Ein Kuss von dasy ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ein Kuss. Nicht gerade zärtlich, aber doch ein Kuss. Vielleicht kann ich mir ja doch noch einreden, dass das zum Vorspiel gehört und mit leidenschaftlichen Aktivitäten endet. Natürlich wäre mir die rassige schwarzhaarige Frau lieber als dieser Kerl, aber ich bin Pirat und in solchen Dingen nicht verklemmt. Dann fährt er mit seiner Linken in mein Haar, drückt meinen Kopf noch fester gegen sein Gesicht, öffnet den Mund zu einem noch heißeren Kuss und rammt mir die Rechte in die Magengrube, dass meine Beine nachgeben. Ich keuche, aber aus meinem Mund dringt kein Ton, auch nicht beim zweiten und dritten Schlag. Dann tritt er einen Schritt zurück und lacht über mich. Noch einmal drückt er seinen Mund auf meinen, Ich versuche ihn zu beißen, aber der Hieb in meine Nieren untergräbt jeden Versuch eines Widerstandes. Mit einem höhnischen Lachen verlässt er den Raum. Ich hänge an den Ketten, die meine Arme Richtung Decke ziehen. Meine Beine muss ich erst zum Dienst zwingen, aber sie sind so am Boden angekettet, dass sie höchstens stehen können. Der Schmerz in meinem Leib breitet sich aus, zieht sich in alle Glieder, überschwemmt meinen Verstand. Aber der Kuss schmerzt mich am meisten, beschämt mich, nagt an meinen Nerven. Irgendwann bin ich wieder voll bei mir, kann meine Umgebung wahrnehmen. Der Raum scheint ein Keller zu sein, zumindest sind die Fenster schmal und knapp unter der Decke. Entlang der Wände kann ich andere Menschen sehen. Manche jammern leise, von anderen höre ich nichts. Es würde mich nicht wundern, wenn sie bereits gestorben wären. Die Tür öffnet sich, herein kommt eine Frau. Sie schaut mich nicht einmal wirklich an, bevor sie mir ins Gesicht schlägt, auf die Brust, zwei Tritte auf de Beine, einen gegen die Schulter. Ich versuche keinen Ton von mir zu geben, beobachte sie nur. Nach zehn Minuten meint sie: “Das hat gut getan, das habe ich jetzt gebraucht.“ Sie gibt dem Mann an der Tür Geld und geht ohne sich noch einmal umzusehen. Dann werde ich mit den übrigen Halbtoten allein gelassen. Als sich die Tür das nächste Mal öffnet, kommen sie zu dritt. Sie zerren einen der anderen aus seiner Ecke und binden ihn an einen Haken neben meinem. Der „Besitzer“ kippt uns noch je einen Eimer Wasser drüber, dann stellt er sich zurück an die Tür und beobachtet die Choreographie seiner beiden Kunden. Mein Nachbar schreit. Ich versuche Körper und Geist zu trennen, starre nur geradeaus in seine Augen. Irgendwann ist auch diese Prügelei vorbei. Ein Fuß wurde mir gebrochen, das Stehen fällt mir schwer. Ob meine Rippen noch alle heil sind, weiß ich nicht. Ich sehe ihn weiter an, ignoriere das Jammern neben mir, bis er den anderen wieder in seine Ecke schleift. Erneut gibt er mir einen Kuss. Diesmal ohne Schläge. „Eigentlich schade“, murmelt er und verlässt uns. „Was ist schade?“ Meine Stimme klingt nicht so selbstsicher, wie ich es gerne hätte. „Kennst du die Dreierregel? Ein Mensch überlebt drei Minuten ohne Luft, drei Tage ohne Wasser, drei Wochen ohne Essen.“ Dann ist er wirklich weg. Der Sonnenaufgang am nächsten Morgen brennt auf meiner Haut. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie zerschunden mein Rücken ist. Die Hitze erinnert mich an meinen Durst und ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Durch die Tür kommen zwei Männer mit Wassereimern, die sie den anderen einfach drüber kippen, bevor sie die verdreckte Flüssigkeit mit Besen in den Bodenabfluss kehren. Der „Besitzer“ nähert sich mir mit einem Extraeimer und Schwamm. Das muss Salzwasser sein. Es brennt. Als ich verkrampft ein Schreien kaum zurückhalten kann, küsst er mich wieder. In mir baut sich eine unheimliche Scham und Wut auf. Hätte ich nur die geringste Chance, würde ich den ganzen Laden einreisen, so bleibt mir nur der Versuch ihn in die Lippe zu beißen und wenigstens etwas von seinem Speichel zu trinken. Er quittiert das mit einem Grinsen und kippt mir das restliche Wasser einfach über den Kopf. „Ein Tipp noch: Schrei bei dem nächsten, so laut du kannst!“ Dann ist das morgendliche Ritual beendet und ein Fremder betritt den Raum. Als ich wieder zu mir komme, sitze ich am Boden. Meine Hände sind immer noch so befestigt, dass ich mich nicht befreien kann, aber ich stehe immerhin nicht mehr. „Du hättest wirklich schreien sollen, so lange und brutal war der noch nie!“ Da ich aufgeflogen bin, setze ich mich etwas bequemer hin. „Ich konnte ihm die Genugtuung nicht geben, außerdem ist mein Mund zu trocken zum schreien.“ „Du denkst allen Ernstes, dass du dir in diesem Keller Stolz leisten kannst?“ Ich drehe meinen Kopf zu diesem Häufchen Elend in seiner Ecke. Zwischen dem verkrusteten Blut und den farbenfrohen Blutergüssen kann ich seine Knochen erkennen. „Mein Stolz und meine Sturheit sind alles, was ich noch habe“, antworte ich ihm. Mich graust die Vorstellung, dass ich etwa genauso aussehe. „Und was ist mit Hoffnung, Wut, Familie?“ Wütend bin ich nur auf mich selbst und ich wüsste gerade nicht, auf wen ich hoffen sollte. Meine Geschwister oder mein Vater werden nach der verpatzten Hochzeit einen Scheiß tun, mich aus irgendeiner Klemme zu befreien, und meine Frau… Ich muss lese lachen bei der Vorstellung, dass meine Schwiegermutter, Big Mom, eine der vier Kaiser tatsächlich auftauchen würde und diesen Laden auseinander nimmt, um mich zu befreien. Wenn jemand mich suchen würde, dann Ruffy, weil er etwas zu essen braucht und es auch so nicht leiden kann, einen seiner Freunde zu vermissen. Aber wir hatten ausgemacht, dass wir eine Woche lang jeder seine eigenen Wege auf dieser Insel gehen, die Zeit für den Logport, die Zeit unauffällig zu Atem zu kommen. Und das Ende vom Lied, ich verdurste und ersticke hier langsam, falls es nicht vorher jemand schafft mich zu erschlagen. „Wie hast du bisher überlebt?“, frage ich jetzt, vielleicht hat er ja einen Tipp. „Ich habe mit meinen Ketten eine Kuhle in den Boden geschabt, so kann ich von den Duschen etwas Wasser auffangen.“ – „Und Essen? – „Ich brachte mal stolze 120 Kilo auf die Waage, langsam sind diese Reserven aber aufgebraucht.“ „Warum…“ – „Weil sie eigentlich meinen Sohn mitnehmen wollten, jetzt denke ich jeden Tag: so lange ich durchhalte, holen sie ihn nicht. Das ist die Hoffnung, an der ich mich festklammere.“ Sie steht vor mir, mindestens vier Meter, betrachtet mich und raucht. Jeden Zentimeter meiner Haut sieht sie sich genau an, und sie scheint Gefallen an mir zu finden, denn sie lächelt leicht süffisant. Endlich bewegt sie sich, hält mir die Zigarette an die Lippen, während sie mir den Rauch ins Gesicht bläst. Noch immer schweigend fährt sie mit den Fingern vorsichtig meine Wunden entlang. Der nächste Zug, den sie mir gestattet, beruhigt mich so weit, dass ich den Rauch nicht mehr ausatme, ich beschließe mich auf das Spiel einzulassen. Rauchen, Streicheln, Blicke, eigentlich ein sehr anregendes Vorspiel. Bis sie mir ohne Vorwarnung den Stummel mitten auf der Handfläche ausdrückt. Ich schreie so laut ich kann. Erschrocken nimmt sie den Zigarettenrest weg, jetzt grinse ich stumm. Die Ohrfeige danach habe ich verdient, auch die Schläge mit der flachen Hand, die bei Weitem nicht an die anderen „Kunden“ heranreichen. Neue Zigarette, neues Glück. Ich merke erst jetzt, wie sehr ich schon auf Nikotinentzug bin. Aus dem Streicheln wird ein Kratzen, dennoch entspannt es mich, ich lasse mich auf jede einzelne der kleinen Folterungen ein. Wenn sie mich beißt, stöhne ich lustvoll auf, wenn sie mich schlägt, halte ich den Atem an, als würde ich ein Wimmern unterdrücken, wenn sie mich streichelt, schnurre ich wohlig. Den Rauch inhaliere ich tief, behalte die Zigarette im Blick. Daher bin ich auch nicht überrascht, als sie während eines tiefen Kusses wieder den Stummel auf meiner Haut ausdrückt, diesmal auf meiner Schulter. Allen Rauch, den ich in meinen Lungen gesammelt habe, atme ich ich jetzt in ihren Mund aus. Sie muss husten und tritt mir mit einem vorwurfsvollen Blick gegen die Brust. Sie hat also viel mehr Kraft, als sie mir bisher gezeigt hat. Die dritte Zigarette verläuft ähnlich. Ich verzichte darauf, sie während des Kusses zu ärgern sondern sauge verlangend an ihren Lippen. Dieser Kuss wird sehr intensiv. Der Stummel in meiner Seite glüht schon längst nicht mehr, als sie sich endlich von mir löst und mit einem „Danke für das Vorspiel“ den Raum verlässt. Ob sie gemerkt hat, dass ich fast eine ganze Tasse ihres Speichels getrunken habe? Und wenn das nur das Vorspiel war, wer bekommt dann den Hauptakt? Ist sie auch nur eine Dienstleisterin, die sich auf den nächsten Kunden einstimmen und etwas Spaß haben wollte? Langsam verschwimmt mein Blick und mein Hirn beginnt den Dienst zu versagen. Ich vermute, in der letzten Zigarette war nicht nur Tabak. Ich erwache, weil mir die Schultern schmerzen. Ich bekomme schlecht Luft, und irgendetwas stimmt nicht. Vermutlich ist es das, was den Kreuzigungstod ausmacht: Überlasten bis man so verkrampft, dass man nicht mehr atmen kann. Kraft meiner Sturheit stelle ich mich wieder auf meine Gummibeine, entlaste die Arme, spüre, wie das Blut wieder durch die Hände fließt. Ich hasse dieses Kribbeln, aber es beweist auch, dass alles noch da ist. Der Besitzer lehnt am Türpfosten und beobachtet mich. Er kommt näher, greift meinen Kopf und gibt mir den selben brutalen Kuss wie beim ersten Mal. Instinktiv versuche ich dem Schlag auszuweichen, der aber nicht kommt. „Die drei Kunden heute haben so viel Trinkgeld gegeben, dass ich auch mal darauf verzichten kann“, sagt er und grinst. In meinem Kopf beginnt es zu arbeiten, dann erkenne ich den Schmerz, dessen Ursache ich nicht mitbekommen hatte. Schließlich war ich in dieser Hinsicht bisher auch nicht zimperlich. Unvermittelt schlägt er mir mit voller Wucht in die Magengrube und drückt mir wieder seine Lippen auf. “Tut mir leid, aber bei diesem Blick kann ich einfach nicht an mich halten“, murmelt er noch, während weitere Schläge folgen. So oft, wie er die Brandblasen trifft, bekomme ich den Verdacht, dass er nicht nur von der Tür aus beobachten kann. So geht das nicht weiter, ich bin müde, hungrig, fühle mich gefangen, missbraucht und weggeworfen. Aber das bin nicht ich. Ich bin Pirat, ich bin Smutje der Strohhüte. Also: gegen das Eingesperrtsein kann ich im Moment nichts tun, da hilft nur abwarten und irgendwann die Chance nutzen. Das Benutztsein… So schnell macht man mich nicht fertig und mit meiner Entscheidung, Ruffy zu folgen, wusste ich doch eigentlich, wie mein Leben eines Tages enden wird. Nur erschlägt mich halt nicht irgendein Marineheini, sondern einer dieser Typen, die bezahlen, um jemanden misshandeln zu dürfen. So gesehen sind die viel erbärmlicher als ich. Punkt. Gegen den Durst werde ich mich an den Rat dieses Vaters halten und jeden Tropfen Wasser nutzen, den ich erwischen kann. Dass bringt mir immerhin auch den ein oder anderen interessanten Kuss ein. Also ist das vorrangige Anliegen die Müdigkeit. Richtig schlafen geht nicht, da ich weiterhin aufrecht stehen muss, um nicht doch zu ersticken. Aber der Schwertschwinger behauptet doch auch immer, dass er meditiert. Zuerst schließe ich meine Augen und versuche meine Umgebung wahrzunehmen. Zwei meiner „Mitbewohner“ fehlen, einer hat hörbar Atemnot, von einem ist gar nichts mehr zu hören. Auf dem Gang erklingen leise Schritte, ein Kichern, vom Nebenraum Schläge und noch verhaltene Schreie. Irgendwo draußen auf der Straße spüre ich eine Aura, die nichts als Verzweiflung ausstrahlt. Ich suche also meine innere Quelle, meine Seele. Woraus kann ich jetzt in dieser Situation Kraft schöpfen? Wieder fällt mir als erstes der Spinatschädel ein. So viele Verletzungen, wie der schon überlebt hat, habe ich noch lange nicht. Ich konzentriere mich auf jede einzelne Wunde, stelle mir vor, wie sie aussieht, wie Chopper mich verbindet und die Verletzung langsam heilt. Blaue Flecken und Blutergüsse kenne ich von meinen „Übungskämpfen“ mit Zorro. Vor meinem inneren Auge gehe ich einen solchen Kampf durch. Der Zahnstocherschwinger ist wesentlich stärker als jeder dieser Kunden hier. Aber bei ihm habe ich die Möglichkeit auszuweichen, mich zu verteidigen, selbst anzugreifen. Einen solchen Kampf würde ich mir jetzt gerade wünschen, der tut der Seele gut, da kann ich mich abreagieren und stärker werden. Und ich weiß, dass ich mich danach in mein Reich zurückziehen kann. Gedanklich bewege ich mich durch die Küche. Ich sehe jeden einzelnen Kochtopf an seinem Platz, die Teller und Gläser, die angeschlagenen Stellen, die von so manchem heftigen Schaukeln erzählen oder eben davon, dass ich so unvorsichtig war, Ruffy spülen zu lassen… Ich gehe weiter in die Vorratskammer. Beim Fleisch klafft eine große Lücke, die ich eigentlich dieser Tage auffüllen wollte. Fischvorräte haben wir nur lebendig im Aquarium. Ich bleibe vor meinem gut gefüllten Weinregal stehen. Da sind schon ein paar erlesene Sachen dabei. Außer Robin weiß die jedoch keiner an Bord zu schätzen. Das Sakeregal daneben ist ähnlich gut sortiert. Ich weiß genau, welche Flasche ich dem Grünspan geben muss, wenn ich etwas von ihm will, bei welcher er sich verzieht, bei welcher er Streit anfängt und bei welcher er sich einfach schweigend neben mich setzt, die Nachtwache mit mir hält. In Gedanken koche ich ein Menü. Ich suche die Zutaten, die Geräte, nehme das Messer, das mir Jeff zum Meisterbrief geschenkt hat, das Salz aus Water Seven, die Gewürze aus Alabasta, Kräuter von der Fischmenscheninsel und blättere in den Rezepten, die ich von Momoiro Island mitgebracht habe. Den Hieb gegen mein Brustbein habe ich nicht kommen sehen, dieser Typ ist mir sofort unsympathisch. Er riecht nach der Frau mit den Zigaretten. Ich will mir gar nicht vorstellen, was er mit ihr gemacht hat, so dass er sich jetzt noch einen Nachschlag bei mir holen will. Ich hasse ihn, aber das weckt auch meine Lebensgeister, meinen Stolz und meine Sturheit. Beim nächsten Schlag bricht meine Nase. Das Blut löst einen Würgereflex aus. „Na, rufst du schon nach deiner Mami?“ - „Meine Mutter ist tot und mein Vater hat mehrfach versucht mich umzubringen“, antworte ich ihm mit so viel Abscheu in der Stimme, wie ich aufbringen kann. Die Haut über dem Jochbein platzt auf. Doch ich zeige ihm nichts außer meinem Hass. Mein Schlüsselbein gibt beim dritten Hieb endlich nach. Meine Wut auf ihn steigt. Als er zwischen meine Beine zielt, lasse ich alle Energie, die ich noch aufbringen kann, aufflammen. Seine Augen weiten sich mit Schrecken, er taumelt rückwärts und rennt raus. Auch im Nebenraum wird es erschreckend still. Eine Art Frieden legt sich über die Kellerräume, selbst der röchelnde Typ atmet jetzt ruhig und gleichmäßig. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit gibt es wieder Geräusche. Schritte. Menschen verlassen das Gebäude, versuchen lautlos an meiner Tür vorbei zu kommen. Geduckt tragen zwei der Helfer den Vater wieder an seinen Platz, verschwinden ohne einen Blick auf mich zu wagen. Nur er sucht meine Augen. Sprechen kann er nicht, sein Kiefer ist in einem falschen Winkel, vermutlich ausgerenkt. Die Flecken, Wunden, Risse in der kaum mehr vorhandenen Kleidung zeugen von den Schmerzen, aber sein Blick hat nur Trauer. Der Zweite wird nicht wieder hereingebracht. Nein! Diese Menschen nehmen sich das Recht heraus, andere quälen, verachten und misshandeln, ja selbst töten zu dürfen. Und sie töten eben nicht nur die Männer hier im Keller, sie lassen dabei auch noch jeweils Mutter, Frau, Tochter und Freunde zurück, ohne Beschützer, Ernährer oder einfach nur Liebsten. Nein, sie sind keine Menschen. „Drei Tage. Ich werde noch drei Tage durchhalten. Für deinen Sohn und für jeden anderen, der dadurch drei Tage später hier landen wird!“ Es ist mitten in der Nacht. Leise öffnet sich die Tür und schließt sich wieder. Vorsichtige Schritte. Etwas, nein zweiwas wird abgestellt, direkt vor mir. Ein Kuss. Jetzt öffne ich endgültig die Augen, auch wenn mir schon vorher klar ist, dass ich so nicht viel mehr wahrnehmen kann, als mit meinen übrigen Sinnen. „Mach keinen Mucks!“ Ich schweige. Die Straßenlaterne gibt nur einen matten Schimmer in den Keller, während der Besitzer sich zu einem Eimer beugt und einen feuchten Lappen aufhebt. Als er mir die geplatzte Augenbraue abtupft, schließe ich meine Augen wieder, verfolge seine Bewegungen aber genauestens. Die Wange, hinter der ein Zahn abgebrochen ist, die aufgeplatzten Stellen an Armen und Oberkörper. Alles säubert er vorsichtig und cremt es mit einer schmerzlindernden, kühlenden Salbe ein. Langsam arbeitet er sich nach unten. Wir schweigen beide, auch als er an intimere Stellen kommt. Ganz kurz befreit er meinen noch heilen Fuß, wischt die Steine von der Sohle und streift etwas darüber. Dann der andere… Ich kann den Schmerz nicht ignorieren und muss einfach schauen, was er da tut. Aber er beachtet meinen Blick nicht, sondern kniet sich hin, stellt meinen Fuß auf seinen Oberschenkel. ‚Wie bei einem Pferd, dessen Hufe neu beschlagen werden‘, denke ich und konzentriere mich wieder auf die Geräusche der Nacht, die mich aus diesem Keller und diesen Ketten herausführen. Noch einmal durchfährt mich ein scharfes Stechen, als er meinen bandagierten Fuß wieder in seine Fessel stellt und abschließt. Mit einem Messer entfernt er die Reste meiner Hosen und zieht die neuen hoch. Dann kommt ein anderes Geräusch, etwas schlägt weich gegen den zweiten Eimer. Ein neuer Kuss. Ein neuer Schlag in meinen Magen. Fast wäre der schon sanft zu nennen, aber das eigentlich bemerkenswerte ist die komplette Mundfüllung Wasser, die er mir dabei zukommen lässt. Beinahe verschlucke ich mich daran. „Den hast du dir verdient“, höre ich neben dem Geräusch einer Flasche an seinem Mund. Selber Kuss, selber Schlag, selber Schluck Wasser. Fünf, sechs, achtmal, bis ich mir sicher bin, die Flasche ist leer. „Vielleicht wärst du es wert“, sagt er, „Aber ich habe nicht vor, selbst ins Gefängnis zu gehen“ Damit wendet er sich von mir ab, lässt mich mit meinen zumindest gereinigten Wunden allein im dunklen Keller. Ich rufe mir seine Berührungen noch einmal ins Gedächtnis, stelle mir vor, andere Hände, Choppers Hände hätten sie getan. Aber unser kleiner Arzt wäre anders vorgegangen, vorsichtiger vielleicht, aber auf jeden Fall professioneller, dazu hätte er mir alles erklärt, um mich nicht zu erschrecken. Und er hätte mich verbunden, ins Bett gesteckt, eine Strafpredigt gehalten, wie ich mir nur solche Verletzungen zuziehen kann… Das hilft mir nicht bei meinen Selbstheilungsprozessen. Also noch mal von vorn! Zorro. Woher kommt das jetzt? Ok, Zorro wäre derjenige, der mir genau auf diese Weise helfen würde, mich stumm verbindet, Salben verabreicht, die er an sich selbst oft genug ausgetestet hat und mich letztendlich aufzieht, herausfordert, mir klar macht, dass ich mental stark genug bin, diese Wunden zu überleben. Das hilft, ich kann mich aus der Realität ausklinken, meinen Geist wandern lassen. Meditation oder Selbsthypnose, wie auch immer man es nennen will, es gibt meinem Körper und Geist die Chance sich zu erholen, auch ohne entspannt liegende Position oder echten Schlaf. „Alle anderen raus hier“. So schnell habe ich die noch nie wuseln sehen. „Und Kameras aus!“ Also doch. Vermutlich eine gute Nebeneinnahme per Pornoverleih. Der Besitzer legt mir noch andere Fußfesseln an und entfernt die normalen. Mit gewissem Sicherheitsabstand drückt er einen Knopf an der Wand und meine Füße sind frei. Jetzt sind wir allein. Ich sehe ihn nur an und er mich. Ein geistiges Kräftemessen. Da ich weiß, dass ich hier nicht rauskomme und mir auch nicht viel Schlimmeres passieren kann, als bisher schon, gewinne ich. „Was willst du?“, fragt er mich. Ich ziehe nur eine, die noch nicht gebrochene Augenbraue hoch. Ein Marinefuzzi! Also weiß diese ach so tolle Gerechtigkeit von diesem Keller. Dann kann ich hinterher wenigstens behaupten, die Marine hätte mich umgebracht. Ich muss grinsen. Dann trifft mich ein Schlag, aber auch darauf reagiere ich nicht. „Wenn du einen Wunsch frei hättest, was wäre das?“, flüstert er mir ins Ohr. Diese Nähe ist mir unangenehm, den nächsten Schlag werde ich nicht kommen sehen, ich werde die Reaktion nicht unterdrücken können. Also antworte ich, um ihn vielleicht etwas weg zu bewegen: „Leben wäre geil, aber ich glaube, das steht nicht zu Debatte.“ Tatsächlich tritt er einen Schritt zurück, schaut mich an. Er steckt sich eine Zigarre an. ‚Also wieder das Verbrennungsspielchen’, denke ich. Er bläst mir den Rauch ins Gesicht. Er schlägt mich in die Nieren. Er hält mir die Zigarre hin. Er verbrennt sich fast selbst, als er mir gegen das Kinn schlägt, eine Sekunde bevor ich hätte ziehen können. Er lacht mich aus. „Warst du schon mal verliebt?“ Was für eine blöde Frage. Ohne meine Schwäche für das weibliche Geschlecht wäre ich nicht hier. Ich schnaube verächtlich: „Anscheinend weißt du doch nicht, wer ich bin.“ Der nächste Haken, diesmal von der anderen Seite. So langsam bekomme ich ein Hirntrauma. Brust , Bauch, zwischen die Beine. Jetzt muss ich doch einen Moment tief Luft holen und kurz die Augen schließen. „Das meine ich nicht. Hattest du je einen Menschen, für den du dein Leben geopfert hättest. Außer deiner Mami natürlich!“ Was haben die nur alle mit meiner Mutter. Ich glaube nicht, dass auch nur einer dieser Typen sie gekannt haben könnte. Aber die Frage ist interessant. Für wen würde ich mein Leben geben? Für wen würde ich das hier auf mich nehmen, damit er oder sie es nicht selbst durchmachen muss? Die Antwort ist einfach: Für jeden der Strohhüte und für fast jeden, der eine geringere Überlebenschance hätte als ich. Die Schultern, die Rippen, die Seite, die Hüfte… Langsam hat der die gesamte Anatomie durch. Aber ich bin nicht mehr dabei, schicke meinen Geist auf die Reise zu meiner Crew, meinen Freunden: Jinbei, Brook, Franky, Robin, Chopper, Nami, Zorro, Ruffy, nicht zu vergessen Vivi und die anderen, die uns nur eine kleine Zeit lang begleitet haben. Ich denke an die Momente, in denen wir wirklich fast das Leben für die anderen gelassen haben, dann kommt mir eine Erkenntnis. Ich sehe dem Mainefuzzi direkt in die Augen und sage: “Du irrst dich!“ Jetzt ist er so aus dem Konzept, dass seine Faust ein Paar Zentimeter vor meiner Nase stoppt. Das sollte ich öfter machen, die Kunden verwirren. „Liebe ist nicht der Tod, liebe ist das Leben. Wenn man jemanden wirklich liebt, ist man nicht nur bereit für ihn zu sterben, sondern vor allem für ihn zu leben.“ Er lässt seine Hand sinken „Und wen willst du? Wer soll mit dir überleben?“ - ‚Zorro’, schießt es mir durch den Kopf. Mit der Moosbirne könnte ich überleben, wir wären vernünftig genug, einen ordentlichen Plan zu machen und wir wären stark genug, die anderen zu befreien. Jetzt wird mir klar, worum es eigentlich geht. Da ich anscheinend nicht schnell genug antworte schießt wieder eine Faust auf mein Gesicht zu. Aber er hat die Bewegungsfreiheit meines Kopfes unterschätzt. Ich weiche aus und er stolpert durch seinen eigenen Schwung auf mich zu. „Idiot“, flüstere ich ihm ins Ohr, „Wenn ich wüsste, wo die Strohhüte sind, wüssten die auch, wo ich bin. Und dann wäre ich garantiert nicht mehr hier.“ Ich ziehe mein Knie hoch, treffe ihn da, wo er mich aus der Fassung gebracht hat. Mit Haki verstärkt kann ich auch auf dem gebrochenen Fuß stehen und an den überdehnten Händen hängen. Jeder Tritt sitzt, bis er es schafft, sich aus meiner Reichweite zu entfernen. Als ich die Beine wieder sinken lasse, greifen die automatischen Fußfesseln. An die hatte ich gar nicht mehr gedacht. Jetzt bin ich wieder völlig bewegungsunfähig. Die Rache ertrage ich stur. Vor meinem inneren Auge sehe ich die Abenteuer mit meinen Freunden, wie ich jeden einzelnen von ihnen zum ersten Mal gesehen hatte. Zum Schluss bleibt ausgerechnet der erste Blickkontakt mit dem Zahnstocherschwinger. Natürlich, der erste der Bande, den ich je wahrgenommen hatte. Als ich endlich wieder etwas anderes wahrnehme als diese grünen Augen, ist es schon dunkel. Nein es ist noch dunkel, bemerke ich doch die ersten Vorboten der aufgehenden Sonne an der gegenüberliegenden Wand. Alles tut mir weh, vor allem mein Kopf. Was auch immer dieser Typ gegen mein Gesicht hatte, er hat sich voll ausgetobt. Wenigstens sitze ich wieder. Auch wenn der Boden kalt und hart ist, traue ich meinen Beinen nicht wirklich. Die Tür öffnet sich und die Frau mit den Zigaretten kommt herein. Sie trägt einen Korb schützend vor sich. Als sie sieht, dass ich wach bin, lächelt sie und setzt sich vor mich. Mit schüchternen Bewegungen hält sie mir den Glimmstängel zwischen die Lippen. Auf meinen fragenden Blick schüttelt sie nur den Kopf. Zwei Zigaretten rauchen wir gemeinsam, bevor sie aus ihrem Korb einen Wattebausch und Desinfektionsmittel zaubert. Vorsichtig wischt sie über die Brandwunden auf meiner Wange. Sie holt Luft, sagt dann aber nichts. Noch eine Zigarette später reinigt sie auch die schlimmsten Platzwunden und verbindet meinen Fuß neu. Wieder habe ich das Gefühl, dass sie etwas sagen will, aber kein Wort verlässt ihre wunderschönen traurigen Lippen. Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster kommen, hält sie mir noch eine kleine Flasche an die Lippen. Das Wasser schmeckt leicht süß. Ich trinke dennoch gierig, weiß sehr wohl, dass hier etwas nicht stimmt. Zögernd geht sie zur Tür und ich ahne, dass sie eigentlich etwas anderes sagen will als: „Gib nicht auf, bevor du tot bist!“ Dann ist sie weg und wenige Minuten später erfolgt das morgendliche Ritual. Ich fühle mich wie im Nebel, als wären meine Sinne in Watte gepackt. Selbst der erste Kunde des Tages gibt schneller auf als sonst. „Ich bin doch kein Leichenschänder!“ Nur mein Kopf dröhnt und mir ist übel. Bei manchen Schlägen kann ich Galle schmecken, viele spüre ich gar nicht. Dreimal versagen meine Beine ihren Dienst und ich werde ohnmächtig, aber jedes Mal sind sie beim Aufwachen noch nicht ganz fertig mit mir. Was auch immer die Frau mit den Zigaretten mir ins Wasser getan hatte, es rettet mir einen Tag, aber nur die Zeit, nicht das Leben. Meine letzte Vergewaltigung war zu viel Schmerz, zu viel Adrenalin und zu wenige KO-Tropfen. Was mich am meisten ärgert, ist, dass wenn sie mich losgebunden hätten und ich hätte richtig mitmachen dürfen, wäre es für uns alle vier wesentlich schöner, aufregender, befriedigender geworden. Ich hätte ihnen Dinge zeigen können, auf die sie nie in ihren tiefsten Fantasien kommen. Aber so haben sie nur ihre Wut und ihren Selbsthass an mir ausgelassen und der Sex war auch nur eine Waffe, wie die anderen auch. Wenn der Typ mit seinem Knüppel jetzt noch einmal auftaucht, habe ich dann wirklich mehr Narben und Knochenbrüche als der Schwertschwinger. Ja, Zorro, lange halte ich hier nicht mehr durch. Noch ein paar wenige Kunden und du musst dir jemand anderen für deine Trainingsprügeleien suchen. Der Besitzer steht in der Tür und beobachtet mich. Ich bin mir nicht sicher, was er denkt. Irgendwo zwischen den Schlägen, mit denen er mich selbst traktiert und der Salbe, die er auf die Verbrennungen aufgetragen hat, zwischen dem Trinkgeld, über das er sich so freut und dem Wasser, das ich beim Küssen aus seinem Mund trinken darf, überlegt er vermutlich, wer mir den finalen Rest geben wird. Vielleicht berechnet er, wie lange ich noch zur Verfügung stehe, ob es sich lohnt, mich in einer Ecke anzubinden wie die anderen, und eine neue Hauptattraktion zu besorgen, oder ob es sicherer ist, mich hier aufrecht zu erschlagen. Plötzlich kommt Bewegung in den Keller. Ein Erdbeben, aber nur ganz kurz. Dann ein zweites. Die Decke wackelt, ich höre irgendwo etwas umfallen. Ich fühle eine Aura, einen Wutausbruch, der die Luft flirren lässt. Noch ein drittes Mal, ich verliere den Stand, meine Knie knicken ein, mein gesamtes Gewicht zerrt an den Händen. Ein Gedanke schießt mir quer, dass dieses Gewicht wohl noch nie so leicht war. Dann höre ich Stimmen im Gang. „Zehn Minuten für 100 Berry, wenn du im Voraus bezahlst, schaue ich nicht zu, und du kannst mit ihm machen, was auch immer du willst.“ Nur 100 Berry war ich ihm wert. In was für einem Provinznest bin ich hier nur gelandet, wenn Menschenwürde gerade mal 100 Berry für zehn Minuten kostet? Wenn ich da an mein Kopfgeld denke, aber die Lesefähigkeiten der Arschgeigen hier reichen wohl nicht mal für einen Steckbrief. Ich höre Geld klappern. „Mach, so lange du willst und wirf den danach einfach in den Briefkasten!“ Also ist der nächste Kunde nicht auf eine Zeit festgelegt. Wenn ich an die Aura denke, wird das dann der letzte sein. Mein letzter Kunde, meine letzte Prügel, meine letzten Momente auf dieser Erde. Als sich die Tür öffnet, erkenne ich nur Muskeln. Ein Mann, der garantiert nicht zu Spielchen aufgelegt ist. Ich gebe auf, gebe mich meinen Verletzungen, meinen Schmerzen hin. Ich heiße die Ohnmacht willkommen, die Schwärze, den Tod. Kapitel 2: ----------- „Aber ich lieb ihn!“ – „Ich weiß, deshalb wirst du ihn auch suchen“ Ein typisches Ruffygespräch. Bei den Dingen, bei denen man nicht weiß, wie man sie ihm erklären soll, sagt er: „Ich weiß!“ Bei den Dingen, die jeder andere für offensichtlich halten würde, hat er keine Ahnung. Aber ich war auch nicht in Stimmung, ihm meine Orientierungsschwäche unter die Nase zu reiben, auch wenn ich jetzt endgültig einsehe, dass ich mit meiner planlosen Rumrennerei nichts erreiche. Ich bleibe stehen. Seit zwei Tagen suche ich ihn, drei Tage war er schon verschwunden, ehe ich losgezogen bin. Wo könnte er nur stecken? Nami hatte gesagt, er hätte vielleicht doch einmal Glück bei einem Mädchen gehabt. Theoretisch könnte das stimmen, falls er es geschafft hat die Klappe zu halten. Damals ist er auch einfach abgehauen um zu heiraten, hat ein Mädchen seiner Crew vorgezogen. Ok, er hat sie heiraten wollen, um Jeffs Kopf nicht auf einem Silbertablett serviert zu bekommen. Und das Mädchen hatte ihn nie zuvor gesehen. Also ist es unwahrscheinlich, dass sich das so einfach wiederholt. Das andere Mal, dass wir getrennt waren, sind die zwei Jahre und natürlich diverse Kämpfe, bei denen sein Part einfach in einer anderen Gegend lag als meiner. Trotzdem: er hatte immer Bescheid gegeben und ich hatte nie dieses dumme Gefühl in der Magengegend. Also muss etwas passiert sein. Etwas, das ihn daran hindert, sich zu melden oder zu auch nur zu wehren. Aber was? Ich schlage mit der blanken Faust gegen die nächste Wand. Es ist keine gute Idee, ein Haus mit bloßer Hand einreisen zu wollen. Sofort ist da ein blutiger Abdruck zu sehen. Und der Schmerz zuckt durch meinen ganzen Körper. Aber er überschwemmt auch einen Moment meinen Geist. Die Wut und (in Ermangelung eines besseren Wortes) Angst wird kurz ausgeblendet, ich kann wieder denken. Orientierungssinn und große Pläne haben mich meist im Stich gelassen, worauf ich mich aber im Leben immer verlassen konnte, waren mein eisernen Wille und mein Glück. Also gut, hoffen wir mal, dass mein Glück heute für den blonden Koch und mich ausreicht. Noch einmal schlage ich gegen die Wand in der Hoffnung einer weiteren Erkenntnis. Da kommt ein Mann um die Ecke: „Wenn du deine Wut rauslassen willst, hätte ich da einen besser geeigneten Boxsack. Außerdem schimpft meine Frau, wenn die Gläser in der Schrankwand klirren.“ Überrascht sehe ich ihn an. Ganz abwegig ist die Idee nicht. Beim Training kann ich sonst auch immer am besten nachdenken und meinen Kopf ordnen. Aber eigentlich suche ich keinen Boxsack, sondern meinen Trainingspartner. Dennoch folge ich ihm. „Zehn Minuten für 100 Berry, wenn du im Voraus bezahlst, schaue ich nicht zu, und du kannst mit ihm machen, was auch immer du willst.“ Ich greife in meine Tasche und drücke im das Geld in die Hand, das mir gestern irgendjemand gegeben hat, aus Angst, ich könnte ihn überfallen wollen. Die rund tausend Berry lassen seine Augen leuchten und er gibt mir einen Schlüssel in die Hand: „Mach, so lange du willst, und wirf den danach einfach in den Briefkasten!“ Etwas verwirrt öffne ich die Tür und mir stockt der Atem. Zum einen stinkt es in dem dunklen Raum erbärmlich, zum anderen ahne ich, was oder eher wer da in der Mitte steht. Kurz muss ich meinen Blick abwenden. Dabei finde ich aus Versehen den Lichtschalter. Dann bestätigt sich das schlimmste, was ich mir nie gewagt habe auszumalen. Sanji steht oder besser hängt dort völlig reglos, zerschlagen, überall mit blauen Flecken und verkrusteten oder noch blutenden Stellen bedeckt. Die Kleidung ist zerfetzt, die Haare verklebt und sein Brustkorb hebt sich nicht mehr. Ein schneller Streich mit meinem Schwert und er fällt, sackt in meine Arme. Ich drücke ihn an mich, aber auch jetzt fühle ich keinen Atem an meinem Hals. ‚Raus hier!’, denke ich nur und stolpere fast, als sein Körper sich weigert mitzukommen. „Seine Füße“ Es ist nur ein Krächzen aus dem Hintergrund, aber meine Aufmerksamkeit wird auf all die anderen Menschen in diesem Raum gelenkt. Was auch immer das hier ist, Ruffy muss sich unbedingt diesen Besitzer einmal vornehmen. Ja, Ruffy, denn ich werde nicht so schnell den Koch wieder allein lassen können. Dass er tot ist, wage ich nicht zu denken. Also lege ich den reglosen Körper vorsichtig auf den Boden und ziehe erneut mein Schwert. Gezielt wenn auch halbherzig zerstöre ich noch die Fesseln der anderen, denn Dankbarkeit muss sein, auch wenn ich eigentlich keine Zeit mehr habe. Auf der Straße sehe ich, dass der Rest meiner Crew sich tatsächlich bereits um den Typen und vermutlich seine Freunde oder Kundschaft kümmert. Ich schicke Chopper rein zu den restlichen Opfern bzw. deren Resten. Sanjis Kopf lege ich auf meinen Schoß und beginne mit dem Wasser, das Chopper mir mitgegeben hatte, sein Gesicht zu reinigen, seine verklebten Haare, seine blutunterlaufenen Wangen, seine aufgesprungenen Lippen. Kapitel 3: ----------- Der auffrischende Wind brennt auf meinen Wangen. Die Tränen, die sie empfindlich gemacht haben, sind schon getrocknet. Es war nur der Bruchteil einer Sekunde, eine winzige Bewegung. Seine Zunge angelte sich einen Tropfen Wasser. Er lebt. Sehr schwach aber er lebt. Vorsichtig wasche ich ihn weiter, versuche immer wieder einen winzigen Schluck Wasser in seinen Mund zu gießen, damit er sich nicht verschluckt. Er lebt. Vor dem Haus sind inzwischen auch die Polizei und die örtlichen Ärzte angekommen. Sie durchsuchen jeden Winkel, schleppen Menschen und Papiere heraus. Als sie den Besitzer abführen, bleibt er kurz bei mir stehen und gibt mir seine Geldbörse. „Ich wusste, dass es heute endet, du wärst sein letzter Kunde gewesen. Morgen früh wartet dann ein Schiff auf mich, ich wollte hier weg, neu anfangen ohne so etwas… Für ihn hätte ich alle freigelassen, aber ich hatte Angst vor der Polizei… Ich werde jeden einzelnen Kunden verraten… Organisiere ihm eine gute Beerdigung.“ Dann bringen sie ihn weg. Ich weiß noch nicht, ob das eine Bitte um Vergebung war oder nur eine Ausrede. Auf Sanjis Brust löst sich gerade ein Ohr in kleine rosa Blütenblätter auf, als sie eine Frau raus bringen. Ihr Blick sucht alle umstehenden Menschen ab. Scheinbar will sie wissen, was mit dem Rest des Hauses geschehen ist. Dann wendet sie sich an einen Sanitäter und erhält Papier und Stift. Ein winziges Stöhnen kommt aus meinem Schoss. „Bald, Sanji, bald gehen wir nach Hause. Ich will nur nicht, dass uns alle dabei beobachten. Und Chopper ist noch eine kleine Weile mit den anderen beschäftigt. Aber bald bringe ich dich von hier weg.“ Die Frau geht zu einem Jungen, vielleicht vierzehn oder sechzehn Jahre alt, und gibt ihm etwas mit einer Geste in meine Richtung. Neben dem Jungen sitzt ein Mann im Rollstuhl, den Chopper schon fertig verbunden hat. Warum auch immer der noch nicht im Krankenhaus ist. Dann kommen die beiden auf mich zu. „Das soll ich dir von der Frau geben. Sie bittet dich, es mit in sein Grab zu legen.“ Er überreicht mir ein Zigarettenetui und weiß offensichtlich nicht, was er weiter sagen soll. Dann greift er in seine Tasche und drückt dem Mann etwas in die Hand. „Danke, und sag Bescheid, wenn ich dich dann nach Hause bringen kann… soll!“ Er wendet sich ab. Diese Situation überfordert ihn sichtlich. „Sie ist auch nur eine Prostituierte. Keine Ahnung, wie sie es verdient hat, sich ab und an ein Vorspiel holen zu dürfen, aber einstecken musste sie sicherlich auch viel. Er lebt, oder?“ Diese Wendung habe ich nicht erwartet und bringe nicht mehr als ein Nicken zustande. „Das ist gut. Weißt du, er hat uns gerettet. Keine Ahnung, ob ich noch leben würde, wenn die Kunden nicht lieber den jungen hübschen… In der Summe hat er mehr eingesteckt, als ich, der ich vielleicht doppelt so lange in diesem Keller war.“ Er schaut auf seine Hände mit den Bandagierten Fingern und Gelenken. „Das hier ist ein Glücksbringer, ein altes Erbstück meiner Familie. Es heißt, einer meiner Vorfahren hat es mal aus dem Allblue mitgebracht. Jedenfalls… Ich bin lebend da raus gekommen, mein Sohn hat diesen Keller nie betreten. Mehr Glück zu verlangen wäre Frevel. Hier hast du ihn.“ Ich nehme den kleinen blauen Fisch und betrachte ihn. Bei all unseren Abenteuern hatte ich den Allblue völlig vergessen. Aber ja, das ist sein Traum und jetzt habe ich den Beweis in der Hand, dass er wahr werden kann, dass es nicht nur eine Legende ist. „Ich werde ihm den geben, sobald er aufwacht.“ Der Mann lacht: „Nein, dieser Glücksbringer ist für dich! Dein Freund braucht keinen, er hat ja dich!“ „Lass ihn das bloß nicht hören, der bringt dich für diesen Satz um!“ Jetzt muss ich auch lachen. Dann schweigen wir wieder eine Weile, in der ich mich mit Sanjis Verletzungen beschäftige, vorsichtig den nächsten Tropfen in seinen Mund gieße. „Hast du für mich auch einen Schluck?“ Ich reiche ihm die zweite Flasche, die mir Chopper aus irgend einem Grund mitgegeben hat. „Das ist ja Zuckerwasser!“ Jetzt wird fällt es mir wieder ein. „Der Zucker liefert schnelle Energie und macht durstig, so dass es leichter fällt, viel zu trinken.“, erkläre ich den Sinn dahinter. Also hatte der Rest der Crew die selben Befürchtungen wie ich, wollte es nur nicht so zeigen. „Er gilt weiter als tot. Auch wenn die Marine morgen hier ankommt, werde ich das nicht verraten. Das gibt euch einen Vorteil, wenn ihr das nächste Mal in Schwierigkeiten geratet.“ Schon wieder eine unerwartete Wendung des Gespräches. Entweder arbeitet sein Gehirn im Schleudergang oder ich bin zu abgelenkt, um richtig mitdenken zu können. „Die Strohhüte haben einen ihrer stärksten Männer verloren, dazu ihren Schiffskoch, sie werden sicher geschwächt sein.“ „Nein, niemand glaubt dir, dass uns das angreifbar macht. Wir sind höchstens wütender. Aber es wäre besser, wir hätten diese Insel nie betreten.“ „Du meinst unbekannte gaben der Polizei einen Tipp, wo unsere Entführten zu finden sind… Das kann ich dir nicht versprechen, aber ich werde es auf jeden Fall versuchen. Jetzt wird es aber Zeit, dass ihr euch davonmacht! Ich lenke die Leute so lange ab.“ Damit winkt er den Jungen wieder zu sich. Sie reden kurz mit Chopper, der sich Ruffy schnappt und in seine Teleschnecke spricht. Als der Mann laut aufschreit, erscheinen auch schon zwei Hände, die mir beim Aufstehen halfen. Zurück auf der Sunny will ich mit dem Schnitzelklopfer ins Krankenzimmer, doch sowie die Sonne nicht mehr auf ihn scheint, steigt sein Puls und er verkrampft sich. „Sieht so aus, als ob er erstmal eine Phobie vor geschlossenen Räumen hat“, meint Robin lächelnd neben mir, während große Ausgaben ihrer Hände die Taue am Segel lösen. „Aber wir müssen ihn doch operieren und wenn es nachts kalt wird, wird er erfrieren!“ Auch Chopper wendet sich jetzt seiner eigentlichen Aufgabe als unser Arzt zu. Ich kann nur brummeln und den Blonden näher an mich drücken, so dass er sich wieder beruhigt. Natürlich müssen wir bald mit der Behandlung anfangen, aber so bringt das nichts. Diesmal ergreift Franky die Initiative: Er stellt den OP-Tisch mitten auf die Wiese und gesellt sich dann zu Ruffy an die Galionsfigur, damit wir Ruhe haben. Jetzt habe ich eine Ahnung, wie es Chopper und den anderen ergeht, wenn ich wieder einmal blutüberströmt aus irgendeinem Kampf hervorgehe. Kapitel 4: ----------- ‚Geborgenheit’, ist mein erster Gedanke. Ich liege, aber meine Gelenke sind entlastet. Unter mir ist es irgendwie weich, es duftet nach frischer Luft und Sicherheit. Ich spüre die Strahlen der aufgehenden Sonne, doch sie streicheln mir übers Gesicht und brennen nicht auf dem Rücken. Überhaupt schmerzen meine vielen Wunden fast gar nicht, jemand hat sie versorgt. Ich spüre straff gewickelte Bandagen und etwas anderes, das mich hält. Dann höre ich ein Seufzen und reiße erschrocken die Augen auf. Grün. Das Gras der Thousand Sunny. Es glitzert der Morgentau darauf. Ich nehme einen tropfen auf den Finger und führe ihn vorsichtig an meine Lippen. Sofort spüre ich wieder Schläge in der Magengrube und mir wird übel. So kann ich meinen Durst nicht stillen. Ich blicke mich etwas weiter um und sehe die Haare der Moosbirne. Das erklärt die Umklammerung, wenn auch nicht den Grund dafür. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, mache ich mich los und setze mich auf. Gleich neben ihm stehen zwei Flaschen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Angst vor so etwas habe, also reiße ich mich zusammen und setze sie an meine Lippen. Ich schmecke eine Süße, bevor ich überhaupt einen Schluck Wasser im Mund habe. Aber es geht. Das hier ist normales Wasser. Plötzlich kommt Bewegung in meine Matratze. „Nicht wieder weglaufen“, murmelt er und versucht mich wieder fester an sich zu ziehen, was bewirkt, dass ich etwas kostbares Nass verschütte und ihn damit wecke. „Du lebst.“, ist der erste Satz, den er fast noch im Schlaf murmelt. Immer wieder ist es faszinierend zu beobachten, wie der Säbelrassler aufwacht. Sein Geist ist hellwach, tastet die Umgebung ab, bereit vorzutäuschen, dass er noch träumt oder sofort aufzuspringen. Dann blinzelt er und streckt sich, kontrolliert ob seine Eindrücke der Wahrheit entsprechen. Erst danach gibt er zu, ansprechbar zu sein. Ich betrachte die Sonne. „Wie lange war ich weg?“ – „Drei Tage bis ich dich gesucht habe, drei Tage bis ich dich gefunden habe, drei Tage bis du aufgewacht bist.“ Ich nehme noch einen Schluck aus der Flasche. „Warum Zuckerwasser?“ – „Chopper hat keine Vene für eine Infusion gefunden. Du warst zu ausgetrocknet.“ – „Und zu viele Drogen…“ Ich sehe in diese grünen Augen, erinnere mich an den Marinefuzzi. Aber das will ich nicht, deshalb zurück zu den verblassten Sternen. „Schon klar“, antworte ich, bevor er überhaupt Luft geholt hat, „Mach langsam, übernimm dich nicht, lass Chopper seine Untersuchungen machen! Ich bin nicht das erste mal im Leben fast verhungert und verdurstet, und ich kenne die Sprüche für jemanden, der fast erschlagen wurde.“ Diesmal halte ich seinen Augen Stand, denke eher an Bartholomäus Bär, der uns letzten Endes auf dem Sabaodi-Archipel das Leben gerettet hat. „Trotzdem ruft meine Küche.“ Als ich aufstehen will, fühle ich mich wackliger als je zuvor. Instinktiv hebt er seine Hände, bereit mich aufzufangen, aber das ist nicht nötig. „Na, Angst?“, frage ich ihn spöttisch. - „Jetzt, wo ich weiß, dass du wieder auf dich selbst aufpassen kannst, nicht mehr.“ Während er aufsteht, versuche ich die ersten Schritte. Langsam, vorsichtig und eine Menge Selbstsicherheit vortäuschend gehe ich Richtung Kombüse. Und es wird, selbst die Treppen bewältigen meine Beine und meine Sturheit. Bevor ich die Tür öffne, die Hand schon an der Klinke, muss ich noch einmal an die Bilder denken, die mir beim Berühren der Lippen mit meinen Fingern bzw. der Flasche kamen. „Zorro, nur um die bösen Geister zu vertreiben, die Albträume,“ Er sieht mich an, hebt eine Augenbraue. Da es die über seinem blinden Auge ist, wirkt es künstlich einstudiert und ein bisschen albern. Jetzt bin ich mir sicher, den Satz zu beenden. Ich muss, denn ich habe einmal damit angefangen und ich kann, denn selbst wenn er nein sagt, wird er nie wieder ein Wort darüber verlieren: „Gibst du mir einen Kuss?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)