. Einer davon war ein deutscher Passagierliner, die Prinz Friedrich Wilhelm des Norddeutschen Lloyd, die man nach Valparaíso verlegte, um einer Beschlagnahmung durch die US-Regierung zu entgehen. An Bord der Prinz Friedrich Wilhelm, die gerade den Gatun-See durchquerte, befand sich ein deutscher Spion. Er selbst nannte sich Klaus Kerner. Doch sein wirklicher Name lautete Wilhelm Anschütz. Der 1,80 m große Mann mit den stechend blauen Augen und dem ovalen, von einem blonden Vollbart bedeckten Gesicht stand achtern und beobachtete mit einem Fernglas die Fylgia, die gerade hinter der nächsten Biegung des Seeufers in Sicht kam. Dem deutschen Spion war sofort klar, was das zu bedeuten hatte. Der schwedische Panzerkreuzer hatte sich erfolgreich von New York City nach Buenos Aires durchgeschlagen und versuchte nun, einen neutralen Hafen an der Pazifikküste zu erreichen. Wieso zum Teufel, schafften es die deutschen Kriegsschiffe und U-Boote einfach nicht, das schwedische Kriegsschiff zu versenken? Wilhelm Anschütz wusste, was jetzt zu tun war. Er musste einen Funkspruch an die Admiralität schicken, und ihnen mitteilen, dass die Fylgia erneut entkommen war. Und er musste Berlin melden, wohin der schwedische Kommandant wollte. Vielleicht konnte die Fylgia auf diese Weise unschädlich gemacht werden. Allerdings, dessen war sich Wilhelm Anschütz durchaus bewusst, würde er mit seiner Meldung eine Anweisung des Kapitäns der Prinz Friedrich Wilhelm missachten. Man hatte ihn angewiesen, absolute Funkstille zu bewahren, da er sonst die Position des Schiffes an den Feind verraten würde. Und es gab genug englische Kriegsschiffe im Pazifik, die der Prinz Friedrich Wilhelm auflauerten. Wilhelm Anschütz saß zwischen zwei Stühlen. Auf der einen Seite, durfte er nicht riskieren, dass der Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyd von den Engländern aufgebracht wurde, auf der anderen Seite konnte er Berlin bezüglich der Fylgia nicht im Unklaren lassen. Wenn der schwedische Panzerkreuzer unbehelligt blieb, dann würde der Erfolg die übrigen schwedischen Einheiten dazu ermutigen, ebenfalls einen Ausbruch aus Karlskrona zu wagen. Wilhelm Anschütz beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. Denn in einem solchen Fall ging die Dringlichkeit über jede Geheimhaltung. Und als wäre es Gedankenübertragung kam in diesem Augenblick der Kapitän des Lloyd-Dampfers im Rahmen seiner Inspektionsrunde vorbei. Er ging auf Wilhelm Anschütz alias Klaus Kerner zu. „Alles in Ordnung, Herr Kerner?“, fragte er den Spion. „Schön wärs. Sehen sie den Kreuzer, der uns folgt?“ „Selbstverständlich sehe ich den, mein Herr.“, sagte der Kapitän. „Das ist der schwedische Panzerkreuzer Fylgia. Dem Schiff ist vor 8 184 Tagen der Ausbruch aus dem Marinestützpunkt in Karlskrona geglückt. Dieses Schiff wird vermutlich nach Chile durchbrechen wollen.“ „Das heißt, dass sie die Funkstille brechen wollen?“, fragte der Kapitän der Prinz Friedrich Wilhelm. „Ich muss. Es ist meine Pflicht, Berlin zu warnen. In diesem Fall geht die Dringlichkeit über die Geheimhaltung. Ich erwarte nicht, dass sie das verstehen, Herr Kapitän. Dennoch muss es sein.“ Der Kapitän nickte. „Meinetwegen. Aber wenn uns ein englischer Kreuzer aufbringt, dann sind sie dran schuld, Herr Kerner. Dann möchte ich nicht in ihrer Haut stecken. Sie wissen doch, dass die Tommys sie suchen.“, sagte der Kapitän der Prinz Friedrich Wilhelm. Keine 10 Minuten später war der Funkspruch abgeschickt. Allen Beteiligten war natürlich klar, dass sie den Lloyd-Dampfer den Engländern mehr oder minder auf dem Silbertablett serviert hatten. Und damit auch Wilhelm Anschütz selbst, der bei der englischen Spionageabwehr unter dem Spitznamen „Rooster“ bekannt war. Admiralität, Stockholm, Schweden, 9. August 1916, 20:00 Uhr Ortszeit Magnus Ericsson betrat das imposante in rot und weiß gehaltene Gebäude, in die Admiralität ihr Quartier hatte. Er war gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt. Sein Vorgesetzter, Admiral Louis Palander, hatte ihm dazu geraten. „Machen sie mal richtig Urlaub. Besuchen sie mal ihre Eltern.“, hatte der Admiral damals gesagt. Ein Rat, den Magnus nur zu gern befolgt hatte. Das war vor 6 Wochen gewesen. Nun war er erholt und als frisch gebackener Ehemann nach Stockholm zurück gekehrt. Seine Ehefrau Pernila Forsberg, eine gutaussehende Brünette aus Svedala, hatte die Rückreise nach Stockholm mit angetreten. Am heutigen Tag hatte Admiral Palander deutlich gemacht, dass er ihn nicht vor 20:30 Uhr zu sehen wünschte. Magnus Ericsson betrat als erstes die Schreibstube, speziell die Abteilung für eingehende Funksprüche. Einer der Schreiber kam ihm mit einem neuen Funkspruch in der Hand entgegen. Als er Admiral Palanders persönlichen Adjutanten sah, strahlte er über beide Backen. „Hey Magnus! Wieder im Lande?“, sagte er freudestrahlend. „Wie du siehst, Ulf.“ „Was gibt’s bei dir so neues?“, fragte Ulf. Als Antwort hielt ihm Magnus Ericsson seine rechte Hand vor die Nase. 185 „Jetzt sag bloß, du hast geheiratet.“, sagte Ulf. „Ja. Meine Jugendliebe. Pernila heißt sie.“ „Oh je! Du Ärmster!“, seufzte Ulf. „Wieso „Du Ärmster“? „Na ja. Jetzt geht es nur noch bergab mit dir. Frauen können ganz schön kostspielig sein.“, sagte Ulf. „Komm schon Ulf. Du bist nur neidisch, weil dich keine Frau will. Du bist viel zu hässlich.“ „Ich bin nicht hässlich. Nur unrasiert.“, sagte Ulf. Doch dann fiel ihm die Nachricht ein, die er in der Hand hielt. „Die muss zum Chef.“, sagte er dann. „Gib her. Ich muss eh zum Admiral.“ „Das ist ein Funkspruch vom Lloyd-Dampfer Prinz Friedrich Wilhelm. So wie es aussieht, hat die Fylgia es wieder geschafft, ihren Verfolgern zu entkommen.“, sagte Ulf. Magnus Ericsson nahm die Nachricht des deutschen Passagierliners und ging weiter zum Büro seines Vorgesetzten. Pünktlich um halb neun klopfte Admiral Palanders persönlicher Adjutant an die Tür zum Büro seines Chefs. „Herein!“, hörte Magnus Ericsson die Stimme seines Vorgesetzten. Admiral Palanders Adjutant öffnete die Tür und trat ein. „Willkommen zurück, Mr. Ericsson. Wie war ihr Urlaub?“, sagte der Admiral. „Erholsam. Danke der Nachfrage.“ „Schön, dass sie eine gute Zeit hatten. Wie geht es eigentlich ihren Eltern?“, sagte Louis Palander. „Denen geht’s gut. Ich soll ihnen ganz liebe Grüße bestellen. Und natürlich auch von meiner Frau.“ Admiral Palander stutzte. „Seit wann sind sie denn verheiratet?“, fragte er seinen Adjutanten. „Seit drei Wochen, Admiral.“ 186 „Dann wünsche ich ihnen, und natürlich auch ihrer Gattin von Herzen alles Gute.“, sagte Louis Palander. „Danke, Admiral.“ „Kommen wir aber nun zu unserem Job zurück. Haben sie was für mich?“, wollte Admiral Palander wissen. Magnus Ericsson reichte seinem Chef den abgefangenen Funkspruch der Prinz Friedrich Wilhelm. Der Admiral las die Nachricht und nickte dann. „Gut, gut. Kapitän Riben hat es also tatsächlich geschafft, den Deutschen zu entkommen. Wo ist das Schiff jetzt?“, wollte er dann wissen. „Wenn man die Zeitverschiebung mit einberechnet, dann dürfte sich die Fylgia zurzeit im Panamakanal befinden. Und zwar im Gatun-See.“ „Das würde bedeuten, dass sich die Prinz Friedrich Wilhelm vor der Fylgia befindet.“, sagte Louis Palander. „Vieles deutet darauf hin. Außerdem haben wir gesicherte Informationen, dass sich ein deutscher Spion auf dem Schiff befindet. Bei den Engländern hat er den Codenamen „Rooster“. Balboa, Panama, 14.August 1916, 9:00 Uhr Ortszeit Die Fylgia hatte es geschafft. Sie hatte den Panamakanal durchquert und hatte im Hafen von Balboa festgemacht. Dort wurden Kohlen und frische Vorräte an Bord genommen. Um 13:00 Uhr lief die Fylgia aus Balboa aus, gefolgt von ihrem niederländischen Versorgungsschiff. Die beiden Schiffe waren 12 Meilen vom Hafen entfernt, als dem ersten Offizier des schwedischen Panzerkreuzers auffiel, dass der Passagierdampfer des Norddeutschen Lloyd gestoppt hatte. Längsseits lag der englische Schlachtkreuzer Repulse. Lars Eric Holm beobachtete, wie ein Boot von der Repulse ablegte und auf die Prinz Friedrich Wilhelm zusteuerte. Offenbar hatten die Engländer den Lloyd-Dampfer gestoppt und schickten nun ein Suchkommando hinüber. Lars Eric Holm ahnte, was das zu bedeuten hatte. Es war ein offenes Geheimnis, dass der englische Geheimdienst, MI6, einen der deutschen Topspione, nämlich den „Rooster“ Wilhelm Anschütz zu fassen kriegen wollte. Doch das war gar nicht so leicht. Denn der deutsche Spion war zu gerissen. Außerdem hatte er genügend Kontaktleute, die ihn warnten, wenn die Engländer einen Zugriff planten. Ein Agent der Abteilung III b, der als Heizer auf dem Lloyd-Dampfer eingeschleust worden war, hatte Anschütz kurz vor dem Einlaufen in den Hafen von Balboa gewarnt. Wilhelm Anschütz war es schleierhaft, wie der Mann an diese Informationen gekommen war, doch er hatte nicht gefragt. Denn eine ungeschriebene Regel im Spionagegeschäft lautete niemals seine Quellen zu gefährden oder zu verraten. Auch nicht unter Kollegen. Wilhelm Anschütz war ein Mann, der Warnungen ernst nahm wenn sie 187 ausgesprochen wurden. Und so war er noch in Balboa von Bord der Prinz Friedrich Wilhelm gegangen. Sollten die Tommies nun das deutsche Passagierschiff stoppen um ihn zu verhaften, würden sie ihn nicht finden. Selbst wenn sie das ganze Schiff auf den Kopf stellen würden. Lars Eric Holm war es egal, ob das englische Suchkommando den deutschen Spion zu fassen bekam, oder nicht. Er und sein Vorgesetzter Kapitän Riben hatten zurzeit andere Sorgen. Sie mussten so schnell wie möglich einen neutralen Hafen anlaufen, um sich dort vor den deutschen Verfolgern zu verstecken. Und das, obwohl Schweden neutral war. Doch es war auch bekannt, dass das deutsche Kaiserreich viele schwere Einheiten hier im Pazifik hatte, die nur darauf warteten, die Fylgia in einem Moment der Unachtsamkeit anzugreifen und zu zerstören. Valparaíso, Chile, 17. August 1916, 15:45 Uhr Ortszeit Die Fylgia hatte es erneut geschafft und war ihren deutschen Verfolgern entkommen. In Wien war man darüber nicht erfreut. Kaiser Franz Joseph hatte gegenüber seinem deutschen Verbündeten Kaiser Wilhelm II., aus dem Hause Hohenzollern, darauf bestanden, dass die kaiserliche Marine den schwedischen Panzerkreuzer entweder stellte und in Besitz nahm, oder ihn auf den Grund des Meeres schickte. Seiner Auffassung nach hatte das schwedische Königreich keinerlei Rechte, Schiffe wie die Fylgia zu bauen und zu unterhalten. Auch die schweren Einheiten, wie Linienschiffe, wollte Franz Joseph Schweden nicht zugestehen. In seinen Augen hatte das schwedische Königshaus mit der Indienststellung des Panzerkreuzers gegen international geltendes Recht verstoßen. Deswegen hatte der österreichische Kaiser die Blockade aller schwedischen Häfen durch die KuK-Marine angeordnet. Das er damit das Völkerrecht gebrochen hatte, wollte er einfach nicht wahrhaben. Er wollte auch nicht wahrhaben, dass Schweden auf Seiten der Alliierten in den Krieg eintreten konnte. Um 9:20 Uhr am Morgen war der schwedische Panzerkreuzer in den Hafen von Valparaíso eingelaufen. Das niederländische Versorgungsschiff hatte es leider nicht geschafft. Ein deutsches U-Boot, die U8, hatte das Schiff versenkt. Allerdings hatten die Chilenen den Schweden bereits ein chilenisches Handelsschiff als Versorger zugeteilt. Und Schiffe neutraler Staaten durften nicht angegriffen werden. Die Deutschen wussten das. Und deshalb würden sie es auch nicht wagen, das chilenische Schiff zu versenken. Um Mitternacht lief die Fylgia aus Valparaíso aus. Das chilenische Handelsschiff folgte im Kielwasser. Die beiden Schiffe hatten gerade die chilenischen Hoheitsgewässer verlassen, als das schwedische Kriegsschiff vom deutschen Großlinienschiff „Friedrich der Große“ völlig unvorbereitet angegriffen wurde. Eine 30,5 cm-Granate traf einen der beiden Doppeltürme am Bug. Eine weitere einen der drei Schornsteine. Die Fylgia versuchte zu entkommen, doch das deutsche Schlachtschiff feuerte unentwegt weiter. Doch irgendwie gelang es dem schwedischen Kreuzer sich doch noch abzusetzen. Doch Kapitän zur See Fuchs hatte den Braten gerochen, und seinen Kollegen auf dem 188 Linienschiff „Großer Kurfürst“ über die Flucht des schwedischen Kreuzers in Kenntnis gesetzt. Das deutsche Kriegsschiff der König-Klasse sollte die Fylgia in der Nähe der unbekannten Insel abfangen und wenn möglich zerstören. 21. August 1916 5:00 Uhr morgens in der Nähe der Kleeblattinsel Kapitän Fredrik Riben hatte in einer geschützten Bucht Anker werfen lassen. Der chilenische Versorger blieb in der Nähe, falls die Fylgia vorzeitig die Flucht wagen musste. An Bord des schwedischen Panzerkreuzers war alles still. Niemand wagte es, auch nur zu husten. Die Krähennester an den beiden Masten waren doppelt bemannt. Als weitere Vorsichtsmaßnahme hatte Kapitän Riben sein Schiff verdunkeln lassen. Doch bei aller Vorsicht, die er hatte walten lassen, hatte der Kapitän der Fylgia einen Verfolger übersehen. Es war die „Auguste Viktoria“, ein Zweimast-Schoner mit einer Länge von 45,6 Metern und einer Segelfläche von 110 m2. Das Schiff war dem schwedischen Kriegsschiff gefolgt, nachdem „Großer Kurfürst“ die Fühlung zur Fylgia verloren hatte. Eine Nebelbank hatte dem deutschen Verfolger noch zusätzlich vor einer vorzeitigen Entdeckung durch die Schweden bewahrt. An Bord befand sich, wie sollte es anders sein, Wilhelm Anschütz, der deutsche Spion. Dieser wollte dafür sorgen, dass die Fylgia dieses Mal nicht entkam. Als der Schoner in die Bucht einlief, erkannte der deutsche Agent die Silhouette des schwedischen Panzerkreuzers. Sofort ging er unter Deck, und schickte eine verschlüsselte Nachricht an „Großer Kurfürst“, in der er das Versteck des schwedischen Kriegsschiffs weitergab. Danach wendete die „Auguste Viktoria“ und verließ die Bucht, genauso unbemerkt, wie sie dort eingelaufen war. Die Sonne ging gerade auf, als das deutsche Linienschiff „Großer Kurfürst“ in die Bucht einlief. Die mächtigen 30,5 cm-Geschütze wurden sofort in Stellung gebracht, sobald das Ziel aufgefasst war. Um 6:15 eröffnete „Großer Kurfürst“ das Feuer auf die Fylgia. Gleich die erste Salve richtete schwere Schäden an dem schwedischen Kriegsschiff an. So traf eine Granate den Kreuzer direkt auf Höhe der Wasserlinie. Das schwedische Kriegsschiff bekam sofort Schlagseite. Auf der Steuerbordseite schaffte man es gerade noch rechtzeitig, ein Boot mit 50 Mann zu Wasser zu lassen. Darin befand sich auch der erste Offizier Lars Eric Holm, der auf Befehl seines Vorgesetzten die Fylgia verlassen hatte. Das Boot hatte gerade auf der Wasseroberfläche aufgesetzt, als ein lautes Kreischen ertönte. Die Fylgia brach auseinander. Die Insassen den Bootes pullten, was das Zeug hielt, damit sie nicht vom Sog des untergehenden Schiffes erfasst wurden. Als das Boot weit genug weg von der untergehenden Fylgia war, erfüllte ein starker Ammoniakgeruch die Luft. Einer der Matrosen sah ins Wasser. Doch eher er wusste, wie ihm geschah, schoss eine Fangpeitsche aus dem Wasser und schlug ihn über Bord. Der Kopf des Seemanns durchbrach die Wasseroberfläche, doch im nächsten Augenblick wurde er von einem Tentakel gepackt und wieder in die Tiefe gezogen. Die Männer blickten entsetzt um sich. Das Boot begann zu schaukeln, wurde 189 dann in die Höhe gehoben und umgeworfen. Lars Eric Holm versuchte sich an einer Leine auf das gekenterte Boot zu ziehen, als eine Fangpeitsche das Rettungsboot der Fylgia zerschmetterte. Der erste Offizier des gesunkenen Kreuzers klammerte sich an ein Wrackteil des Bootes und wurde von einer Welle über das Riff in die Lagune gespült. Als er an den Strand geworfen wurde, begann der Himmel sich zu verdunkeln. Lars Eric Holm erhob sich und taumelte den Strand hinauf, bis er eine Höhle fand. Als er ein paar Meter hineingegangen war, brach das Unwetter los. Ein Blitz zuckte vom Himmel, dem ein lauter Donnerschlag folgte. Der Wind wühlte das Meer auf, das von Tosh Kamars Riesenkalmar noch weiter aufgepeitscht wurde. Und durch das Heulen des Windes konnte Lars Eric Holm die Schreie des Kalmars hören. Diese Laute ließen ihm das Blut in den Adern gefrieren. Nie würde er diese Nacht vergessen. Das Unwetter dauerte ganze 3 Tage. Am Donnerstag, den 24.08.1916 fand eine berittene Patrouille den Schiffbrüchigen. Ihr Anführer war an diesem Morgen ziemlich schlecht gelaunt. Auf einen Befehl des Offiziers wurde Lars Eric Holm an den Armen gepackt und unsanft aus seinem Unterschlupf gezerrt. Vor dem Anführer der Patrouille warf man ihn in den Sand. Der Schwede hob den Kopf und sah in ein grobes bärtiges Gesicht mit braunen Augen. „STEH AUF!“, brüllte der Gardist Lars Eric Holm an. Mit seinen allerletzten Kraftreserven richtete sich der schwedische Offizier zu seinen vollen 1,84 m auf. Der Offizier trat einen Schritt zurück und musterte den Fremden. „Bist wohl einer von den harten Jungs was?“, spottete er dann. „Kyss min rumpa.” „Was hast du gerade gesagt, Erbsenhirn?“, polterte der Gardist. „Das ist schwedisch und heißt „Leck mich am Arsch“, du Großkotz.“ „Du hast ein ziemlich loses Mundwerk weißt du das?“, sagte der Soldat. „Dra åt helvete, du Flachpfeife.” Dem Patrouillenführer wurde es langsam zu bunt. Noch nie hatte ihm jemand auf unverschämte Weise den Respekt verweigert. „Bei dir bewahrheitet sich doch die alte Regel „Viel Muskeln, wenig Hirn“.“, sagte der Mann und schlug dem Schiffbrüchigen dann mit der Faust ins Gesicht und schickte ihn ins Reich der Träume. Das nächste, woran sich Lars Eric Holm erinnerte, war das man ihm einen Eimer mit eiskaltem Wasser ins Gesicht schüttete. Als er die Augen 190 öffnete, sah er, dass er sich in einem kleinen Raum befand, der kaum Licht herein ließ. Außerdem roch es ziemlich modrig. Der schwedische Seemann hörte, wie ein Tropfen auf den Boden fiel. Man hatte ihn also in eine Kerkerzelle verfrachtet. „Na, endlich wach?“, hörte Lars Eric Holm die höhnische Stimme des Gardisten, der ihn am Strand K.O. geschlagen hatte. Doch er reagierte nicht. „Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“, brüllte ihn der Gardist an. Der Schwede dachte gar nicht daran, sich von diesem aufgeblasenen Gockel von Soldaten in irgendeiner Weise herum schubsen zu lassen. „Hör zu Bürschchen. Das ist meine letzte Warnung. Entweder du siehst mir jetzt endlich in Gesicht, oder du trägst die Konsequenzen.“, sagte der Gardist drohend. „Wenn du wüßtest, wer mein Vater ist, würdest du vor Angst zittern, lömsk, kriminell slimebag.“ „Ach ja? Wer ist denn dein Papi?“, fragte der Gardist höhnisch. „Mein Vater ist Gunnar Christian Holm, der erste Kanzler des schwedischen Königs.“ „Wir sind aber nicht in deinem Schweden. Wir sind auf der Kleeblattinsel. Hier gilt kein schwedisches Recht. Und dein Vater wird dir nicht helfen können. Wahrscheinlich weiß er noch nicht mal, dass du hier bist.“, sagte der Soldat und hob süffisant eine Augenbraue. „Om du tror att du kan knulla mig, då har du rätt.” „Sieh an. Der werte Herr hat auch noch Stolz. Du wirst gleich sehen, was du davon hast.“, sagte der Gardist. „Jävel.” „Dein Ton gefällt mir nicht.“, sagte der Soldat. „Und ich kann deine Visage nicht leiden.“ Darauf hin gab der Anführer der Patrouille zwei Soldaten ein Zeichen. „Bringt ihn in die Folterkammer!“, befahl er. Auf dem Weg dorthin bemerkte Lars Eric Holm, dass auf den Brustpanzern der Soldaten ein springender, schwarzer Mustang zu sehen war. Offenbar war dies das Wappen ihrer Herrin. In der Folterkammer wurde der schiffbrüchige Schwede mit Ketten an den Händen gefesselt, die von der Decke hingen. Der 191 Gardist, der Lars Eric Holm die ganze Zeit über schäbig und respektlos behandelt hatte trat vor ihn. Nun hatte der Mann aus Trollhättan Gelegenheit, seinen Peiniger ins Auge zu nehmen. Vor ihm stand ein Mann, der genauso groß war, wie er selbst. Dieser Soldat war mit Muskeln bepackt, bis zum geht nicht mehr. Außerdem fiel Lars auf, dass die linke Gesichtshälfte durch eine Narbe entstellt war. Seine braunen Augen ließen pure Bösartigkeit und Boshaftigkeit erkennen. Dieser Mann war dem ehemaligen ersten Offizier der Fylgia in keinster Weise freundlich gesinnt. Das zeigte sich, als der Soldat ihn ansprach. „Hör zu, Freundchen. Du bist MEIN Gefangener. Und ich kann mit dir machen, was ich will. Und je eher du das verstehst, umso besser für dich. Nur damit du weißt, was dich erwartet, ich werde dir die Hölle auf Erden bereiten. Ich werde dich quälen und foltern. Fürs erste habe ich mir 250 Peitschenhiebe mit der neunschwänzigen Katze für dich ausgedacht.“, sagte höhnisch. „Glaubst du wirklich, dass ich Angst vor dir habe? Ich habe schon ganz anderes erlebt. So jemanden wie dich verspeise ich in der Regel zum Frühstück.“ „Eben ist bei mir der Ofen aus. Jetzt bekommst du, was du verdienst.“, sagte der Soldat. Dann trat er hinter den Offizier der schwedischen Marine und hob die Peitsche zum Schlag. Dann holte er aus und ließ die neunschwänzige Katze mit einem lauten Knall auf den Rücken des Schweden niedergehen. Er hatte gerade 15 Schläge ausgeführt, als die Tür der Folterkammer aufging und eine Frau den Raum betrat. Sie brauchte nicht lange, um zu begreifen, was sich gerade abspielte. Sie stemmte ihre Hände in die Hüften und richtete das Wort an ihren Gardisten. „Hjoerleif! Leg sofort die Peitsche weg. Das ist ein Befehl!“, sagte die Frau streng. „Königin Shakira! Was fällt euch ein? Der Mann ist mein Gefangener. Ich behandele ihn, wie es mir passt! Und jetzt lasst mich in Ruhe. Ich habe nämlich gerade erst angefangen. Und ich bin noch lange nicht fertig.“ „Der Mann ist mein Gast, Hjoerleif! Außerdem gebe ich hier die Befehle! Du lässt den Mann in Ruhe! Solltest du es wagen, noch einmal Hand an ihn zu legen, dann wirst du dem Vulkangott geopfert!“, sagte die Königin. Der drohende Unterton in ihrer Stimme ließ keinen Zweifel daran offen, dass diese Frau nicht zögerte, ihre Drohungen wahr zu machen, wenn es nötig schien. Widerwillig legte Hjoerleif die Peitsche weg. Er hatte an diesem Mann seine schlechte Laune auslasen wollen, doch nun war ihm seine Herrin dazwischen gegrätscht und hielt ihre schützende Hand über den Fremden. „Befreit den Fremden von den Ketten. Und dann bringt ihn in mein Gemach. 192 Der Arzt soll sich seiner annehmen und die Wunden versorgen.“, sagte Shakira. Hjoerleif wurde rot vor Zorn. Er baute sich vor Lars Eric Holm auf und schickte ihn ein weiteres Mal ins Reich der Träume. Königin Shakira war entsetzt. Doch schnell wich ihre Sorge grenzenloser Wut. An ihre Leibwache gewandt sagte sie: „Nehmt Hjoerleif fest. Und dann werft ihn in den ausbruchssichersten Kerker. Drei Wachen rund um die Uhr. Und morgen früh opfert ihn dem Vulkangott.“ Als Lars Eric Holm wieder zu sich kam, lag er in einem großen, weichen Bett. Man hatte seine Wunden, die die neunschwänzige Katze hinterlassen hatte, gereinigt und anschließend eine heilende Salbe aufgetragen. Als er den Kopf nach rechts wendete, sah er Königin Shakira an seinem Krankenlager sitzen und seine Hand halten. Der schwedische Offizier sah den besorgten Ausdruck in ihren wunderschönen braunen Augen. Lars Eric Holm versuchte sich aufzusetzen, doch seine Gastgeberin hielt ihn zurück. „Bitte, keine hastigen Bewegungen. Lass mich dir aufhelfen.“, sagte die Königin mit einer Stimme, deren Klang einen eiskalten Schauer seinen Rücken hinunter laufen ließ. Dann nahm sie seine Hand und zog ihn ein Stück nach oben, ehe sie seinen Rücken mit der anderen Hand stützte und ihm langsam aufhalf. Nun konnte Lars Eric seine Gastgeberin genauer betrachten. Königin Shakira war eine braunhaarige Frau die nicht älter als 22 sein konnte. Die Größe ihres schlanken Körpers schätzte er auf 1,65 m. Ihre Haare trug sie offen und schulterlang. Die Haarspitzen bildeten eine Dauerwelle. Der Schwede nahm auch das hübsch runde Gesicht wahr, in das sich die grazile Nase harmonisch einfügte. Auf ihrem Kopf trug sie ein goldenes Diadem mit Smaragden. An ihrem rechten Handgelenk trug Königin Shakira ein Perlenarmbändchen. Bekleidet war die Königin mit einem roten Minikleid, das im Bereich der Taille transparent war und ihren Bauchnabel etwas durchscheinen ließ. „Ich muss mich für Hjoerleifs Verhalten dir gegenüber entschuldigen. Keiner hat das Recht, Hand an einen Mann zu legen, der meine Gastfreundschaft genießt. Am allerwenigsten Hjoerleif.“, sagte Königin Shakira. „Es ist nicht euer Fehler, Hoheit.“ „Das stimmt zwar. Aber ich bin für das Verhalten meiner Gardisten verantwortlich. Hjoerleif wird gleich morgen früh Nagoromoto, dem Vulkangott, geopfert.“, sagte Shakira. „Aber vorher würde ich mich gerne bei ihm für seine „Gastfreundschaft“ gebührend bedanken.“ „Ich verstehe zwar nicht, was du meinst Fremder, aber ich gewähre dir deine Bitte.“, sagte die Königin. 193 Am frühen Abend ließ Königin Shakira ihren Gast zum Abendessen abholen. Ihr Diener, ein Japaner mit Namen Seigo Asada, brachte ihn in den großen Speisesaal. Die Königin erwartete ihn bereits. Und wie die anderen, die vor ihm gekommen waren, wollte sich Lars Eric Holm ans andere Ende des Tisches setzen. Doch Shakira bestand darauf, dass er den Platz zu ihrer Linken einnahm. Zuerst servierte Seigo Asada einen Tomatensalat mit Fetakäse, Speckwürfeln und gerösteten Zwiebeln. Lars Eric Holm probierte ein Stück Feta und musste feststellen, dass der Käse recht aromatisch schmeckte. Anerkennend nickt er mit dem Kopf. „Mein Kompliment an den Küchenchef.“, sagte er zu Shakiras Diener. „Ach das war noch gar nichts. Warte mal ab, was der Chefkoch als Hauptgang geplant hat. Das haut dich garantiert aus den Fundamenten, Fremder.“ Als der Salat abgetragen wurde richtete Königin Shakira das Wort an ihren schwedischen Gast. „Verrätst du mir deinen Namen, oder muss ich dich immer „Fremder Mann“ nennen?“, fragte sie. „Mein Name ist Lars Eric Holm. Sohn von Gunnar Christian Holm, dem ersten Kanzler von seiner Majestät König Karl Gustav V.“ „Und woher kommst du, Lars?“, wollte Shakira wissen. „Ich bin in Trollhättan geboren. Aber zuletzt habe ich in Karlskrona gelebt.“ „In welchem Land liegen diese Orte?“, fragte die Königin. „In Schweden.“ „Iduna sei gedankt. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Erleichterung es für mich bedeutet, dass du hier bist.“, sagte Shakira. Lars Eric Holm verstand die Welt nicht mehr. „Wer ist Iduna?“, fragte er. Doch bevor seine Gastgeberin antworten konnte, kam Seigo Asada mit zwei Tellern zurück, auf denen eine Gänsekeule, zusammen mit Rotkraut und Kartoffelklößen. „Das gab es doch immer an Weihnachten bei meinen Großeltern.“, dachte er. Gedankenverloren starrte Lars Eric Holm auf den Teller vor ihm. „Du isst ja gar nichts. Ist dir der Appetit vergangen?“, holte ihn die Stimme der zweiten Königin zurück in die Gegenwart. 194 „Oh nein. Ich werde gleich etwas essen. Aber ich habe mich für einen kurzen Augenblick in meine Kindheit zurückversetzt gefühlt. Ich erinnere mich noch dass es jedes Jahr an Weihnachten bei meinen Großeltern mütterlicherseits immer Gänsekeule mit Rotkraut und selbstgemachten Kartoffelklößen gab.“ Die Königin schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Es freut mich, dass die Hauptspeise solche schönen Erinnerungen bei dir hervorgebracht hat.“ Lars Eric Holm probierte ein Stück von der Gänsekeule. Überrascht stellte er fest, wie zart das Fleisch war. „Da hat sich euer Küchenchef wieder selbst übertroffen, euer Majestät.“, sagte er dann. „Es freut mich, wenn mein Chefkoch solches Lob erfährt.“ Schließlich wurde auch der Rest der Hauptspeise abgetragen. „Hab ich zu viel versprochen, Fremder?“, fragte Shakiras Diener. „Nein, hast du nicht. Was steht denn als Dessert auf dem Speiseplan?“ „Das wird nicht verraten. Aber eines kann ich dir jetzt schon verraten. Es wird eine Kalorienbombe.“, sagte Seigo Asada. Als Dessert servierte der Japaner griechischen Joghurt mit Walnüssen und griechischem Honig. „Das ist wirklich eine Kalorienbombe. Ich glaube, da muss ich dann später noch etwas für meine Fitness tun.“, sagte Lars Eric Holm. Doch seine Gastgeberin schüttelte energisch den Kopf. „Das kommt gar nicht infrage. Der Arzt hat gesagt, dass du dich schonen sollst. Deine Wunden können sonst wieder aufbrechen.“, sagte Shakira. „Na von mir aus.“ Nach dem Abendessen bat Königin Shakira, ihren schwedischen Gast, in der Bibliothek noch ein Glas Wein mit ihr zu trinken. Lars Eric Holm sagte zu. Hand in Hand gingen die beiden dorthin. Als Shakira ihn in den Raum führte, klappte dem Schweden der Unterkiefer runter. Noch nie hatte er soviele Bücher auf einmal gesehen. „Ich bin oft hier. An diesen Ort ziehe ich mich gerne zurück, wenn ich Ruhe brauche. Dann sitze ich an meinem Schreibtisch und sehe auf das Meer hinaus. Manchmal habe ich auch das Fenster geöffnet, damit ich das Rauschen 195 der Wellen hören kann. In Augenblicken wie diesen vergesse ich gerne die Gefahr, in der wir alle schweben.“, erneut riss Shakiras Stimme Lars Eric Holm aus seinen Gedanken. Verwirrt sah er seine Gastgeberin an. „Du hast mich vorhin beim Abendessen nach Iduna gefragt. Sie ist unsere oberste Göttin. Sie schützt Oamaru und alle Inseln, die diese Insel hier umgeben. Doch seit 204 Jahren ist die Kleeblattinsel, wie man Oamaru wegen seiner Form auch nennt, durch einen Fluch dem Untergang geweiht.“, sagte Shakira. „Worauf wollt ihr hinaus, Hoheit?“ Königin Shakira drehte ihren Kopf in Lars Richtung. „Bevor ich dir auf diese Frage antworte, möchte ich eine Sache klarstellen. Dieser Palast ist mein Haus. Und in meinem Haus gelten meine Gesetze. Und ich gebe auch nicht viel auf die Etikette. Zumindest in deinem Fall mache ich eine Ausnahme. Sag bitte Shakira zu mir. Und lass meinen Titel und das alberne „Sie“ weg.“, sagte sie. „Einverstanden, Shakira. Aber was ist mit dem Fluch, von dem du gerade eben gesprochen hast?“ „Tosh Kamar hat ihn verhängt. Wenn unser Heiligtum nicht binnen 5.000 Monden nicht in Idunas Tempel zurückgebracht wird, dann wird sein Riesenkalmar Oamaru in die Tiefe des Ozeans ziehen.“, sagte die zweite Königin. „Und wer ist Tosh Kamar?“ „Ein böser Herrscher, der einst ebenfalls auf dieser Insel gelebt hat. Wir haben ihn verbannt, als er versucht hat, die Quelle im Zentrum der Insel in seinen Besitz zu bringen. Doch zwei Monate nach seiner Verbannung ist dieses Scheusal wieder aufgetaucht und hat den Fluch verhängt, von dem ich dir vorhin erzählt habe. Nur du und drei andere könnt dieses Schicksal von Oamaru abwenden.“, sagte die Königin. „Was muss getan werden?“ „Ihr müsst den Feueropal, der in Idunas Tempel ruht, wieder an seinen Platz im Tempel zurückbringen. Gelingt euch das, so ist die Insel gerettet. Doch stirbt auch nur einer von euch, wird sich Tosh Kamars Fluch erfüllen und sein Riesenkalmar die Insel in die Tiefen des Ozeans hinab ziehen.“, sagte Shakira. „Und wer sind meine Gefährten?“ „Sie sind schon hier, auf Oamaru. Der erste, der kam, war Dirk Hemmler. Er war Heizer auf dem großen Kreuzer Goeben. Einem Schiff der deutschen kaiserlichen Marine. Der zweite deiner Gefährten ist Jewgeni Moskrovnovitch, 196 Er war der zweite Offizier auf dem geschützten Kreuzer DIANA. Er lebt bei meiner Cousine Eliska. Und der dritte deiner Gefährten ist Phil Taylor. Er war der leitende Ingenieur der HMS Glorious, einem leichten großen Kreuzer der Royal Navy.“, gab Shakira Auskunft. Lars Eric Holm fuhr sich nervös durch sein Haar. „Nun ja…“, begann er seinen Satz. „Was?“ „Im Großen und Ganzen habe ich keine Probleme mit den dreien zusammenzuarbeiten. Aber die kaiserliche Marine hat mein Schiff versenkt. Dabei ist Schweden ein neutrales Land. Das heißt mein Heimatland ist nicht am Krieg beteiligt. Und von daher dürfen Schiffe neutraler Staaten nicht angegriffen werden. Rechtlich gesehen hat das deutsche Kaiserreich gegen das Völkerrecht verstoßen.“, sagte Lars. „Das heißt, dass du Dirk Hemmler nicht vertraust?“ „Ich habe nicht gesagt, dass ich ihm nicht vertraue. Ich habe nur gesagt, dass sein Land das Völkerrecht gebrochen hat.“, sagte Lars Eric Holm. In diesem Augenblick begann die Sonne am Horizont unterzugehen, und den Himmel blutrot zu färben. Königin Shakira stand am Fenster und blickte auf das Meer hinaus. „Wenn die Sonne zur Hälfte untergegangen ist, wird Tosh Kamars Riesenkalmar aus den Tiefen des Meeres auftauchen und die See in ein Inferno verwandeln. Und dann werden meine Albträume wieder kommen.“, sagte sie. „Wenn du willst, bleibe ich heute Nacht bei dir, Shakira.“ „Das würdest du für mich tun, Lars?“ „Für dich würde ich sogar durch die Hölle gehen.“ Shakira ließ vor Schreck ihr Weinglas fallen. Und nun sah es auch Lars Eric Holm, der einzige Überlebende des Untergangs der Fylgia. Aus den Tiefen des Ozeans war der Riesenkalmar aufgetaucht und schlug mit seinen Tentakeln und seinen beiden Fangpeitschen auf das Wasser. „Bitte halt mich fest!“, sagte Shakira. „Lars nahm die Königin in seine Arme und hielt sie fest. „Du wirst dieser Frau nichts tun, Tosh Kamar. Dafür werde ich sorgen. Wenn ich dich in die Finger kriege, ramme ich dich ungespitzt in den Erdboden.“, sagte er leise zu sich selbst. 196 Nach Einbruch der Dunkelheit hörte das grausame Schauspiel von Tosh Kamars Kreatur wieder auf. Die Wellen brachen sich wieder sanft an den Ufern des Insel. Shakira hatte die ganze Zeit geweint. Lars Eric Holm begleitete sie in ihr Schlafgemach. Nachdem sich die Königin und ihr Gast sich für die Nacht fertig gemacht hatten, schlüpften sie ins Bett und Shakira bettete ihren Kopf an Lars Brust. Er legte einen Arm um sie und sie kuschelte sich eng an ihn. Kurz danach schliefen beide tief und fest. Doch der nächste Morgen brachte für den Schweden eine Überraschung. Denn als er die Augen öffnete, sah er die Königin auf seinem Schoß sitzen. Er fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Shakira lächelte. „Guten morgen, mein Schöner.“, sagte sie, beugte sich vor und gab ihm einen langen und innigen Kuss. „Guten morgen, meine Schöne.“ „Danke, dass du heute Nacht bei mir geblieben bist. Ich wünschte, du würdest jede Nacht bei mir bleiben.", sagte Shakira. „Ich hätte nichts dagegen. Aber was machst du da eigentlich?“ „Liebe.“, sagte Shakira. Nach dem Frühstück begleitete die zweite Königin Oamarus ihren Gast in den Innenhof ihres Palastes. Dort wartete Hjoerleif. „Ich dachte, ich soll unverzüglich dem Vulkangott geopfert werden.“, sagte er. „Mein Gast hat mich noch um einen Gefallen gebeten.“ „Ah ja? Welchen denn?“, fragte der ehemalige Gardist. „Weißt du, du hast mir einen so freundlichen und warmherzigen Empfang bereitet. Und da wäre es doch sehr unfair von mir, wenn ich dir dafür nicht gebührend danke.“ „Brauchst mir nicht danken. War mir eine Ehre.“, sagte Hjoerleif „Ich bestehe darauf. Außerdem bin ich dir noch einen Beweis schuldig. Nämlich dass Kraft und Hirn doch miteinander harmonieren können.“ „Musst du immer das letzte Wort haben? Oder willst du mich wieder nur nerven?“ Doch Lars Eric Holm hatte anderes im Sinn, denn er hatte einen Kampfplatz entdeckt. „Wie wärs mit einem Kampf Mann gegen Mann. Ganz ohne Waffen. 197 Nur die Fäuste sind erlaubt.“, sagte er. Hjoerleif nickte. „Einverstanden.“ Wie bei einem fairen Wettkampf kamen die beiden Kontrahenten zum Ring. Zuerst Hjoerleif. Ihn kündigten die königlichen Fanfarenträger an. Danach kam der Schwede. Bei ihm wurde eine Melodie gespielt, die ein bisschen an die Zeit der Piraten erinnerte. Dann standen sich die beiden Kontrahenten direkt gegenüber. Auf ein Zeichen von Königin Shakira wurden noch starke Seile zwischen den Begrenzungspfosten gespannt, die den Platz umgaben. Dann begann das Duell. Hjoerleif stürmte mit einem lauten Brüllen nach vorne, doch sein schwedischer Gegner hatte den Braten gerochen. Lars Eric Holm duckte sich weg und verpasste seinem Gegner einen Tiefschlag in die Magengrube. Der Verurteilte stieß einen lauten Schmerzensschrei aus. „Das ist für deine fiesen Beleidigungen. Aber noch bin ich nicht fertig mit dir.“, sagte der Schwede. Hjoerleif stieg auf eines der Seile und machte sich für einen Sprung fertig. Doch sein Gegner durchschaute ihn erneut. Denn als Shakiras Wächter sprang, fing ihn Lars Eric Holm ab und hämmerte ihn aus der Drehung heraus mit dem Rücken auf sein rechtes Knie. Wieder ertönte ein Schmerzensschrei. „Und das ist für die 15 Hiebe mit der neunschwänzigen Katze! Jetzt sind wir QUITT!“, sagte Lars Eric Holm. Nach dem Kampf wurde Hjoerleif zum Vulkan gebracht. Dort angekommen sah der Verurteilte seine Herrin noch einmal an. „Ich hätte nie gedacht, dass du deine Gunst einem Fremden schenkst. Mich hättest du wählen sollen. Stattdessen, nimmst den da. Du bist keine Königin, sondern ein billiges Flittchen.“, sagte Hjoerleif und spuckte vor seiner Herrin auf den Boden. „Du hast meinen Gast beleidigt und gedemütigt. Deshalb bist du bei mir in Ungnade gefallen. Und für deine Respektlosigkeit gerade eben, hast du erst recht keine Gnade mehr von mir zu erwarten.“ Auf ein Zeichen von Königin Shakira wurde Hjoerleif an Händen und Füßen an einen Bambusstock gebunden und über dem Krater in Position gebracht. „Werft ihn in den Krater.“, befahl Shakira. Die Soldaten warfen die Bambusstange mit dem Verurteilten in den Krater. Allerdings hatten sie ihm vorher einen Knebel in den Mund gesteckt. Eine Flamme loderte auf, als Hjoerleif in die glühend heiße Lava stürzte. 198 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)