Katzenpapa von FreeWolf (Beyblade 2020: März) ================================================================================ Kapitel 6: thumbs up -------------------- Sie stolpern mehr als zu gehen, als sie sich in Boxershorts den Weg vom Badezimmer zu Kais Bett bahnen. Takao gähnt laut und ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Das ist ansteckend; Kai unterdrückt seinerseits ein Gähnen. Er stockt als er im Halbdunkel fast über einen Koffer stolpert, der im Weg liegt. Kai runzelt irritiert die Stirn. Er ist sich sicher, dass er keinen Koffer aus dem Schrank geholt hat. Dann hört er Siegfried in der Küche knuspern. Auch das sollte nicht möglich sein; sein Fressnapf war leer. Hat etwa jemand seinen Fressnapf aufgefüllt? Der Groschen fällt als Kai zu seinem Bett blickt. Er fasst gerade noch rechtzeitig nach Takaos Hand, bevor dieser Anlauf nehmen und sich aufs Bett werfen kann. „Was-?“, Takao wirft ihm einen irritierten Blick zu. Kai signalisiert ihm, leise zu sein und deutet auf die menschliche Silhouette unter seiner Decke. Takao sieht aus als hätte er einen Geist gesehen. Dann zieht sich das breiteste spitzbübische Lächeln über sein Gesicht, das Kai je gesehen hat. Kai will noch den Mund aufmachen, doch es ist zu spät. Takao stürzt sich mit einem lauten Ruf auf die Schlafende. „Hiromi-chan!“ Diese gibt einen erstickten Schrei von sich und wehrt sich zappelnd gegen den Angriff. Kai beobachtet schmunzelnd den Haufen an Gliedmaßen. Plötzlich gibt Takao einen Schmerzenslaut von sich. Hiromi hat wohl kritische Organe getroffen. Nicht, dass Takao es nicht verdient hätte; das Manöver konnte einfach nicht gut ausgehen. Kai wischt sich resigniert übers Gesicht, während er an die eine Seite des Bettes tritt. Er betätigt die Nachttischlampe, um sich den Schaden zu begutachten. „Gut getroffen“, murmelt er fast ein wenig beeindruckt. Takao, der sich zusammengerollt hat, einen Klagelaut von sich gibt. Kai glaubt, ihn so etwas wie ein „Das ist nicht fair!“, japsen zu hören. Hiromi hat ein Kissen in der Hand und schlägt damit zu. „Was zum Teufel war das denn bitte?“, schimpft sie. „Ich habe geschlafen, du Vollidiot!“ Takao gibt einen mitleiderregenden Laut von sich. Kai kann nicht anders; er lacht leise über die beiden, mit denen er seine Zeit am liebsten verbringt. Dann hat er plötzlich seine Arme voll mit Hiromi in einem T-Shirt, das entweder ihm oder Takao gehört, weil es ihr deutlich zu groß ist. Sie nimmt sein Gesicht in beide Hände und drückt ihre Lippen auf seine. Als sie sich lösen, lächelt Hiromi ihn breit an. „Hi“, gibt sie von sich. Kai hält ihren Blick, fühlt das Lächeln in seinen Mundwinkeln und die Wärme in seinem Brustkorb. „Hi“, erwidert er. Takao auf dem Bett gibt einen gequälten Laut von sich. „Und ich krieg eins in die Nüsse statt einen Kuss?“, beklagt er sich. Hiromi kichert und wendet sich um. Sie zieht Kai mit sich auf das Bett und beugt sich nach unten, um auch Takao zu küssen. „Ich hätte ja schon vor einer halben Stunde Hallo gesagt, aber ihr wart damit beschäftigt, euch gegenseitig zu vernaschen“, erklärt sie dann. Takao grinst breit, sucht Kais Blick. Kai fühlt Hitze auf seiner Brust, die über seinen Nacken in seine Wangen steigt. Er räuspert sich. „Irgendwie müssen wir uns ja beschäftigen“, scherzt er. Takao lacht. Hiromi lässt sich mit einem erleichterten Geräusch neben Takao in die Kissen fallen. Sie verschränkt die Arme hinter dem Kopf, blickt verträumt zu ihnen. „Bitte beschäftigt euch öfter so“, sie klingt lüstern. „Es sah verboten heiß aus“ „Wir beschäftigen uns aber auch gern mit dir“, gibt Takao zurück und küsst sie nochmals, während Kai ihren nackten Oberschenkel vom Knie nach oben streichelt. Er registriert zufrieden Hiromis Gänsehaut. Takao löst den Kuss, um seine Nase an Hiromis zu stupsen. Kai hält inne, seine Hand warm und fest auf Hiromis Haut. Er wartet wie Takao auf Hiromis Antwort, den Blick auf ihr Gesicht gerichtet. Ihr Blick ist so weich wie Takaos, scheint einen Moment zu zögern, ehe sie schließlich leicht den Kopf schüttelt und die Augen schließt. Kai und Takao werfen sich einen Blick zu. Kai zuckt mit den Schultern; Takao tut es ihm nach. Dann rutscht er etwas nach unten und bettet seinen Kopf auf Hiromis Brüste. „Hallo, ihr Hübschen“, murmelt er selig. „Habt ihr mich vermisst?“ Hiromi lacht leise. „Es war klar, dass Takao nur meine Titten vermisst hat“, sie wirft Kai einen amüsierten Blick zu. Takaos Hand wandert unter Hiromis Shirt nach oben. Er schließt die Hand um eine Brust. „Es sind ja auch die besten Titten“, gibt er von sich und kuschelt sich mehr an Hiromi. Kai schüttelt amüsiert den Kopf und richtet sich auf, um seine Bettdecke über sie zu breiten. Als er sich neben Hiromi ins Kissen sinken lässt, fühlt er Hiromis immerkalte Hand an seiner Brust. „Du hast auch stabile Titten“, grinst diese breit. Takao kichert, hebt seinen Kopf und zwinkert Kai verschmitzt zu. „Und einen stabilen Hintern“, ergänzt er ebenso grinsend. Kais Antwort darauf ist ein Augenverdrehen gepaart mit einem ausgestreckten Mittelfinger, ehe er kopfschüttelnd das Licht ausschaltet. Die Decke raschelt noch eine Weile, während sie nach dem richtigen Maß an Körperkontakt zueinander suchen. Hiromi gähnt ausgiebig und dreht sich so, dass sie sich in Takaos Arm kuscheln kann. Ihr linker Fuß hakt sich in Kais Kniekehle. Takaos Arm schlängelt sich unter Hiromis Nacken durch und streichelt mit rauen Fingern über den Bartschatten auf Kais Wange. Kai legt einen Arm um Hiromi und erdet seine Hand zwischen den Körpern der anderen, ein wenig an Hiromis Hüfte und ein wenig an Takaos nacktem Bauch. Er fühlt sie gegeneinander atmen und brummt zufrieden, während er in den Schlaf abdriftet.   Kai wird von der Sonne geweckt und dem Mangel einer Bettdecke und von Siegfried, der auf ihm herumspaziert wie ein fehlgeleiteter Masseur. Takao hat sich um ihn und Hiromi geschlungen wie ein Oktopus. Hiromi hat sich im Laufe der Nacht in der Bettdecke eingepuppt wie eine Schmetterlingsraupe. Siegfried, der ihm seinen Hintern ins Gesicht hält, zwingt ihn schließlich zum Aufstehen. Er schiebt murrend den Kater vom Bett. Dann befreit er sich aus Takaos Oktopusumarmung und streckt sich, während er auf nackten Füßen in die Küche tappt. Er stolpert zweimal fast über Siegfried, der sich aggresiv an seinem Bein reibt. Kai schüttelt den Kopf als er sieht, dass Siegfrieds Futternapf noch immer halbvoll ist. „Du verfressener Kater“, murrt er resigniert. Dann holt er den Reiskocher aus der Ecke, in der er normalerweise verstaubt. Zeit für Frühstück. Irgendwann – es ist eigentlich noch zu früh für ihn – tappt Takao auf nackten Füßen zu ihm, einen zufrieden schnurrenden Siegfried im Arm. „Ich bin mir nicht sicher, ob Siegfried mich mag oder eifersüchtig ist“, verkündet er. „Er hat sich schon wieder voll auf mein Gesicht gelegt“ Kai zuckt mit den Schultern. „How to Tell if Your Cat is Plotting to Kill You”, er nickt vage in Richtung seines Bücherregals. Takao verdreht grinsend die Augen und krault Siegfried, der zufrieden schnurrt. Er lehnt eine Weile in der Tür, sieht Kai zu, wie er mühselig die Eier für Okonomiyaki aufschlägt. Als Kai sich murmelnd an einem Küchenschrank zu schaffen macht – wo ist noch gleich die Soyasauce gelandet? – erbarmt er sich seiner. Endlich. Takao überreicht Kai feierlich den armvoll Kater und greift an ihm vorbei in einen Schrank, um Soyasauce hervorzuholen. Dann wascht er sich die Hände und prüft die Konsistenz des geschlagenen Eis mit den Koch-Stäbchen. „Die Masse passt“, lobt er und klingt fast ein bisschen stolz. Kai verdreht die Augen und lehnt sich nun seinerseits an den Türrahmen. Takao unterdessen hackt eine Frühlingszwiebel, die er aus den Untiefen von Kais Kühlschrank fischt. Dann zauberter er Sesam aus einer Lade hervor, von dem Kai nicht einmal wusste, dass er ihn besitzt. „Jeder braucht Sesam, Kai“, belehrt Takao ihn auf seinen Blick hin. „Aber wozu?“, gibt Kai skeptisch zurück. Siegfried schmiegt sich schnurrend an ihn, während er Takao zusieht, wie er sich an seinem Herd zu schaffen macht und Okonomiyaki zaubert als hätte er nie etwas anderes getan. Ein Geräusch aus der Richtung von Kais Bett lässt Siegfried hellhörig werden und er springt behände von Kais Arm, um erhobenen Schwanzes davonzuspazieren. Es dauert nicht lange und Hiromi stolpert vollkommen zerstrubbelt zu ihnen. Kai beäugt das T-Shirt, das sie trägt. „Das hab ich gesucht“, murmelt er, halb zu sich, halb an Hiromi gewandt, die sich verschlafen an ihn lehnt, sich an seinem Arm festhält. „Aber es gehört jetzt mir“, erwidert sie undeutlich an seiner Schulter. Takao kichert und summt einen japanischen Popsong, der momentan überall im Radio läuft. Er rollt das letzte Okonomiyaki mit geschickten Stäbchen und richtet es auf einem Teller an. Dann streut er die gehackten Frühlingszwiebeln und Sesam darüber. Er begegnet Kais Blick. „Dafür braucht man Sesam“, erklärt er grinsend. Hiromi reibt sich übers Gesicht. „Ich hasse Jetlags“, murrt sie. „Ich will nur noch schlafen!“ „Du kannst dich wieder hinlegen?“, schlägt Takao vor. Kai versucht, ihr seinen Arm zu entziehen. Er scheitert. „Da bleiben!“, protestiert Hiromi und es ist entzückend. Kai schmunzelt, stupst sie an. „Wenn du meinen Arm loslässt, kann ich Kaffee machen“, verspricht er. Hiromis Blick wird sehnsüchtig. „Oh ja“, sie seufzt genüsslich; es ist fast ein wenig erotisch. „Kaffee!“ Takao lacht. Er pflückt Hiromi von Kai und nimmt sie in die Arme. Er drückt sie fest an sich und drückt ihr als sie protestiert nur einen Kuss auf die Stirn, die Nase, die Lippen. „Ich hab‘ dich vermisst“, verkündet er dann leise. Kai erhascht einen flüchtigen Blick auf das Lächeln, das warm bis in Takaos Augen funkelt. Etwas in Kais Innerstem zieht sich zusammen; etwas Kaltes greift nach seinen Eingeweiden. Dann wendet er sich dem Herd zu, wo Takao das Frühstück bereits in Schüsseln angerichtet hat und schüttelt den Kopf über sich. Er hat keinen Grund, eifersüchtig zu sein, sagt er sich. Die Kälte bleibt dennoch, während er sich der Mokka-Kanne zuwendet, wegen der Yuriy ihn trotz Katzenallergie bei seinen seltenen Reisen nach Japan besuchen kommt. Es dauert nicht lange, bis die Kanne blubbernd verkündet, dass der Kaffee fertig ist. Kai teilt den Kaffee auf zwei Tassen auf und drückt dann eine Hiromi in die Hand, die einen Schluck trinkt und prompt das Gesicht verzieht. „Da fehlt Zucker“, protestiert sie schwach, während Takao sie in Richtung Couch bugsiert. „Bringen wir dir mit“, verspricht er und kehrt zurück zu Kai, der ihm eine Schale zuschiebt, aus der der Geruch von Matcha aufsteigt. Takao küsst ihn unvermittelt. Hiromi küsst ihn genauso unvermittelt, als er sich neben sie auf die Couch sinken lässt. „Was-?“, Kai weiß nicht so recht, wie er darauf reagieren soll. Der Dunkelhaarige zuckt auf seinen irritierten Blick hin nur mit den Schultern, ehe er sich am Okonomiyaki bedient. Hiromi lächelt warm. „Man hat dir angesehen, dass du Bullshit denkst“, erklärt Hiromi schlicht. Siegfried kommt mit erhobenem Schwanz angelaufen. In seinem Maul trägt er etwas Grünes. Kais Gesichtsausdruck verfinstert sich, während Hiromi einen überraschten Laut von sich gibt als die Katze ihr das Blatt der Efeutute vor die Füße legt als sei es grandiose Beute. „Sieh mal an“, lacht Takao. „Siegfried wollte sich auch am Kochen beteiligen!“ Kai seufzt resigniert. „Unterstütz ihn bitte nicht auch noch“, gibt er finster zurück.   Das Wochenende fühlt sich an wie Urlaub. Kai ärgert sich am Montag nicht einmal über die falsch gepostete Job-Ausschreibung – wer kann bitte Buenos Aires und Brüssel verwechseln? – oder die gescheiterte Telefonkonferenz mit Hong Kong. Er verfolgt die Spur der Jobausschreibung nach wie ein Private Eye aus seiner Film-Noir-Sammlung und findet den Fehler bei einem Praktikanten, der nicht ordentlich angeleitet worden ist. Die neue Woche bringt auch ein Lebenszeichen von Rei, der ein schwarzgraues Bild in ihre Gruppe postet, in dem er mit einem wackeligen gelben Kreis eine etwas weniger graue Stelle markiert hat. Während Hiromi prompt mit einer Reihe an Herzchen und verschriftlichten Lauten der Entzückung reagiert, dreht er sein Handy mal nach links, mal nach rechts und fragt sich, was an diesem Klumpen Grau auf Schwarz besonders sein soll. Max postet ein „Congratulations, man!“ in den Chat. Kai tippt in Ermangelung einer besseren Antwort auf den Daumen nach oben und hofft, dass Rei es ihm nicht übel nimmt.   Rei nimmt es ihm nicht übel. Er ruft ihn später am Tag zu einer Zeit an, während der im Restaurant seines Onkels, in dem er arbeitet, Flaute herrschen muss. „Rei“, begrüßt ihn Kai beim Abheben. „Kai“, er stellt sich vor, wie Rei grinst. „Wie geht es dir?“ „Alles wie immer“, Kai brummt. „Siegfried ist verwöhnt und Hiromi wieder da“ Rei lacht. „Sie hat gestern am Abend lange mit Mao geskyped. Sie war echt beleidigt, dass weder du noch Takao ein Wort vom Baby gesagt habt“ „Naja, das sind ja eure Neuigkeiten“, Kai zuckt mit den Schultern, ehe ihm einfällt, dass Rei ihn nicht sehen kann. „Ich dachte ehrlich gesagt, Hiromi wüsste es schon, so eng, wie sie und Mao in Kontakt stehen“ Sie schweigen einen Moment. Kai blickt auf seinen Schreibtisch und kalkuliert, wie lange er sich Zeit für Rei nehmen kann. Er hat die Unterlagen für die Verhandlungen am nächsten Tag vor sich auf dem Tisch ausgebreitet und hat gerade die aktuelle Version des Vertrags neben die letzte gelegt, um sie zu vergleichen. Etwas daran kommt ihm komisch vor. „Hast du überhaupt Zeit?“, fragt Rei da. Kai wirft einen zweiten Blick auf die Verträge, durch die er sich noch arbeiten muss. Eine Stimme in seinem Kopf drängt ihn dazu, das Gespräch schnell hinter sich zu bringen. Er bringt sie mit einem grimmigen Blick zum Schweigen. „Klar doch“, antwortet er leicht. Rei schweigt; das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass man ihn zum Reden zwingen muss. Kai hebt eine Augenbraue und fragt: „Wie geht es dir überhaupt? Hat Max dir schon die Dad Joke Compilation geschickt?“ Rei lacht und es klingt irgendwo wie ein Aufatmen. „Ja, aber ich hab‘ sie mir noch nicht angesehen“, antwortet er. Kai brummt amüsiert. „Solltest du“, rät er. „Wenn das Kind da ist, bleibt dir keine Zeit zum Üben. Da musst du dann liefern“ „Sprichst du aus Erfahrung?“, Rei kichert. Kai verdreht gutwillig die Augen. „Ich bin ein ernster Mensch, Rei“, erklärt er schmunzelnd. „Ich mache keine Witze“ „Dabei dachte ich, du wärst unser Katzenpapa“, triezt Rei. „Wirklich keine Dad Jokes?“ Hiromi und Takao hätten ihren kleinen Insider niemals mit allen G-Revolution teilen sollen. Kai blickt resigniert gen Zimmerdecke. Rei scheint zu spüren, dass er keine Lust mehr hat und wechselt das Thema. „Mao hat mich letztens dazu gezwungen, unsere Beyblades in einen Küchenschrank zu räumen“, erzählt er leichtfertig. „Sonst waren sie immer in einer Schachtel unter dem Bett, aber das bringt laut irgendeinem Ammenmärchen der Dorfältesten Unglück.“ Kai lacht bei der Vorstellung laut. „Was?“, hakt er verblüfft nach. Er hätte Mao nicht für abergläubisch gehalten. Obwohl ...  vielleicht scheitert sie auch wegen irgendeines schief gelaufenen Liebeszaubers daran, Rei zum Antrag zu bewegen. „Du hast schon richtig gehört“, Rei klingt ein bisschen verzweifelt. „Ich wusste nicht wie abergläubisch Mao und ihre ganze Familie ist“ „Rei“, mahnt Kai ihn streng. „Du stammst selbst aus einem Dorf, das Bitbeasts anbetet – eigentlich ganz speziell deines. Das bis vor rund zehn Jahren den Kontakt zur Außenwelt gemieden hat. Mich wundert es ehrlich gesagt, dass du nicht bei jedem Vollmond um Mitternacht irgendwelche Rituale durchführst“ Rei lacht auf. „Ich war eben immer ein Querdenker“, gibt er zurück und klingt als würde er grinsen. „Aber du hättest Lai sehen sollen: Er hat gestern das Haus mit irgendwelchen Kräutern ausgeräuchert. Ich konnte knapp die Nachbarn davon abhalten, die Feuerwehr zu rufen“ Rei klingt gequält. Er tut Kai irgendwo Leid. Wer hätte auch gedacht, dass in Lai eine Kräuterhexe der alten Schule steckt? „Immerhin können die euch nichts mehr antun“, scherzt Kai und lenkt das Gespräch dann um. „Bei mir kümmert sich Siegfried darum, dass keine bösen Geister oder Pflanzen in meiner Wohnung gedeihen. Erinnerst du dich an das Grünzeug, das du mir zum Einzug geschenkt hast?“ „Die Efeutute?“, kommt es prompt von Rei. „Die ist unkaputtbar! Du wirst mir doch nicht erzählen, dass du sie umgebracht hast?“ Er klingt fast ein wenig entrüstet. Kai räuspert sich peinlich berührt. „Also ich habe sie nicht umgebracht. Aber Siegfried hält sie aus irgendeinem Grund für Beute, deswegen wächst sie nie sehr lange. Er hat gestern erst Hiromi eine Tute vor die Füße gelegt“ Als Rei diesmal lacht, klingt es erleichtert. „Ich habe so langsam das Gefühl, deine Katze erzieht dich“, vermutet er. Dabei liegt er nicht ganz falsch; nicht, dass Kai das laut zugeben würde. „Ich weiß nicht wovon du sprichst“, erwidert er also unschuldig und wirft einen Blick auf die Uhr. „Ich muss leider so langsam zurück an die Arbeit“ „Ja, bei mir kommen gerade wieder Gäste. War schön, mit dir zu sprechen, Kai“, verabschiedet Rei sich. „Bis dann!“ Kai nickt. Dann legen sie auf.   Die Erkenntnis, was ihm am Vertrag aktuell komisch vorkommt, kommt am Abend, während er auf der Couch sitzt und zum hundertsten Mal The Maltese Falcon ansieht. Sam Spade sagt gerade Don’t be too sure I’m as crooked as I’m supposed to be, da fällt es Kai wie Schuppen von den Augen. Er hebt eine Augenbraue. „Na sieh mal einer an“, murmelt er in Siegfrieds Fell hinein. „Das hätte ich ihnen nicht zugetraut“ Siegfried antwortet mit einem Schnurren.   Die Verhandlungen beginnen am Dienstag zu einer gottlosen Zeit. In New York ist es verdammt spät; bei Kai ist es verdammt früh. Aber es ist das wichtigste Geschäft dieses Quartals, deshalb ist Kai sogar noch fünf Minuten früher im Konferenzraum als ursprünglich geplant. Es dauert nicht lange, bis ihre Konferenzschaltung funktioniert. Er erwartet Judy Tates Anwälte vor sich; sie lässt sich höchst selten dazu herab, direkt mit ihm zu verhandeln. Dass Max und Manabu beide jetzt vor einer Kamera eine halbe Welt entfernt vor ihm sitzen, geschniegelt und gestriegelt wie er selbst, ist eine Überraschung, mit der er nicht gerechnet hat. Was hat Judy jetzt schon wieder vor? Er verbirgt seine Überraschung geübt hinter seinem Pokerface und ordnet nochmals seine Unterlagen. Damit gesteht er zugleich Max und Manabu eine kurze Verschnaufpause zu. Sie kennen ihn nicht in Chefmontour – heißt, in Anzug und Krawatte. Sie wissen vermutlich auch noch nicht, wie er in Verhandlungen tickt. Kai beobachtet, wie sie einander einen Blick zuwerfen, den er über die Konferenzschaltung nicht deuten kann. Dann räuspert er sich. „Sollen wir anfangen?“, meint er. Max nickt in Richtung Kamera, ein selbstsicheres Lächeln auf den Lippen. „Klar doch, Kai!“, erklärt er. „Let’s do this!“ Es dauert nicht lange – die Verhandlungen sind in langer Hand vorbereitet – und sie sind beim Knackpunkt der Verhandlungen angeklangt: dem Importpreis ihrer neuen Getriebe, die Manabu für die PPB entwickelt hat. „Den Preis können wir echt nicht rechtfertigen, Kai“, gib Max zu bedenken. Er ist ein überraschend harter Verhandlungspartner; Kai dachte eigentlich immer, sein ehemaliger Teamkollege sei abgesehen von seiner Haarfarbe keineswegs wie Judy Tate. Er sieht langsam ein, dass er Max nicht für dumm verkaufen kann. Er verschränkt die Arme vor der Brust und blickt nachdenklich auf den Bildschirm im Konferenzraum, wo Max und Manabu zugeschaltet sind. „Die Investition, die ich damit mache, ist ein großes Risiko“, gibt er zu bedenken. „Außerdem habe ich bislang alle Importkosten alleine getragen; das wird es nicht mehr spielen“ „Das wissen wir auch zu schätzen, Kai“, kommt es von Manabu. „Aber die Produktionskosten sind nicht ohne, das weißt du. Du hast den Pitch und unser ursprüngliches Proposal gesehen, du weißt, wie viel das Material allein kostet.“ – „Vergiss‘ nicht, dass unser ursprüngliches Angebot schon ein Freundschaftspreis ist“, schaltet sich Max noch ein. „Wir haben wahnsinnig lange geforscht, bis wir eine Legierung gefunden haben, die umweltfreundlich hergestellt werden kann“ Kai überschlägt im Kopf nochmal die Zahlen, die er herunterbeten kann wie das Einmaleins. Er weiß ganz genau, dass er noch ein wenig Spielraum nach oben hat, doch sein Stolz verbietet es ihm, einzulenken. Er weiß dass dieser neue Prototyp einschlagen wird wie eine Bombe. Manabu weiß das. Max weiß das. Judy Tate weiß das. Am liebsten hätte Kai sich ja Manabu in die Firma geholt, noch bevor der erste Pitch draußen war; PPB war schneller. Kai vermutet, dass Emily York ihre Finger im Spiel hat. Sie und Manabu haben diese seltsame Gesprächsbasis, dagegen ist kein Kraut gewachsen. Er lässt sich noch einen Moment Zeit. „Na gut“, gibt er schließlich von sich. Er nennt eine Zahl, die Manabu das Pokerface vom Gesicht wischt. Max blickt alarmiert zu seinem Chefentwickler. „Kyouju?“, fragt er nach zwei, drei Sekunden, in denen Manabu einfach nur dasitzt. Max geht so weit, mit der Hand vor seinem Gesicht herumzufummeln: „New York to Kyouju, please come in“ Kai lacht leise. „Ich glaube, es hat ihm die Sprache verschlagen“, er schüttelt amüsiert den Kopf über Manabu. Der entschuldigt sich schließlich stotternd und mit hochrotem Kopf. Kai grinst und hält den Vertragsentwurf in die Webcam, ehe er ihn vor sich hinlegt. Er blättert den Packen Zettel bei einer der farbigen Markierungen, die er am Vorabend noch eingeklebt hat, auf und tippt auf einen der Paragraphen, die geändert wurden. „Ihr habt mich schon richtig verstanden, was das Angebot angeht“, erklärt er. „Aber ich will den Exklusiv-Deal, wie im ersten Proposal zugesagt. Der hat sich im jetzigen Entwurf in Luft aufgelöst“ Erwischt. Max wirkt schuldbewusst, das heißt er wusste davon. Kai kann Judy Tate so langsam echt nicht mehr leiden. Die Frau versucht es echt immer wieder. Max zögert einen Moment. Als Kai gerade wieder den Mund öffnen will, um den Preis doch zu drücken, lenkt er ein. „Alrighty“, gibt der Blonde von sich und klingt dabei gezwungen heiter. Kai nickt fachmännisch. „Ihr bekommt bis heute Abend Ortszeit ein endgültiges Angebot. Die Importkosten tragen wir, dafür kriegen wir den Exklusiv-Deal“ Max nickt; sein Lächeln verrutscht einen Moment und Kai liest Erleichterung in seinem Gesicht. Er verkneift sich ein zufriedenes Schmunzeln. Max muss noch an seinem Pokerface arbeiten. „Wir überarbeiten den Vertrag und schicken ihn euch bis morgen Abend.“, verkündet der Blonde ernst. „Dann müssen wir nur mehr einen Termin finden, an dem wir unterzeichnen“ Kai nickt und verabschiedet sich. Dann lehnt er sich zurück und tippt in ihren gemeinsamen Chat: „Manabu hat gerade das Geschäft seines Lebens gemacht. Nächstes Mal, wenn wir uns sehen, gibt er eine Runde aus“ Rei reagiert mit einem Daumen hoch. Von den anderen ist um diese Uhrzeit noch niemand wach.   Hiromi schickt ihm und Takao irgendwann am frühen Nachmittag ein Foto von Siegfried. Dazu schreibt sie: „Siegfried vermisst euch“ Kai gluckst, während er eine Antwort tippt: „Siegfried vermisst Futter, meinst du“ Takao schickt ein lachendes Emoticon. Dann: „Sehen wir uns später?“ Kai und Hiromi reagieren beide mit einem Daumen hoch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)