Philomathie von Rakushina (Wenn Neugier nicht wäre) ================================================================================ Kapitel 3: Striatum ------------------- Sanzomon waren eine überaus alte Digimon-Art, die einst auf Web Continent gängiger war, aber nach und nach zu einer Rarität wurde. Als Puttimon schlüpfte, dass später einmal das Sanzomon sein würde, dass mit einem gefürchteten Myotismon in seinen eigenem Schloss Schach spielte, war die letzte Sichtung eines Sanzomon schon einige Jahre her. Web Continent war etwas wilder und auch konservativer wie Server, jedoch waren in den Gebieten, die einst von Sanzomon auf ihren Pilgerreisen gesegnet und gereinigt wurden heiliges Land. Das, was man auf File Island als Stadt des Ewigen Anfangs kannte nannte man dort das Tal der Wiederkehr und weil dieser Ort geradezu heilig war, war jedes Digimon, das in dieser Region schlüpfte ein Puttimon, die sich im Laufe ihres Dasein zwar in unterschiedliche Ausbildungs- und Rookie-Digimon entwickelten, deren Schicksal es durchweg sein sollte, die Reinheit der Digiwelt zu bewahren. Die meisten Puttimon wurden zu Cupimon und diese meist zu Salamon. Sie nicht. Sie war ein Tinkermon geworden, war aber mit einem Salamon befreundet. Noch bevor aber sie zum Rookie wurde traf sie auf Sorcerymon. Die Puttimon und Cupimon wurden von Sistermon rund um die Uhr betreut, aber manchmal durften sie auch Ausflüge machen durch den Wald aus rotgoldenen Blättern, der rund um den Berg Mount Boot wuchs. Unter einem dieser Bäume saß dieses Sorcerymon. Es hielt ein Nickerchen, aber wurde wach, als er den Gesang der jungen Digimon hörte. Sorcerymon winkte ihnen verschlafen zu und neugierig schauten die jungen Digimon zu dem Magier-Digimon, wurden aber augenblicklich von den Sistermon Blanc und den Sistermon Noir dazu ermahnt weiterzugehen und den merkwürdigen Fremden zu ignorieren. Nur ein einziges Cupimon hielt sich nicht daran und ging zu dem unbekannten Digimon, das im Schatten des Baumes, umringt von Büchern saß. Sanzomon würde sich später nicht mehr ganz erinnern, was sie beide miteinander sprachen. Aber Sorcerymon war freundlich. Sorcerymon machte Witze und Kunststücke für sie, um sie zum lachen zu bringen. Er fragte sie, was sie war, was sie so machte, woher sie kam und sie antworte eifrig, bis plötzlich Sistermon Ciel, die Anführerin der Sistermon und die stellvertretende Äbtissin auftauchte, Sorcerymon bedrohte, sollte er keinen Bogen um ihre Schützlinge machen und zerrte Cupimon von ihm weg. Doch sich dem Digimon bereits verbunden fühlend, sollte es nicht lange dauern, bis das kleine Cupimon wieder auftauchte, nachdem es sich heimlich von seiner Gruppe trennte. Erst wollte Sorcerymon sie meiden, bis er sah, dass dieses Ausbildungs-Digimon eines seiner Bücher in der Hand hielt, dass er schon eine ganze Weile suchte. FAHRENHEIT. Schwere Kost. Wie es geschafft hatte, ihm es heimlich zu klauen war ihm ein Rätsel. „Kannst du denn lesen?“, fragte Sorcerymon sie und Cupimon nickte zögerlich. „Verstehst du denn, was da steht?“ Es schüttelte den Kopf. „Aber ich möchte es verstehen.“ „Die Frage ist nicht das Wollen, sondern das Können.“ „Bitte. Ich will mehr lesen. Ich will mehr von deinen Büchern lesen.“ „Lesen euch die Sistermon nicht genug Bücher vor“, meinte Sorcerymon. Jeder weitere Versuch seinerseits das Cupimon zu verjagen, um nicht doch noch Ärger zu kriegen – er haste Konfrotationen – scheiterte. Dieses Cupimon war für sein niedriges Level verbissen und stur. Aber wissbegierig. Und den großen Kulleraugen konnte er die Bitte schließlich noch nicht abschlagen. * * * *   Die Tage und Wochen zogen durchs Land. Nachdem Cupimon zu Tinkermon wurde, wurde sie etwas eloquenter. Sie war etwas schüchtern, aber entwickelte schnell Interesse für alles was Sorcerymon ihr erzählte. Er erklärte ihr die Natur, die Sterne am Himmel und Bücher zu begreifen. Sie konnte zuvor schon lesen. Nur wirklich begreifen, dass brachte ihr erst Sorcerymon bei. „Bücher sind das Wichtigste, was wir besitzen. Wir schreiben sie nicht selbst, aber sie sind die Brücke in eine Welt, die wir sonst vergessen würden. Und vergessen wir, lernen wir auch nicht mehr.“ Tinkermon nickte, während sie dabei zwischen zwei Büchern hin und her sah. Ein Buch handelte von Biologie und es zeigte neben vieler, vieler Buchstaben ein Bild von einem Wesen, dass wie ein Divermon aussah wohl zu etwas wie einem ziemlich hässlichen Kudamon digitierte. Zumindest glaubte sie, sie digitieren. Das andere Buch war eine Geschichte an einer Schule, wo einer von den anderen gemobbt wurde und sein Lehrmeister nun seine Schützlinge näher zusammenbringen will, aber es im Chaos endet, weil sie, so Sorcerymon, vergessen haben zu denken. Genau dieses Buch nahm Sorcerymon ihr auch weg. „Du sollst nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun und schon gar nicht mehr wie ein Buch lesen. Konzentriere dich auf eines.“ „Aber es ist so viel und so viel spannendes. Ich will alles lesen. Alles!“, jauchzte sie und Tinkermon sprang dabei in die Luft, aber wurde von Sorcerymon wieder sachte zu Boden gedrückt. „Wenn du so durcheinander liest vergisst du die Hälfte nur. Willst du das?“ „Ah! Nein. Nein, das will ich nicht!“ „Gut. Dann Anfang damit an richtig zu lesen.“ „Aber ich lese doch richtig“, protestierte Tinkermon. „Nein, tust du nicht. Sag, was ist in dem ersten Buch passiert, dass du gelesen hast?“, forderte Sorcerymon auf. Sie überlegte. „Ähm... Also, das war so, da ist dieses Montagmon und -“ Sie sprach den ersten Satz nicht zu Ende, da schlug ihr Sorcerymon mit dem stumpfen Ende seines Stabes auf den Kopf. „Mein Kind, du hast nichts gelernt.“ „Aber ich war doch noch nicht einmal fertig!“ „Brauchst du auch nicht. Der Protagonist heißt nicht Montagmon. Vergiss dieses -mon endlich. Vergiss, dass die Figuren Digimon sind, nur weil du eines bist, dass in der Digiwelt lebt.“ „A-Aber wir sind doch in der Digiwelt. In der Digiwelt haben wir alle ein -mon im Namen.“ „Ja. In der Digiwelt trifft diese Regel auch zu, Tinkermon. Ich habe es dir bereits erklärt. Sind diese Namen hier, die du siehst Digimon-Namen?“ Zögernd starrte Tinkermon auf die Bücher, die vor ihr lagen. Der Nebel war an diesem Tag nicht sehr hoch und man erkannte, dass das Gras genauso rotgold war wie die Blätter in den weißen Bäumen. So wie die Bücher im Gras lagen zwischen diesen Rottönen und den schwachen Nebel dazwischen, sah es ein bisschen aus, als brannten sie. Wie in dieser einen Geschichte. „Nein“, antwortete sie schließlich zurückhaltend. „Es sind... Namen.“ „Namen ja. Aber keine Digimon-Namen. Sie wollen, dass du denkst, dass es welche wären, aber es sind keine. Bücher sind Brücken, Tinkermon. Brücken zu Dingen und Ideen, die uns manchmal nicht klar sind, die wir ansonsten vielleicht nie sehen würden. Was ist der logische Schluss, wenn diese Namen keine Digimon-Namen sind, aber alle Digimon doch Digimon-Namen haben?“ Überfordert blickte Tinkermon drein und wechselte zwischen Sorcerymon und den Büchern hin und her. In einigen Jahren würde sie diese Frage beantworten können, doch im Rookie-Stadium noch erschloss sich für Tinkermon in dieser Frage keinerlei Logik, zu sehr war sie von den Lehren ihre Gemeinschaft noch eingenommen, dass es nur die Digiwelt gab und wie wichtig die Balance zwischen Licht und Dunkelheit. Statt ihr wieder mit seinem Stab auf den Kopf zu hauen, tätschelte Sorcerymon, der so weiß gekleidet wie die Bäume war ihren kleinen Kopf. „Schon gut. Du wächst noch da hinein. Du bist eben noch jung und ich war in deinem Alter auch so“, sagte Sorcerymon, fürsorglich und freundlich. Er schaute über Tinkermon hinweg und erblickte ein Salamon in der Ferne. „Ich glaube, dein Freund ist hier.“ „Oh, bestimmt holt sie mich zur Abendmesse ab. Wenn die Sistermon merken, dass ich wieder schwänze, gibt’s Ärger.“ „Dann, auf auf. Flieg los. Komm wieder wenn du Zeit hast.“ Schnurstracks, aber lachend sauste Tinkermon zu dem Salamon hinüber, auf dessen Rücken sie sich auch gleich setzte. Mit besagtem Salamon´war Tinkermon seit dem Tag ihrer Geburt befreundet und Salamon tolerierte daher Tinkermons kleine Ausschweifungen (wie die Sistermon und die Äbtissin es nannten) was Fragen und ihren Drang nach Neuem anging. Aber dass Tinkermon so viel Zeit mit diesem Aussätzigen verbrachte ging auch ihr ziemlich gegen den Strich. „Du hast gesagt, du willst nicht mehr so viel Zeit mit ihm verbringen“, schimpfte das Säugetier-Digimon, das etwas größer wie Tinkermon selbst war. „Wenn das so weiter geht, decke ich dich nicht mehr. Und wenn die Sistermon das rauskriegen, werde ich nicht bei den Engel-Digimon aufgenommen.“ „Aber sonst redet niemand mit ihm. Sorcerymon tut mir Leid. Er ist immer so allein.“ Traurig schaute Tinkermon zurück. In seinem weißen Kleidern fiel das Magier-Digimon zwischen den gleichfarbigen Bäumen kaum auf. Er las. Er schrieb. Tinkermon wüsste zu gerne was. „Er sagt, er kommt von ganz, gaaaanz weit her, von einem ganz fernen Land jenseits des Meeres und Himmels. Seine Brüder hätte er schon ewig nicht mehr gesehen und Freunde hat er keine.“ „Bei dem Zeug, was er sagt ist es kein Wunder, dass ihn andere meiden. Käme er von so einem Land, würden wir das kennen“, meinte Salamon überzeugt und streng. „Bestimmt kommt er von Server. Dort sollen alle Digimon so hochnäsig sein. Dort, wo die bösen Digimon oft sind und Unheil stiften. Jetzt komm endlich, sonst verpassen wir die Messe!“ Salamon rannte schon los, Tinkermon zögerte noch, weil sie bei dem Wort Server so intensiv nachdachte, dass sie vergaß hinterherzufliegen. Zeit hatte Tinkermon wenig. Die Ausbildung, damit sie irgendwann ein ehrenvolles, heiliges Digimon werden würde um die Balance der Digiwelt zu sichern nahm viel davon in Anspruch. Bis zum Rookie-Level lebten sie untereinander, ab dem Champion-Level trennten sich ihre Wege. Wer kein heiliges Digimon wurde, musste den Orden verlassen. Er hatte den Segen nicht empfangen, konnte aber ein wertvoller Teil der Gesellschaft Web Continents werden. Wer zu einem Sistermon wurde, wurde dazu ausgebildet zukünftige Generationen großzuziehen. Und wer ein Engel-Digimon wurde, zog hinaus, um das Licht in die Welt zu senden. So wurde es ihnen von klein auf gesagt. Salamon wurde trotz gleichem Alters vor Tinkermon zu einem D'arcmon. Sie wurde mit Lob überhäuft und sie wollte hinaus und für die helle Seite der Digiwelt kämpfen. Ein wertvoller Teil der Gesellschaft. Ein Teil des Gleichgewichtes. Also ging sie mit einigen anderen Digimon, die zeitgleich mit ihr zu D'arcmon wurden. Der Abend, ehe sie mit ihrer Truppe aufbrach brannte sich in Tinkermons Gedächtnis. Ihre Freundin lächelte sie an und versprach ihr, wenn sie wiederkommt ihr von der Welt zu erzählen, die sie so sehr interessierte,stand dabei entgegen der Sonne und leuchtete wie Gold. Sie kehrte nie wieder. Es war zu erwarten. Nie kehrte eines der Digimon wieder zurück, außer sie wurden im Tal der Wiederkehr wiedergeboren. Das war das Gesetz der Digiwelt. Dunkelheit und Licht trafen aufeinander. Dunkelheit und Licht bekämpften sich. Starb wer von der Dunklen Seite, so starb auch ein Digimon auf der Seite des Lichtes. Das war ein Naturgesetz, dass ihnen früh, wenn auch etwas kindlicher erklärt wurde. Von Tod war nie die Rede. Was bedeutete auch Tod in einer Welt, in der Digimon wiedergeboren wurden? Es wurde auch kein Geheimnis daraus gemacht, wenn Truppen im Kampf fielen, den sie starben den Märtyrer-Tod. Ein erstrebenswertes Ziel. Ein wertvoller Akt, den es nicht zu betrauern galt. Nur weiter die nächstes Generation heranzüchten, die das gleiche Schicksal ereilen sollte. Und doch trauerte Tinkermon und in ihrer Traurigkeit gab es nur ein Digimon, dem sie sich anvertrauen konnte, nämlich Sorcerymon, der weiter allein im Wald lebte. Er hörte Tinkermon erst gar nicht an diesem Abend. Doch dann, als er von seinen Schriften aufschaute und das weinende Digimon vor sich schweben sah, war er erst schockiert und fand keine Worte. Er kam nicht einmal dazu zu fragen, denn Tinkermon begann sofort zu erklären: „Sie ist gestorben. Meine Freundin und ihre Kameraden, sie -“, schluchzte sie und presste die Arme aneinander. „Hat die Äbtissin das euch mitgeteilt?“, harkte Sorcerymon nach und Tinkermon nickte. „Sie sagt, sie haben ihren Beitrag zum Wohl der Digiwelt geleistet. Das sagt sie immer wenn von uns welche sterben. Und sie beten dann wieder. Sie beten ständig, dabei bringt es überhaupt gar nichts!“ Mitleidig blickte Sorcerymon drein und zum ersten Mal wirkte er nicht wie ein schrulliger Außenseiter. Er wirkte ernst und obwohl ihn die anderen Digimon, mit denen Tinkermon lebte eigentlich nicht interessierten, fühlte auch er mit ihr Trauer. Dicke Tränen rangen über Tinkermons rote Wangen. Ihr blonder Pony hing ihr im Gesicht, aber man sah dennoch die gequollenen Augen und wie sehr Tinkermon versuchte, sich zurückzuhalten, aber nicht konnte. „Sie ist gestorben. Sie wird wiedergeboren, aber sie wird nicht das Digimon sein, das ich kenne. Sie ist nicht mehr meine Freundin! Meine Freundin ist weg, sie ist gestorben für dieses blöde, sinnlose System und niemand trauert! Sie reden nur davon! Sie reden nur von der Balance, aber niemand trauert um die Digimon. Ich durfte nicht trauen. Tränen machen traurig. Tränen sind unangenehm, sagen sie! Aber, dass sie – sie...“ „Komm her, mein Kind...“ Sorceymon streckte sie Hände aus und hielt Tinkermon in beiden. Das kleine Feen-Digimon klammerte sich an seinen Kragen, heulte und schrie ihre Wut in den Stoff hinein.   * * * *   Der Versuch, das Schloss auf den Landkarte zu finden blieb weiterhin vergebens. Sanzomon schnaufte und zog das Handteleskop, dass ihr Myotismon freundlicherweise zur Verfügung stellte wieder ein, dann lehnte sie sich gegen die Mauer des Schlosses. Sie war tatsächlich einmal draußen und trotz allem konnte sie nicht sagen, welche Tageszeit war. Hier war es rund um die Uhr finster. Der Wind blätterte die Seiten der Bücher um, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Pflanzen, die Sanzomon um das Schloss gesammelt hatte bewegten sich. Einige ihrer Notizen flogen weg, darunter auch ihre selbstgezeichnete Karte des Schlosses, die Sanzomon jedoch nicht half. Sie hatte sich selbst vorgenommen, dass Schloss zu erkunden und die Wege einzuzeichnen, jeden Winkel, jeden Raum und jeden Gang, aber mittlerweile hatte sie viele wieder durchgestrichen oder viele andere einige male überzeichnet. Wo eine Treppe hoch führte, führte plötzlich eine hinunter, wo ein Raum war, war plötzlich eine Sackgasse, wo eine Kreuzung war, war nur noch ein schmaler Gang. Manchmal wusste Sanzomon nicht einmal wo oben und unten war und sie schob es allmählich auch nicht mehr auf einen mangelnden Orientierungssinn, sondern dass es das Schloss selbst war. Es veränderte sich ständig. Vielleicht war es eine Art Schutz, darum reagierte Myotismon wohl auch so gelassen, als er von ihrem Vorhaben erfuhr. Bestimmt lachte er sie heimlich aus. Sanzomon rümpfte leicht die Nase bei dem Gedanken, während sie sich ihr Skizze ansah, dann faltete sie sie zusammen und legte sie zwischen die Seiten eines ihrer Bücher. Im Innenhof, auf den sie einen guten Ausblick hatte herrschte rasches Treiben. Das geschah zweimal am Tag, in etwa immer zur selben Zeit (das glaubte Sanzomon zumindest). Sie hatte Gatomon und Phantomon schon dabei zugesehen, wie die die Truppen einteilten und ihnen die Befehle übergaben, die sie zuvor von ihrem Herrn erhielten. Was für Aufgaben das waren bekam Sanzomon nie so ganz mit, aber das meiste dürften Boten- und Kontrollgänge sein. Dass Myotismon irgendwelche Geschäfte pflegte bekam sie am Rande schon mit und sie ging davon aus, dass dies auch seinen großzügigen Essensvorrat erklärte. Zwar gab es auch Acker, die unter anderem die Bakemon verwalteten, aber das was sie anbauten war nicht viel und reichte niemals für alle. Sanzomon schwor sogar, der Wein den es manchmal zum Abendessen gab schmeckte wie der, der auf Web Continent hergestellt wurde, allerdings in der südlichen Region. Doch an diesem Abend (Sanzomon vermutete es war Abend) war es Myotismon persönlich, der zu seinen Truppen sprach. Die Distanz war aber zu groß und Myotismon sprach nicht laut, darum hörte Sanzomon auch nicht um was es ging. Die Bakemon lauschten aufmerksam, nickten zwischendrin und lauschten weiter. Phantomon stand abseits, beobachtete seine Truppen, aber die meiste Zeit konzentrierte auch er sich auf seinen Herrn. Und Myotismon selbst stand da, erhaben, kerzengerade und erhobenem Kinn und egal was er sprach und obwohl sie kein Wort von ihrer erhöhte Position aus entziffern konnte, war sie sich sicher seine Stimme war bebend, bestimmend und kraftvoll. Zu gerne würde sie das aus nächster Nähe sehen. Sanzomon merkte zu spät, dass die Bakemon sie bemerkten und eines nach dem anderen zu ihr hochsahen. Bis sie das aber selbst erkannte, unterbrach auch Myotismon seine Ansprache und schaute auf zu Sanzomon, der es unangenehm war erwischt worden zu sein und verkroch sich mit einem schüchternen Lächeln wieder hinter die Mauer. Es war so peinlich. Eine kalte Brise zog an ihr vorbei. Nicht weit weg von ihr knisterte halbvertrockneter Efeu, aus dem aber bereits neue, hellgrüne Triebe wuchsen. Als das Geräusch verstummte und sie schließlich gar nichts mehr hörte, wagte Sanzomon es wieder über die Mauer zu schauen, aber sie sah weder Myotismon, noch einen seiner Untergebenen. Sie werden sich wohl zurückgezogen oder sich einen anderen Ort gesucht haben. Sich über sich selbst ärgernd kräuselten sich Sanzomons Lippen unter ihrem Tuch. „Wie kommt Ihr voran?“, rief Myotismons Stimme plötzlich hinter hier. Der Schreck ließ Sanzomon zusammenfahren und ihr entwich ein ein hoher, aber kleiner Schrei. Ihren Schreck ignoriere Myotismon gekonnt, vielmehr fand er es ziemlich amüsant, Sanzomon so erschreckt zu haben. Eine Freude, die sie nicht teilte. „Ihr habt Euch schlechte Bedingungen ausgesucht“, sagte er freundlich (für Sanzomons Geschmack zu freundlich), während er zum Himmel schaute. „Ich hörte, ein bewölkter Himmel und Nebel wären nicht optimal um eine Landschaft zu erkunden.“ „Anderweitig komme ich aber nicht dazu, die Gegend zu studieren“, sagte sie mürrisch und misstrauisch und erhob sich langsam wieder. „Ihr hättet mich auch fragen können. Ich habe sicher irgend eine Schriftrolle oder ein Buch, dass alles festhält was auf und um die Berge wächst und gedeiht.“ „Ein freundliches Angebot. Aber ich bevorzuge es gewisse Dinge mit einen Augen zu sehen und zu erleben, als nur von ihnen zu lesen.“ „Das überrascht mich nicht“, meinte Myotismon. Er sah schmunzelnd zu, wie Sanzomon eine der wenigen Pflanzen, die sie in einem Topf hatte auf die Mauer abstellte, um sie genauer zu studieren. Eine zierliche Pflanze, die Blätter waren gelbgrün und liefen spitz zu. Mit ihrem Finger berührte sie vorsichtig die kleinen, hellroten Blüten - Sanzomon mochte die Farbe Rot – und die grünen Kapseln dazwischen. Sie war sich nicht sicher, ob das neue Triebe, Beeren oder etwas anderes war. Definitiv konnte sie nur feststellen, dass sie diese Pflanzenart nicht kannte. Myotismon hob derweil einige von Sanzomons Papieren auf und studierte das, was sie schrieb und das, was sie so gut wie es ging versucht hatte zu zeichnen. Neben der Pflanzen fand er auch Notizen und Zeichnungen zu den Bakemon. „Verzeiht übrigens die Störung von gerade eben.“ „Aber, aber, wie kommt Ihr auf so etwas? Ihr stört doch nicht“, sagte Myotismon ohne seinen Blick vom Papier zu nehmen. Genugsam blätterte er sich durch Sanzomons Notizen, während sie wartete, ob er irgendwas dazu sagen würde. Sie starrte in sein Gesicht und wie seine Augen den Buchstaben und Worten folgten, bis Sanzomon auffiel, dass sie für ihren Geschmack ihn viel zu lange anstarrte. Sie fuhr mit ihren schmalen Fingern weiter über die Triebe der Pflanze. „Na ja, ich scheine Eure bewegenden Ansprache unterbrochen zu haben, Eure Bakemon ha-“ Sanzomons blieben die Worte im Hals stecken und sie gab ein zaghaftes, hohes „Huch!“ von sich, als die Kapseln dieser ihr unbekannten Pflanze, die Myotismon als simples Springkraut bekannt war – und wenn er sich recht entsinnte war sie sogar giftig - , zwischen ihren Fingern platzte. Die schwarzen Samen darin flogen dabei in alle Richtung, ein paar blieben an Sanzomons weißem Gewand und dem gelbgoldenen Obergewand hängen. Auch Myotismon blieb nicht unversehrt. Ein, zwei der Samen trafen in an seinem dunkelblauen Anzug haften. Entsetzt starrte Sanzomon zwischen der Pflanze und Myotismon hin und her und nach einigen Sekunden entsetzten Schweigens, kicherte sie und fing dann an zu lachen. „Entschuldigung“, lachte Sanzomon und hielt sich ihre Hände vor den Mund. Da Myotismon aber nicht mitlachte, sondern nur kommentarlos und mit ernster Mimik die Samen von seinem Anzug schnipste, verstummte Sanzomon letztlich beschämt und streifte ebenso die Reste der Pflanze von ihren Kleidern. „Wo ist eigentlich Gatomon? Ist sie nicht normalerweise für Eure Truppen zuständig? DemiDevimon habe ich auch schon lange nicht mehr gesehen“, fragte Sanzomon um die Stimmung wieder etwas zu heben und von der Peinlichkeit abzulenken. „Die beiden erledigen Dinge für mich.“ „Dinge?“ „Geschäftliches. Neue Soldaten anwerben, feindliche Mächte auskundschaften, Handel mit anliegenden Dörfern und Städten, um meine Truppen zu versorgen -“ Rasch hielt Myotismon Sanzomon einen Teil ihrer Unterlagen wieder entgegen und sie nahm diese schnell wieder an sich. „Übliche Dinge.“ „Ihr handelt mit den Nachbarn, die Euch vermutlich lieber an einem Pflock sehen wollen?“ „Im Vergleich zu Digimon wie den Meistern der Dunkelheit bin ich für viele doch das kleinere Übel und nicht selten bitten sie um Hilfe, die feindseligen Truppen los zu werden. Aber mein Preis für diese Unterstützung ist hoch.“ „Nicht nur eigennützig, habgierig seid Ihr also auch“, bemerkte Sanzomon, teils scherzhaft, teils verstimmt. „Oh, mir geht es nicht um mich. Aber viele Truppen brauchen viel Essen und mein Land ist nicht fruchtbar genug, um so viele Mägen zu füllen. Als König habe ich eine Versorgungspflicht gegenüber meinen Soldaten.“ „Dafür, dass Ihr scheinbar so sehr um das Wohl Euer Soldaten besorgt seid, haben sie ziemliche Angst vor Euch. Man sieht es an ihrer Haltung.“ „Ich bin mächtiger als sie und ohne mich hätte sie in dieser Welt keinen Platz, keinen Sinn und keine Chancen. Das sollen sie ruhig wissen. Zudem traue ich keinem Digimon, dass keine Angst vor mir hat.“ Myotismon Lächeln ließ Sanzomon gefrieren. Es wirkte einerseits so aufgesetzt und falsch, dass sie gar befürchten musste gleich von ihm überfallen zu werden. Vorsichtig versuchte Sanzomon den Rest ihre Notizen wieder zu erhaschen, aber Myotismon streckte seinen Arm fort, als er dies bemerkte und sie kam nicht mehr heran. Ihren Ärger darüber beachtete er nicht. „Aber genug von mir. Es ist unhöflich als Gastgeber nur von sich selbst zu sprechen. Ihr erzählt gar nichts von Euch.“ „Ich habe auch nicht viel zu berichten. Ich rede auch nicht gern von mir. Ich finde das eitel.“ „Selbst wenn ich sage, dass es mich interessiert, so wie Ihr Euch für mich interessiert?“ Nun endlich hielt Myotismon Sanzomon ihre Papiere wieder hin, aber so erpicht darauf, sie schnell wieder an sich zu bringen war sie nun nicht mehr. Bedacht streckte sie ihre Hände nach dem Papier aus, ließ dabei Myotismon aber nicht aus den Augen. Je unscheinbar er wirkte, um so mehr misstraute sie ihm. Als sie ihre Notizen wieder in den Händen hielt, drückte Sanzomon diese eng an ihre Brust. „Mit gefällt Eure Schrift“, sagte Myotismon und Sanzomon stutze. Es kam so aus dem Nichts und sie glaubte auch erst sich verhört zu haben. „Sie ist sehr geschwungen, aber Ihr schreibt sauber und schnell. Ihr habt schon viel geschrieben.“ „...Ja. Seit ich auf dem Rookie-Level war, habe ich geschrieben“, gab sie zu, etwas schüchtern, aber auch geschmeichelt. So sehr sie sich bemühte es nicht zu zeigen, Myotismon erkannte die Anzeichen doch, dass solche Worte ihr Herz beflügelten. Sie wollte ihn ansehen, traute sich aber nicht, das Gesicht in Röte getaucht, das nervöse Streichen durch ihre Haarsträhnen, die sich dabei um ihre Bänder, die an ihrer Krone befestigt waren wickelten. „Das sieht man. Beneidenswert. Ich selbst lernte erst sehr spät schreiben. Lesen konnte ich durchaus, aber mein Meister hielt es nicht für nötig, dass Fußsoldaten schreiben lernten. Es war damals allgemein nicht sehr verbreitet. Meiner Schrift sieht man es an.“ „Ihr habt es Euch selbst beigebracht?“, fragte Sanzomon aufgeregt, aber Myotismon hob die Hand. „Wir reden nicht von mir. War es üblich, so viel zu schreiben und zu lesen in Euer Heimat?“ „Nein. Eigentlich nicht. Außer bestimmten Schriften und Gebeten lernte ich von den Sistermon nichts dergleichen. Keine wissenschaftlichen Bücher... Keine Philosophie. Nicht einmal Poesie. Dabei gibt es so schöne Werke, simpel, aber doch so.... künstlerisch. Es hat was filigranes in ihrer Art, obwohl manche so wenig Worte benutzen. Von Alleen und von Blumen...“ Sanzomon erinnerte sie an ein Gedicht, dass sie in einem von Sorcerymons Büchern einmal fand und im Grunde eigentlich fast nur aus drei Worten bestand. Es ging laut Sorcerymon um natürliche Schönheit und der Anmut von Frauen. Was eine Frau war wusste Sanzomon nicht, aber Sorcerymon erklärte ihr einst, dass sie so etwas ähnliches sei – Frauen waren etwas weibliches und sie hatte auch sehr viel weibliches weil sie feminin war, und feminin, das Worte kannte sie doch, richtig, also war es fast dasselbe, so seine dürftige Erklärung - und dieses Wissen gepaart mit so einem Gedicht schmeichelte ihr irgendwie (Gedichte waren in Sanzomons Heimat auch verboten, weil sie unnütz seien). Myotismon neben ihr verdrehte die Augen. „Warum neigen Digimon wie Ihr immer zu solchen Kitsch?“ „Digimon wie ich?“ „Ihr wisst schon. Feminin. Humanoide Digimon mit Eurem Verhalten und Eurem Körperbau.“ Sie hielt kurz inne und schmunzelte schließlich. „Klingt, als hättet Ihr öfters Damenbesuch“, sagte Sanzomon und schmunzelte unter ihrem Halstuch, obwohl sie sich nicht einmal wirklich sicher war, ob andere feminine Digimon in der Regel auch so handelten. Zwar war sie fast nur unter weiblichen Digimon aufgewachsen, aber sie wurden allesamt sehr fromm erzogen. Außerhalb ihrer Heimat hatte Sanzomon wenige getroffen, doch dass nicht nur bezüglich Körperbau sondern auch im Verhalten von maskulinen und femininen Digimon große Unterschiede lagen war nicht zu widerlegen. Und dann fragte sie sich, was für Damenbesuch sich Myotismon ins Haus holte und neben ihrem gewohnten Wissensdrang empfand sie eine gewisse Abneigung gegenüber der Vorstellung, dass andere Digimon, die nicht wie er oder seine Dienerschaft waren, dafür ihr aber ähnlicher hier herumspazierten, diese Bücher in die Hand nahmen, mit ihm so redeten oder von ihm so angesehen wurden. Zu ihrer Überraschung schmunzelte Myotismon ebenfalls. „Oft – vielleicht. Nur nicht für allzu lange. Ihr seid der erste Gast, dem ich so lange Aufenthalt gewähre. Für gewöhnlich bevorzuge ich es meine Besuche schnell wieder loszuwerden.“ „Ihr besitzt eine interessante Art anderen zu schmeicheln. Aber Danke“, entgegnete Sanzomon. Leicht schüttelte sie ihren Kopf, als das Gefühl in ihr aufkam, ihr Gesicht würde warm werden. Und sie glaubte die Temperatur stieg, als Myotismon näher an sie herantrat. „Wie kommt es denn dazu, dass Ihr Bücher so gerne habt? Wenn Ihr nicht gerade meine Bücher auf den Boden verteilt, scheint Ihr Respekt vor Literatur zu haben. Auch dies erlebe ich durchaus selten. Meine Bücher sind mir sehr wichtig. Sie sind oft die Einzigen, die mir von der Welt da draußen erzählen.“ „Ihr kommt also nicht oft dazu Euer Schloss zu verlassen? Seid Ihr so beschäftigt?“ „Mir bekommt das Licht nicht gut.“ Kurzer Schweigen. Sanzomon glaubte von weitem Bakemon schimpfen zu hören, die sich gegenseitig antrieben schneller mit der Arbeit voranzukommen. Als ihre Stimmen jedoch in die Ferne rückten fiel ihr just in dem Moment wieder ein, dass Myotismon ja nicht ohne Grund nachtaktiv war und sie fast sich beschämt an die Stirn. „Entschuldigt. Ich habe das vergessen.“ DemiDevimon kam wieder zurück. Man hörte, wie er sich mit Phantomon stritt (Sanzomon vermutete zumindest, es war mit Phantomon). Von Gatomon fehlte weiterhin der Hauch jeder Präsenz. Ob es ihr gut ging? Obwohl Gatomon ihr stets nur Desinteresse entgegenbrachte, mochte Sanzomon sie irgendwie doch. „Also? Wer brachte Euch dass alles bei, wenn nicht die, die Euch aufzogen?“, fragte Myotismon weiter. Erst hauchte Sanzomon nur ein „Es war“ heraus, kurz aber lenkte DemiDevimon sie noch ab, der ganz aufgebracht davonflog zu einer weiteren Mission für seinen Meister, von denen er Sanzomon so gut wie nichts erzählte. Das fledermausähnliche Digimon flog hinunter in den Wald, dessen Kronen von einen Nebelschleier verdeckt wurden. Einige der Bäume waren bereits rotorange. Und dazwischen die in Weiß gehüllten Bakemon. „Sorcerymon...“ Der Wind peitschte Haarsträhnen von Sanzomons ins Gesicht, während sie weiter vom Schloss hinunterblickte. Außer dem rotgold und dem Weiß hatte sie jegliche andere Farbe und Farbnuance ausgeblendet. Die Bakemon waren nicht so reinweiß wie Sorcerymon, aber nah dran. Vielleicht eher wie ihre erste Freundin Salamon. Und nur weiß und rot vor ihr. Dieses Rot zwischen dem Nebelqualm. Wie ein Brand. (Feuer macht rein Feuer macht sauber) „Er war Euch ein Vorbild?“, harkte Myotismon nach, nachdem sein Gast so lange schwieg. „Vorbild würde ich nicht sagen. Für einen Entdecker und Forscher war er ziemlich feige. Er drückte sich vor Konflikten aus reiner Bequemlichkeit, nicht wegen seiner Überzeugung.“ „War er ein... wie sagt man? Freund?“ „Ich schätze schon. Ich hatte ihn gerne. Freunde haben sich doch gerne?“ „Ich halte Freundschaften für nutzlos, darum pflege ich auch keine“, antwortete Myotismon, ohne Bedauern, ohne Abscheu, sondern ganz neutral. Sanzomon stimmte dies jedoch fast schon traurig. „Doch wieso fragt Ihr? Ihr seid doch sicher mit vielen anderen Digimon aufgewachsen?“ „Schon. Doch ich bekam eigentlich beigebracht, das man keinen Freunde haben soll“, fing Sanzomon an zu erklären und Myotismon hörte einen Hauch Melancholie in ihrer Stimme. „Freundschaften waren verboten. Freundschaften hieß, ein Digimon bedeutete einem mehr wie die anderen. Das gehörte sich nicht. Man hatte immer alle gleich gern zu haben. Dennoch war ich mit einem Salamon befreundet... Zumindest bis sie digitierte, in den Krieg zog und nie mehr wiederkam.“ Seufzend lehnte sie Sanzomon nach vorne und stützte sich mit den Unterarmen an der Mauer. Sie schaute zwar in das Tal hinab, aber doch sah sie nicht diesen düsteren Wald oder den Pass, sondern ihr zu Hause von sich und wie es von der Spitze des Mount Boot aussah. Sie fühlte sich schwer in diesem Augenblick. Ihre Krone, ihr Schmuck, selbst ihr Halstuch drückten plötzlich so ein entsetzliches Gewicht auf Sanzomon. Wind streifte über sie. Er war zwar bitter kalt, aber angenehm „In meiner Heimat gilt es aber als große Ehre, ein heiliges Digimon zu werden und dann in heiliger Mission für die Digiwelt zu kämpfen. Wer fällt, wird im Tal der Wiederkehr wiedergeboren und empfängt den Segen des Lichts erneut. Das ist die Aufgabe des Ordens, der seinen Ursprung in den Lehren des ersten Sanzomons hat, dass angeblich neunzehn Jahre einmal rund um Web Continent wanderte und den Boden reinigte, indem es die Sünden der Digimon in sich aufnahm. So sollen erst überhaupt die Engel-Digimon in dieses Land wiedergekehrt sein, nach jahrelanger Zeit der Finsternis. Wir, die in dieser Gemeinschaft aufwachsen sind die direkten Übermittler und Bewahrer dieser Reinheit. Und eine noch größere Ehre soll sein, für dieses hohe Ziel sein Leben zu lassen und neu geboren zu werden. Wer weiß, wie oft ich schon im Kampf gefallen und wiedergekehrt bin. Mit der Zeit erschien dieses hochgepriesene System doch immer... sinnloser. Wir stehen auf, wir beten, arbeiten, beten, essen, beten, lernen, beten, essen wieder und beten vor dem zu Bett gehen erneut. Wir haben keinen Kontakt zu anderen Digimon, die auf Web Continent lebten. In den östlichen Wäldern lebten feminie Digimon. Wer mehr… so wie Ihr war, wurde in die westlichen Wälder geschickt. Umgekehrt genauso. Alles für das Licht der Digiwelt, damit wir rein werden und es blieben...“ Wieder seufzte Sanzomon. Länger und tiefer. Ihre Brust fühlte sich nun genauso schwer an wie die nicht vorhandene Last auf ihren Schultern. Der Wind drehte sich, verlor aber an Stärke. „Keine sinnlosen Tätigkeiten. Keine Fantasie. Keine Freundschaften. Keine Kunst. Keine Fragen. Kein Entdecken.“ „Was erhofften die ach so heiligen, reinen Digimon sich davon?“, fragte Myotismon nach. Er klang angewidert. Natürlich. Für Sanzomon schien es logisch, dass er solchen Digimon abgeneigt war. Ob er vielleicht, vor vielen, vielen Jahren einmal gegen heilige Truppen kämpfen musste? Vielleicht sogar gegen Digimon aus ihrer Heimat? Einerseits wollte sie es wirklich wissen, andererseits musste Sanzomon sogar zugeben, dass es vielleicht nicht schade darum war, wenn Myotismon ihr auf diese Frage keine Antwort gab. „Dass wir starke Engel-Digimon werden und die Dunkelheit in Schach halten, damit die Balance zwischen Licht und Dunkelheit niemals kippt. Das sei unsere heilige Pflicht, für die wir vorbereitet wurden“, antwortete Sanzomon nach kurzem Zögern. „Die Sistermon schimpften oft mit mir, weil ich schon als junges Digimon zu viele Fragen stellte und ich alles wissen wollte. Ich bin ziemlich oft ohne Essen ins Bett geschickt worden. Fragen stellte man nicht. Fragen sind unangenehm. Neugierig zu sein lässt unangenehme Dinge entdecken. Es verderbe den Geist.“ Sanzomon lachte, obwohl die Erinnerungen sie nicht fröhlich stimmten. Sistermon Ciel, bei allen Digigöttern, wie oft hatte sie Tinkermon damals vor allen ihren Kameraden ausgeschimpft? Wie oft ihr auf die Finger gehauen, wenn sie nicht das schrieb oder las, was ihr aufgetragen wurde? Und wie oft bekam sie Strafen, weil sie Sorcerymon besuchte? Zu oft. Und mit Ausnahme mit ihrer einzigen Freundin, die sie laut den Sistermon gar nicht haben dürfte machten ihre Kameraden einen Bogen um sie. Sie war ein Sonderling. Hielt sich nicht an die simpelsten Regeln. Sie brachte Unruhe, weil sie nicht so war wie die anderen und das war schlecht. Vermutlich mochte sie dieses Buch, FAHRENHEIT 451 deswegen so gerne über diesen Feuerwehrmann mit dem komischen Namen, der kein Digimon-Name war – und was auch immer ein Feuerwehrmann war – der in der wohl schrecklichsten Stadt der Welt lebte, wo alle empathielos waren, alles nachplappern was man ihnen vordichtete und sich mit schönen Farben und inhaltslosen Gesprächen berauschten, um nicht zu bemerken was für eine nichtssagende Existenz sie führten, in der es nur darum ging, dass jeder dem anderen glich. (Wir müssen alle gleich sein nicht frei und gleich geboren sondern gleich gemacht jeder ein Abklatsch des anderen dann sind alle glücklich dann gibt es nichts Überragendes mehr vor dem man den Kopf einziehen müsste nichts was einen Maßstab abgäbe Also ein Buch im Hause nebenan wie ein geladenes Gewehr Vernichte es) Wie viele schreckliche Parallelen zu ihrer Heimat. Sanzomon legte ihre Hand in die andere und faltete sie zusammen, wie bei einem Gebet. „Und dann kam Sorcerymon. Er war schrullig. Er war feige. Er war faul. Aber er war viel gereist. Er hat so viel erzählt. Auch von Server. Wie viele verschiedene Digimon hier leben und von der Technik. Ich war so gefesselt davon. Er erzählte von den Wüsten, den Meeren, den Bergen und den Sternen die er sah. Und ich wollte das auch sehen.“ „Wo ist er nun? Haben die Sistermon ihn vernichtet?“, harkte Myotismon nach, aber Sanzomon schüttelte den Kopf. „Nein. Er floh. Nachdem meine Freundin starb verbrachte ich sehr viel Zeit bei ihm. Er las mir kritische Lektüre vor, wie die Sistermon es nannten. Er brachte mir Dinge über Biologie bei und dass wir uns von den ach so bösen Digimon gar nicht unterschieden und den selben Ursprung hatten. Er erklärte mir, wie Digitation funktionierte. Es war blasphemisch. Aber ich wollte mehr hören.“ Der Wind heulte über den Pass. Irgendwo hinter ihr raschelten trockene Blätter, die über den steinigen Boden getragen wurden, ehe ein kräftiger Luftzug sie davon tragen würde, oder sie würden sich in einer Ecke sammeln, die eines der Bakemon später aufkehren würde. Das Schloss wirkte trotz seiner Dunkelheit nicht wie ein typisches Geisterschloss, allein dadurch wie sauber es war. Durch seine verschiedenen Bauarten, den Räumen die manchmal nicht so ganz mit der Architektur des Flügel übereinstimmte kommt es eher vor als entsprang dieses Schloss einem Nonsens-Gedicht. „Die Sistermon müssen das herausgefunden haben. Vielleicht war auch ich Schuld, weil ich zu viel fragte. Ich habe nicht alles mitbekommen. Ich weiß, es kam zu einem Kampf. Er digitierte zu einem Wisemon und dann löste er sich auf und ich weiß bis heute nicht wohin. Ich wünschte damals, er hätte mich mitgenommen. Eine Zeit war ich wütend auf ihn. Aber vielleicht war es auch besser so.“ „Ihr seid also nicht los, ihn zu finden?“ „So wie ich ihn kenne, wird er sich irgendwo versteckt haben, wo ihn niemand bei seinem Mittagsschläfchen stören kann“, lachte Sanzomon. „Ich würde ihn niemals finden. Ich könnte mir denken, wo er ist. Aber nicht, wie ich dahin komme.“ „Zu weit weg?“ „Nicht wirklich. Eher...“ Ihre Hand schloss sich enger um ihre andere. Ihre Fingernägel kratzten über ihre Haut und hinterließen Abdrücke. „Eher..?“ „Nicht so wichtig. Ich wollte etwas Dummes sagen.“ Sie lachte, doch ihr Lachen klang hohl und auch, als sie sich fast spielerisch durch die Haare fuhr, wirkte es unecht. „Wieso habt Ihr Eure Heimat verlassen?“, fragte Myotismon nach einem Moment des Schweigens und in sich Gehens. Sanzomons letzte Äußerung ignorierte er, als hätte es sie nicht gegeben. Doch er wirkte nachdenklich und gerne würde Sanzomon wissen, was in seinem Kopf vorging. „Heilige Digimon sind begehrt. Selbst als ein Digimon, dass zu viele Fragen stellte wird man Euch doch mit offenen Armen empfangen haben.“ „Ich... bin gegangen“, gestand Sanzomon, erfüllt von Scham. „Ich hielt es dort nicht aus. Aber ja. Die Freude war anfangs groß.“ Sie schnaufte tief, als die Erinnerungen sie durchfluteten. Ja, die Freude war wirklich riesig, als ein Sanzomon nach so vielen Jahren wieder auf dem Boden Web Continents stand. Die Sistermon und die Äbtissin kamen aus dem Staunen nicht heraus. Sie hatten sich sogar vor ihr verbeugt. So viel Ehrfurcht war Sanzomon nicht gewohnt, obwohl sie als D'arcmon stets Ärger hatte. Ständiges Genörgel. Ständige Diskussionen. Ständige Rechtfertigungen und Kritik, nur weil sie sich weigerte ihr Schwert zu ziehen. Manchmal jedoch war Sanzomon, als spürte sie es noch an der Hüfte hängen, genauso wie sie manchmal noch ihre Flügel spürte. Etwas von den vorherigen Stufen blieb immer in einem Digimon zurück. „Ich sollte erst in den Krieg, hab mich aber geweigert. Ich lief weg. Nicht weit, aber weit genug um Ruhe zu haben. All die Gedanken, die in meinem Kopf waren, all die Dinge, die mir klar wurden schrieb ich auf. Sorcerymon war fort, aber Papier sei geduldig. Dem Papier meine Gedanken zu erzählen war erleichternd. Ich schrieb viel Zeug. Manches habe ich danach gelesen und ich versteh selbst nicht, was ich da eigentlich geschrieben habe. Ich schrieb nächtelang. Und eines Morgens war ich -“, Sanzomon blickte von sich herab, von den Armreifen an ihren Handgelenken, zu ihren nackten Füßen, „- dies. Das ich zu Sanzomon wurde, nicht zu einem der ersehnten Engel-Digimon machte für mich Sinn. Ich wollte nie kämpfen. Ich dachte, dass ist der Beweis, dass ich anderen das, was in meinem Kopf ist erzählen sollte. Die Äbtissin sah das auch so. Ich sollte da weiter machen, wo jenes Sanzomon von einst, das Mount Boot segnete aufhörte. Aber...“ „Aber?“ Ein Kloß bildete sich in Sanzomons Hals, den sie nur mit Mühe runter schlucken konnte. Kurz war sie auch den Tränen nahe. Dabei hatte sie doch mit der Sache abgeschlossen. Sich nun aber daran gezielt zu erinnern schmerzte. Schließlich war es ihr zu Hause, egal was geschehen war. Es wurde kühler und Sanzomon zog ihr Gewand höher, um die Schulter zu bedecken. „Ich wurde über Nacht quasi vom Schüler zum Lehrmeister. Ich sollte nun die jungen Digimon erziehen und lehren. Doch die Vorstellung der Äbtissin und mir gingen sehr weit auseinander. Meine Ideen und Theorien schimpfte sie Blasphemie. Meine Überzeugungen und mein Wissensdrang nannte sie sündhaft. Meine Lehren seien ein schlechter Umgang. Sorcerymon sei daran Schuld. Die Bücher seien Schuld. Und dann haben sie...“ Sanzomon erstickte ihre Bitterkeit damit, dass sie ihre Lippen zusammenpresste und hinter diesen die Zähne zusammenbiss. Ihre Hände schloss sie enger zusammen und für einen Moment wünschte sie, Sorcerymon wäre bei ihr. Er war der Einzige der wusste, was in ihr vorging und sie verstand. Der vor allem Bücher verstand. So kostbar. Im Nachhinein kam sich Sanzomon dumm vor. Hatte sie wirklich geglaubt, sie hätte die Digimon in dem Orden ändern können? Und letztlich hatten die Bücher dafür büßen müssen. Dieser Abend. Alles war rot. Die Baumkronen. Die Baumstämme. Die Tempel am Mount Boot. Die Häuser. Alles war im roten Licht getränkt, in diesem warmen Rot, der Farbe von Leidenschaft, einer der vielen Übel und Triebe, die in ihren Kreisen nichts zu suchen hatten. Rot war das Feuer und es war auch gleichbedeutend mit Zerstörung und das sah Sanzomon vor ihren Augen, voller Entsetzen, dass sie sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten oder etwas sagen konnte. Die Bücher. Die Asche, die in die Luft flog, der Geruch. Und die Bewegung der Flammen, die das Papier auffraßen. (Verbrenne es verbrenne es ist den Ofen damit Feuer ist sauber Feuer ist rein) Die Seiten wurden schwarz, kräuselten sich, ein Teil wurde zu weißen Staub, ein Teil flog wie schwarze Federn zum Himmel, ehe sie sich gänzlich auflösten. Fort. Es war nicht die Trauer über die Bücher, die Sanzomons Stimme verstummen ließen. Materielles war ihr eigentlich egal. Doch zu sehen wie man mit Wissen, mit Worten und Informationen, mit Wissenschaft und Kunst umging verpasste ihr einen Stich ins Herz. Nur weil es unangenehm war. Nur weil es nicht so war wie man es wollte. Was sollte denn an Worten nur so falsch sein, dass man sie fanatisch zu Asche verwandeln wollte? Es waren nicht die Worte, die unangenehm waren. Fakten, Geschichten, Weisheiten, Kunst - Worte waren unschuldig. Der Geist, der sich ihrer verweigert und seine Werte über ihren Inhalt stellte, war er nicht das Problem? War Zensur wirklich die Lösung? War alles unangenehme zu verbannen wirklich der einzige Weg? „Ignoranz. Gepaart mit Dummheit. Kleingeistigkeit war schon immer ein stiller und schwer zu besiegender Feind“, murmelte Myotismon und lehnte sich etwas gegen die Mauer. Zuerst war es Sanzomon nicht bewusst, dass dies eine Antwort auf ihren inneren Fragen waren, sie hatte ja auch keine erwartet. Aber war es eine Antwort? Zufall sicher nicht? Hatte er ihre Gedanken gelesen? Konnte er das? Selbst wenn, hätte es sie nicht einmal in diesem Augenblick gestört. Myotismon war nicht nur das erste Digimon seit Sorcerymon, dem sich Sanzomon öffnete, sondern auch das erste Digimon seit langer Zeit, dem sie sich irgendwie verbunden fühlte. Sie schüttelte ihren Kopf. „Jedenfalls ging ich. Ich konnte dort nicht leben. Vielleicht treffen sich unsere Wege wieder. Ich bin ihnen nicht böse und sie ließen mir immerhin die Wahl. Und ich habe mich hierfür entschieden. Ich habe in der kurzen Zeit atemberaubende Dinge gesehen. Auch wenn es sehr einsam ist.“ „Das Leben eines wandernden Einsiedlers hat eben seine Probleme, nicht zuletzt, weil man angreifbar ist. Man ist stets auf sich selbst gestellt und leichte Beute, umzingelt von Einsamkeit. Andere Digimon macht die Einsamkeit irgendwann wahnsinnig“, erklärte Myotismon. Wie Sanzomon auch schaute er von der Mauer in die Ferne, nur was er genau anvisierte vermachte Sanzomon nicht zu sagen. Auch seine Wortwahl empfand sie als interessant. Sprach er von seinen Erfahrungen? Wenn man vom Feind umzingelt war, Kameraden so sterben sah oder sterben lassen musste, konnte sie sich vorstellen dass Einsamkeit so etwas mit einem Tat. Ob es den D'arcmon, die in den Kampf zogen auch so erging? Sie schaute weiter zum Wald hinunter, der auf eine paradoxe weise ihrem Heimatwald plötzlich so ähnlich sah. „Ich vermisse das durchaus. Ich wäre gerne ein Teil einer Gruppe. Aber ich habe diesen Weg gewählt. Vielleicht finde ich meinen Platz eines Tages. Aber zuerst muss ich die Digiwelt sehen. Ich will sie begreifen. Dann kann ich vielleicht meine eigene Gemeinschaft gründen, wo Digimon wie ich leben können. Gleichgesinnte, mit denen man sich austauschen kann. Gänzlich unvoreingenommen. Wo die Frage nach Licht und Dunkelheit eine sekundäre Rolle spielt“, seufzte Sanzomon. Dieser Seufzer erleichterte ihre Brust etwas, also stützte sie sich von der Mauer ab und schaute Myotismon wieder ins Gesicht. „Was ist mit Euch? So eine Gemeinde wäre vielleicht auch für Euch und eure Untertanen nicht falsch. Sie wären nicht ausgegrenzt.“ „Ich sagte doch, wir sind eigen und darum lieber unter uns. Außerdem interessieren mich andere nicht.“ „Und was interessiert Euch?“ „... Nichts“, antwortete Myotismon. Doch sein Zögern war verräterisch und machte Sanzomon nur neugieriger. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da draußen nichts gibt, dass Ihr nicht mit eigenen Augen sehen wollt. Jedes Digimon hat das“, meinte sie sehr überzeugt und nichts deutete mehr bei Sanzomon auf ihre anfängliche Melancholie hin. Myotismon sagte daraufhin erst gar nichts, er sah weiterhin nur nachdenklich ins Tal hinab und Sanzomon befürchtete schon, ihn verärgert zu haben und ob es wirklich so taktvoll war ein Digimon so etwas zu fragen, wenn es doch an sein Schloss gebunden war, um zu überleben und daher sicher keine großen Reisen unternehmen könnte, selbst wenn es wollte. Dann aber zeigte sich ein schmunzeln. „Mich interessieren, wie soll ich es umschreiben – Dinge, außerhalb der uns bekannten Grenzen.“ In seinem Gesicht zeigte sich Erwartung, doch Sanzomon schien erst wie erstarrt. Vielleicht hatte sie ihn missverstanden, vielleicht auch interpretierte sie zu viel in seine Worte hinein, doch in diesem Moment klang Myotismons Wortwahl der von Sorcerymon so erschreckend ähnlich. Dieses vage drumherum Reden und diese anschließende Erwartungshaltung, um zu testen ob ihre Gegenüber auch wirklich verstand, was man ihm sagen wollte. Sanzomon war sich nicht sicher, ob sie es wirklich verstand. Es klang einerseits deutlich. Aber wer sollte daran glauben? Kein Digimon tat das. Keines, nur... „Ihr glaubt an andere Welten?“, fragte Sanzomon. Sie bemühte sich nüchtern zu klingen, aber es gelang ihr nicht. „Ihr stellt diese Frage einem Digimon, dass mit einem Fuß bereits in der Dunklen Zone steht. Und sind wir beide nicht der Magie mächtig? Und Magie ist nicht gerade etwas, was üblich in der Digiwelt ist. Magie wurde importiert. Wie die Bücher mit Namen, die keine Digimon-Namen sind. Doch woher, so frage ich mich.“ Obwohl Myotismon den Augenkontakt suchte, wich Sanzomon ihm aus. Andere Welten. Daran glaubte niemand. Sorcerymon höchstens, auch wenn er es nie deutlich sagte, doch seine fadenscheinigen Äußerungen machten es deutlich, dass er mehr wie nur dran glaubte. Er käme wohl sogar aus einer anderen Welt, die aber eng im Kontakt mit der Digiwelt stand. Man glaubte zwar an das Goldene Land und die Dunkle Zone, die dem Prinzip von Himmel und Hölle glichen, aber an mehr wie das... Sanzomon schloss es nicht aus und irgendwie war sie sich sicher, Sorcerymon – beziehungsweise Wisemon war nun irgendwo in so einer anderen Welt und vielleicht beobachtete er sie dabei, wie sie durch die Digiwelt wanderte und hoffte, eines Tages die Grenze zu überschreiten. Wenn es sie denn gab. Es gab keinen Beweis, dass es mehr Welten gab, nur Erzählungen, nur Gerüchte, nur Aberglaube. Keine Schriften. Nichts. Das machte das glauben so schwer. Und was sollte es denn in diesen anderen Welten geben? Es müsste doch einen Beweis geben, doch letztlich hat sich jeder Verdacht und jede Sichtung über eine andere Welt als schlichte Anomalie in der Digiwelt herausgestellt. Eine Laune der Natur oder der zunehmende Einfluss der Dunklen Zone mit dem Anstieg der Macht der Meister der Dunkelheit, das war schwer zu sagen. Jedoch... (Was ist der logische Schluss wenn diese Namen keine Digimon-Namen sind aber alle Digimon doch Digimon-Namen haben?) „Also... Angenommen, es stimmt, dass es andere Welten gibt... Und man könnte wirklich so leicht diese Grenzen überschreiten – was erhofft Ihr Euch in einer anderen Welt zu finden, anders wie in der Digiwelt?“ „Weswegen habt Ihr denn Eure Heimat verlassen?“ „Wieso folgt auf jede meiner Fragen eine Gegenfrage von Euch?“ „Ich hörte, so zeigt man Interesse.“ „Nein. So gibt man nur unterschwellig zu, dass man Geheimnisse hat, die man niemanden verraten will“, meinte Sanzomon verärgert und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Energisch griff sie nach ihren Unterlagen und ihren Schreibutensilien um an dem weiter zu arbeiten, wofür sie eigentlich hier war. Die Pflanze stellte sie auf den Boden, um Platz zum schreiben zu haben und sie begann die letzten Sätze, die sie geschrieben hatte noch einmal zu lesen, um den Anschluss wieder zu finden. Jedoch kaum, dass ihr die Worte wieder einfielen und sie dabei war die ersten Zeichen zu schreiben, kam ihr Myotismon etwas näher. Da sie vermutete, dass er ihr nur bei ihrer Arbeit zu schauen wollte, schenkte sie dem nicht so viel Beachtung, auch als Myotismon die Distanz noch einmal etwas verringerte. Doch schließlich schreckte Sanzomon auf, als er ihr zuflüsterte: „Soll ich Euch ein Geheimnis verraten?“ Ungläubig starrte Sanzomon Myotismon an. Er grinste nicht nur, er zeigte sogar tatsächlich etwas wie Emotion. Erwartung und – kaum zu glauben – Neugierde, was sie dazu zu sagen hätte. Sie konnte darauf erst nicht antworten, sondern stand mit offenem Mund da. Doch ihre Augen wurden groß und ihre Pupillen so schmal, dass ihre Augen wie Goldmünzen erschienen und ebenso strahlten wie die Mittagssonne. Er hielt Sanzomon die Hand hin, leicht geöffnet, um ihre ergreifen zu können, sobald sie ihre eigene reichte, doch Sanzomon zögerte zuerst. Myotismons Offenheit machte sie skeptisch, so sehr sie auch gern wüsste, was er zu verbergen hatte und warum er nun bereit war es ihr zu offenbaren. „Was soll das für ein Geheimnis sein? Könnte Ihr es mir nicht einfach sagen?“ „Ihr sollt es mit eigenen Augen sehen. Ich dachte, so sei Eure Art zu arbeiten. Selbst sehen, statt es sich erzählen zu lassen. Und wo ist der Spaß an der Neugierde, ohne Risiko und etwas Nervenkitzel?“ Sanzomon ließ sie Schultern sinken und stöhnte auf, als sie ihre eigenen Worte aus Myotismons Mund hörte und sie damit in die Enge trieb. Abzulehnen widerstrebte ihr jedoch noch viel, viel mehr. Ihr Puls stieg, der Hals kratzte und sie schluckte schwer. Zwar streckte Sanzomon schließlich doch nach Myotismons Hand aus, blieb aber noch unsicher schweben. Es wirkte zu einladend, zu nett. (denk daran was er ist) Sanzomon musste sich fragen, ob sie ihm wirklich trauen konnte. Sie sah in seine Augen und würde sagen, ja, sie vertraute ihm, sie waren doch beinahe Gleichgesinnte, doch dann sah sie seine Zähne und sie schwor, seine Handschuhe waren eng genug um sie erkennen zu lassen, wie scharf und spitze die Fingernägel waren, wie Krallen. Sie war hin und her gerissen. (denk daran was er ist) Sie dachte daran, was er war. Aber ihr Verlangen, zu wissen, was er ihr zeigen wollte war enorm. Und gerade von ihm, der so viele Geheimnisse zu verbergen schien. Das war sogar auf eine gewisse Weise für Sanzomon schmeichelhaft. Sie musste es wissen. Sie musste. Neugierde barg immer ein Risiko. Und zur Not konnte sie sich wehren. Er war ein untotes Digimon, sie ein heiliges. Sie hatte einen Vorteil. Sanzomon holte tief Luft, die sie langsam wieder ausblies. Dann, langsam und vorsichtig, legte sie ihre zierliche Hand in die von Myotismon, die sich gleich einer fleischfressenden Pflanze um sie schloss. Augenblicklich drehte sich die Welt um sie herum. Die Nuancen aus Grautönen verliefen ineinander und wurden zu einem einheitlichen, tiefen Schwarz. Der Boden unter ihren Füßen blieb steinig. Die Wände kamen näher, doch weil Sanzomons Welt sich zu schnell drehte konnte sie nicht sagen wie schnell und wie nah sie kamen und in einem Anfall spontaner Klaustrophobie riss sie ihre Hand wieder aus Myotismons Griff. Kurz übermannte sie der Schwindel und sie stützte sich an der Wand ab. „Kein Grund zur Panik. Der Schwindel ist normal. Leider ist dies der einzige unkomplizierte Weg“, sagte Myotismon seelenruhig zu ihr. Sanzomon schaute sich um und tastete die Wand ab, an der sie sich lehnte. „Wo sind wir?“ „In einem verborgenen Teil des Schlosses.“ Dabei seinen Umhang um sich werfend kehrte Myotismon ihr den Rücken und lief die Treppen hinab. Der Korridor war eng und die gewölbte Decke niedrig. „Und was machen wir hier? Wo geht Ihr hin?“ „Gemach, Gemach. Das werdet Ihr früh genug erfahren“, antwortete er freundlich und lief die Treppe weiter abwärts, die in eine absolute Schwärze führte und deren Ende sich nicht erahnen ließ. „Und bleibt dicht bei mir. Ich möchte schließlich nicht, dass Ihr mir hier verloren geht. Ihr werdet sicher bereits gemerkt haben, dass das Schloss seine Launen hat.“ Die Fragen, die sich ihr auftaten stellte sie vorerst beiseite. Der Korridor war sowohl vor ihr als auch hinter ihr stockfinster. Es gab zwar Fackeln, deren Abstände auch nicht groß war, doch ihr Licht ragte kaum einen Meter weit. Würde sie Myotismons dunkelblonden Haarschopf nicht sehen, würde Sanzomon selbst ihn nicht mehr in dieser Finsternis erkennen und denken, er sei verschwunden. „Wieso ist denn das Schloss so... launisch, wie Ihr sagt?“ „Ich denke, es ist ein Schutzmechanismus des ursprünglichen Erbauers. Selbst ich kenne nicht alle seine Winkel, obwohl ich bereits viel Zeit darin investiert habe, alle Geheimnisse dieses Gemäuers zu entschlüsseln“ „Was will das Schloss denn beschützen? Habt Ihr das in Erfahrung bringen können?“ „Vielleicht... Aber das ist ein Thema für einen anderen Tag.“ Sanzomons wütendes Schnaufen über diese wage Aussage ignorierte Myotismon. Doch sie folgte ihm, den langen, schmalen Korridor entlang, der weder Fenster noch Ecke besaß und je weiter es nach unten ging und zwischen den beiden nur Schweigen herrschte, so beunruhigter war Sanzomon. Für einen Moment kam ihr gar der Gedanken, dass sie einen Fehler gemacht hatte, bis Myotismon vor einer großen Türe stehen blieb, deren Holz so dunkel war, dass es fast schwarz schien. Sie gab ein entsetzliches Quietschen von sich, als sie geöffnet wurde. Myotismon ging zur Seite, um Sanzomon den Vortritt zu lassen. Sie schluckte, schritt aber anschließend in den Raum. Ein Raum, der nicht größer war wie all die anderen Räume, voll mit Regalen und diese wiederum voll mit Büchern. „Wir sind in der Bibliothek?“ „In meinem Arbeitszimmer“, antwortete Myotismon knapp. Sanzomon presste ihre Augen zusammen, um sich so besser an die Dunkelheit gewöhnen zu können und als sie sie wieder öffnete, erkannte auch sie, dass das ein völlig anderer Raum war. Kein Mobiliar außer einen Tisch, einen Stuhl und einen Kerzenleuchter, der genauso effektiv war wie die Fackeln im Korridor. „Es ist nicht leicht zu finden, selbst wenn man weiß, wo man hin müsste. Das Schloss birgt vieler solcher Geheimnisse, wie Ihr sicher schon bemerkt habt“, erklärte Myotismon, Sanzomon antwortete ihm nicht. Sie starrte die aufgestellten Bücher an. Sie sah die Symbole, sie sah die alten Digimojis. Diese Bücher mussten uralt sein, dennoch waren sie ihr nicht unbekannt. „Ihr kennt diese Bücher?“, fragte Myotismon, beim Anblick von Sanzomons Gesicht, dass klamm wurde beim lesen der Titel und der Erkenntnis, was das war. Einerseits war sie auch von Ehrfurcht erfüllt. „Die selben Bücher bewahrte auch die Äbtissin auf. Sie hat sie weggesperrt. Man sagt, die göttlichen Digimon selbst hätten diese Schriften verfasst. Heilige wie dämonische...“ „Und Ihr versteht die Sprache?“ Zögerlich nickte Sanzomon. Es war schon lange her, dass sie etwas mit den alten Digimojis in den Händen hielt, aber sie konnte die Titel entziffern und zum Teil reichte schon ein genauer Blick auf den Einband. Dunkle Magie. Okkultismus. Verbotene Alchemie. Ihr wurde mulmig bei diesem Anblick. Dieser Inhalt wurde von Dämonen-Digimon überliefert und auch wenn Sanzomon sich selbst immer als neutral bezeichnete, waren diese Bücher letztlich doch auch ein Beweis für die Extreme unter den finsteren Digimon. So wie die heiligen Digimon von Kontrolle und Reinheit besessen waren, drehte sich alles bei ihnen um die Zerstörung und zu oft hatten sie es schon fast geschafft. Und nicht nur in dieser Welt, rief Sorcerymons Stimme in Sanzomons Gedächtnis. Es überraschte sie nicht, dass Myotismon so etwas besaß, nur war sie sich nicht sicher, ob sie wirklich davon so angetan sein sollte. „Ihr habt doch keine Angst, oder?“ „Ich weiß nur nicht so Recht, was ich denken soll“, murmelte Sanzomon nachdenklich. Im Augenwinkel sah Sanzomon noch, wie Myotismon etwas aus einer dunklen Schatulle holte und den Inhalt in seiner Faust hielt. Es ließ sich nicht erahnen was es war, nur dass es wohl nicht sehr groß sein konnte. „Was habt Ihr da?“ „Zuerst aber, sagt mir ob Ihr etwas spürt.“ „Spüren? Was soll ich spüren?“ „Sagt einfach, ob Ihr etwas Vertrautes spürt, genau hier.“ Nicht wissend wovon Myotismon sprach konzentrierte sich Sanzomon dennoch auf ihre Umgebung. Wenn sie diese drückende Energie, die von diesem Raum ausging ignorierte, spürte sie neben Myotismons eigener erdrückenden Präsenz nichts. Sie hörte nichts, was sie nicht schon vom Schloss kante. Sie sah nichts. Sie fühlte auch nichts, nicht auf ihrer Haut und auch nicht in ihrem Innersten. „Nein. Hier ist nichts“, sagte Sanzomon, als täte es ihr Leid das gestehen zu müssen, auch wenn sie nicht verstand was ihr daran Leid tun sollte. Myotismon verzog die Lippen. „Dachte ich mir schon“, murmelte er und ballte seine Faust noch fester. Sanzomon hörte etwas zerbrechen. Ein kratziges Geräusch. Sanzomon hätte spontan auf Glas oder Keramik getippt und als Myotismon seine Faust öffnete, rieselten Scherben auf den Boden. Ein kurzer, letzter Funke verriet, dass, das immer es war mal goldenen und rosa glänzte, dann verlor sich aber jeder Hauch von Farbe. Die Scherben wurden erst steingrau, dann lösten sie sich auf. „Was war das?“, fragte Sanzomon und sah noch einen Moment den Datenpartikel hinterher, ehe sie gänzlich verschwanden. „Ein Replikat eines, wie soll ich sagen – Artefaktes. Es besitzt eine nicht ganz zu begreifende Macht. Und eine durchaus auch heilige Macht.“ Seine Hand verschwand unter seinem Umhang und holte ein weiteres Exemplar hervor. Sanzomon vermutete, dass dies das Original war. Die Farben waren gleich, golden und rosa und nun wurde ihr auch klar, dass das eine Kette war. Der Anhänger baumelte an einer weißen Schnur. Der Anhänger war vielleicht drei Zoll groß und etwa in der Mitte war dieses rosa Stück. Glas? Kristall? Es war schwach eingezeichnet und wegen der geringen Helligkeit sah Sanzomon es nicht sofort, aber auf diesem rosa Feld war ein Blumenmuster. Spontan hätte sie gesagt es sähe wie ein Lotus aus. Und die Farbe und die Art wie es dargestellt wurde sah einem bestimmten Symbol ähnlich. Schnell erinnerte sich Sanzomon auch wieder. „Das -“ Sanzomon erschrak zu sehr, den Rest des Satzes verschluckte sie. Das Tifareth-Symbol. Sie hatte es schon ewig nicht mehr gesehen. Dieses Zeichen, das Symbol der Reinheit und des Lichtes, dem Licht, dem sich der Orden, in dem Sanzomon mit den anderen erzogen wurden, verschrieben hatten. Neben der Kette der Äbtissin erinnert sich Sanzomon an eine Fensterrose, in deren Mitte das Tifareth-Symbol war und wenn die Sonne durch das Glas schien, fiel das Licht auf sie, die Sistermon und ihre Spielkameraden hinab. Und anders wie beim der Kopie spürte Sanzomon, dass von diesem Ding eine Macht ausging. Schwach, aber spürbar. Sie hörte das sachte Läuten von Glocken. Dieses kleine Ding trug heilige Macht in sich. Verdutzt wandte sie sich wieder an Myotismon. „Wieso ist etwas mit heiliger Macht in Eurem Besitz? Und dann auch noch mit diesem Symbol?“, fragte Sanzomon entsetzt und sah dem Amulett zu, wie es sich in der Luft langsam um die eigene Achse drehte. Es schimmerte schwach rosa im Kerzenlicht. „Dieses Amulett und dieses Wappen bewahre ich anstelle seines wahren Besitzers auf, der sich aktuell jedoch nicht ermitteln lässt. So verhindere ich auch, das jemand Unfug damit treiben könnte – oder gar Schlimmeres. Ich habe nicht wenig Feinde. Die Meister der Dunkelheit sind nur ein Beispiel. Ich habe Kopien angefertigt, die mir nicht nur helfen sollen seinen wahren Träger zu finden, sondern auch um das Original vor eventuellen Feinden zu schützen. Doch ohne den Funken heiliger Macht sind die Kopien wertlos. Ihr könnt Euch denke ich vorstellen, wieso mir das Probleme bereitet.“ Ohne von dem Amulett wegzusehen nickte Sanzomon stumm, dann fuhr Myotismon fort: „Mein Meister war magisch überaus begabt. Er kannte jedes einzelne Zitat und jeden einzelnen Spruch in jeder Sprache auswendig. Diese Bücher sind schon im Besitz vieler Myotismon gewesen und jedes von ihnen hat ihren Inhalt erweitert. Ich, mein Meister, sein Meister, dessen Meister und viele Generationen zurück.. Sie erzählen von der Magie, die Zeichen wie dieses enthalten. Kräfte, die in unserer Welt nicht zu begreifen sind. Prophezeiungen und Visionen, die nicht nur das betreffen sollen, was wir kennen. Dinge, die nur wenige Digimon begreifen können, weil es ihr Verstand einfach nicht zulässt. Es könnte eine Vorsichtsmaßnahme der Digiwelt sein. Oder schlicht Dummheit.“ Die Worte klangen in Sanzomons Ohr verdächtig vertraut. Die Äbtissin ließ auch manchmal Bemerkungen los, die sehr mehrdeutig zu interpretieren waren und den Verdacht erweckten, dass es mehr gab wie die Digitalen Welten. Die Sistermon, besonders Sistermon Ciel als ihre Stellvertreterin schoben es auf das hohe Alter der Äbtissin. Doch Sanzomons Misstrauen hielt sich damals und viele der Bücher, die verboten waren, zu denen sie jedoch Zugang nach ihrer Ultra-Digitation erhielt sprachen für sich. Beide Digimon blieben stumm, aber doch verriet etwas in ihrer Mimik und ihrer Haltung genug, um den anderen mitzuteilen, was sein Gegenüber dachte. Ihr kennt das, das ist Euch nicht neu, diese uralten Geschichten, dieser Aberglaube, Ihr kennt es, die Geschichten über andere Welten, nicht nur digitale, Ihr hört davon und Ihr habt nicht nur den Verdacht, Ihr glaubt daran, genau wie ich, hörte Sanzomon Myotismon sagen, obwohl er nicht einen Laut von sich gab. Glaubte sie es? Sie war sich unsicher. Aber dann erinnerte sie sicher wieder an Sorcerymon. Das Digimon, dass von einem Land kam hinter dem Meer, hinter der Sonne, nicht im Westen aber auch nicht im Osten. Und sie ahnte damals bereits, was er ihr damit sagen wollte. Andere Welten... Sollte doch etwas dran sein? Obwohl es außer mehrdeutigen Schriften von uralten Digimon nichts gab, was darauf hindeutete? „Ich habe zwar schnell gelernt und auch die Jahre nach seinem Dahinscheiden mit dem Studieren magischer Schriften verbracht. Doch all das Lernen hat nichts gebracht. Ich bin und bleibe eben ein untotes Geschöpf und dieses hier ist eine Macht, die sonst nur meinen natürlich Erzfeinden vorenthalten ist“, erklärte Myotismon weiter. „Aber das Ihr, als heiliges Digimon nichts spürt vergewissert mir, dass ich mit einen Befürchtungen Recht hatte. Diese Kopien sind wertlos.“ „Und was tut Ihr nun?“, fragte Sanzomon aufgeregt. Myotismon stand entgegen des Kerzenlichtes, dennoch erkannte Sanzomon in den Schatten wie er die Lippen verärgert und missmutig verzog. „Ich bin zugegeben etwas ratlos. Mir bliebt wohl nur, als schnell seinen seinen Besitzer zu finden. Aber ich werde nicht der Einzige sein, der ihn sucht. Ich hoffte, die Kopien für die Suche zu nutzen und das Original derweil sicher zu verwahren. Aber wie es scheint werde ich einen anderen Plan benötigen. Diese Magie ist etwas komplex. Vielleicht eine Magie, die kein Digimon zu begreifen versteht. Und für mich, als ein Digimon, dessen Heimat die Dunkelheit ist erst Recht nicht. Ein Jammer.“ Myotismon seufzte, aber sagte nichts. Er war ratlos und das an ihm zu sehen überraschte Sanzomon. Sonst wirkte der untote Schlossherr so sehr von sich überzeugt und immer voraus schauend, aber hier schien er an seine Grenzen zu stoßen. Und Sanzomon starrte weiter auf das Schmuckstück und überlegte. Und überlegte. Sie würde im Nachhinein nur schwer erklären können, was sie zu dieser Entscheidung ritt, denn eigentlich hätte sie merken müssen, das etwas nicht koscher war. Vielleicht war es ihre Neugierde, die genau wissen wollte was dieses Ding nun war. Vielleicht jedoch auch, weil sie anfing etwas für Myotismon zu fühlen. Was es war, hätte sie schwer sagen können. Nicht eine tiefe Verbundenheit, aber es ging über ihren Wissensdrangs hinaus, da war sie sich sicher. Sie hätte es in etwa mit dem Vergleichen können, wie sie Sorcerymon damals sah. Zugegeben war Myotismon, trotz dass er Charisma besaß kein vertrauenswürdiges oder sympathisches Digimon, aber Sanzomon fühlte doch etwas, was vielleicht dem Wunsch nach Freundschaft nahe kam. Und Freunde halfen sich gegenseitig. Freunde unterstützen sich, ohne etwas zu verlangen, so hieß es doch. „Vielleicht kann ich ja helfen“, schlug Sanzomon ganz euphorisch vor und überzeugt. Myotismon schien überrascht, runzelte dann aber skeptisch die Stirn. „Ich weiß nicht, ob Ihr mir helfen könnt.“ „Ihr sagtet doch, das es sich hierbei um heilige Macht handelt. Und da ich über solche Fähigkeiten verfüge, wäre es nicht allzu weit hergeholt. Ihr könntet es mich einfach versuchen lassen.“ „Ihr wollt doch nur einen Blick in die Schriften meines Meisters werfen“, bemerkte Myotismon. Sanzomon fühlte sich ertappt. „Und selbst wenn es so ist, was spricht dagegen? Ihr solltet doch mittlerweile wissen, dass ich Eurer Lektüre nichts Schädliches antun würde. Ich verspreche Euch, ich werde einen Weg finden Eure Idee in die Tat umzusetzen. So lasst es mich versuchen. Zu verlieren habt Ihr schließlich nichts.“ Um noch überzeugender zu wirken hob Sanzomon ihr Kinn, so wie Myotismon selbst sonst so gerne tat und hob die Brust an, doch ihre Augen funkelten und waren groß vor Erwartung wie die eines jungen Digimon. Myotismon wechselte den Blick immer wieder zwischen Sanzomon und dem Amulett, das mittlerweile aufgehört hatte sich gemächlich um die eigene Achse zu drehen. Er gab ein lautes und langgezogenes „Hmm“ von sich. Irgendwann veränderte sich sein Takt und er fokussierte Sanzomon wesentlich länger als den Anhänger und schließlich: „Nun gut... Ich überlasse es Euch“, sagte er streng, aber Sanzomon beachtete dies gar nicht. Mit großen Augen streckte sie ihre Hand aus, um das Amulett an sich zu nehmen. Das Material schien nicht schwer, die Oberfläche war glatt und es strahlte eine gewisse Wärme aus. Wie bizarr, hatte es eben doch noch in Myotismons kalten Händen gelegen. Es war wirklich mit heiliger Macht getränkt. Ihre Händen schlossen sich wie eine Blume zur Nachtdämmerung und Sanzomon drückte sie an sich. Kurz erinnerte diese Gefühl, dass dieses Amulett durch seine Macht verursachte sie an zu Hause. Dann nickte sie entschlossen. „Ich werde mein Bestes tun“, sagte sie von sich überzeugt und ernst. „Seht dies als meinen Dank.“ „Ihr seid doch mein Gast und als Gastgeber kann ich nicht von Euch erwarten, dass Ihr Euch für eine Selbstverständlichkeit revanchiert.“ „Ich meinte, als Dank, dass ich mich hier in Eurer Bibliothek umsehen und aufhalten durfte. Das... hat mir sehr viel bedeutet.“ Im Glauben, man erkannte dass sie sich für diese Aussage schämte schaute Sanzomon zur Seite. Eigentlich war sie so nicht, aber in Myotismons Nähe fühlte sie sich komisch. Sein ganzes Auftreten war erdrückend. Unheimlich wollte man sagen und Sanzomon würde nie behaupten, dass sie gar keine Angst vor ihm hätte. Aber sie war in erster Linie gefesselt von einem Digimon, dass so gegensätzlich nicht nur zu ihr, sondern auch zu allem anderen war, was sie bisher zu Gesicht bekam. Das Gefühl, dass in ihr aufkam glich der Faszination eines Buches, dass man nur aus der Hand legte, weil biologische Bedürfnisse einen dazu zwangen. Ein Buch jedoch gab keine Reaktion von sich. Ein Digimon hingegen schon und Sanzomon wusste nicht so recht wie sie agieren sollte. Sie war unsicher. Denk daran was er ist, rief ihre eigene Stimme in ihrem Kopf – und doch ließ sie zu, dass Myotismon den Abstand zwischen ihnen minimierte, ihre Haare zurückschob, nur um mit dem Finger über ihre Wange zu streichen und ihr zuflüsterte, während er ihr gleichzeitig tief in die goldenen Augen sah. „Ich habe vollstes Vertrauen in Euch und Euer Wissen.“ Seine Worte gingen Sanzomon unter die Haut. Das Pochen in ihrer Brust nahm zu, ihre Beine zitterten. Die Muskeln ihrer Unterleibs zogen sich zusammen und es nahm zu, als Myotismon ihr einen letzten, eindringlichen Blick mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen schenkte und erneut um ihre Hand bat, um sie aus diesem Raum zu führen. Sie redete sich ein, dass das Hunger sei, obwohl Sanzomon ganz genau wusste dass man Hunger dort nicht spürte. Vertrauen. In sie. In ihr Wissen. Er wusste, was ihr gefiel und ihr schmeichelte. Fast zu gut. Doch ihr Verstand riet sie zur Vorsicht und verbat ihr, dass Gefühl zu sehr zu genießen. Sie durfte nicht vergessen was er war. Digimon wie er galten als Charmeure, die ihre Beute nicht jagten, sondern umschmeichelten und sie somit in ihren Bann zogen. Er spielte mit ihr. Sie musste auf der Hut sein, auch wenn Myotismons Worte Gänsehaut verursachten. Es war wie mit Alkohol – man wusste es war in zu großen Mengen schädlich, doch der liebliche Geschmack und des angenehme Gefühl in Bauch und Kopf ließen eventuelle Folgen bei Übertreibung unwichtig erscheinen. Sanzomon rieb sich mit der Hand über ihr warmes Gesicht, während sie Myotismon folgte, unter fast zu offensichtlichen schwärmenden Blicken, die er nicht zu bemerken schien und überlegte, ob sie die Bakemon, wenn sie ihr das Essen brachten fragen sollte, ob sie ihr einen Drink bringen könnten. Sie könnte einen vertragen.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)