Katzenpapa von FreeWolf (Beyblade 2020: März) ================================================================================ Kapitel 4: festhalten --------------------- Sie brauchen keinen Countdown: Jahrelanges Training hat es ihnen eingeimpft, gemeinsam zu starten. Kai erahnt, wie Takaos Silhouette die Reißleine fester hält, sieht die Bewegung aus der Schulter bevor der andere sie überhaupt ausführt und reagiert ohne nachzudenken. Die Blades landen mit einem hohlen Geräusch in der Arena, das entsteht, wenn Metall auf Plastik trifft. Das vertraute Summen der Kreisel, deren spin gear sich in Bewegung setzt, erfüllt die Luft. Sie umkreisen einander wachsam, während sie sich in gegenläufigen Spiralen der Mitte der Arena zubewegen. Sie machen zeitgleich einen Schwenk in die entgegengesetzte Richtung und prallen gegeneinander. Es kracht, aber keiner von ihnen hat genug Kraft investiert, um den anderen aus dem Rhythmus zu bringen. Sie bringen wieder Abstand zwischen sich. Kai blickt konzentriert auf die beiden Blades, versucht ein Gefühl für seinen Bewegungsradius zu bekommen, bevor sie ernst machen. Sie haben nicht viel Spielraum für irgendwelche Moves; eine falsche Bewegung, ein ungeschützter Winkel, und einer von ihnen ist Geschichte. Noch ähnelt ihr Kampf durch jahrelanger Arbeit eingeübten Tanzschritten. Kai atmet bewusst tief, hebt den Blick langsam zu seinem Gegner. Takao scheint demselben Impuls gefolgt zu sein. Er hält seinen Blick einen Herzschlag lang im Halbdunkel des Flussufers, ehe die Bewegung im Bey-Dish seine Aufmerksamkeit einfordert. Ihre Blades treffen einander erneut mit einem metallischen Geräusch. Es liegt noch immer kaum erkennbar mehr Kraft in diesen Manövern: Sie testen die Stärke des anderen, seine Ausdauer, ohne selbst zu viel Energie zu verschwenden. Es sind kalkulierte Manöver. Sie tasten sich aneinander heran, erproben sich in der Choreographie, die tief in ihren Muskeln sitzt. Dragoon weicht zurück; Dranzer folgt. Dranzer beschreibt einen Bogen durch die enge Plastik-Bowl; Dragoon folgt. Sie haben nicht genug Raum, um kraftvolle Attacken nur durch Schwung auszuführen. Hier kommt es darauf an, wer strategischer denkt, wer schneller reagiert. Kai hat langsam ein Gefühl für die Perimeter der Arena und ihre Tiefe. Er fühlt sich ihrer Dimensionen sicher. Es wird Zeit, gegen die Choreographie zu tanzen. Er atmet durch, spannt die Schultern an und schickt Dranzer ins Zentrum der kleinen Bowl. Dragoon spiegelt die Bewegung von der anderen Seite. Als die Blades aufeinandertreffen, schlagen Funken. Der Rückstoß weht Kai das Haar aus dem Gesicht. Er blinzelt angestrengt Der Geruch von schmelzendem Plastik hängt beißend in der Luft und treibt ihm Tränen in die Augen. Kai hört ein „Los, Dragoon!“ und hat gerade genug Zeit, um die Arme schützend zu heben, ehe ihn ein frontaler Stoß Energie beinahe umnietet. Er rutscht durch diesen ersten kraftvollen Schlag einige Zentimeter nach hinten, ehe er sich fangen kann. Im Bey-Dish schiebt Dragoon Dranzer gegen den Rand der Arena; Kai fühlt jeden Zentimeter als wiche er selbst zurück. Er beißt die Zähne zusammen, verlagert seinen Schwerpunkt und stemmt sich gegen die Energie, die ihn in Wellen trifft. Dranzer leistet Stück für Stück Widerstand, doch ihre Kräfte sind zu ausgeglichen. Kai keucht, stemmt sich stur in den Boden und macht noch zwei weitere Schritte nach vorn. Dranzer hat knapp genug Raum für das nächste Manöver gewonnen. Es ist eigentlich noch immer zu knapp, doch Kai muss es versuchen; er konzentriert sich. Dranzer wendet abrupt, nutzt den letzten Schlag von Dragoon und schießt über den Rand der Arena hinaus nach oben, um mit umso mehr Schwung nach unten zu saußen. Die Attacke trifft Dragoon mit einem lauten Krachen. Der Rückstoß zwingt beide Blader dazu, wieder die Arme zu heben.   Als der Wind abflaut und Kai die Arme wieder sinken lässt, sieht er ein entschlossenes Grinsen auf Takaos Gesicht, das ihn an den zwölfjährigen Jungen erinnert, der ihn mit seinem Sturschädel zur Weißglut getrieben hat. „So leicht kriegst du mich nicht klein!“, ruft Takao. Kai lächelt grimmig. „Das hatte ich nie erwartet“, gibt er zurück und fühlt sich selbst wie zwölf. Wie auf ein stummes Kommando treffen Dragoon und Dranzer erneut aufeinander und beißen sich ineinander fest. Das Geräusch, wie Metall auf Metall schabt, jagt einen Schauer über Kais Rücken. Ein Funkenregen erhellt die Blades, ehe sie sich mit einem letzten, metallischen Kreischen trennen. Der Geruch nach versengtem Plastik wird deutlicher. Kai fühlt Übelkeit in sich aufsteigen. Er schluckt und wischt sich den Schweiß von der Stirn, ohne den Blick von den Blades zu nehmen. Dragoon beschreibt einen Bogen durch den Bey-Dish, der Kai an ein älteres Angriffsmuster erinnert. Dranzer blockiert dem weißen Blade den Weg, kickt ihn dabei hoch in die Luft. Kai hält unwillkürlich die Luft an, während Dragoon in unregelmäßigen Kreisen fällt. Als der Blade in der Arena auftrifft, aus der Balance aber immerhin im Dish, hört er Takao mit einem Stoß die Luft aus der Lunge pressen; es klingt erleichtert. Dragoon fasst sich schnell; der Blade kommt wie auf ein unsichtbares Signal auf Dranzer zugeschossen. Beim Aufprall der Blades zieht ein scharfer Windstoß über Kai hinweg. Er hält sich einen Arm schützend vors Gesicht, blinzelt gegen den stechenden Wind. Er fühlt den Rückstoß an seiner Kleidung zerren. „War das schon alles?“, provoziert er. Kai weiß, dass er vielleicht noch zwei Attacken einstecken kann, bevor der Kampf für ihn vorbei ist. Takao lacht ausgelassen. „Niemals!“ Kai schließt die Augen, fühlt instinktiv nach der Wärme in sich und findet die flatternde Nervosität in seiner Magengegend. Die Energie, die er den ganzen Tag über verdrängt hat, breitet sich mit einem Schlag und in all ihrer Intensität in ihm aus. Die Wucht, mit der das geschieht, raubt Kai den Atem. In dem Moment treffen ihre Beyblades aufeinander. Der Rückstoß trifft Kais ungeschützten Brustkorb frontal. Der Schlag presst Kai die Luft aus der Lunge; er schnappt nach Luft und verliert den Halt nach hinten. „Kai!“, Takaos besorgter Blick trifft seinen; Kai hält sich stur daran fest, konzentriert sich auf das Gefühl, das der Blick in ihm auslöst. Er fängt sich einzig durch lang trainierte Reflexe rechtzeitig, richtet sich auf, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Er atmet ein, hält Takao fest und denkt an Hiromi und denkt an sein Gespräch mit Yuriy und ihr monatliches Skype-Date. Die Wärme, die sich in seinem Brustkorb ausbreitet, lässt die Flamme in seiner Magengegend zum lodernden Brand werden, zu Magma, das ihn von Innen auf die beste Weise versengt. Kais Herzschlag trägt die Energie in jede Faser seines Körpers. Er brennt von seinen Fußsohlen zur Scheitelkrone, einen Herzschlag lang. Dann schließt Kai die Augen, konzentriert sich auf seinen Beyblade und stellt sich vor, wie seine lodernde Energie darauf übergeht. Er kanalisiert die Energie mit dem Ausatmen, wie sie es vor einer schieren Ewigkeit mit Rei geübt haben. Als ihre Beyblades aufeinandertreffen, ist der Rückstoß so stark, dass Kai den Boden unter den Füßen verliert. Er landet wenig elegant auf dem Hintern und stöhnt, als sein Kopf mit dem Boden kollidiert. Der Geruch von geschmolzenem Plastik ist überwältigend.   Das Sirren ihrer Beyblades ist verstummt.   Kai liegt einen Moment einfach nur da und atmet, spürt der Leere nach, die in seinem Kopf herrscht. Er riecht das Gras, in dem er liegt, und fühlt die Kälte des Bodens in seine Kleidung aufsteigen. Er hört ein Rascheln, ein Lachen. „Fuck, wir haben den Dish geschmolzen“, Takao lacht überrascht und klingt froh und leicht wie eine Brise. Ein Schmunzeln zieht an Kais Mundwinkeln. Er hat die Augen geschlossen, hört es neben sich rascheln als Takao sich bückt. Er öffnet die Augen erst, als er Takaos Körperwärme neben sich fühlt, der neben ihm in die Hocke gegangen ist. Er legt Dranzer in seine Hand; seine Fingerspitzen verharren noch einen Moment länger als unbedingt notwendig. Kai schließt die Hand um seinen Beyblade und setzt sich auf. Sein Kopf schwimmt; er blinzelt verschwommen. Kai fühlt Takaos Hand an seiner Schulter, die ihn erdet. Er hebt schließlich den Kopf, um den anderen anzublicken, der ihm ein Kleinjungenlächeln entgegenlächelt. Er dreht sich, überwindet mit einer fließenden Bewegung den letzten Abstand zwischen ihnen. Kai legt seine Hände auf Takaos Schultern und drückt seine Lippen auf die des anderen. Takao verliert das Gleichgewicht und landet mit einem leisen „Uff“ auf dem Hosenboden. Er lacht atemlos gegen Kais Lippen. Dann gibt es für Kai nichts mehr als das Gefühl von Takaos Lippen, die sich gegen seine bewegen, das Gefühl von Takaos Händen, die seinen Kragen festhalten und das Gefühl von Takaos Oberteil unter seinen klammen Fingern. Sie lösen sich voneinander, halten einander mit Händen und Blicken fest. Kai atmet geräuschvoll aus. „Komm mit zu mir“, lädt er Takao ein; es ist ihm egal, dass das laute Sehnen in seinem Inneren genauso laut nach Außen dringt. Takao hält inne, schluckt. Dann nickt er. Kai schließt die Augen, hört Takao genauso ausatmen wie sich selbst und findet Takaos Lippen erneut.   Die Kälte, die vom Fluss und vom Boden aufsteigt, zwingt sie schließlich, sich aufzurappeln. Kais Knie gibt ein knackendes Geräusch von sich; er verzieht unwillig das Gesicht. „Du wirst alt“, stichelt Takao gutmütig, während sie mit steifen Gliedern den schmalen Weg die Böschung hinauf stapfen. „Und du ein ewiges Kind“, schimpft Kai als Antwort. „Wieso gehst du im März ohne Jacke aus dem Haus?“ Er zieht mit einer wütenden Geste den Reißverschluss seiner Jacke hinunter und reicht sie Takao. Der lächelt ein Kleinjungenlächeln. „Weiß nicht“, er kuschelt sich in das Kleidungsstück, während er zusieht, wie Kai sein Fahrrad aufschließt. „Vielleicht will ich ja, dass du dich ausziehst“ „Dafür ist es jetzt noch ein paar Grad zu kalt, findest du nicht?“, Kai schnaubt, während er eine Hand auf die Lenkstange seines Fahrrads legt. Sie wenden sich in Richtung seines Viertels. Takao mustert ihn mit unleserlichem Blick als sie in den Lichtkegel einer Straßenlaterne kommen. Dann deutet er auf Kais Umhängebeutel und lacht. „Sexy Beutelchen“, komplimentiert er spöttisch. Kai verdreht die Augen und hält ihm seinen Mittelfinger entgegen. Takao fängt grinsend seine Hand ein und verschränkt ihre Finger. Er küsst Kais Fingerknöchel, den einen, den er sich in seinem Kampf im Justice-Five-Turnier gebrochen hat, ehe er die klammen Finger mit seinen in die Jackentasche steckt. Sie gehen eine Weile schweigend vor sich hin. Kai konzentriert sich auf die Wärme von Takaos Hand und dezidiert nicht auf die kühle Nachluft, die sich in seinen Gliedern festsetzt. „Warum bist du damals eigentlich erst so spät gekommen?“, fragt Takao irgendwann, als sie ungefähr die Hälfte des Weges hinter sich gelassen haben. Kai braucht einen Moment, um zu verstehen, dass Takao den Moment vor rund fünf Jahren meint, als er G-Revolution beigetreten ist. Er schweigt noch einen Moment länger, fühlt, wie Takao seine Hand drückt. Er fühlt die Wärme über seinen Arm bis in seinen Brustkorb. „Ich musste zuerst etwas finden, was ich euch geben kann“, sagt er schließlich leise ohne Takao anzublicken. Stattdessen hält er seinen Blick stur geradeaus auf die Straße gerichtet. Die Hand, die sein Fahrrad an der Lenkstange festhält, ist eiskalt. Die Kälte zieht durch seinen Körper, er fühlt sie bis in seine Eingeweide. Takao macht ein Geräusch als wolle er etwas sagen, doch Kai unterbricht ihn mit einem Kopfschütteln. Stattdessen drückt er Takaos Hand und sein Brustkorb fühlt sich wieder etwas wärmer an. „Mein Auftritt damals war allerdings besser als der heute“, witzelt er, was Takao ein grunzendes Lachen entlockt. „Ja, abgerissene Klamotten und drei Tage ohne Dusche“, er kichert. „Ein denkwürdiger Auftritt war das auf jeden Fall!“ Kai verdreht die Augen. „Mach dich nur lustig über mich“, brummt er. „Über dich nicht“, frotzelt Takao freundlich. „Aber über deinen zweifelhaften Stil damals. Wie viele lila Klamotten hattest du in deinem Schrank?“ Würde Takao Kais Hand nicht immer noch festhalten, würde er ihm seinen Mittelfinger zeigen. So verlegt er sich auf ein unverständliches Grummeln.   Sie schrecken Siegfried auf, als sie die Wohnungstür mit etwas zu viel Wucht hinter sich ins Schloss fallen lassen. Der Kater faucht beleidigt von der Hutablage herunter, ehe er sich zusammenrollt und ihnen demonstrativ den Rücken zukehrt. Kai schüttelt darüber nur den Kopf, während er aus seinen Turnschuhen steigt. „Ich verwöhne diesen Kater viel zu viel“ Takao lacht leise. „Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung, du Katzenpapa“, er zwinkert Kai fröhlich zu. Kai verdreht die Augen, ehe er Takao prüfend von oben bis unten mustert. „Dusche?“, fragt er dann. In Takaos Augen glimmt es schelmisch. „Nur, wenn du mit mir duschst“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)