Abgelenkt von FreeWolf ================================================================================ Kapitel 1: 1 ------------ 0:43 Yuriy: Ich habe die Nacht vor einem Hochofen verbracht. Yuriy: Ich bin offiziell heißer als du. Yuriy: (Rußverschmiertes Selfie, das übermüdete Schlafzimmeraugen macht)   06:32 Kai: In your dreams. Kai: Nachtschicht?   „Unsere Gegner für das nächste Turnier ist ein norwegisches Team. Den offiziellen Informationen nach, die wir von Daitenji-san bekommen haben, sind sie nich zu unterschätzen.“, Manabu blickte von seinem Laptop auf und in die Runde. Er hatte sein Gerät, das er trotz wechselnder Modelle stur „Dizzy“ nannte, an Takaos Fernseher angeschlossen und rief die Statistiken der vier Blader ab. Er tippte einen Befehl ein und spielte eine Aufnahme ab, die er Hiromi gestern auf Beytube gezeigt hatte als sie das Team-Meeting vorbereitet hatten. „Es gibt nicht viel Videomaterial zu ihnen“, stellte Kyoujou fest, während sie die verwackelte Handy-Aufnahme betrachteten, die die Attacke eines der vier Blader zeigte. Hiromi raschelte mit ihren Unterlagen. „Ich recherchiere gerade nach mehr Material. Über die WBBA müssten wir noch ein paar mehr Aufnahmen bekommen“, erklärte sie. Kyoujou nickte ihr zu und fuhr fort: „Auf Basis der Informationen, die ich zu ihren Beyblades habe, stehen die Chancen gut, dass zumindest Mikka auf der Aufnahme hier stark defensiv spielt.“   15:47 Yuriy: (Bild des Betts, darauf eine Hand mit Bleistift, Notizen und Physikbuch) Yuriy: Was ist Schlaf?   Hiromi beobachtete die konzentrierten Gesichter von Takao und Max. Kai schien seinem Smartphone mehr Aufmerksamkeit zu widmen als der Aufnahme. Hiromi überraschte das: Solches Verhalten war untypisch für Kai, der normalerweise darauf bestand, dass alle ihre Smartphones draußen ließen. Vor allem, seit Takao und Max Pokémon Go entdeckt hatten. Vielleicht hatte Kai einen Grund dafür. Vielleicht machte er sich Notizen. Seit er mit dem Studium angefangen hatte, sah man ihn oft mit verschiedenen Apps lernen. Andererseits lächelte er beim Lernen nicht verhalten, sondern sah danach aus als wolle er jemandem Schmerzen zufügen. Niemandem schien aufzufallen, dass er nicht bei der Sache war.   15:53 Kai: Yura.   15:54 Yuriy: Was?   15:54 Kai: Geh schlafen.   15:55 Yuriy: Ich habe drei Stunden geschlafen, Mama. Das muss reichen. Yuriy: Ich muss lernen.   Manabu räusperte sich, um die Aufmerksamkeit des Teams auf sich zu ziehen. „Das Team scheint ziemlich gut auf wildem Terrain bladen zu können“, setzte er seine Ausführungen fort. Hiromi nickte erneut, blätterte in ihren Notizen. „Es gibt eine kleine Dokumentation auf Beytube zu ihnen. Da sagen sie sie trainieren viel in der Steppe in Lappland, ohne Dishes.“ Kyoujou rief einen Stadtplan auf, auf dem verschiedene Orte rot eingekreist waren. „Deswegen haben Hiromi und ich unser Training für die nächsten zwei Wochen etwas umgestellt, um Ballance, Wendigkeit und Reaktion auf schwierigen Untergründen zu trainieren“ „Ich habe letztes Wochenende nach geeigneten Trainingsplätzen gesucht und ein paar gute Plätze gefunden“, verkündete Hiromi und sah in ihre kleine Runde. „Damit fangen wir morgen an!“   16:10 Kai: Husch, ab ins Bett. Kai: Wenn du so weitermachst, können wir das nächste Turnier vergessen.   Kai tippte noch immer – oder wieder? – auf seinem Handy herum. Das war wirklich untypisch. Ihr Blick verweilte einen Moment zu lange bei ihm, sie fuhr jedoch unbeirrt fort. Der Stadtplan auf dem Bildschirm wurde nun von einer Reihe von Bildern überdeckt. „An der JBBA munkeln alle darüber, dass das nächste größere Turnier viel stärker mit natürlichen Böden und größeren Arenen arbeiten wird.“ „So wie beim Justice Five-Turnier?“, fiel Takao ein. „So in etwa“, Hiromi nickte. „Niemand weiß, was Daitenji-san genau vor hat, wie immer, aber wie es aussieht müssen wir uns darauf einstellen, dass klassische Beydishes der Vergangenheit angehören“ „You serious?“, Max lehnte sich mit einem frustrierten Stöhnen nach hinten und stützte sich auf seinen Händen auf. „Warum spielt kein Mensch mehr normale Turniere mit normalen Beydishes?“ Takao stieß ihn mit einem breiten Grinsen an. „Wo bleibt denn da der Spaß, wenn wir keine Alien-Invasionen abwenden und Verrückte davon abhalten müssen, mit Kreiseln die Weltherrschaft an sich zu reißen?“, scherzte er, worauf Max nur die Augen verdrehte. „Am Ende müssen wir wieder gegen irgendeinen Verrückten antreten“, seufzte dieser theatralisch. „Oder wir sind die Verrückten ”, kam es da trocken von Kai, der von seinem Handy aufgeblickt hatte. Max prustete los. “Let us rain some doom down upon the heads of our doomed enemies ”, zitierte er kichernd und die beiden grinsten sich an. Hiromi fing Takaos Blick ein, der ahnungslos mit den Schultern zuckte. Max‘ und Kais gemeinsame Liebe für U.S.-amerikanische Cartoons, mit denen sie den Samstag Morgen verbrachten, ging an ihnen vorbei. „Es kommt in Sachen Training einiges an Arbeit auf uns zu, wenn wir bis zum G.B.C. fit sein wollen“, fing Hiromi die Aufmerksamkeit des Teams wieder ein. Auf dem Bildschirm erschien der Trainingsplan für die nächste Woche, den sie ausgedruckt an alle austeilte. Ein paar Minuten lang blieb es still. Takao stöhnte entnervt, aber ergeben. Auch Max schien nicht glücklich darüber zu sein, die nächsten Wochen fürs Training quer durch die Stadt laufen zu müssen. Kai warf einen Blick auf den Plan, notierte ein, zwei Dinge darauf und Hiromi registrierte stolz sein anerkennendes Nicken. Sein Handy, das mit dem Display nach oben neben ihm lag, blinkte kurz mit einer neuen Nachricht auf.   16:12 Yuriy: Die Prüfung ist übermorgen, Kai. Yuriy: ÜBERMORGEN. Yuriy: Danach denke ich vielleicht über das Turnier nach.   Hiromi beobachtete, wie er die Nachrichtenvorschau kurz anblickte, ehe er den Bildschirm mit einem Knopfdruck wieder ausschaltete. Hiromi entging das verstohlene Lächeln, das sich über seine Lippen zog, nicht. Es erinnerte sie ein wenig an Mao, als sie nach einer kleinen Party bei ihr übernachtet und noch spätabendliche Nachrichten mit Rei ausgetauscht hatte. Hiromi runzelte die Stirn. Konnte es sein … ? Sie führte den Gedanken nicht zu Ende.   16:13 Kai: Ist das ein Versprechen?   Sie sprachen noch den Trainingsplan durch, dann beendete Kyoujou das Team-Meeting. „Kai, hast du noch eine Minute?“, fragte Hiromi gewohnheitsmäßig, während Takao und Max sich in Richtung des Trainingsdishes im Garten aufmachten und Kyoujou die Kabel säuberlich einrollte, mit denen er seinen Laptop mit dem Fernseher verbunden hatte. Der Angesprochene nickte ebenso gewohnheitsmäßig und blieb schlicht auf dem Platz sitzen, den er während der letzten zwei Stunden in Takaos Wohnzimmer, in dem sie üblicherweise ihre Teambesprechungen abhielten, eingenommen hatte. Der Tatami-Raum war bequem, bewegte sich irgendwo zwischen traditionell und modern. Vor allem bot er einen Fernseher sowie genug Platz für das gesamte Team, egal in welcher Besetzung. Hiromi rutschte auf Knien zu Kai und platzierte sich neben ihm, während sie den Plan, den sie vorhin ausgeteilt hatte, vor ihnen ausbreitete. Neben dem Plan für die kommenden zwei Wochen hatte sie auch eine Reihe von Übungen recherchiert, die sie in die Trainingsroutine einfließen lassen wollte. „Ich habe mir für diese Woche überlegt, mal wieder zum Hanteltraining zurückzugehen. Takao und Kyoujou bekommen schon Pudding-Arme, das kann so nicht weitergehen“, erklärte sie, während sie auf ein Blatt im Speziellen deutete, auf dem sie die ergänzenden Übungen aufgelistet hatte. „Ich glaube, ihr kennt alle schon, aber es wäre gut, wenn du sie vorzeigen könntest. Takao macht sicher wieder einen Haufen technischer Fehler und ich will nicht nochmal ein Hexenschuss-Debakel erleben wie letzten Monat“ Kai nickte, er setzte eine für Hiromi unleserliche Notiz auf sein Blatt. Hiromi identifizierte die Buchstaben als Kyrillisch – das war unüblich. Normalerweise waren die unleserlichen Krähenfüße, die Kai auf Papier setzte, immerhin noch in Hiragana, Katakana oder Kanji. Sein Handy leuchtete wieder mit einer Nachricht auf, die er kurz musterte, ehe er den Bildschirm wieder in den Schlafmodus versetzte.   17:17 Yuriy: Ich habe gerade eine Stunde auf dieselbe Seite gestarrt.   Hiromi wartete geduldig, die Augen auf den Teamcaptain gerichtet. Er schmunzelte, fiel ihr auf. Und: Kai sah wahnsinnig gut aus, wenn er lächelte. Hiromi vertrieb den zweiten Gedanken ganz schnell wieder. Sie räusperte sich, halb für sich, halb für Kai, der sie einen Moment lang ertappt musterte, ehe er seine Mimik wieder einfing und ihr seine Aufmerksamkeit widmete. Ein letzter Seitenblick zu seinem Handy, dessen Display dunkel blieb. Er begann, ihr seine Notizen Schritt für Schritt zu erörtern und beugte sich über die Papiere, die vor ihnen lagen. „Hier und hier kannst du noch eine Übung dazunehmen oder die Übungen, die du geplant hast, für einen längeren Zeitraum einplanen“, gab er Hiromi geschäftsmäßig Feedback, während er auf verschiedene Stellen im Trainingsplan deutete. „Das halten die anderen aus, und Max braucht die zusätzliche Muskulatur wegen seiner neuen Attacke“ Hiromi nickte und notierte sich die Änderungen in schnellen Bleistiftstrichen. Kais Blick schweifte währenddessen zurück zu seinem Smartphone, auf dem wieder eine Nachricht aufleuchtete. Er runzelte die Stirn, tippte eine kurze Antwort, ehe er sich wieder Hiromi zuwandte, die ihn beobachtete.   17:20 Yuriy: Physik ist schwer, Kai. Ich verstehe nichts.   17:21 Kai: Schick mir die Aufgabe. Kai: Dann leg dich hin. Ich schick dir die Lösung heut Abend.   „Passt es gerade schlecht?“, fragte sie offen, was Kai einen Moment lang zu entwaffnen schien. Doch Kai fing sich schnell wieder. Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein“, erwiderte er. „Wie kommst du darauf?“ Hiromi deutete auf sein Smartphone. „Es scheint um was Wichtiges zu gehen“, ihr Ton hob sich gegen Ende des Satzes in Richtung einer ungestellten Frage. „Wir können uns auch später noch zusammensetzen.“ Kai schüttelte zerstreut den Kopf, nahm sein Smartphone vom Boden auf und steckte es endlich in die Hosentasche. „Es ist zwar wichtig, aber es kann warten“, stellte er klar. „Wir waren gerade bei Ausdauertraining“, nahm Hiromi den Faden wieder auf und versuchte die Neugier, die ihr ins Gesicht geschrieben sein musste, zu überspielen. „Gehst du wieder mehr joggen? Mir ist aufgefallen, dass du nicht mehr so schnell außer Atem zu kriegen bist“ Kai maß sie einen Moment zu lange mit kryptischem Blick, fast so als hätte er eine andere Antwort im Sinn als er ihr gab. Hiromi erwiderte den Blick etwas irritiert. „Möglich“, antwortete Kai. Hiromi schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Du machst auch aus allem ein Geheimnis“, gab sie zurück. Kai zuckte die Schultern und ging zurück zu seinen Erläuterungen zum Trainingsplan. Der Rest ihrer Besprechung verlief mehr oder weniger normal. Sie legte Kai ihre Überlegungen offen, dieser antwortete ihr mit Feedback und konstruktiven Vorschlägen. Alles war wie immer, mehr oder weniger zumindest. Dass er noch immer nicht ganz bei der Sache zu sein schien, übersah Hiromi gnädig.   Eine halbe Stunde später saßen sie in der Abendsonne auf der Veranda. Hiromi ließ die Beine baumeln, Kai saß im Schneidersitz neben ihr. Zwischen ihnen standen zwei Gläser eisgekühlten Tees – eines für sie, eines für Kai, der wieder auf dem Smartphone herumtippte. Hiromi beobachtete ihn eine Weile, was er nicht mitzubekommen schien; auch das war untypisch für Kai. Sie erhaschte sogar einen Blick auf ein Selfie. Dieses rote Haar kam ihr seltsam bekannt vor …   19:13 Yuriy: (Selfie, halb von einer Bettdecke verdeckt, verschlafene Augen blicken in die Kamera)   „Ist das Yuriy?“, entfuhr Hiromi ungläubig. Kais mürrischer Blick spach Bände: Hiromi fühlte die Hitze über ihre Ohren in ihr Gesicht kriechen: Er hatte sie auf frischer Tat ertappt. Kai war in Privatangelegenheiten schon immer reserviert gewesen. Hiromi versuchte dennoch, beiläufig einen zweiten Blick auf das Bild zu erhaschen, doch Kai hatte sein Smartphone weggelegt. Die Person auf dem Bild hatte nicht wirklich nach Yuriy ausgesehen. Oder? Hiromi hielt ihn nicht für jemanden, der Selfies machte, und Kai würde wohl nicht aus dem Nähkästchen plaudern, wenn sie seinen Blick richtig deutete.   19:14 Yuriy: Ich habe geschlafen. Zufrieden? Yuriy: Wenn ich die Physikprüfung versemmel ist es deine Schuld.   Kai verdrehte genervt die Augen und griff nach seinem Glas. „Du bist zu neugierig“, tadelte er. Hiromi hob beschwichtigend die Hände. „Es war keine Absicht, ich hab‘ zufällig hingeschaut“, versuchte sie die Situation zu retten. Kai beäugte sie nur. „Aha“, kam es trocken von ihm, während ein spöttisches Grinsen seine Mundwinkel hob. Sie schwiegen, während Hiromi ihre Füße anstarrte. Sie zählte im Geiste zehn Mississippis ab, ehe sie wieder sprach. „…und?“ „Was und?“ „War es Yuriy?“, Hiromi grinste schief und stieß ihn scherzhaft an. „Freundest du dich etwa mit dem Feind an?“ Kai schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Selbst wenn er es wäre, ginge dich das nichts an“, erklärte er bockig, offensichtlich genervt von der Japanerin. Hiromi sah ein, dass sie so nicht weiterkommen würde. Kai schien sie zu ignorieren und tippe wieder auf seinem Smartphone herum.   19:19 Kai: Nicht wenn. Kai: Falls. Kai: Und der Fall tritt nicht ein.   Als er sein Smartphone in die Hosentasche steckte, wagte Hiromi den nächsten Vorstoß, das Gespräch wieder in Richtung eines Dialogs zu lenken. „Wie geht es Yuriy eigentlich? Ich habe ihn das letzte Mal persönlich kurz nach dem Justice-Five-Turnier gesehen, da sah er noch ziemlich blass aus“ „Gut. Besser als vor einem Jahr. Er arbeitet zu viel“, kam die überraschende Antwort von Kai, der von seinem Handy aufsah. Hiromi nickte. „Was macht er denn?“, erkundigte sie sich, ohne auf eine Antwort zu hoffen. Doch Kai schien in Plauderlaune zu sein. Das musste sie ausnutzen. „Yura, Sergej und Boris arbeiten momentan in der Schwerindustrie in Yakutsk“, Kai schien einen Moment lang zu überlegen. „Ich weiß nicht genau, was der Konzern macht. Schichtarbeit, aber ganz gut bezahlt. Und dann holt er gerade seinen Schulabschluss nach. Lernt die ganze Zeit.“ Yura? Hiromi verkniff sich ein Lächeln und nickte. „Bleibt da überhaupt Zeit fürs Bladen?“, schmunzelte sie, und Kai zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich glaube, er hat grad nicht mal einen Blade.“ Diese Aussage hinterließ bei Hiromi ein flaues Gefühl im Magen. Sie erinnerte sich undeutlich daran, wie Takao Wolborgs Bitchip aus den Splittern der Arena geborgen hatte. „Aber – das letzte Turnier ist doch schon mehr als ein Jahr her!“, protestierte sie schwach und wusste nicht, wogegen sie protestierte. Kai zuckte nur erneut mit den Schultern. „Beyblade ist nicht alles, Hiromi“, gab er leise zurück. Dass ausgerechnet Kai Hiwatari das zu ihr sagte war surreal und gab Hiromi einen kleinen Stich. „Aber du bladest ja auch noch, obwohl du nicht mehr in Turnieren antrittst“, wandte sie ein, und Kai sah sie einen Moment lang an. Er schien zu zögern. „Versteh mich nicht falsch, Hiromi“, begann er. „Beyblade ist für mich immer noch wichtig. Für Yuriy und sein Team auch, soweit ich weiß. Sie müssen sich momentan aber noch um ein paar andere Dinge kümmern“ Hiromi schwieg eine Weile, versuchte aus den vagen Worten einen Sinn zu ziehen. Kai hatte gesagt, sie arbeiteten und Yuriy machte den Schulabschluss. Das klang stressig. Vielleicht blieb nicht mehr genug Zeit fürs Training? Die braunhaarige Japanerin warf einen Seitenblick auf Kai. Sein Blick verweilte auf dem Trainings-Dish, das sie zum Training nutzten, seit Hiromi denken konnte, ehe er wieder etwas in sein Smartphone tippte. Er wusste eindeutig mehr, aber seine Worte machten es sehr klar, dass er nichts weiter darüber sagen würde.   19:27 Kai: Wenn du nach Japan kommst, bladen wir. Ich kenne ein paar gute Plätze.   19:29 Yuriy: Deal Yuriy: Bis dahin habe ich vielleicht wieder einen Blade der sich Blade nennen kann. Yuriy: Aber zuerst muss ich die Physikprüfung schaffen.   Hiromi beobachtete, wie Kai angesichts einer Nachricht auf seinem Smartphone schmunzelte. Dann legte er sein Handy mit Display nach unten hinter sich ab und lehnte sich zurück. Sie lauschten den gedämpften Geräuschen, die aus dem Dojo drangen: Kinomiya-san und Takao trainierten. Den Geräuschen nach hatte Takao gerade eine Kopfnuss kassiert. Hiromi kicherte. „Glaubst du, sie kommen zum G.B.C.?“, fragte sie dann an Kai gewandt. „Wer?“ „Yuriys Team“ Der Angesprochene zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht“, antwortete er ehrlich. Hiromi nickte und versuchte, sich an die Spielerstatistiken der letzten Weltmeisterschaft zu erinnern. Es fiel ihr schwer; mit dem Justice Five-Turnier war einfach zu viel in zu kurzer Zeit passiert. „Im Team sind alle so alt wie du, oder?“, erkundigte sie sich. Kai schien kurz nachzurechnen, ehe er nickte. „Ungefähr“ „Was könnte sie davon abhalten zu kommen? Du meintest, Yuriy holt seinen Abschluss nach und sie arbeiten alle“, überlegte Hiromi laut. „Da bleibt wohl nicht viel Zeit zum Trainieren übrig“ Hiromi warf einen Seitenblick auf Kai, dessen Miene wie immer unlesbar war. Sie würde wohl nichts weiter aus ihm herausbekommen. Hiromi zuckte mit den Schultern. „Ich hoffe, sie kommen trotzdem“, erklärte sie. „Ohne die alten Hasen wären die Beyblade-Turniere nicht dasselbe“ Kai schnaubte amüsiert. „Daitenji-san scheint dieselbe Einstellung zu haben. Er hat mich letzte Woche allein dreimal gefragt ob ich nicht doch bladen will“ Hiromi trank von ihrem Eistee und grinste. „So ist er eben. Er will die alte Gang nochmal in einem Turnier sehen bevor er sich aus dem Geschäft zurückzieht“, vermutete sie. „Andererseits hat er seine Pensionierung schon so oft angekündigt, dass niemand so wirklich daran glaubt, dass er geht“ Hiromi schüttelte lächelnd den Kopf, ehe sie Kai zuzwinkerte, der schmunzelte. „Davor hängt Kinomiya sein Basecap an den Nagel“, Kai nickte in Richtung Dojo, aus dem die gedämpften Stimmen Takaos und seines Großvaters nun deutlich lauter zu ihnen drangen. Takao und Kinomiya-san fochten ein undeutliches Wortgefecht aus, es ertönte Stampfen und ein Aufschrei. Schiebetüren raschelten und Schritte hallten auf der Veranda wider, während Takao sich ihnen näherte. Er schnaufte aufgeregt: Das Gefecht war wohl nicht zu seinen Gunsten ausgegangen. Den Beulen auf seinem Kopf nach zu schließen, hatte Kinomiya senior seinem Enkel zum wiederholten Mal bewiesen, wer das Sagen hatte. „Dieser Alte!“, qualmte Takao, ließ sich geräuschvoll neben Hiromi plumpsen und langte nach ihrem halbvollen Glas, um es in einem Zug auszutrinken. „Hey!“, Hiromi rammte Takao ihren Ellenbogen in die Seite und blickte ihn empört an. „Das ist mein Eistee! Hol‘ dir gefälligst einen eigenen!“ Dieser legte freundschaftlich-jovial einen Arm um ihre Schultern. „Jetzt hab dich nicht so, Hiromi-chan“, flötete er besänftigend. „Ich bin durstig!“ Hiromi hob Takaos Arm mit ihren Fingerspitzen und wies ihn von sich. „Lass‘ das, du stinkst!“, protestierte sie und nahm ihm das Glas weg. Takao verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lachte halb verlegen. „Du übertreibst!“, gab er zurück, schnupperte jedoch verhalten an sich, was ihm ein spöttisches Grinsen von Kai einbrachte. Hiromi verschränkte die Arme vor der Brust und drehte Takao betont den Rücken zu. „Ich rieche dich bis hier!“, verkündete sie überzeugt und Takao zog eine Grimasse. Dann grinste er schelmisch und festigte den Griff um Hiromis Schultern, um sie näher an sich in eine Umarmung zu ziehen. „Was fällt dir ein?“, Hiromi protestierte angesichts der ungewollten, schwitzigen Nähe und drückte gegen Takaos Brust, um ihn von sich zu schieben. Dieser jedoch lachte nur gespielt böse, was ihm eine Kopfnuss einbrachte. Diese bewirkte, dass er von ihr abließ. Zur Sicherheit brachte er auch gleich etwas Abstand zwischen sie beide: Er rutschte zur Seite, bis er an Kai stieß, der ihn nur mit einer hochgezogenen Augenbraue ansah. Takao war sich in dem Moment nicht mehr ganz sicher, von welcher der beiden Personen er gerade weiter weg sein wollte. Hiromi war furchteinflößend, wenn sie wütend war, aber Kai, der amüsiert grinste, versprach auch nichts Gutes. Hiromi setzte sich wieder hin und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. „So geht man mit einer Lady nicht um!“, belehrte sie Takao. „Welche Lady? Ich sehe hier nur eine Wetterhexe!“, schoss es gleich zurück. „Pass‘ auf was du sagst, Kinomiya, oder du wirst beim Training ein Wunder erleben!“, drohte Hiromi mit erhobenem Zeigefinger.   19:48 Kai: (Bild von Hiromi, die Takao mit dem Finger droht. Beide sind total konzentriert aufeinander.) Kai: Die beiden sind gleichermaßen anstrengend wie amüsant.   19:53 Yuriy: Wie Boris und Ivan?   19:54 Kai: Mehr wie Boris hoch Boris.   19:55 Yuriy: Mein Beileid. Not.   Ein leises Glucksen von der Seitenlinie riss die beiden Streithähne aus der vollkommenen Konzentration auf einander. Kai erhob sich mit einer fließenden Bewegung. Er steckte sein Smartphone in die Hosentasche, ließ die eine Hand darauf ruhen, in der anderen hielt er sein leeres Glas. „Wir sehen uns morgen zum Training“, verabschiedete sich der Halbrusse und wandte sich um. Hiromi beobachtete, wie Kai den Flur in Richtung Küche verließ. Wenig später hörte man, wie er sich förmlich von Takaos Großvater verabschiedete.   Hiromi verpasste Takao eine erneute Kopfnuss. „Du Trottel! Ich hab‘ mich gerade mit Kai unterhalten!“, herrschte sie ihn an. Takao hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf und gab einen kläglichen Laut von sich. „Au … Du musst dein Aggressionsproblem echt unter Kontrolle kriegen“, stichelte er, schreckte jedoch zurück, als Hiromi erneut drohend die Faust hob und ihn wütend anblitzte. „Nur Spaß! Schlag alle um dich herum so viel du willst! Das ist super normal und überhaupt nicht seltsam!“, fügte er hinzu. Hiromi atmete aus und ließ die Faust sinken. Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust. „So wie du das sagst, klingt es als wäre ich ein Brutalo“, beschwerte sie sich beleidigt. Takao grinste. „Was, das war dir noch nicht bewusst?“, gab er scherzend zurück. Dann nickte er, etwas ernster, vage in die Richtung, in die Kai verschwunden war. „Was für ein Gespräch hab‘ ich bitte unterbrochen? Deine Monologe über irgendwelche Typen will jetzt wirklich niemand hören“, er grinste breit. „Oder willst du Kai aufreißen?“ Diese Frage handelte ihm die nächste Kopfnuss ein. „Du bist so ein Idiot!“, echauffierte sich Hiromi mit hochrotem Kopf. „Kai ist ein Freund! Ich will ihn doch nicht aufreißen“ „Weiß ich doch …“, lenkte Takao mit erhobenen Hände ein und rieb sich grinsend die schmerzende Beule. „Au … Aber ernsthaft, musst du so brutal sein? So verjagst du jeden Typen sofort!“ Hiromi schnaubte. „Du hast es nicht anders verdient!“, verkündete sie, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und beleidigt zur Seite sah. „Pah“, machte Takao. „Du bist die einzige die das sagt!“ Es herrschte eine kurze Weile Schweigen zwischen ihnen, die Takao dazu nutzte, sich bequemer hinzusetzen und sich zurückzulehnen. „Worüber habt ihr gesprochen?“, erkundigte er sich irgendwann neugierig. Hiromi zuckte mit den Schultern und beschloss mit einem Blick in Takaos schokoladenbraune Augen, zunächst für sich zu behalten, dass Kai den Kontakt zu Yuriy hielt. Zumindest bis sie wusste, was es bedeutete. Vielleicht war es nichts. Vielleicht – sie dachte„Eigentlich nichts Aufregendes. Den Trainingsplan, wie immer“, die Braunhaarige grinste stolz. „Aber es war ein ganzes Gespräch! Kai macht Fortschritte!“ Takao nahm dies grinsend zur Kenntnis. „Und, wie sehr quält ihr uns diese Woche?“, hakte er scherzend nach, nur um sich einen bösen Blick einzufangen. „Das wüsstest du, wenn du heute aufgepasst hättest!“, schoss Hiromi zurück. „Hey! Ich hab‘ aufgepasst, ich-“ Takao wollte gerade noch etwas hinzufügen, da ertönte ein lautes Knallen. Schwere Schritte Stampften über die Veranda quer durch das Dojo und wurden immer lauter, je näher sie kamen. „IHR HABT EUCH GETROFFEN! OHNE MICH!“, Daichis Vorwurf kam den beiden in einer Lautstärke entgegengeschmettert, dass das gesamte Viertel es hören musste. Hiromi hatte automatisch die Hände auf ihre Ohren gelegt und funkelte ihn böse an, während Takao aufsprang, um den jüngeren Hitzkopf in Empfang zu nehmen. Dieser stellte sein Stampfen ein, sobald er bei ihnen angekommen war und blitzte Takao und Hiromi wütend an. „Ich bin auch Teil des Teams!“, kam es in einem Ton, der irgendwo zwischen empört und weinerlich schwang. Daichi sah kurz so todtraurig und enttäuscht aus, dass Takao und Hiromi einen Moment lang ganz anders zumute wurde. „Ihr habt mich einfach vergessen!“ „Hör mal, Daichi“, Takao trat einen halben Schritt nach vorne und hielt beschwichtigend die Hände in die Luft. „Wir haben dich doch nicht vergessen! Wir dachten du bist noch bei deiner Ma! Wir dachten du musst lernen! Im Ernst!“ Tatsächlich trug Daichi ein sauberes Hemd und eine intakte Jeans: Die Kleidung, die er normalerweise trug, um zum Nachhilfeinstitut zu gehen. Seit seine Mutter davon Wind bekommen hatte, dass er herumlief wie ein halb verwilderter Junge und so viel Schule schwänzte, dass er den Sprung in die Oberschule nur durch viel Sitzfleisch und ein kleines Wunder schaffen würde, hatte sie eine neue erzieherische Strategie begonnen und setzte ihn auf eine Weise unter Druck, mit der Hiromi nur begrenzt einverstanden war. Daichi plusterte sich auf. „Da komm‘ ich gerade her! Ich hab’s hinter mich gebracht, jetzt will ich bladen!“, verlangte er und zog Strata Dragoon hervor. Takao hob breit grinsend seinen Beyblade in die Höhe. „Glaubst du, du hast es drauf?“, stichelte er und sprang auf. „Dich mach‘ ich im Schlaf fertig!“, schoss Daichi zurück und war wieder ganz er selbst. Hiromi lächelte. Die neue Strenge und der Druck, den seine Mutter auf ihn auswirkte, hatten Daichi kurz vollkommen von der Bildfläche verschwinden lassen. Hiromi und Takao hatten sich schon Sorgen gemacht. Dann waren sie ihm zufällig auf der Straße begegnet, und alles hatte plötzlich Sinn gemacht. Hiromi, Takao und Manabu hatten seine Mutter dazu überreden können, das Bannsiegel vom Beyblade herunterzunehmen – gegen das Versprechen, ihm beim Lernen zu helfen. Oh verdammt, das hatte sie auf dem Trainingsplan natürlich vergessen. Hiromi verzog unwillig den Mund. Daichi konnte nicht ohne Beyblades, und auch wenn er manchmal anstrengend war, war er doch Teil des Teams. Hiromi seufzte geschlagen. „Ich ruf‘ deine Mutter an und sag‘ ihr, dass wir dir lernen helfen“, bot sie an und erntete dafür einen Jubelschrei, der bestimmt irgendwo Vögel aufscheuchte. „Du bist die beste Obaa-chan, die es gibt, Hiromi!“, verkündete Daichi enthusiastisch und vollführte ein paar aufgeregte Saltos. Takao lachte, und Hiromi seufzte theatralisch. „Ich bin gar keine Obaa-chan, du kleines Aas“, protestierte sie und drohte Daichi mit der Faust. Dieser lachte nur übermütig und zog an Takaos Ärmel, um diesen so schnell es ging zum Trainings-Dish zu bekommen. Hiromi schüttelte nur augenverdrehend den Kopf, während sie in sich erhob und zu ihrem Rucksack ging, um ihr Handy zu finden. Sie freute sich so gar nicht auf den Anruf bei Daichis Mutter, aber es war wohl notwendig: Sie musste ihr wenigstens glaubhaft versichern, dass sie ihrem Sohn beim Lernen helfen würden und ohne ihn nicht konnten. Hiromi suchte die Nummer aus ihrem Adressbuch und wischte nach links, um den Anruf hinter sich zu bringen. Während sie auf das Freizeichen wartete, beobachtete sie schmunzelnd das lockere Trainingsmatch zwischen Takao und Daichi. Das Leben wurde nie langweilig mit Beyblades. Das hatte sich ab dem Moment abgezeichnet, als sie in einem seltsamen Bannkreis auf einem Bein herumsprang und „Bitbeast oh Bitbeast“ rufend darauf wartete, ihr erstes Bitbeast zu sehen. Kapitel 2: 2 ------------ From: hiwatari.k@wbba.com To: ivanov.y@wbba.com Subject: FW: I solemnly swear that I am up to no good Attached: fisika-02-solved.pdf   - Forwarded message - From: saien.m@wbba.com To: hiwatari.k@wbba.com Subject: I solemnly swear that I am up to no good Attached: fisika-02.pdf   Kai, der Lösungsweg bei Aufgabe zwei geht auch einfacher, ich habe das ergänzt. Bei Aufgabe fünf lagst du daneben. Sonst war alles richtig. Ich dachte, du hättest kein Physik mehr? Manabu     Hiromi seufzte und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, während sie darauf wartete, dass ihr altersschwacher Laptop den Anhang lud. Das Gerät summte gefährlich laut, was ihren Blick automatisch zu ihm wandern ließ. „Alles gut“, beschwor sie den Laptop. Das Gerät war schwer, umständlich, mühsam, aber notwendig für die Arbeit als Teammanagerin, und sie hatte leider kein Geld, um sich einen moderneren Laptop zu kaufen. Der Computer stammte von Kyoujou, ein älteres Modell, das er liebevoll „Dizzy die erste“ getauft hatte. „Okay, Dizzy, nicht aufgeben“, redete sie dem Gerät gut zu, als könne es ihr antworten. Ihr fiel auf, dass Manabu-kun dasselbe tat und schüttelte resigniert den Kopf über sich. Sie verbrachte wirklich zu viel Zeit mit ihren Jungs. Aber immerhin war der Anhand nun hochgeladen und Dizzy die erste war dabei nicht abgestürzt!   From: tatibana.h@wbba.com To: bbarev@lists.wbba.com Subject: slight change of (training) schedules Attachment: schedule-v2.pdf   Liebe alle,   ich habe den Trainingsplan nochmal modifiziert und Lernzeit für Daichi mit eingeplant, damit er mit uns bladen kann (ihr wollt nicht wissen, wie das Telefonat mit seiner Mutter war). Wenn jeder von uns ein Fach mit ihm wiederholt sollten wir hinkriegen, dass der Lernstoff in Daichis Sturschädel geht. Die Überlegungen dazu sind im Plan.   Hiromi   p.s. Nicht vergessen, wir treffen uns morgen am Strand! Genaue Location ist im Trainingsplan! p.p.s. Pünktlich! (Looking at you, Takao und Daichi)   Hiromis Blick fiel auf die Uhr. Es war kurz nach elf: Sie hatte die letzten zwei Stunden damit zugebracht, die Änderungen, die sie mit Kai besprochen hatte, und zu hoffen, dass der Speichervorgang Dizzy nicht würde abstürzen lassen. Hiromi lehnte sich zurück, nahm ihr weitaus weniger altersschwaches Smartphone zur Hand und scrollte durch ihr Feed, während sie darauf wartete, dass der Laptop tat, was sie wollte. Mao und Rei waren wohl gerade in Tokio Narita angekommen, wie sie Maos Story entnahm. Sie hatte das Flughafenschild fotografiert und gepostet. Hiromi schickte ihr ein Herzchen-reiches „Tadaima!“ in Romanji, das Mao sofort mit einem Like und ähnlich vielen Herzen beantwortete. Hiromi lächelte und tippte eine Nachricht in den Instagram-Chat.   23:08 hi_romi: Wie war die Reise?   23:09 maow: Soooo langweilig! maow: Aber jetzt sind wir da!   23:10 hi_romi: Ich freu mich so! hi_romi: Ich habe Rei die Locations für die Woche geschickt!   Hiromi kehrte zurück zu ihrem Feed, nachdem Mao nicht antwortete. Vermutlich waren sie auf dem Weg in ihre Unterkunft. In ihrem Feed tauchte ein Bild von Giulia auf. Es zeigte über dem Hashtag #oldschoolcamping einen VW-Bus irgendwo in der Ebene. Das Bild war am Abend aufgenommen worden, und vor einem atemberaubenden Abendrot leuchteten kleine Windlichter rund um Giulia und ihre Begleitung. Giulia hatte das Selfie gemacht. Sie hatte den freien Arm um Mathilda geschlungen, die Hand zeigte ein Peace-Zeichen. Neben ihr winkte Mathilda mit einem fröhlichen Lächeln in die Kamera. Sie sahen glücklich aus. Hiromi tippte das Bild doppelt an, um den beiden ein Herz zu schicken, und grinste. Instagram verriet ihr, dass sie in Andalusien unterwegs waren. Die beiden mussten Spaß auf ihrem Roadtrip haben. Ob Giulias Bruder im Endeffekt zum Camping-Trip mitgekommen war? Hiromi beschloss, die Spanierin bei ihrem nächsten Telefonat danach zu fragen.   23:55 maow: Grad im Hotel angekommen. maow: Sie haben eine HOTELKATZE! I am in kitten heaven! maow: (Foto einer grau-schwarz getigerten Katze)   Emily postete Bilder von ihrem letzten Tennis-Turnier. War das Johnny McGregor mit Vollbart? Raoul postete bunte Stoffbahnen, die Hiromi entfernt an einen Bazar erinnerten. Ob er wieder Kostüme schneiderte oder irgendwelche obskuren Läden gefunden hatte? Sie hoffte auf mehr Bilder. Zugleich beantwortete das ihre Frage von vorher. Also waren Giulia und Mathilda tatsächlich ohne männliche Begleitung gefahren. Sie grinste. Hiromi verteilte Likes an ihre Freunde und bedauerte, dass sie gerade kein Bild posten konnte. Sie kehrte zurück an die Spitze ihres Newsfeeds und wollte mit einem Seitenblick auf die Uhr, die sich auf Mitternacht zubewegte, gerade die App schließen, da fiel ihr ein vorgeschlagenes Profil ins Auge: bokuz. Das helle Haar im Profilbild kam ihr seltsam bekannt vor. Hatte nicht ein Mitglied von Neoborg so helles Haar gehabt? Die Profilbeschreibung, „iiiiiit Boris“, klang nicht nach dem Blader, den sie auf der Bank des Teams Neoborg beobachtet hatte. Andererseits hatten sie während der letzten Weltmeisterschaft keine drei Worte miteinander gewechselt. Was wusste sie schon über den russischen Blader? Bilder konnte sie keine sehen: Das Profil war privat. „Ach verdammt, musst du geschützt sein?“, brummte sie und schickte ihm ohne weiter darüber nachzudenken eine Follower-Anfrage. Dann gab ihr Handy einen Ton von sich, dass eine neue Nachricht eingegangen war.   00:00 Rei: Liebe Hiromi, wir kommen morgen zum Strand! Der Trainingsplan sieht gut aus, nur glaube ich nicht, dass ich Daichi Biologie erklären kann. Hochachtungsvoll, Rei   Hiromi schmunzelte, während sie Reis Nachricht las. Der Chinese hatte sich sehr lange von Handys und, bedingt durch die Abgelegenheit seines Heimatdorfes, auch vom Internet ferngehalten. Er schrieb Kurznachrichten wie ihre Großmutter und hatte von Memes keine Ahnung. Mao hingegen war Teil der Spezies digital native: Ihr Instagram-Profil war voll mit Katzen, Natur und Selfies. Dizzy die erste gab ein summendes Geräusch von sich, das Hiromis Aufmerksamkeit auf sich zog: Wie es aussah war auch ihre Mail ohne Probleme an die Mitglieder ihrer Mailingliste – das Team – versandt worden, und das schon vor einer Weile. Jetzt war der Laptop aus irgendeinem Grund heißgelaufen. Hiromi seufzte, streichelte gewohnheitsmäßig über Dizzys Tastatur und schloss die Programme, bevor sie den Rechner herunterfuhr. Sie musste sich dringend eine Alternative suchen. Vielleicht ein Tablet, wie Kyoujou? Sie streckte sich, rollte ihre Schultern nach hinten und legte sich nun endlich – wie immer viel zu spät – ins Bett. Sie warf noch einen letzten Blick aufs Handy, gepaart mit dem festen Vorsatz, gleich wirklich zu schlafen. Da zog eine Instagram-Benachrichtigung ihre Aufmerksamkeit auf sich: bokuz hatte ihre Anfrage angenommen. Hiromi stieß einen erfreuten Laut aus, als sie sah, dass es tatsächlich Boris Kuznetsov war. Das erste Bild im Feed zeigte das eindeutig: Unter einem kyrillischen Text und dem Hashtag #borgzeroslavsquat posierte Team Neoborg im Squat auf einem Panzer. Hiromi schmunzelte und tappte doppelt auf das Bild.   00:49 Yuriy: Danke. Yuriy: Aufgabe 5 hatte ich von Anfang an richtig. :P   00:53 Kai: Mach dich ruhig über mich lustig. :P   01:25 Yuriy: Nachtschicht ist langweilig. Yuriy: (Selfie aus der schlecht beleuchteten Kaffeeküche. Yuriy hält eine Kaffeetasse mit Nosferatu-Motiv ins Bild, aus der es dampft. Vor ihm auf dem Tisch, an dem er sitzt, liegt ein aufgeschlagenes Buch)   01:30 Kai: Die Ähnlichkeit ist verblüffend Kai: Nosferatu braucht nur noch rote Haare Kai: Sonst kann er nicht anständig Seelen klauen   01:32 Yuriy: Haha, sehr witzig. Yuriy: Den habe ich noch nie gehört. :P   01:40 Kai: Shush, you. Du liebst ihn insgeheim.   01:57 Yuriy: Solltest du nicht schlafen?   „Wer ist ein liebes Baby?“, Max hob Charlotte über sich in die Luft, was seiner kleinen Schwester ein erfreutes Gurgeln entlockte. Charlotte zappelte mit ihren Ärmchen und Beinchen und streckte sich. Max setzte sie sich auf den Schoß, schnitt eine Grimasse, die ihm ein erneutes erfreutes Quietschen einbrachte. Judy ließ sich ihm gegenüber nieder und seufzte schwer in ihre Tasse. Sie hatte Augenringe und sah einen Moment lang so müde aus wie noch nie. Als sie Charlotte und Max ansah, hellte sich ihr Gesicht jedoch auf. „Hat sie wieder nicht geschlafen?“, erkundigte sich Max vorsorglich, während er Charlotte auf seinen Knien wippen ließ. Er war im letzten Jahr in den Dachboden gezogen, hatte sein altes Zimmer für das Baby – dieses blonde, quietschende Bündel Freude auf seinem Schoß – geräumt. Er hatte jetzt mehr Platz als vorher, und mehr Privatsphäre – vom Rest der Familie bekam er nicht viel mit, wenn er nicht genau hinhörte. Judy gähnte verhalten und rieb sich die Augen. Taro lachte. „Nicht geschlafen ist gar kein Ausdruck“, seufzte er, während er Milch und Cornflakes vor Max platzierte. Dann stupste er Charlottes Nase an, die sogleich nach seinem Finger fasste und festhielt. Taro lachte. „Dieser kleine Frechdachs hat beschlossen, dass sie alle zwei Stunden ganz unbedingt einen Spaziergang machen muss, um weiterschlafen zu können“, erklärte Taro mit breitem Grinsen. „Aber das kriegen wir schon wieder in den Griff, nicht wahr, Schatz?“ Judy lächelte matt und nickte. „Nichts, was wir nicht schon mit Max erlebt hätten“, sie zwinkerte Max zu. Dieser bließ beleidigt die Backen auf. „Hey“, protestierte er. „Das ist das erste Mal, dass ich von sowas höre!“ „Zum Glück vergisst man diese Dinge wieder“, scherzte Taro. Er bemerkte Judys sehnsüchtigen Blick auf seine Kaffeetasse, schob sie in ihre Richtung. Judy hob sie an ihr Gesicht, schloss die Augen und roch genießerisch daran. „Ach, wie sehr ich Kaffee vermisse“, seufzte sie. Dies brachte Max und seinen Vater zum Lachen. Da fiel Max‘ Blick auf die Uhr des Backofens. „Oh shit, I’m already late!“, rief er aus und erhob sich vorsichtig, um Charlotte nicht zu erstrecken, die ihn interessiert anblickte. Er reichte sie an seinen Vater weiter und küsste seine Mutter auf die Wange. „Ich muss zum Training!“ Wie ein Wirbelwind stürmte er ein Stockwerk nach oben, um seinen Beyblade und seinen Starter zu holen, kam herunter, schlüpfte in seine Turnschuhe und in eine dünne Jacke. Dann nahm er die Stufen ins Erdgeschoss, ging an der Tür, die in den Beyblade Shop seines Vaters führte, vorbei und nahm sein Fahrrad, das er strategisch im Flur platziert hatte, mit nach draußen. Wenn er eine grüne Welle erwischte, würde er es noch halbwegs pünktlich schaffen, kalkulierte er und schwang sich aufs Rad.   06:52 Kai: Aufstehen ist scheiße. Kai: Aufstehen ohne dich ist noch ein bisschen mehr scheiße.   Er kam zu spät. Takao und Daichi saßen im Sand, lehnten aneinander und sahen aus als würden sie gleich einschlafen. Kai stand daneben, die Arme verschränkt. Er hatte bis eben noch konzentriert auf sein Smartphone geblickt, steckte es nun jedoch ein und blickte ihn mit einem missbilligendem Blick an. Max zog unter dem bösen Blick des Halbrussen den Kopf ein. „Sorry, ich hab’ den Weg unterschätzt“, entschuldigte er sich. Kai seuzte nur, wischte sich übers Gesicht. „Sei nächstes Mal einfach pünktlich“, grummelte er, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er zu wenig geschlafen hatte. Kai war genauso wenig ein Morgenmensch wie Takao oder Daichi, nur äußerte dies sich bei ihm anstatt in Trägheit in Mikroaggressionen. Max lächelte bemüht freundlich. „Kommt nie wieder vor“, versprach er. Kai rollte nur mit den Augen, sah erneut auf sein Handy und tippte etwas, bevor er sich ihnen zuwandte.   08:16 Kai: Warum sage ich immer Ja dazu, dass wir morgens trainieren? Kai: Ich lerne nicht dazu.   „Hiromi und Kyoujou kommen ein wenig später, sie kümmern sich noch um Snacks“, informierte er den Rest des Teams. Takao und Daichi horchten auf und sahen ihn erwartungsvoll an. „Wann gibt’s essen?“, fragte der Rotschopf, nun etwas wacher. Max gluckste, während Kai nur geschlagen seufzte. „Erstmal gibt’s Training“, wies er sie an. „Wir fangen mit ein paar Aufwärmübungen an, dann machen wir Krafttraining.“ Takao und Daichi stöhnten kollektiv. Kai bedachte sie mit einem seiner berühmten ‚Don’t you dare fuck with me‘-Blicke, was sie ruhig stellte. Sie begannen mit Dehnübungen und arbeiteten sich langsam zum Krafttraining vor. Sie machten gerade keuchend Liegestütze – Max hatte nicht mitgezählt, aber es waren viel zu viele für seinen Geschmack – als endlich Hiromi und Kyoujou ankamen. „Und jetzt halten!“, wies Kai sie an und sie gingen von Liegestützen fließend in einen Plank über. Max‘ Arme zitterten vor Anstrengung, er blickte starr auf den Sand unter sich, während er versuchte, mit angehaltenem Atem so lange durchzuhalten, bis Kai das Signal gab, aufzuhören. Er knirschte konzentriert mit den Zähnen, Daichi neben ihm stöhnte gequält. Der Rothaarige schwankte, wohl weil er die Spannung im Core nicht halten konnte. Max spannte seinen Hintern an und versuchte, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren. Ein Schweißtropfen tropfte von seiner Nase in den Sand. Da fühlte er eine Präsenz neben sich. Als jemand auf seine Schulter klopfte, ließen seine Arme nach und er plumpste mit einem Stöhnen in den Sand. Max schöpfte einen Moment lang Atem, während er über sich ein amüsiertes Lachen hörte. „Sieht so aus als müssten wir in die Muckibude, Maxie“, drang an sein Ohr. Max kniff die Augen zusammen. Halluzinierte er schon? Eine zweite Stimme gesellte sich kichernd dazu. „Ihr seht total nach Boot-Camp aus!“, diese Stimme identifizierte Max eindeutig als weiblich. Er drehte sich halb auf den Rücken und setzte sich auf. Er überzeugte sich mit einem langen Blick, dass er sich den chinesischen Teamkollegen nicht gerade im Trainingsdelirium einbildete. „Rei!“, ein Strahlen zog sich über sein Gesicht und er sprang auf, um mit dem Chinesen einzuschlagen und ihn in eine kurze Umarmung zu ziehen. „Mao! Was macht ihr denn hier?“ Rei steckte die Hände in die Hosentaschen als Max wieder von ihm abließ, blickte grinsend zu Mao. Die Pinkhaarige zwinkerte Rei zu. „Wir dachten wir kommen euch besuchen“ Kai gab endlich das Signal zum Aufhören und Takao und Daichi ließen sich mit erleichterten Seufzern in den Sand fallen. „Du elender Sklaventreiber!“, kam es gedämpft von Takao. Hiromi trat zu ihm und stellte je eine Wasserflasche neben seinen Kopf. „Hör auf dich zu beschweren, du Weichei“, gab sie zurück. Kai schnaubte amüsiert und erhob sich, die Hände in den Hosentaschen. „Hiromi hat sich den Trainingsplan überlegt. Ich bin nur die Exekutive“, wandte er schulterzuckend ein. Er und Rei reichten einander die Hand. „Willkommen zurück im Team“, sprach der Halbrusse aus, der wohl wieder einmal informierter war als der Rest des Teams. Max fiel auf, wie Kais undeutbarer Blick auf Mao fiel. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich kurz, dann schien er wieder wie immer. Max konnte nicht einschätzen, was in Kai vorging. Hiromi lenkte ihn davon ab, weiter darüber nachzudenken. Die Brünette lachte und wandte sich den Neuankömmlingen zu. „Schön, dass ihr da seid“, begrüßte sie sie nun auch und umarmte Mao, ehe sie sich dem Team zuwandte. Max schmunzelte. Während Takao Rei und Mao auf dieselbe Weise begrüßte wie Max, wirkte Daichi als wüsste er nicht so recht, wohin mit sich. Als Rei ihm die Hand hinhielt, hellte sich sein Gesicht auf. Sie schlugen ein, nickten einander zu. Max grinste breit. „Great!“, er schlug erfreut die Hände zusammen. „Wir sind wieder vollständig!“ Max fiel auf, dass Kai Mao immer noch ansah, nur war sein Blick grimmiger geworden. Dies schien niemand außer ihm zu bemerken. „Es war nicht geplant, dass Rei noch jemand mitbringt“, wandte sich Kai unterkühlt an Mao. Er verschränkte die Arme vor der Brust, schien augenblicklich um ein paar Zentimeter anzuwachsen. Doch Mao ließ sich nicht beirren. Sie straffte die Schultern, reckte trotzig das Kinn und erwiderte stur den Blick des Silberhaarigen. „Ich weiß“, erklärte sie. „Es war ein spontaner Entschluss, dass ich mitkomme“ Rei musste sie gebrieft haben, mutmaßte Max, während er das Blickduell zwischen Mao und Kai beobachtete. Er hielt unwillkürlich den Atem an. Rei neben ihm regte sich, wohl nervös wegen der Konfrontation. Er wollte sich in Bewegung setzen und öffnete den Mund, um sich einzuschalten, doch weiter als „Kai-“ kam er nicht. Der Angesprochene hob die Hand und schnitt ihm das Wort ab. „Kein Wort“, wies er ihn an, ohne sich von Mao abzuwenden, die die Hände zu Fäusten geballt hatte und ihn kampfeslustig anblickte. Kai sah sie noch einen Moment lang an, lockerte dann jedoch seine Haltung. „Du wirst nicht ein Wort darüber verlieren, was du hier siehst, klar?“, stellte der Halbrusse drohend klar. Max schluckte. Oh fuck, Kai war nicht gut drauf. Mao machte den Mund auf, um etwas zu sagen, da schaltete sich Hiromi ein. „Jetzt reicht’s aber“, die Braunhaarige trat zwischen Kai und Mao. Sie stemmte die Hände in die Hüften, begegnete Kais Blick und schien alles andere als amused über dessen Verhalten zu sein. „Wir haben schon darüber gesprochen, Kai“, beschwor ihre Managerin den Halbrussen. „Mao weiß Bescheid“ Ihr Gegenüber verschränkte defensiv die Arme vor der Brust und sah sie so lange an, dass Max fast glaubte, er wolle sie mit einem Laserblick töten. Doch Hiromi hatte Übung im Umgang mit Kai und focht die Diskussion in Blicken aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Max war nicht wenig beeindruckt von ihrer Team-Managerin. „Pure freakin‘ badassery“, murmelte Max beeindruckt. Rei neben ihm schien ihn gehört zu haben und schlug ihm verhalten lachend auf die Schulter. Max grinste ihn an. Zeitgleich ließ Kai ein Seufzen hören. Er murmelte etwas von „Sicher ist sicher“ und brachte ein paar Schritte zwischen sich und den Rest ihrer Gruppe, wohl um durchzuatmen. Max sah, wie er sein Smartphone aus der Hosentasche zog, wohl etwas las, was ihm nicht gefiel, und genervt die Augen verdrehte.   09:25 Yuriy: Wer gut sein will muss leiden, malish ;)   Max schmunzelte; zugleich kam ihm der Anblick von Kai mit einem Handy beim Training komisch vor. Sonst war er derjenige, der die Smartphones einsammelte, um Ablenkung zu vermeiden. Max runzelte die Stirn. Seit wann verwendete Kai sein Handy überhaupt? Sonst war er doch kaum zu erreichen, weil er es immer irgendwo lautlos herumliegen ließ, wenn er nicht gerade Musik hörte. Hiromi schüttelte seufzend den Kopf und fing Max‘ Blick ein, der nur mit den Schultern zuckte. Er machte ein ahnungsloses Gesicht und formte die Worte „Kai being Kai“ mit dem Mund. Die junge Frau grinste. „Wir haben abgesprochen, dass Mao mit uns trainieren kann, aber nur unter der Bedingung, dass sie nichts von unserem Trainingsprogramm weitererzählt“, klärte sie nun auch den Rest des Teams auf, die das Schauspiel interessiert beobachtet hatten. Mao neben ihr nickte. „Mein Bruder glaubt nicht, dass ich genauso gut blade wie er“, erklärte sie entschlossen. „Ich will es ihm zeigen! Das kann ich nicht, wenn ich nur mit Baihuzu trainiere.“ „Yeah!“, Daichi sprang auf, angesteckt von Maos Motivation, und holte seinen Starter hervor. „Lasst uns endlich richtig trainieren!“ Die Gruppe lachte, und Hiromi klatschte in die Hände. „Also dann! Los geht’s!“, sie blickte zu Kai, der sich beruhigt zu haben schien, sein Handy wieder einsteckte und mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck hinübersah. Sie scharten sich zunächst um Manabu, der ihnen mithilfe seines Tablets die Trainings-Routine für die nächsten Tage visualisiert auseinandersetzte. Max fiel auf, dass Kai noch etwas mehr Distanz als sonst zum Rest der Gruppe hielt. Ansonsten schien er sich wieder beruhigt zu haben. Der Blonde machte ihm keinen Vorwurf; Kai war kein Morgenmensch und offensichtlich müde. „Okay, wir brauchen zwei Parcours. Hiromi-chan und ich haben ein paar Hindernisse mitgebracht, wir müssen es nur noch aufbauen!“, beschloss Kyoujou seine Ausführungen. „Rei und Daichi, stellt ihr den am Meer drüben auf? Achtet darauf, dass ihr nicht zu nah ans Wasser kommt, sonst wird etwas weggeschwemmt. Takao und Mao, ihr seid für den Parcours da drüben zuständig. Grabt die Stöcke am besten ein bisschen ein, damit sie richtig halten. Der Sand ist ziemlich locker!“ Max lächelte Mao zu, die nun aufgeregt darauf zu warten schien, endlich zu bladen. Sie drückte Reis Hand, die sie hielt, einmal, ehe sie ihn losließ, um sich zu Takao zu gesellen. Sie zerstreuten sich, machten sich daran, mit dem mitgebrachten Material kleine Hindernisparcours aufzustellen. Max trat zu Kai, der mit verschränkten Armen da stand und Mao skeptisch beobachtete. „Not your kind of morning?“, erkundigte er sich und erwartete eigentlich nicht mehr als ein Brummen. Kai sah ihn einen Moment lang nur an, ehe er reagierte. „Wubba, lubba, dub, dub”, zitierte Kai Rick Sanchez trocken zur Antwort. „Sieht man nicht, dass mir die Sonne aus dem Arsch scheint?“ Max grinste und überging Kais abweisende Haltung. „Ich hab‘ gestern Abend erst die neue Staffel Rick & Morty runtergeladen“, erzählte er. „Ich bring’ sie am Sonntag mit!“ Kai nickte, schien etwas besänftigt und wandte endlich den Blick von Mao ab, um Max anzusehen. „Deal“, bestätigte er ihre Verabredung. Max grinste ihn an. „Die Spoiler im Internet sehen echt vielversprechend aus. Ich glaub das wird richtig cool“, erzählte er. Kai schüttelte den Kopf, nun jedoch mit einem leisen Lächeln im Gesicht. „Wann hast du Zeit für Spoiler? Ich mach‘ beim Training wohl noch was falsch“, murmelte er vor sich hin, und Max gab einen erschreckten Laut von sich. Er entdeckte ein Grinsen auf Kais Gesicht und streckte dem Halbrussen gegenüber die Zunge heraus. „Über sowas darfst du echt keine Witze machen!“, gab er peinlich berührt zurück. Kai zuckte mit den Schultern und brummte nur. Er zog sein Smartphone aus der Hosentasche, blickte kurz darauf und seufzte. Max erhaschte einen Blick auf den Screensaver: Boris, Kai und Yuriy posierten vor dem Lenin-Denkmal, ahmten die Haltung des Standbildes nach. Max schmunzelte und wandte sich schnell ab als Kai sich ihm zuwandte. „Wir sollten weitermachen“, meinte der Halbrusse, steckte das Gerät wieder ein. Max grinste ihn an und holte seinen Beyblade heraus. Er hatte es gewusst! In Kai steckte ein goof! „Let’s wipe the floor with them!“, rief er enthusiastisch aus. Er kannte die Antwort, die Frage war rhetorisch; Kai nickte, ein selbstsicheres Grinsen auf den Lippen, während er Dranzer aus seiner Tasche zog.   15:32 Kai: Du vielleicht. :p Kapitel 3: 3 ------------ Hiromi streckte sich genüsslich, während sie am Frühstückstisch saß. Sie hatte schon gegessen, die leere Schüssel Reis neben ihr wartete noch darauf, dass sie sie gemeinsam mit dem Geschirr ihrer Eltern in die Spülmaschine räumte. Die Teetasse in der Hand, scrollte sie ein wenig durch ihr Instagram-Feed. Mao und Rei waren gestern wohl noch bei Takao gewesen: Die Pinkhaarige hatte ein Bild von den Katzen gepostet, die Kai vor etwa einem Jahr unter der Engawa entdeckt hatte. In ihrer Story wartete ein Video der Katze ihrer Unterkunft und ein Bild des Frühstücks. Mathilda postete ein Bild von Giulias Hinterkopf, den sie zu einer aufwändigen Zopffrisur geflochten hatte. Ihre Bildunterschrift, „Tangled made it look so easy!”, wurde von den Hashtags #braidstyles #whyisthissohard begleitet. Hiromi schickte den beiden ein Herz und nahm sich vor, nach dem G.B.C. wie die beiden einfach einen Rucksack zu packen und irgendwohin zu fahren. Hiromi scrollte mäßig aufmerksam über ein paar Katzenbilder von Channels, die sie abonniert hatte, bewunderte kurz ein paar Naturbilder von Reiseunternehmern, die ihre Reiselust nur steigerten. Emily postete immer noch Tennis-Bilder und posierte mit einem Mann mittleren Alters. Hiromi hob überrascht die Augenbrauen, als sie den Namen „Siebald“ sah. Hieß nicht auch Garland Siebald? Die Brünette nahm sich vor, Manabu-kuns Datenbank zu befragen sobald sich die Gelegenheit bot und scrollte mit einem Blick auf die Uhrzeit noch etwas weiter. Das nächste Bild stammte von bokuz: Es zeigte Yuriy Ivanov, der halb verschlafen an einem Tisch saß, die Nase in eine Tasse mit – war das Nosferatu? Hiromi kicherte leise. Er schien nicht zu bemerken, dass er fotografiert wurde, sondern hatte seine aufmerksamkeit auf eine Reihe von Unterlagen gerichtet, die er vor sich ausgebreitet hatte. Seine dunklen Augenringe hoben sich deutlich von seiner blassen Haut ab. bokuz‘ hatte eine englische Bildunterschrift gewählt: „proof.“, die vom Hashtag #myroommateisazombie begleitet wurde. Hiromi lachte laut und tippte zuerst auf das Herz. Dann tippte sie in die Kommentar-Zeile und schrieb: „Check for brains!“ Sie schreckte auf als es klingelte. Sie blickte sich um und stellte fest, dass Manabu-kun vor ihrer Tür auf sie warten musste.   09:40 Kai: Viel Erfolg bei der Prüfung.   Daichi ließ sich erschöpft keuchend nach hinten in den Sand fallen. Gaia Dragoon war zum wiederholten Male im lockeren Sand steckengeblieben. Er schlug frustriert mit den Fäusten in den Sand, wobei er sich selbst von Kopf bis Fuß damit bedeckte. „Dieser verdammte Sand!“, er fluchte derb, was ihm einen schockierten Blick von Max einbrachte. „Holy cow!“, kam es von diesem. „Seit wann kennst du solche Wörter?“ Daichi streckte ihm nur die Zunge heraus und beobachtete zufrieden, dass Max dieselben Probleme im Sand zu haben schien wie er. Der Blonde startete Draciel F im nassen Sand nahe am Meer, wo die Haftung besser war. Sein Blade hielt sich wacker auf dem feuchten Untergrund, die Kugellagern in der Basis arbeiteten gegen den sich rasch verändernden Untergrund, als der Blade in Richtung des trockenen Sandes vordrang. Max ließ ein kurzes Jubeln hören, da geriet Draciel an eine verborgene Unebenheit und begann zu schlingern. Max ließ einen Fluch hören, der sich seinerseits sehen lassen konnte, und lief zu seinem Beyblade, der regungslos im Sand lag. Daichi grinste verhalten. Und Max fragte, woher er seine Schimpfwörter hatte? Max wischte in der Zwischenzeit Draciels Bitchip ab und seufzte, ehe er dem Rotschopf zuwinkte. „Nicht schlapp machen, Daichi!“, rief der Blonde zu ihm hinüber. „Das kriegen wir schon auch noch hin!“ „Besser als bei dir läuft es auf jeden Fall“, kommentierte Rei, dessen Drigger gerade einen der Hindernisparcours absolvierte, die sie am Vortag aufgebaut hatten. Feuchter Sand spritzte, als der silberne Blade die nächste Kurve in einem zu engen Winkel nahm. Drigger drehte durch, spritzte Rei Sand ins Gesicht und blieb schließlich stecken. Max lachte ihn schonungslos aus, während Rei sich den Sand aus dem Gesicht wischte. Er bückte sich nach seinem Beyblade und seufzte. „Zurück an die Arbeit!“, rief er dann. „Wir sind noch lange nicht fertig!“ Daichi lachte halb belustigt, halb verzweifelt. Es war der zweite Tag, den sie am Strand trainierten, und außer Kai und Takao hatte noch niemand so recht den Untergrund gemeistert. Takao brachte gerade den zweiten Hindernisparcours im trockenen Sand hinter sich und war komplett auf seinen Beyblade konzentriert. Nicht einmal die Onigiri, die Hiromi gerade auspackte, konnten ihn ablenken. Daichi beobachtete Takao eifersüchtig. Warum schaffte er es in so kurzer Zeit, auf Sand zu bladen? Das war nicht fair! Eine Hand schob sich in Daichis Blickfeld: Er musterte sie überrascht, ehe er sie ergriff. Es war Kai, dessen Dranzer F in einigem Abstand vor ihnen im Sand kreiselte. „Versuch’s vielleicht nochmal näher am Wasser“, schlug der Halbrusse vor, während er Daichi mit einem Ruck auf die Füße zog. Eine steile Falte bildete sich auf Daichis Gesicht und er riss ungestüm seine Hand los. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Dachte Kai etwa, er sei schwach? „Niemals!“, brauste der Jüngere auf und zeigte mit einer schwungvollen Geste auf Kais noch immer kreiselnden blauen Blade. „Wenn du das hinkriegst, kann ich das auch!“ Der Halbrusse zuckte nur mit den Schultern. „Wenn du dich weiter quälen willst“, brummte er und ließ Daichi stehen. Er zog sein Smartphone aus seiner Hosentasche und blickte kurz darauf, tippte etwas, ehe er es mit einem Kopfschütteln wieder einsteckte.   13:29 Kai: Wie ist es gelaufen?   Dranzer kreiselte immer noch, schien auf einen Befehl zu warten als wäre der Untergrund nicht feiner Sand, sondern fester Grund. Daichi startete seinen Blade erneut. Der traf jedoch in einem zu spitzen Winkel auf dem Sand auf, bedeckte Daichi mit dem feinen Material und blieb dann stecken. Der Rotschopf gab einen frustrierten Laut von sich, während er zum wiederholten Mal zu Gaia Dragoon stapfte. Er hatte das Gefühl, auf der Stelle zu treten; es war als versinke er im Treibsand. Nichts half, und wenn er noch so wild um sich trat! „Versuch‘, den Sand mit einem flacheren Winkel zu treffen“, schaltete sich erneut Kai ein, der Dranzer in den Starter einrasten ließ. Er senkte seinen Starter, blickte zu Daichi, wie um zu prüfen, ob der andere ihm zusah. „Du startest momentan zu direkt in den Sand. Das ist gut für klassische Bowls, aber auf unebenem Untergrund verschwendest du deine Kraft“, erklärte er. „Versuch’s mal!“ Daichi fühlte, wie ihm Hitze ins Gesicht stieg. Das war alles nicht so einfach! Verstand Kai das denn nicht? Er knirschte frustriert mit den Zähnen. Was fiel diesem Schnösel eigentlich ein? Sie trainierten hier seit zwei Tagen und schafften es kaum, durch den Sand zu kommen, während er so tat als wäre es nichts! Und dann bladete er nicht einmal mehr bei Turnieren! Takao hatte wenigstens noch den Ehrgeiz, anzutreten! Daichi fühlte, wie sein Temperament mit ihm durchging. Zorn durchfuhr ihn wie ein Blitz. Er ballte die Hände zu Fäusten. Die plötzliche Energie machte ihn zappelig. „Hey Kai!“, rief er laut genug, dass Takao, Max, Rei, Mao, Manabu und Hiromi sich zu ihnen umdrehten. „Kämpf gegen mich!“ Er ließ Gaia Dragoon in seinen Starter einrasten und stellte sich in Position. Kai hob eine Augenbraue, ehe er sich ihm zuwandte. „Wenn du glaubst, Gaia Dragoon kreiselt lang genug, um einen Treffer zu landen“, gab er ruhig zurück und Daichi regte sich nur noch mehr auf. Was glaubte Kai, was er war? „Dir zeig ich’s!“, kündigte er an, während er seinen Stand im Sand festigte. Gemeinsam zählten sie von drei den Countdown rückwärts. Auf das Signal zog Daichi mit aller Kraft an der Reißleine, justierte seinen Starter allerdings im letzten Moment in einem flacheren Winkel zum Boden, wie Kai es zuvor demonstriert hatte. Gaia Dragoon flog direkt auf Dranzer zu, während beide Blades noch in der Luft waren. Der Aufprall war abrupt und sie wurden nach hinten geschleudert. Sand spritzte auf. Daichi grub seine nackten Zehen in den feinen Sand und flehte im Geiste alle höheren Mächte an, Gaia Dragoon genug Schwung zu geben, dass er nicht gleich steckenblieb. Ihm war das Glück – oder sein Vater im Jenseits oder ein Gott oder sein Beyblade – wohl gesonnen, denn Gaia Dragoon flog in Richtung des feuchten Sandes, während Dranzer in wendigen Bewegungen über den Sand sprang und den Schwung des Rückstoßes nutzte, um gleich wieder auf den gegnerischen Blade zuzuschießen. Dabei wirbelte er feine Sandwolken auf, die seine konkrete Position verdeckten. Daichi biss die Zähne zusammen. Kai war kein einfacher Gegner – das war er nie gewesen. Dranzer war Gaia Dragoon in Sachen Geschwindigkeit und Schlagkraft deutlich überlegen. Gaia Dragoon war dafür wendiger. Wenn nur dieser Sand nicht wäre! Gaia Dragoon beschrieb einen Bogen auf dem feuchten Untergrund und holte genug Schwung, um Dranzer entgegenzuschießen. Daichi murrte unwillig. Der zunehmend trockene, feine Sand behinderte das Fortkommen seines Beyblades und nahm ihm viel Geschwindigkeit. Daichi fühlte sich, als steckten er und sein Beyblade in Treibsand. So konnte er Dranzer nicht begegnen – und noch weniger, wenn Kai Ernst machte! Eine direkte Begegnung würden sie nicht überstehen. Der Rotschlopf kniff die Augen zusammen, versuchte Dranzer im aufgewirbelten Sand zu lokalisieren. Er erhaschte nur ab und an ein kurzes Aufblitzen von Blau, ehe er Dranzer wieder aus den Augen verlor. Daichi knirschte mit den Zähnen und rief seinen Beyblade zurück in Richtung des feuchten Sandes. Es würde ihm nichts bringen, wenn er wegen des lockeren Untergrundes aufhörte zu kreiseln. „Gaia Dragoon!“ Der violette Blade beschrieb einen erneuten Halbkreis – erneut spritzte Sand auf – und kämpfte sich mühsam in Richtung des festeren Untergrundes vor, während Dranzer Haken schlagend näher kam. Mit jeder Landung im Sand wirbelte der blaue Beyblade mehr vom leichten Untergrund auf: Daichi fand sich in einer Sandwolke wieder und musste die Arme heben, um seine Augen vor den feinen Körnern zu schützen. Verdammt, wieso hatte er Kai ausgerechnet hier herausfordern müssen? Kai würde nicht lange fackeln, zuzuschlagen.   „Dranzer!“   Daichi war darauf gefasst und doch überrascht, wie schnell Dranzer aufgeholt hatte. Anstatt den Blade direkt zu rammen, was ihn sicher ins Aus befördert hätte, schoss Dranzer jedoch an Gaia Dragoon vorbei und bezog mit einem eleganten Haken zwischen dem violetten Blade und dem feuchten Untergrund in der Nähe des Meers Stellung. Daichi blieb nicht viel Zeit zum Aufatmen: Nun ging Dranzer zum Angriff über, drängte Gaia Dragoon Schlag um Schlag vom festen Untergrund in Richtung des trockenen, weichen Sandes. Gaia Dragoon wich zentimeterweise zurück und geriet zunehmend ins Schlingern. Daichi fühlte Übelkeit in sich aufsteigen: Er und Gaia Dragoon waren Dranzer hilflos ausgeliefert. Wie sollte er sich da durchsetzen? Es schien aussichtslos. Daichi wappnete sich gegen die nächste Welle aus aufgewirbeltem Sand, die auf ihn niederging. „Halt durch, Gaia Dragoon!“, feuerte er seinen Beyblade an, während er sich darauf konzentrierte, Gaia Dragoon nicht den letzten Schwung verlieren zu lassen, den der Blade noch hatte. Er fühlte förmlich, wie sein Beyblade die Haftung verlor, und grub seine nackten Füße insinktiv tiefer in den Sand. Das Gefühl, in Treibsand zu versinken, war überwältigend. Gaia Dragoon taumelte; Daichis Innerstes zog sich zu einem kalten Kloß zusammen. Er konnte doch nicht so schnell verlieren! Er war so viel stärker geworden! Gaia Dragoon taumelte unter der nächsten Serie aus Treffern, schlingerte im unebenen, instabilen Untergrund. Kai machte Ernst. Daichi kniff die Augen zusammen. Ohne festen Untergrund konnte er die Spin Gear, die Kyoujou erst erneuert hatte, nicht einsetzen. Verdammt! Das nahm ihm seine stärkste Attacke! Daichi stemmte sich mit all seinem Willen gegen Dranzers Angriffe, die von allen Seiten zu kommen schienen. Sein Beyblade konnte einen taumelnden Gegenschlag landen, einem weiteren Schlag ausweichen. Doch Dranzer ließ ihm keine Pause; der Feuerphönix war eine Naturgewalt. Das würden er und Gaia Dragoon nicht lange durchhalten. Kai stand mit etwas Abstand ihm gegenüber, die Arme vor der Brust verschränkt. Er schien auf etwas zu warten, doch Daichi war sich nicht sicher, worauf. Daichi versuchte, seinen Stand zu festigen, doch seine Turnschuhe rutschten ab. Er knurrte verärgert und entledigte kurzerhand des Kleidungsstücks. Als seine Zehen sich in den Sand krallten, durchfuhr es ihn wie ein Blitz: Daichi grub seine Füße tiefer ein, um seine Theorie zu testen. „Gaia Dragoon!“, rief er seinem Beyblade zu, mobilisierte all seine Kraft und begegnete einem von Dranzers Angriffen frontal. Sand wirbelte auf, als beide Blades zurückgeschleudert wurden. Kai musste die Arme heben, um sich vor dem aufspritzenden Sand zu schützen, genauso wie Daichi. Dieser grub seine nackten Füße tiefer in den Sand, um seine Basis nicht zu verlieren. Der Aufprall gab ihm genug Zeit, um sich zu sammeln und Gaia Dragoon die dringend benötigte Atempause, um die nächsten Schritte vorzubereiten. Daichi fühlte etwas Feuchtes an seiner großen Zehe. Er grinste, sah entschlossen zu seinem Gegner. Kai bemerkte seinen Blick und erwiderte ihn scheinbar gelassen. Der würde sein blaues Wunder erleben! Der Rotschopf sammelte alle seine Energie und schickte sie seinem Beyblade: Gaia Dragoon verlangsamte sich deutlich, zog enge Kreise und versank im Sand. Daichi ballte die Fäuste und betete inständig, dass dieser spontane Plan funktionieren würde. Dann hätte er zumindest noch ein Quäntchen einer Chance gegen Kai. Er musste es einfach versuchen – immerhin musste er es ihm zeigen! Daichi schloss die Augen, um sich besser auf seinen Beyblade konzentrieren zu können. Ihn übermannte einen Moment lang die Panik, doch er atmete kontrolliert durch: Er musste ruhig bleiben. Er fühlte, wie der Sand Gaia Dragoon vollends bedeckte und dieser den Schwung verlor, den er hatte. Daichi öffnete die Augen: Tatsächlich war an der Stelle, an der Gaia Dragoon vor wenigen Augenblicken noch gekreiselt hatte, nichts mehr von seinem Beyblade zu sehen. Gaia Dragoon war unter dem feinen Sand vergraben. Nun musste Daichi darauf hoffen, dass er mit seiner Idee nicht ganz daneben lag. „Was wird das, wenn’s fertig ist?“, kam es leicht amüsiert von Kai. „Identifiziert sich Gaia Dragoon neuerdings als Maulwurf?“ Er schien verstanden zu haben, was Daichi vor hatte, schien jedoch sehen zu wollen, ob der Plan aufging. Auch Dranzer bewegte sich nicht. Dies gestattete Daichi einen weiteren Moment. Dieser eine Moment war genug: Es war genau die Zeit, die Gaia Dragoon brauchte, um die nächste Schicht Erde zu erreichen. Darauf hatte Daichi gewartet Der trockene Sand war nur eine Schicht Erde. Darunter war es fest. Daichi grinste breit, während sich seine Anspannung etwas löste. „Pah!“, gab er triumphierend zurück. „Gaia Dragoon ist kein Maulwurf und ich zeig dir wieso!“ Gaia Dragoon, noch immer durch den Sand vor Blicken verborgen, gewann wieder an Geschwindigkeit. Daichi fühlte, wie der Sand rund um Gaia Dragoon wich. „Gaia Dragoon, greif ihn an!“ Sand wirbelte auf: Das war ein Zeichen dafür, dass die Spin Gear aktiviert war. Der violette Blade brach durch die Oberfläche, erzeugte dabei einen kleinen Sturm auf, der sie beide mit einer feinen Sandschicht bedeckte. Daichis Beyblade nutzte den Schwung des Sprungs und teilte nun den Sand vor sich wie eine Säge. Er prallte von oben frontal und mit voller Wucht gegen Dranzer. Der Aufprall war stark, und Daichi und Kai mussten ihre Arme heben, um ihre Augen vor dem Sand zu schützen. Dranzer und Gaia Dragoon waren beide in der Luft, Dranzer höher als sein Gegner. Daichi hörte Kais Befehl zum Angriff, noch ehe er die beiden Beyblades im aufgewirbelten Sand entdeckte. „Dranzer, jetzt!“ Dranzer schoss von oben auf Gaia Dragoon herab wie ein Raubvogel und schleuderte den violetten Blade in den Boden. Der Aufprall war hart und bedeckte sie erneut beide mit Sand. Staub wirbelte auf, der Daichi alle Sicht nahm. Er hustete trocken. Als er endlich die Arme senken konnte, musste er mehrmals blinzeln. Er hatte sicher Sand im Auge - seine Augen brannten. Dranzer kreiselte auf einer leichten Erhebung, während Gaia Dragoon in einem kleinen Krater aus losem Sand vor ihm am Boden lag. „Nein …“ Daichi ließ sich nach hinten in den Sand fallen und wischte sich mit dem Arm über die verschwitzte Stirn, wodurch er den Sand nur verschmierte. Er fühlte die feinen Körner über seine Haut kratzen, hob einmal alle Gliedmaßen und ließ sie schwer in den Sand fallen. „Ich hab‘ verloren“, gab er entmutigt  von sich. Warum bladete Kai nicht einfach statt ihm im Turnier? Ihre Gewinnchancen würden damit bedeutend steigen, wenn … Sein Gedanke wurde von Max unterbrochen, der locker zu ihm joggte und ihm die Hand entgegenhielt, um ihm aufzuhelfen. „Das war der Hammer!“, lachte er, während Daichi sich aufrappelte. Dann hielt er ihm Draciel entgegen. Der Bitchip glänzte in der Sonne. „Du musst mir zeigen wie du das mit dem Eingraben hingekriegt hast!“ „Klar doch!“, Daichi klopfte seine Hose provisorisch ab, stemmte die Hände in die Hüften und grinste breit. Auch Kai trat zu ihnen. Er reichte ihm Gaia Dragoon, den er vorsorglich gemeinsam mit Dranzer aufgehoben hatte. „Du hattest eine gute Idee“, lobte er sachlich, was Daichi aufhorchen ließ. „Wirklich?“, fragte er mit großen Augen. Hatte er Sand in den Ohren oder lobte ihn Kai – der Kai – gerade wirklich? Der Halbrusse nickte. „Schau dir nachher die Aufnahmen an, die Kyoujou gemacht hat“, wies er ihn an. „Die Idee ist gut, könnte dich aber in gewissen Situationen zu viel Energie kosten. Schau dir an, was Dranzer gemacht hat. Ich hab‘ die Dünen im Sand als eine Art Sprungbrett genutzt. Versuch‘ das auch mal, das nimmt weitaus weniger Schwung als mit voller Wucht durch den Sand zu preschen“ Daichi blieb bei diesen Worten der Mund offen: Kai verriet ihm seine Technik. Er gab ihm Tipps. Stand die Welt komplett Kopf? Max neben ihm kicherte. „He’s at a loss of words“, hörte Daichi ihn sagen, während Rei zu ihnen trat und Daichi kräftig auf die Schulter klopfte. Er sagte auch irgendwas. Daichi war aber noch zu sehr in seiner Welt, um dem Gespräch zu folgen.   15:02 Yuriy: (Selfie aus dem Bett. Unter einem Deckenberg blinzelt Yuriy hervor.) Yuriy: Ich bin direkt nach Hause und habe bis jetzt geschlafen.   Er blickte zu Kai, der sich wieder ein paar Schritte von ihnen entfernt hatte und auf seinem Handy herumtippte. Dann blickte Daichi auf Strata Dragoon, während sich langsam ein breites Grinsen auf sein Gesicht schlich.   15:10 Kai: Glaubst du Boris hört jetzt auf mit den Zombie-Witzen?   15:12 Yuriy: You joking? Er bombardiert mich seit heute Morgen mit Memes.   „Daichi?“, Max winkte zwei-, dreimal mit der flachen Hand vor dem Gesicht des Jüngeren herum, um ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zu bekommen. Rei neben ihm lachte gutmütig. „Jetzt ist er hin und weg von unserem Captain“, scherzte er und winkte Mao zu. Die Pinkhaarige stellte sich ein paar Schritte von ihnen entfernt in Position und startete Galux. Der pinke Blade sprang flink über die Dünen. Sie musste sich die Technik bei Kai abgeschaut haben. Max grinste breit und bemerkte mit gehobenem Zeigefinger: „So jedem Bladebreaker es geht, wenn Coach Kai sie kennenlernen, junger Yedi“ Daichi blinzelte verwirrt von seinem Beyblade auf. „Was für ein Yeti?“, fragte er zurück, was Rei nur ein weiteres Lachen und Max einen verzweifelten Stoßseufzer entlockte. „Viel lernen du musst“, verkündete er, die Augen theatralisch gen Himmel gerichtet. Rei zuckte nur mit den Schultern und ließ seinen Blade in seinen Starter einrasten. „Bereit für die nächste Runde?“, er stieß Daichi an. Dieser nickte und tat es Rei gleich. „Ich bin immer bereit!“, erwiderte er großspurig. Reis honigfarbene Augen blitzten verschmitzt. „Wie wäre es dann mit einer kleinen Wette?“, schlug er jovial vor. Daichi streckte ihm die Zunge raus. „Sag an!“ Man hörte Manabu, der sich unweit von den beiden aufgestellt hatte, um ihre Übungen zu filmen, prustend lachen. Mao fing ihren Blade ein und sandte Rei einen mahnenden Blick, unter dem dieser sich wand. „Wag‘ es ja nicht“, drohte sie ihm, ehe sie sich schwungvoll abwandte und erhobenen Hauptes zu Hiromi stolzierte. Rei hob hilflos die Hand. „Mao!“, rief Rei ihr hinterher, ohne Erfolg. „Ich hab‘ nicht das vor was du denkst!“ Max kicherte. Immer, wenn Rei Wetten vorschlug, konnte es nur im Desaster enden: Er hatte Takao dazu angestiftet, in einer Nacht- und Nebelaktion Kais Schal pink zu färben und Manabu dazu gebracht, ein zweideutiges Banner auf die alte BBA-Website zu setzen. Er selber war immer vermeintlich ahnungslos daneben gestanden, wenn die Schuldigen ertappt wurden – ganz das Unschuldslamm. Und sie wurden immer ertappt: Es schien vorprogrammiert. Daichi wirkte ziemlich verwirrt und Rei seufzte abgrundtief, während Max sich schulterzuckend abwandte. „Na gut, dann eben keine Wette“, hörte er Rei beinah ein wenig beleidigt von sich geben, bevor er außer Hörweite kam. Der Blondschopf spazierte gelassen in Richtung Hiromi. Dort hatte auch Takao Stellung bezogen, der zwischen zwei Trainingseinheiten ein Onigiri verschlang, und Kai, der sich seiner Schuhe entledigt hatte und nun versuchte, vornübergebeugt den Sand aus seinem Haar zu schütteln. Sein Erfolg schien mäßig zu sein: Er sah aus als käme er frisch aus einem Sandsturm. Takao trat zu Kai und tätschelte seine Schulter. „Da hat dich Daichi ganz schön eingegraben“, scherzte er, was ihm nur ein Augenverdrehen des Halbrussen einbrachte. Max kicherte und nahm ein Onigiri von Hiromi entgegen. „Du siehst aus als hättest du dich mit einem Sandsturm geprügelt“, stimmte er ins Necken ein. Von Kai kam nur ein Schnauben. Er richtete sich auf, ohne wirklich viel Sand abgeschüttelt zu haben. „Immerhin hat der Sandsturm verloren“, erwiderte er trocken, während er sein Smartphone aus der Hosentasche zog. Er hob es aus einiger Distanz und blickte kritisch darauf. Dann tippte er etwas.   15:32 Kai: (Selfie von unten: Kai, sandbedeckt, starrt mit leicht genervt-konzentriertem Ausdruck an der Kamera vorbei. Sein Gesicht hat wegen des Winkels von schräg unten eine seltsame Proportion) Kai: Enter Sandman   „Machst du ein Selfie, Kai?“, fragte Mao freundlich. Der Angesprochene fuhr herum, steckte sein Handy energisch in die Hosentasche und blickte Mao böse an. „Das geht dich nichts an“, brummte er unfreundlich und zog sich sein T-Shirt über den Kopf, um es auszuschütteln. Die Chinesin machte ein zuerst ein irritiertes, dann ein empörtes Gesicht, doch Hiromi legte ihr eine Hand auf die Schulter und schüttelte nur den Kopf. Max zuckte mit den Schultern und lächelte sie an. „Kai macht keine Selfies“, klärte der Blondschopf Mao verschwörerisch leise auf. In der langen Zeit, in der sie nun schon miteinander zu tun hatten, hatte Max Kai noch nie so etwas wie ein Selfie machen sehen. Andererseits war es auch eine neue Entwicklung, dass Kai sein Smartphone aktiv nutzte. Vielleicht ließ er sich ja jetzt zum Gruppenchat überreden! Er grinste Kai an, der sein T-Shirt wieder übergezogen hatte. Der nahm nun eine Flasche Wasser von Hiromi entgegen und schien Mao bewusst zu übersehen. „Der Kampf war richtig cool!“, lenkte Takao ab, und auch Max reckte seine Daumen in die Höhe. Kai zuckte mit den Schultern. „Daichi brauchte nur ein bisschen Motivation“, erwiderte er gelassen und trank einen Schluck. „Er hatte zu viel Sand zwischen den Ohren um anständig nachzudenken“ Takao grinste breit, während er seinen Starter hob. „Zeigst du mich auch deine Moves?“, triezte er Kai mit einem übertriebenen Augenaufschlag. Sein Gegenüber verdrehte genervt die Augen. „Hör auf mit dem Mist und trainier weiter“, brummte er und wandte sich von der kleinen Gruppe ab, um den Kampf zwischen Rei und Daichi zu beobachten. Davor zog er nochmals sein Handy aus der Hosentasche und sah darauf.   15:48 Yuriy: lol Yuriy: exit light enter night Yuriy: Selfies sind aber nicht deine Stärke, oder? :p   Takao sah, wie Daichi versuchte, Dranzers Moves aus dem Match zu imitieren und grinste breit. Er stemmte zufrieden die Arme in die Hüften und wandte sich halb zu Hiromi und Mao um. Hiromi grinste schief und sah auf ihre Armbanduhr. „Wir haben noch zwei Stunden Training vor uns! Mao, trainier am besten mit Takao beim Parkours da drüben. Max, du solltest zu Daichi und Rei!“ Max blickte zu Takao, dessen Gesicht ein breites Grinsen zierte. Dann stellten sie sich nebeneinander auf und salutierten: „Ma’am yes ma’am!“, sie schlugen die Hacken zusammen und marschierten im Stechschritt zu den ihnen zugewiesenen Plätzen. Mao lachte. „Was war denn das?“, sie sah zur Braunhaarigen, die nur seufzend mit den Schultern zuckte. „Frag nicht“, sie verdrehte gutwillig die Augen. „Sie haben mich irgendwann mit einem Drill Instructor verglichen und machen seitdem immer das, wenn ich sie daran hindere, beim Training zu chillen“ Mao lachte und drehte sich um, um locker hinter Max und Takao herzujoggen. „Wartet auf mich!“, rief sie. Als Hiromi am Abend ihr Smartphone wieder zur Hand nahm, wartete eine Privatnachricht auf sie. bokuz hatte ihr ein Meme geschickt: Links verlangte ein Zombie nach „Brains“, rechts ein vegetarischer Zombie nach „Grains“. Dazu die Nachricht: „Ich habe die Wohnung nach Spuren von Brains untersucht, aber nur Grains gefunden.“ Hiromi kicherte und antwortete: „Immerhin müsst ihr nicht um euer Leben fürchten“   Kapitel 4: 4 ------------ Mao zog das Zopfband aus ihrem Haar, beugte sich vornüber und schüttelte es aus. Sie richtete sich auf, strich sich mit den Fingern durch ihre zuckerwattenrosa gefärbte Mähne. Ihre Kopfhaut fühlte sich unter ihren Fingern immer noch sandig an und juckte unangenehm. Das Krafttraining im Sand war unglaublich anstrengend und vor allem sandig gewesen, nachdem Hiromi und Kai einige Übungen am Boden eingebaut hatten. „Ich habe überall Sand“, beschwerte sie sich bei Hiromi, die nicht weit von ihr auf einem Handtuch saß. Sie hielt ein Tablet in der Hand und filmte das Trainingsmatch zwischen Max und Rei vor ihnen. Die Brünette blickte nicht auf als sie Mao ungerührt antwortete: „Das kommt davon, wenn du dich in den Sand legst“ Die Pinkhaarige verdrehte die Augen, rollte ihre Schultern nach hinten. „Ich bin ja nicht die einzige, die sich in den Sand gelegt hat“, sie verzog das Gesicht, während sie sich streckte, um eine Verspannung zu lösen. „Du und Kai, ihr habt das ultimative Trainingsprogramm der Hölle gestartet. Ich dachte ja am Anfang, die anderen übertreiben, aber ihr seid echte Sklaventreiber“, informierte sie ihre Freundin. Hiromi lachte. „Ach was“, erwiderte sie leichthin und grinste an Mao vorbei. „Oder, Kai?“ „Wir doch nicht“, gab Kai trocken von sich. Mao folgte unwillkürlich Hiromis Blick und zuckte zusammen, als sie direkt Kais Blick hinter seiner Sonnenbrille begegnete. Die Chinesin zwang ein freundliches Lächeln auf ihr Gesicht. Sie wusste, es sie bildete es sich sicherlich nur ein; aber verhielt sich Kai ihr gegenüber abweisender als den anderen? Der Halbrusse schenkte ihr keine weitere Beachtung. Stattdessen schmunzelte über etwas auf seinem Handy, tippte etwas und steckte das Smartphone in seine Hosentasche, um sich dem Trainingsmatch zwischen Daichi und Takao zuzuwenden.   14:52 Yuriy: (Foto einer umgekippten Tasse in einer Kaffeelache) Yuriy: RIP Lebenselixier   15:04 Kai: Wer hat deinen Kaffee getötet?   Mao versuchte, sich nichts daraus zu machen, fühlte aber doch einen beleidigten Stich. Sie beugte sich zu Manabu. „Wofür bin ich als nächstes eingeplant?“, erkundigte sie sich freundlich. Der Brillenträger  rückte seine Brille zurecht und tippte einige Befehle in seinen Laptop. „Du bist die Tage gut mit dem Untergrund klargekommen, oder?“, fragte er nach, ohne den Blick vom Bildschirm zu heben. Mao nickte überrascht. „Woher-?“, bevor sie ihre Frage beenden konnte, wies Manabu in Richtung eines Hindernisparcours, den er und Hiromi während der Mittagspause umgestellt hatten. „Der nächste Schritt ist es, deine Agilität im schwierigen Gelände zu üben: Das heißt enge Kurven, Ballance-Übungen und verborgener Untergrund“, erklärte er. Mao nickte und sandte ihm ein Lächeln, ehe sie sich in Richtung des Parcours wandte. „Danke!“ Als sie an Kai vorbeikam, verlangsamte sie ihren Schritt und warf ihm einen Seitenblick zu. Ihr Magen flatterte nervös, doch der Silberhaarige hatte die Arme verschränkt und schien vollkommen auf Takao und Daichi fokussiert. Seine Sonnenbrille, fiel Mao auf, wirkte so als würde sie nicht recht zu ihm passen. Sie folge seinem Blick in Richtung der beiden, die ihre Übungen auf einer Partie feuchteren Sandes näher am Wasser durchführten. Die Übungen uferten gerade allerdings eher in ein Trainingsmatch aus. „Hör auf, dich gegen mich zu wehren, du frecher Bengel!“, Dragoon drängte seinen Gegner im feuchten Sand nach hinten. „Was?“, protestierte Daichi. „Du willst mir nicht zuhören!“ Gaia Dragoon stieß Dragoon von sich, um Abstand zu gewinnen. Der weiße Beyblade ließ jedoch nicht locker. „Von wegen!“, gab Takao zurück. Die Beyblades prallten in schneller Abfolge mehrmals aufeinander. Kai, der bislang jede Bewegung beobachtet zu haben schien, schaltete sich genervt ein: „Ihr sollt einander nicht angreifen, ihr sollt im Team arbeiten!“ Mao zuckte angesichts des scharfen Tonfalls zusammen und kam endlich wieder in Bewegung, bevor Kais strenger Blick auf ihr landen konnte. Sie stellte sich auf einer Seite des Hindernisparcours auf und startete Galux. Der pinke Beyblade kam im Sand auf, steuerte auf die erste Serie an Hindernissen zu und umrundete den ersten Kegel, den zweiten. Dann wurde Mao von einem Lachen abgelenkt. Galux blieb auf der Stelle zwischen zwei Dosen kreiseln als warte der Beyblade ab. Takao und Daichi grinsten einander an. „Du hörst den Mann“, erklärte Takao altklug an Daichi gewandt. „Wir sollen im Team arbeiten!“ Dragoon schoss auf Gaia Dragoon zu, um im letzten Moment einen engen Schlenker zur Seite zu beschreiben und von hinten anzugreifen. Daichi verzog verärgert das Gesicht, dann lachte er verschmitzt: „Die Freude ist ganz meinerseits!“ Gaia Dragoon stemmte sich gegen Takaos Beyblade und schob ihn nach hinten. „Aber nein, nach dir!“, gab Takao übertrieben höflich zurück. Dragoon F stieß sich ab und rammte den violetten Beyblade. Er schob ihn ein Stück nach hinten. Daichi stampfte wütend auf, verzog jedoch keine Miene. Gaia Dragoon schob seinerseits den weißen Beyblade nach hinten. „Bitte, Alter vor Schönheit!“, kam es vom Rotschopf. Er deutete einen Diener in Richtung Takao an. „Zu freundlich!“ Dragoon schoss nach vorne und traf Gaia Dragoon an der Kante, dass der violette Beyblade in die Luft befördert wurde. Daichi japste überrascht, während Takao siegessicher grinste. Ein resigniertes Seufzen ertönte von Kai, der die Sonnenbrille abnahm und sich die Nasenwurzel massierte. „Wir bleiben so lange hier, bis ihr den Move geschafft habt“, drohte er ruhig an Takao und Daichi gewandt. Dann warf er einen strengen Blick auf Mao, die sich seltsam ertappt fühlte. Galux vor ihr schlingerte bedenklich.   Das Scheppern von Dosen und ein chinesischer Fluch ließen Rei überrascht von dem Hnidernisparcours aufsehen, durch den Drigger schon beinah ohne weitere Probleme kam. Er fing seinen Beyblade ein und wandte den Kopf, um zu sehen, was vorging. Mao hatte sich vor dem neuen Parcours aufgestellt, den Rei vorhin hinter sich gebracht hatte und arbeitete wohl an den Moves für den ersten Abschnitt. Ihr pinker Beyblade beschrieb eckige Kurven im Sand und schien einige Balance-Probleme zu haben. Galux stieß eine Dose um, anstatt sie zu umrunden, und Mao stapfte fluchend hin, um sie aufzustellen. Rei runzelte nachdenklich die Stirn. War Mao immer so unkontrolliert gewesen? Er versuchte sich, an das Training mit Lai, Kiki und Gao zu erinnern, doch ihm fiel nichts Nennenswertes ein. Maos Manöver erinnerten ihn entfernt an die ihres Bruders. Lai hatte immer schon Schwierigkeiten gehabt, sein Temperament zu zügeln; die unkontrollierbare, impulsive Wucht, mit der Galeon austeilen konnte, war zugleich seine größte Stärke und seine schwierigste Schwäche. Rei beobachtete, wie Mao ihren Beyblade erneut startete. Wenn sie den Ellbogen etwas weiter nach hinten nehmen würde, den Winkel des Starts ändern, hätte sie mehr Speed, überlegte er, während Galux sich erneut an die engen Kurven durch den Sand machte. Etwas daran wirkte vertraut, jedoch nicht wie Mao und auch nicht so als fühle sich Mao mit den Manövern wohl; etwas fühlte sich falsch an. Rei warf einen schnellen Blick in Richtung Kai, der damit beschäftigt zu sein schien, Takao und Daichi in Tag-Team-Moves zu coachen. Wenn Kai… Rei schüttelte den Kopf und griff alibimäßig nach der halbvollen Flasche Wasser, die nicht weit von ihm im Sand stand. Er trank einen Schluck und vertrieb damit die Idee, Kai zu bitten, intensiver mit Mao zu arbeiten. Es grenzte an ein schieres Wunder, dass Kai eine Außenstehende beim Training zuließ – da konnte er sein Glück nicht überstrapazieren. Rei seufzte und richtete seinen Blick wieder auf seine Freundin, die sich an einem relativ einfachen Move sichtlich abmühte. Was war nur los? Sie hatte ähnliches Potential wie ihr Bruder, allerdings fehlte es ihr an der schieren Wucht, die Lai heraufbeschwören konnte. Gerade führte sich Mao allerdings mehr wie eine Touristin auf Urlaub auf als wie eine professionelle Beybladerin, ging abends mit Hiromi spazieren oder irgendwelche Dinge ansehen, statt an ihren Schwächen zu arbeiten. Auch wenn Rei es nachvollziehen konnte – Mao war zum ersten Mal ohne Baihuzu unterwegs und hatte Zeit, im Gegensatz zu ihren letzten Reisen –, hinterließ der Gedanke, dass Mao die Chance, die er ihr verschafft hatte, nicht ernst nahm, einen vagen Geschmack von Säure in seinem Mund.   „Konzentrier dich, Mao“, sprach sich die Pinkhaarige Mut zu und versuchte, Takaos und Daichis Stimmen auszublenden, die nun begannen, ernsthaft zusammenzuarbeiten. Mao atmete einmal, zweimal tief durch, um sich zu fokussieren, und konzentrierte sich auf ihren Beyblade. Galux nahm Geschwindigkeit auf und fand das Gleichgewicht wieder. Langsam umrundete der pinke Beyblade die letzten Dosen in viel zu großen Kurven. Mao schüttelte verärgert den Kopf und ließ Galux den Weg, den der Blade gerade zurückgelegt hatte, wieder zurückkommen. Galux geriet ins Stolpern, weil ihr Blick Reis fand. Er hatte sie beobachtet, lächelte ihr nun aufmunternd zu. Etwas Schweres setzte sich in Maos Magengrube ab; Mao wusste nicht, woher das flaue Gefühl kam. Sie schluckte und sah nach unten auf Galux. Nochmal, spornte sie ihren Beyblade in Gedanken an und versuchte sich den Weg vorzustellen, den Galux nehmen sollte. Sie fühlte Reis Lächeln auf sich, ehe er sich ab- und in Richtung von Takao und Daichi wandte. „Hey, wir wollten heute ins Kino!“, erinnerte er sie mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Galux‘ letzte Kurve war zu groß; sie versuchte, nicht mehr weiter auf den freundlichen Schalgabtausch zwischen Daichi, Takao und Rei zu achten und holte ihren Beyblade nochmals an seine Anfangsposition zurück. Nochmal, und diesmal richtig, sprach sich Mao innerlich Mut zu. Diesmal klappte der erste Teil des Parcours viel besser. Der nächste Teil bestand aus verschiedenen Erhebungen, die zum Teil im Sand vergraben waren. Die erste Erhebung war seltsam fest und glatt unter dem Sand, sodass Galux beschleunigen musste, um sie zu überwinden. Die nächste war zu weich. „Was ist das?“, schimpfte Mao als Galux sich in eine unerwartete Kuhle stürzte und steckenblieb. Sie lief zu ihrem Beyblade und hob ihn auf, um einen erneuten Versuch zu wagen, das Parcours zu meistern.   15:12 Yuriy: Boris. Er wird einen tragischen Tod erleiden.   15:23 Kai: Womit wollt ihr euch duellieren? Vanjas Pokémon-Sammelkarten? Kai: Du Spargel hast doch keine Chance gegen Boris   „Ok, nochmal!“, Takao runzelte angestrengt die Stirn, während er wartete, bis Daichi seinen Beyblade neben Dragoon dirigiert hatte. Dann tauschte er einen Blick mit dem Rotschopf, ehe er zu Kai sah. „Kai!“, er wartete, dass der Silberhaarige sein Smartphone einsteckte und seine Aufmerksamkeit bei ihnen war, ehe er ihm zunickte. „Wir sind bereit!“ Kai steckte sein Smartphone wieder ein, ehe er die Arme verschränkte. Er nickte. Dragoon und Gaia Dragoon kreiselten nach vorne, bereit, auf Kais Kommando hin die Richtung zu wechseln. Wie aufs Stichwort ertönte auch schon Kais erste Anweisung. „Rechts!“ Takao hielt Dragoon zurück, um Platz für Gaia Dragoon zu lassen, während sie die Kurve beschrieben, wie sie es in der letzten halben Stunde geübt hatten. Er stieß erleichtert die Luft aus, als die Kurve geschafft war und ihre Beyblades sich in Richtung Meer bewegten. „Links!“, ertönte Kais nächste Anweisung und die Beyblades leisteten Folge. Takao registreirte zufrieden, dass auch Daichi die Geschwindigkeit von Gaia Dragoon drosselte, um ihn vorbeizulassen. „Nochmal links!“, wies Kai sie an. Auch dieser Move klappte, genauso wie die nächsten drei. Takao fühlte, wie sich ein siegessicheres Grinsen auf seine Lippen schlich. Ein Blick zu Daichi zeigte, dass dieser ähnlich euphorisch grinste als denke er dasselbe. Er demonstrierte einen hochgereckten Daumen in Richtung Kai. „Lass‘ uns das mal allein versuchen!“, rief er ihm zu. Als Kai nickte, suchte Takao den Blick seines Tag-Team Partners. Ihr Trainer blieb neben Manabu, die Arme verschränkt, der Blick hinter der Sonnenbrille wohl skeptisch wie immer. Takao sandte ihm ein selbstsicheres Grinsen, auf das Kai mit einer hochgezogenen Augenbraue reagierte. Na gut, dann musste Takao ihm eben beweisen, dass er und Daichi den Bogen raus hatten. „Folg‘ meinen Kommandos!“, ermahnte er Daichi, der nickte, einen konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht. Sie starteten ihre Blades erneut. „Rechts!“, rief Taka und sein Beyblade beschrieb die Kurve – um direkt in Gaia Dragoon zu krachen. Daichi kratzte sich ratlos am Kopf. „Oh“, machte er. „Du meintest dein rechts, nicht meines!“ Takao verdrehte die Augen. „Wir haben beide dasselbe rechts“, wies er den Rotschopf hin und hob seufzend seinen Beyblade auf. Er wischte nassen Sand von Dragoons Bitchip und zuckte mit den Schultern. „Das war schon besser als vorher!“, warf Manabu, der ihr Training gefilmt hatte, optimistisch ein. „Aber noch lange nicht gut genug“, schaltete sich Kai, die elende Stimme der Vernunft, trocken ein. „Macht noch eine Runde und diesmal gibt Daichi die Richtungen vor!“ „Wehe du verwechselst wieder rechts und links“, murmelte Takao ehe er sich in Position stellte. Daichi streckte ihm die Zunge heraus. „Schau lieber auf dich selber!“, gab er zurück.   Hiromi trat neben Kai und Manabu, zwei Flaschen Wasser in ihren Armen, und blickte in Richtung von Takao und Daichi. „Wie lange sind die beiden schon dran?“, fragte sie und versuchte sich an den ungefähren Zeitplan aus ihren Vorbereitungen zu erinnern. Sie reichte den beiden die Flaschen. Kai löste seine verschränkten Arme und hielt einen Finger in die Höhe, ehe er das Wasser entgegennahm. „Etwa eine Stunde“, erklärte er. „Sie haben beide rechts und links so oft verwechselt, dass sie stattdessen ‚Meer‘ und ‚Strand‘ sagen“ Hiromi lachte und blickte zu den Beyblades, die erfolgreich zuerst eine Rechts-, dann eine Linkskurve beschrieben. „Das klingt nach ihnen“, kommentierte sie. Sie verfolgte die beiden Beyblades; sie fühlte die alte Sehnsucht in sich aufsteigen und vertrieb sie mit einem Kopfschütteln. Sie war nichts fürs Bladen gemacht. „Wenn sie so weitermachen, könnten sie nächste Woche den Twist Tornado hinkriegen“, sinnierte sie und überlegte, wann sie Tag-Team-Training einplant hatte. Kai schob seine Sonnenbrille nach vorne und sah sie über den Bügel der Fliegerbrille hinweg nachdenklich an. „Ich wollte eigentlich noch Rei und Takao in einem Trainingsmatch sehen heute, aber sie kriegen gerade ein Gefühl füreinander, das müssen wir ausnutzen“ Hiromi nickte, während sie beobachtete, wie Dragoon und Gaia Dragoon gegeneinander prallten und im Sand liegenblieben. Es folgte ein kurzer, lauter Wechsel zwischen Takao und Daichi, weil nicht klar war, wer den Befehl zum Richtungswechsel gab. „Sie müssen das noch besser in den Griff kriegen“, stimmte sie zu und sah auf ihre Armbanduhr. „Außerdem wollten wir das Training heute ja früher beenden“ Kai verdrehte die Augen. „Wir haben es versprochen, Kai“, erinnerte Hiromi den Silberhaarigen, der nur unwillig schnaubte und sein Handy aus der Hosentasche holte, wohl um ebenso die Uhrzeit zu prüfen. Dabei führte er die Wasserflasche zum Mund.   16:32 Yuriy: Wen nennst du hier einen Spargel? Yuriy: (Selfie von Yuriys nacktem Oberkörper, die Bauchmuskeln angespannt)   Dann geschah etwas Seltsames. Wo er gerade noch unwillig den Mund verzogen hatte, entgleißten Kai seine Gesichtszüge – nur einen Moment, doch lang genug für Hiromi, dass es ihr auffiel. Er verschluckte sich am Wasser und hustete so stark, dass ihm beinahe sein Handy aus der Hand fiel. Seine Sonnenbrille fiel zu Boden und sein Gesicht hatte eine ungesunde Rotfärbung angenommen. „Kai?“, Manabus Stimme überschlug sich und klang schrill, wie immer, wenn er sich aufregte. „Alles okay, Kai?“, Hiromi konnte die Sorge nicht aus ihrer Stimme halten, während sie Kai auf den Rücken klopfte und sich wunderte, was in aller Welt ihn so aus der Fassung gebracht haben mochte. Sie versuchte, auf seinen Bildschirm zu linsen, doch Kai verdeckte mit seinem Handballen das Display, sodass sie nichts erkennen konnte. Es dauerte etwas, bis Kai sich beruhigt hatte und wieder normal atmete. Sein Gesicht behielt jedoch eine ungesunde Röte. Hiromi zupfte an seinem T-Shirt. „Willst du dich nicht in den Schatten setzen?“, schlug sie vor. „Ja, Kai, du warst ganz schön lang in der prallen Sonne“, schaltete sich auch Manabu ein, dessen Stimme sich wieder in einer normalen Tonlage bewegte. Hiromi nickte. „Manabu und ich regeln den Rest des Trainings, es sind ja ohnehin nur mehr zwanzig Minuten“ Kai sah sie unwillig an, die Miene undurchdringlich, ehe er nickte. „Vielleicht“, er räusperte sich umständlich und fuhr sich durch sein wildes Haar. „Vielleicht hab‘ ich zu viel Sonne abbekommen“ Er bückte sich nach seiner Sonnenbrille und schritt zum Sonnenschirm, unter dem Hiromi und Manabu ihre Basis errichtet hatten. Hiromi beobachtete zufrieden, wie er sich in den Schatten setzte, die Arme verschränkte und ihr einen grimmigen Blick zuwarf. Die Braunhaarige sandte ihm ein freundliches Lächeln.   16:47 Kai: Wegen dir wurde ich gerade auf die Bank geschickt. Kai: Wenn wir im G.B.C. schlecht abschneiden ist es offiziell deine Schuld.   Kai steckte sein Handy in einer hastigen Bewegung ein als Hiromi neben ihn trat. Sie überging die Bewegung, kam jedoch nicht umhin, sich zu fragen, was Kai zu verbergen hatte. Sie lächelte ihn freundlich an. „Du siehst schon besser aus“, stellte sie fest. „Es ist also hoffentlich kein Sonnenstich“ Kai nickte ausdruckslos. Hiromi verdrehte die Augen und hob den ausgedruckten Trainingsplan, der sie über die Woche begleitet hatte, und nickte Manabu zu. „Die Woche ist ziemlich gut gelaufen, ich finde, wir können zufrieden sein. Alle haben gut mit dem Terrain arbeiten können“, berichtete Manabu, während er durch verschiedene Statistiken auf dem Tablet wischte. Hiromi nickte. „Nächste Woche sollten wir nochmal einen Schwerpunkt auf Tag-Teams legen und mal wieder druchmischen. Takao und Daichi kommen gut miteinander klar, aber Daichi hat zum Beispiel noch nie mit Rei gebladet“, überlegte sie laut, während sie ihre Gedanken in Stichworten auf ihrem Plan notierte. Kai brummte zustimmend und beobachtete die anderen Teammitglieder und Mao beim Training. „Rei lässt sich zu sehr ablenken“, brummte er nach einem Moment, was ihm ein Augenverdrehen von Hiromi einbrachte. „Du dich auch“, sie stieß ihm ihren Zeigefinger in die Seite. Kai hob eine Augenbraue. Hiromi gestikulierte vage in Richtung seiner Hosentasche. „Dein Handy?“, gab sie knapp zurück. Kai blickte sie nur unverständig an. Dann seufzte sie und winkte ab: „Lassen wir das“   16:59 Yuriy: Das ist eine Schuld mit der ich leben kann. >:)   Takao fing seinen Beyblade auf als Hiromi mit erschreckend lautem Organ das Ende des Trainings verkündete. Er beeilte sich, das Equipment, das er gerade noch als Hindernisse verwendet hatte, einzusammeln, und sah auch die anderen dasselbe tun. Der Dunkelhaarige registrierte amüsiert, wie Maos angestrengter Gesichtsausdruck einem erleichterten wich als sie ihren Beyblade einfing. „ENDLICH!“, Daichi stürmte mit einem Affenzahn an ihnen vorbei zu ihrer Trainingsbasis, um dort seinen Anteil hinzuwerfen und sich in den Sand zu werfen. Takao lachte. Er trat mit breitem Grinsen zu Kai, der etwas auf seinem Handy las, was Takao nicht erkennen konnte. Er räusperte sich. „Diese Jugend heutzutage mit ihren modernen Maschinen!“, er schwang einen imaginären Krückstock. Kai zuckte merklich zusammen und wandte sich zu ihm um. Takao erwiderte seinen düsteren Blick mit einem arglosen Grinsen. „Du kommst jetzt mit was essen, ja? Und dann ins Kino?“, er steckte lässig die Hände in die Hosentaschen. Kai antwortete mit einem unartikulierten Brummen; das war das, was am nächsten an einen Laut der Zufriedenheit kam, tippte etwas auf seinem Smartphone, ehe er es ein- und die Hände locker in die Hosentaschen steckte. „Soba?“, fragte der Silberhaarige mehr proforma – sie beendeten die Trainingswoche immer mit Soba im Saien-Shop. „Kino hängt davon ab wer den Film auswählt“ Takao zuckte mit den Schultern und nickte, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen. Er beobachtete, wie Mao Hiromi zur Seite nahm und die beiden die Köpfe zusammensteckten. Ihm entging Reis leicht genervter Blick angesichts dessen auch nicht. Takao trat zu ihm und stieß ihn grinsend an. „Na, eifersüchtig?“, er wackelte betont übertrieben vielsagend mit den Augenbrauen. Rei zuckte ertappt zusammen. „Nein“, antwortete er zu schnell. „gar nicht“   Wenig später waren sie bereit zum Aufbruch und spazierten in Richtung des Stadtviertels, in dem Manabu, Takao, Hiromi und Max wohnten. „Mao, hattest du schon Soba?“, fragte der Blondschopf freundlich, der neben Mao spazierte. Die Angesprochene dachte kurz nach. „Ich glaube nicht. Was ist das?“, fragte sie. Max grinste. „Es ist so gut! Besonders mit Mayo!“ Kapitel 5: 5 ------------ Ihr Stammcafé, das laut Kai – der es wissen musste – den besten Eiskaffee in der näheren Umgebung servierte, war brechend voll mit Pärchen, die scheu Händchen hielten und einander verzückt anlächelten. Hiromi seufzte, währed sie geduldig darauf wartete, dass ein Tisch frei wurde. Das Lokal gehörte zu einer kleinen Mall in der Nähe des BBA-Zentrums in Bakuten und war irgendwie genau richtig für ein Date. Die Besitzer hatten die Tische mit etwas Abstand zueinander aufgestellt, sodass es auch voll besetzt noch recht ruhig blieb. Deshalb war es zum Stammcafé für Wochenend-Trainingsbesprechungen geworden: Manabu mochte die relative Abgeschiedenheit der Tischinseln, Kai den Kaffe und Hiromi, dass sie nicht im Dojo saßen, wo sie immer wieder von irgendwem gestört wurden. Das Stundenhotel drei Straßen weiter trug vermutlich auch dazu bei, dass das Café ein beliebter Treffpunkt für Paare war. Der Kellner – Hiromi kannte ihn noch nicht, er musste neu sein – gab ihr ein Signal, dass ein Tisch frei geworden war. Die Japanerin ließ sich auf einen der Stühle sinken und lächelte ihm freundlich zu, während sie zwei Eiscafés bestellte. Sie platzierte ihre Jutetasche auf der Sitzgelegenheit neben sich. Ihr Handy vibrierte mit einer neuen Nachricht.   11:52 Kai: Wann hast du heute Zeit?   Hiromi runzelte die Stirn über die seltsame Nachricht. Sollte Kai als Coach nicht schon längst auf dem Weg sein? Sie hatten sich für ihre wöchentliche Trainingsbesprechung unter anderem auf dieses Café geeinigt, weil sie, Kai und Manabu dieselbe Wegzeit hatten, um es zu erreichen. Hiromi schüttelte den Kopf und beschloss, der Nachricht mit Humor zu begegnen.   12:00 Hiromi: Ich hoffe, du bist schon auf dem Weg, sonst muss ich deinen Eiskaffee auch noch trinken. Denk an meine Figur, Kai!   12:03 Kai: Die letzte Nachricht war nicht für dich bestimmt, sorry. Bin auf dem Weg.   Die Brünette beschloss, dass sie die Wartezeit auch produktiv nutzen konnte und zog den schmalen Ordner mit BBA-Aufdruck aus ihrer Tasche, in dem sie den Ausdruck des Trainingsplans für die kommende sowie ihre Notizen der vergangenen Woche verwahrte. Sie hatte es sich als selbsterklärte Team-Managerin der Bladebreakers – und später der BBA Revolution und des Teams G-Revolution – angewöhnt, spontane Einfälle zum Trainingsplan direkt auf diesem festzuhalten. Die Notizen waren zum Teil verwischt, zum Teil dokumentierten Flecken ihren Speiseplan auf dem zerknitterten Papier. Ihre Eingebungen, Beobachtungen und kurzfristigen Änderungen der letzten Woche waren zwischen Sand, Falten und Flecken ihrer Snacks kaum lesbar, aber das war nichts Neues. Hiromi seufzte und sah sich um. Sie brauchte definitiv Eiskaffee für diese Aufgabe – und definitiv auch Kai, um über ihre Überlegungen zu sprechen. Ihr Handy vibrierte neben ihr am Tisch.     12:05 Kai: Hast du heute Zeit für mich?   12:08 Yuriy: Kommt darauf an wofür, muss in 10 Min. zur Arbeit.     Giulia hatte sie in ihrem neuesten Instagram-Post markiert. Das Foto war bei der letzten Weltmeisterschaft in Rom entstanden. Hiromi erkannte sich neben Giulia, Mathilda, Emily und Mao. Sie saßen am Rand des Trevibrunnens, die Beine übereinander geschlagen, und lachten ausgelassen. Sie hatten ihre Outfits an dem Tag koordiniert, erinnerte sie sich. Es war ganz schön schwierig gewesen, etwas Weißes zu finden und sie hatte sich ein Top von Mao ausborgen müssen, das nicht wirklich saß. Emily hatte den Dresscode resolut verweigert und schwarz getragen, weshalb sie sie lachend in die Mitte gesetzt hatten. Das Bild war mit den Hashtags #beybaes und #throwback unterschrieben. Hiromi schmunzelte und verkündete mit einem Herz, dass ihr das Bild gefiel. Tatsächlich schien heute #throwback das Hashtag des Tages zu sein: Mathilda postete Bilder von sich und Mihaeru aus Kindertagen, die Giulia pflichtschuldig kommentierte. Emily hatte eine ganze Reihe von Labormänteln mit unterschiedlichen Spuren von Beschädigungen herausgesucht – in ihrem Kommentar verriet sie, dass sie alle wegen unterschiedlicher Beyblade-Teile angesengt, zerschnitten oder mit Farbe bekleckert worden waren. Mao hatte heute ein Date mit Rei und postete ihr Outfit des Tages unter dem Hashtag #outfitoftheday, auf das Hiromi prompt mit einem Herz reagierte. Daran schloss sie noch eine Direktnachricht an: Schwarz steht dir richtig gut!     12:12 maow: Danke! maow: Hast du gut ausgesucht!   12:15 hi_romi: My fashion sense is impeccable!     Mao antwortete mit einem Foto von Hiromi in ihrem Stardasher-Kostüm. Die Brünette verdrehte genervt die Augen und schoss ein Na gut, manchmal lässt er auch aus … Du wirst mich das nie vergessen lassen, oder? zurück. Egal, wie peinlich Hiromi das Outfit sein mochte: Das Foto war gar nicht mal so schlecht. Sie posierte mit Manabus Beyblade im Starter, kurz davor, die Reißleine zu ziehen. Hiromi kicherte in sich hinein und schickte Mao noch ein Danke!, während sie das Bild auf Instagram lud. Sie wählte die Bildunterschrift The one time nobody could stop me from blading und lachte leise in sich hinein, während sie das Hashtag #throwback anhängte. „Was ist so lustig?“ Hiromi sah auf als Kai an ihren Tisch trat. Der Silberhaarige trug ein schlichtes weißes T-Shirt und wieder die Sonnenbrille, die er während der letzten Woche am Strand getragen hatte. Hiromi begrüßte ihn nonchalant mit einem Winken und hielt ihm ihr Display entgegen. „Mao hat zu viele dumme Fotos von mir.“, informierte sie ihn, ein Lächeln auf den Lippen. Der Silberhaarige nahm seine Sonnenbrille ab und legte sie vor sich auf den Tisch. Während er sich auf den freien Platz ihr gegenüber sinken ließ, betrachtete er das Bild aufmerksam und hob eine Augenbraue. „Ich hab‘ dich noch nie mit einem Starter in der Hand gesehen“, stellte er ungläubig fest. „Wann war das? Und was hast du da an?“ Hiromi fühlte die Hitze über ihr gesamtes Gesicht und ihren Hals wandern. Oh, er war ja gar nicht dabei gewesen. Das hatte sie vollkommen vergessen. „Nach der Weltmeisterschaft, als du-“ Sie lächelte verlegen, ohne den Satz zu Ende zu führen. Kai bedachte sie mit einem amüsierten Blick. Wenn er einen Moment einen betroffenen Gesichtsausdruck gemacht hatte, wie immer wenn es um ihr bunt gemischtes Trainingslager ging, das Max halbernst „Camp der Rebellen“ genannt hatte, übersah Hiromi dies gekonnt. „Als ich zu BEGA übergewandert bin?“, half er weiter. Die Brünette nickte peinlich berührt. „Ich bin viel zu lange am Kostüm gesessen und habe viel zu wenig daran gearbeitet, den Beyblade richtig zu starten.“, erzählte sie und beobachtete, wie Kai schmunzelte. Er beugte sich über das Foto, um auf den Beyblade zu zoomen. Dann hob er den Kopf, um sie mit einem seltsam intensiven Blick zu mustern. „Hast du Manabus Beyblade geklaut?“, hakte er ungläubig nach. „Du hast unerwartet viel kiminelle Energie, Hiromi.“ „Ich weiß nicht, wieso ihr alle glaubt, ich könnte kein Wässerchen trüben.“, bestätigte Hiromi und klatschte lachend in die Hände. „Manabu war so böse! Du hättest sein Gesicht sehen sollen, Kai, es war filmreif!“ Der Angesprochene lachte leise. „Und wie ist es ausgegangen?“, wollte er dann wissen, obwohl er sich die Antwort bestimmt schon denken konnte. Hiromi kratzte sich verlegen am Kopf. „Nun“, begann sie peinlich berührt. „Sagen wir so: Ich war definitv nicht Teil der Startaufstellung für das Justice-Five Turnier.“ Kai ließ ein leises Glucksen hören. „Das kann ich mir vorstellen.“, bemerkte er, ehe er das souverän das Thema wechselte. „Wo wir bei Manabu sind: Hast du etwas von ihm gehört?“ Die Brünette schüttelte resigniert den Kopf. „Er arbeitet sicher wieder kurzfristig im Restaurant“, vermutete sie. Die Vermutung lag nahe: Es war bestimmt schon das dritte oder vierte Mal seit sie begonnen hatten intensiv zu trainieren, dass Manabu kurzfristig aushelfen musste. „Seine Eltern kennen keine Gnade.“ Kai zuckte nur mit den Schultern. „Er sagt auch immer zu, auszuhelfen“, bemerkte er knapp. Es war kein Geheimnis, wie er zu Manabus Prioritäten stand. Hiromi hatte keine Lust auf diese Diskussion – sie kannte den Ausgang ohnehin schon. „Es ist ihr Familienunternehmen“, konterte sie. „Und er könnte auch nein sagen“, gab Kai in neutralem Tonfall zurück. „Aber das macht er nicht.“ Die Brünette schnaubte und beschloss, das Thema fallenzulassen. Sie nahm ihr Handy zur Hand und tippte eine SMS an den Brillenträger: Bist du wieder im Shop? Ich schicke dir nachher eine Mail. Dann steckte sie das Mobiltelefon wieder in die Jutetasche. Sie wusste, dass von Manabu keine Antwort zu erwarten war; er war meist leichter per E-Mail zu erreichen als über SMS. Meistens ließ sein Handy irgendwo liegen und vergaß seine Existenz vollkommen. „Wenn er bis jetzt noch nicht da ist, kommt Manabu sicher nicht mehr, das steht jedenfalls fest. Ich hab‘ ihm eine Nachricht geschrieben, aber ich werde ihn bitten, uns möglichst bald ein Update zu den neuen Cores zu geben.“, beschloss sie. „Zwischen dem Familienbetrieb und dem Training fürchte ich so langsam, dass er sich übernimmt.“ Kai nickte nachdenklich. „Manabu hat schon unter schwierigeren Umständen neue Teile entwickelt. Bislang hat er es immer irgendwie hingekriegt.“, gab er zu bedenken. Hiromi verzog unglücklich das Gesicht. „Ja, aber zu welchem Preis? Ich weiß, wie viele Nachtschichten in den MS Cores steckens und diesmal hat er nicht ein ganzes Entwicklerteam bei sich, sondern ist allein. Ich versuche zwar, zu helfen, aber ich bin nicht gut genug, um ihm wirklich Arbeit abzunehmen.“ Nicht so wie Mihaeru oder Emily, gegen die sie im G.B.C. antreten würden. Hiromi verdrängte den Gedanken schnell mit einem Kopfschütteln. Sie wurden vom Kellner unterbrochen, der Eiskaffee servierte und Hiromi dabei mit einem Lächeln bedachte. Er zwinkerte ihr zu, als er sich abwandte. Die Brünette fühlte ihre Wangen heiß werden und warf Kai einen finsteren Blick zu. „Sag nichts“ Der Angesprochene behielt einen neutralen Gesichtsausdruck bei. „Habe ich etwas gesagt?“, erwiderte er, ruhig aber deutlich amüsiert. Hiromi seufzte und stützte das Kinn in die Hand, während sie ihren Eiskaffee umrührte. „Die neuen Teile sind zwar wichtig, aber genauso wichtig ist es, dass alle genug Zeit haben, um sich an die neuen Modelle zu gewöhnen, sonst fliegen wir achtkant in der Vorrunde raus“, teilte sie Kai ihre Befürchtungen mit. „Das wird nicht passieren.“ Seine Worte wirkten selbstsicherer als Hiromi sich in Anbetracht der wenigen Wochen Training, die sie noch vor sich hatten, fühlte. Sie beobachtete, wie Kais Mundwinkel verräterisch nach oben zuckte. Er tippte auf den Trainingsplan, den Hiromi noch kurz zuvor zu entziffern versucht hatte. „Nicht mit unserer Geheimwaffe.“ Hiromi lachte und räusperte sich. „Wo wir schon dabei sind: Ich habe mir ein paar Gedanken für Anpassungen im nächsten Turnus gemacht und wäre neugierig, was du denkst.“ Kai nickte und zog den schmalen Taschenkalender aus der Hosentasche, in dem er seine Notizen zum Training verwahrte.   Sie verbrachten die nächste Stunde damit, die vergangene Woche zu besprechen und den Plan für die nächste Woche anzupassen. „Wir haben während der letzten Woche auf Muskelaufbau fokussiert, deswegen habe ich ein paar mehr Dehnübungen rausgesucht, um das auszugleichen“, erklärte Hiromi, während sie auf die Auflistung der Übungen zeigte. Kai machte ein nachdenkliches Geräusch und blätterte durch seinen Taschenkalender. Er verglich seine Notizen mit Hiromis Trainingsplan und notierte sich ein paar Dinge in der für ihn charakteristischen Mischung aus Kanji und Kyrillischen Buchstaben. „Warum fokussierst du so stark auf die Schultern?“, fragte er dann. Hiromi blinzelte überrascht. „Mir ist aufgefallen, dass Max, Mao und Daichi sich bei den Hindernisparcours ziemlich verspannen. Daichi hat praktisch seine Schultern bei den Ohren! Das schränkt ihre Mobilität sehr ein. Ich hoffe, dass die Übungen die Spannung abbauen und sie damit besser bladen können.“, erklärte sie. Kai bedachte sie mit einem langen Blick, den sie nicht deuten konnte. Hiromi strich sich fahrig eine Haarsträhne aus der Stirn. „Was?“, platzte sie etwas zu laut heraus. Sie versuchte, das Brennen zu ignorieren, das sich langsam von ihren Ohren über ihre Wangen zog. Kai schwieg noch einen Moment länger. „Du bist eine gute Managerin, das ist alles.“, erklärte er dann schlicht. Hiromi versteckte die Röte in ihren Wangen hinter ihrem Eiskaffee. „Ich mach nur meinen Job“, winkte sie leise ab. Sie räusperte sich und wechselte das Thema. „Hast du dir schon Gedanken wegen der Trainingsmatches nächste Woche gemacht? Ich habe noch ein paar mehr Videos zu den neuen Teams gesehen, aber es waren nur kurze Ausschnitte. Ich denke, wir sollten uns sehr umfassend vorbereiten.“ Kai nickte. „Was hast du dir überlegt?“, wollte er dann wissen. „Ich denke, Takao und Rei sollten mal wieder gegeneinander antreten. Die beiden haben schon lange nicht mehr gegeneinander gespielt. Ich würde Max auch gern mal gegen Daichi sehen, vor allem nachdem Daichis gerade die neuen Attacken entwickelt.“ Kai segnete ihre Überlegungen nickend ab. Hiromi setzte einen Haken neben die Paarungen, während sie über diese sprachen. „Max‘ Defensive ist ein guter Testlauf für seine neuen Attacken. Danach sollte er aber auch mal seine Defensive üben.“, stimmte Kai zu. Hiromi machte sich eine Notiz, ehe sie seufzte und nach ihrem Kaffee griff. Sie stellte enttäuscht fest, dass sie ihn schon ausgetrunken hatte. „Machen wir bitte kurz eine Denkpause? Ich kann mich bald nicht mehr konzentrieren.“ Kai lehnte sich zur Antwort in seinem Stuhl zurück. Hiromi beobachtete, wie er sein Handy aus der Tasche zog. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch, ehe er sie zu einer schmalen Linie zusammenpresste, während er eine Nachricht tippte; ein sicheres Zeichen für rasch absteigende Laune.     14:47 Kai: Ich dachte, du hast Wochenende?   14:51 Yuriy: Heh. Guter Witz. In Soviet Russia, week ends you.     Hiromi beobachtete, wie Kai mit gerunzelter Stirn sein Display anstarrte, ehe er erneut tippte, innehielt, den Kopf schüttelte und über seinen Bildschirm wischte – wohl, um die App, die er gerade verwendete, zu schließen. Die Japanerin fragte sich nicht zum ersten Mal, was Kai dazu brachte, so viel Zeit mit seinem Handy zu verbringen. „Schlechte Nachrichten?“, hakte sie nach. Ihr Gegenüber schüttelte abwesend den Kopf. „Nur Dummheit“, brummte er. Sie beäugte seufzend den Trainingsplan vor sich. Sie tippte mit dem Stift nervös aufs Papier, wog die nächsten Worte sorgfältig ab. „Ich hab‘ mir Gedanken über Mao gemacht“, begann sie, beobachtete aufmerksam Kais sorgfältig neutral gehaltene Miene. Er verschränkte die Arme, schien ihr jedoch zuzuhören. „Ich würde gern vermeiden, dass sie und Rei gegeneinander bladen. Sie kennen sich zu gut und sie ist bei uns, um zu lernen.“ Kai hob eine Augenbraue, erwiderte jedoch nichts. Hiromi atmete kontrolliert ein und aus, darauf gefasst, dass ihr Gegenüber ihre Idee im Keim ersticken würde. „Außerdem hatte ich den Eindruck, dass Rei beim Training seltsam war.“ Er schnaubte und bemerkte gelassen: „Er hat sich eben von ihrem Hintern ablenken lassen.“ „Das meinte ich nicht.“, widersprach sie genervt und verdrehte die Augen. „Sie ist aber da und sie lenkt Rei ab“, brummte Kai in einem Tonfall, der verriet, dass er nicht viel von Maos Anwesenheit beim Training hielt. Hiromi kämpfte resolut gegen ihr Temperament, das in ihr hochkochte. „Hör mal“, presste sie so gefasst sie konnte hervor. „Ich weiß, dass nicht geplant war, dass sie mit uns trainiert, aber Mao ist eine gute Bladerin und sie profitiert vom Training mit uns.“ Er hob eine Augenbraue. „Ach, tut sie das?“, sein Tonfall ging ins Beißend-Spöttische. „Wie schön für sie.“ Hiromi hielt nur mit Mühe ein entnervtes Geräusch zurück. Sie begegnete stur seinem Blick „Ja, das ist es. Worauf willst du hinaus?“ In Kais Blick lag eine unausgesprochene Herausforderung, während er ruhig erwiderte: „Mao mag mit dir befreundet und mit Rei zusammen sein, aber ich sehe nicht, wieso sie mit uns mittrainieren sollte. Was haben wir als Team von ihrer Anwesenheit, abgesehen von einem Haufen Arbeit, den sie nicht schätzen kann?“ Hiromi schwieg, fühlte die Empörung in sich aufwallen, während der rationale Teil in ihr Kai leise zustimmte. Sie presste trotzig die Lippen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Gegenüber bedachte sie mit einem langen Blick. „Das habe ich mir gedacht.“     20:59 Yuriy: Bin gerade Zuhause angekommen.     „Bist du sicher, dass du nicht weiter mitspielen willst, Rei?“, fragte Mao als er sich erhob. Der Angesprochene nickte. „Nein, ich glaube, ich habe genug verloren für heute.“, winkte er ab und öffnete das letzte Bonbon, das ihm von seinem Einsatz geblieben war, um es zu verspeisen. „Hast du etwa Angst, dich vor deiner Freundin zu blamieren?“, triezte Takao freundlich. Rei kratzte sich peinlich berührt am Hinterkopf, warf einen Seitenblick zu Mao, die ihm keck zuzwinkerte. „Ich glaube, noch dümmer anstellen als ich kann sich niemand hier am Tisch“, kommentierte er. „Poker ist einfach nicht mein Spiel“ „Eine weise Entscheidung das ist.“, neckte Max in seiner besten Imitation von Meister Yoda, während er die Karten austeilte. Takao lachte ausgelassen. Hiromi neben ihm bemerkte, wie Manabu versuchte, möglichst unauffällig seinen Gewinn mit ihrem zu vergleichen. „Drei Matcha-Kitkat mehr…“, murmelte er, wohl während er überlegte, wie er möglichst viele von ihnen im nächsten Zug zum All-In bluffen konnte. Manabu hatte erschreckend viel kriminelle Energie, wenn es ums Pokern ging. „Ich glaube, es ist endlich der Tag gekommen, wo ich deinen Siegeszug beende, Manabu-kun!“ Hiromi musterte den kleinen Haufen an Süßigkeiten, die sie bislang gewonnen hatte, zufrieden, eine Hand auf ihrem Kinn abgestützt und ein zufriedenes Grinsen auf den Lippen. Sie maß den Angesprochenen mit herausfordernd vorgerecktem Kinn. Manabu rückte seine Brille zurecht. Ein Knistern ließ sie zusammenfahren – Takao hatte eines der Matcha-KitKats, die ihre Führung ausmachten, geöffnet und schob es sich gerade in den Mund. Sie blinzelte ihn einen Moment lang sprachlos an, ehe sie sich auf ihn stürzte. „Lucky at play, unlucky in love”, kommentierte Max. Rei lachte. „Ich habe eben klare Prioritäten!“, erklärte er leichthin und beugte sich zu Mao, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken. Hiromi war nicht ganz klar, auf wen sich Max bezogen hatte - auf Rei und Mao oder auf sie, die Takao in einen Schraubstockgriff genommen hatte. Sie fühlte ihre Wangen heiß werden und ließ von ihrem besten Freund ab, jedoch nicht ohne ihm noch einmal zu drohen. „Wehe, ich verliere wegen dir!“ In dem Moment erhob sich Kai mit einem Blick auf sein Handy. „Hey, wo gehst du hin?“, protestierte Daichi. „Das Spiel ist noch nicht vorbei!“ „Spielt ohne mich weiter, ich muss kurz telefonieren“ Bevor jemand etwas erwidern konnte, hatte Kai die Schiebetür zur Engawa hinter sich zugeschoben. Hiromi tauschte einen irritierten Blick mit ihren Freunden, ehe sie Kais Verhalten mit einem Schulterzucken abtaten. Takao rieb sich mit einem verschmitzten Grinsen die Hände. „Mehr Süßigkeiten für uns!“, frohlockte er und zwinkerte Daichi zu. Manabu klopfte ihnen mit der flachen Hand auf die Finger. „Hier geht es mit fairen Dingen zu!“, verkündete er und rückte streng die Brille zurecht.     23:05 Eingehender Anruf von: Kai Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)