Was sie nicht wissen... von Atina ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Am nächsten Morgen war die Nachricht immer noch unbeantwortet und sogar ungelesen. Natascha machte sich darüber keine weiteren Gedanken. Vermutlich ist es gestern auch spät geworden und er schläft sicher noch. Sie frühstückte mit ihren Eltern und las dann ihre Lernkarten für Deutsch durch und versuchte sich die Inhalte einzuprägen, bis sie sich zum Mittagessen fertig machen mussten.   Mein Herz:          Wir fahren jetzt zum Restaurant. Schläfst du immer noch?   Mein Herz:          Oma sagt, du hättest gern mitkommen können. Sie möchte dich auch kennenlernen. 😊   Nach dem Mittagessen war die Geburtstagsgesellschaft zu Nataschas Oma nach Hause gefahren und verbachte dort mit Gesprächen, Spielen und dem ein oder anderen Sektglas den Nachmittag. Langsam wunderte sich Natascha, dass sie keine Nachricht von Klaus bekam. Er hat sich noch nie so lange nicht gemeldet. Aber vielleicht ist der Akku des Handys leer. Sie wurde aber durch die Brett- und Kartenspiele mit ihren Cousins abgelenkt. „Dir ist schon klar, dass wir mitbekommen, dass du schummelst?“, fragte sie ihren kleinen Cousin Karl. „Was? Ich schummle doch nicht!“ „Na klar, du hast den Würfel, nachdem er lag, nochmal gedreht, dass du die sechs bekommst.“ „Gar nicht wahr. Da ist bestimmt einer an den Tisch gestoßen.“ „Wer es glaubt“, meinte Karls Schwester. „Setze einfach den Zug und dann spielst du ehrlich“, sagte Natascha, als er sich wieder über die Anschuldigung aufregen wollte. „Kinder, kommt ihr zum Kaffee trinken!“ Nataschas Mutter warf einen Blick in das Gästezimmer, in dem die Spielerunde stattfand. „Au ja, Oma macht den besten Kuchen!“ Die Oma der Drei hatte tatsächlich zwei köstliche Torten gezaubert, die gegessen werden mussten, obwohl alle noch satt waren vom Mittagessen. Nur Karl verschlang ein Stück nach dem anderen.   Obwohl kein Abendessen geplant gewesen war, begann die Oma gegen halb sieben mit dem Tisch decken. „Mama, du wolltest doch gar kein Abendessen mehr machen“, sagte Nataschas Mutter, nahm ihr die Teller ab und half beim Eindecken. „Ach, ich habe doch nur ein paar Kleinigkeiten und es ist so schön, dass ihr alle da seid. Ich möchte einfach noch ein bisschen mehr Zeit mit euch verbringen.“ Die paar Kleinigkeiten stellten sich als große Schüssel mit Kartoffelsalat, Wiener, Wurst- und Käseplatte und diverse Brotsorten heraus. Dazu noch halbierte Eier und eine Gemüseplatte. Vor dem Abendessen hatte Natascha sich in das Schlafzimmer ihrer Oma verzogen und versuchte, Klaus anzurufen. Sie ließ es lange klingeln, doch er nahm nicht ab. Ihre Nachrichten waren nicht beantwortet worden und auch noch nicht gelesen. Das war noch nie vorgekommen in der Zeit, in der sie zusammen waren.   Mein Herz:          Geht es dir gut? Langsam mache ich mir Sorgen, weil du dich nicht meldest.   Sie setzte sich zurück zu ihrer Familie an den Tisch, doch der Appetit war ihr in den letzten Stunden vergangen. Was ist nur los mit Klaus? Warum meldet er sich nicht? Ihm wird doch nichts passiert sein.     Klaus war den ganzen Tag im Garten gewesen. Seine Eltern wollten ihn in einer Ecke komplett neugestalten, was bedeutete, dass Pflanzen und Mauern entfernt werden mussten. Die körperlich anstrengende Arbeit lenkte ihn fast vollständig von seinen Gedanken um Natascha ab. Doch immer, wenn die Wut überhandnahm, konnte er sich mit dem Vorschlaghammer an der Mauer zu schaffen machen. Warum hat sie diesen Typen nur geküsst? Ich dachte, sie wäre nicht so… so falsch. Ich dachte wirklich, sie würde in mich verliebt sein. Er holte mit dem Hammer über dem Kopf aus und schlug ihn mit aller Kraft gegen die Betonsteine, die beim zweiten oder dritten Schlag jeweils nachgaben. Die kleineren Stücke wurden dann mit der Schubkarre zum Container in der Auffahrt gebracht, der sich rasch füllte. Am späten Nachmittag stieg er erschöpft unter die Dusche und ließ das heiße Wasser auf seine geschundenen Schultern prasseln. Zum Abschluss der Dusche wurde das Wasser auf kalt gestellt, wodurch die Lebensgeister wieder geweckt wurden. Drei verpasste Anrufe von Mein Herz zeigte das Handy an, als Klaus es zum ersten Mal an diesem Tag in die Hand nahm. Er schloss die Mitteilung darüber und öffnete dann die Textnachrichten. Ich fehle ihr also. Und das kurz nachdem sie diesen Typen geküsst hat. Das ist doch der blanke Hohn. Ohne zu antworten, schloss Klaus das Programm und legte das Handy beiseite. Stattdessen startete er seinen Computer und kurze Zeit später das Kriegs-Strategiespiel, das er in den letzten Wochen eher vernachlässigt hatte.   ***   „Ach Paul, du hättest ruhig etwas aufräumen können, wenn du weißt, dass wir dich besuchen kommen!“ „Mama, ist doch gar nicht so schlimm.“ In dem WG-Zimmer herrschte eine unübersehbare Unordnung. Kleidungsstücke lagen herum, benutztes Geschirr stand auf dem Schreibtisch und ein leerer Pizzakarton lag auf dem Fußboden. „Und ich dachte, wir haben dir alles an Handwerkszeug mitgegeben, um einen ordentlichen Haushalt zu führen.“ „Habt ihr doch auch, aber das wende ich halt nicht so oft an.“ „Vermutlich nur, wenn du Damenbesuch bekommst“, warf sein Vater ein. „Du hast es erfasst, Papa“, Paul grinste und seine Mutter schüttelte nur ungläubig den Kopf. Die Familie war am Vormittag nach Jena gefahren, um den großen Sohn und Bruder zu besuchen. Gegen elf Uhr waren sie angekommen und wollten sich bis zum Mittagessen in Pauls Wohngemeinschaft aufhalten, doch besonders gemütlich war es nicht. Klaus hatte sich auf einen der Stühle gesetzt und beobachtete die Szene schweigend. Seine Mutter begann die Kleidungsstücke zusammen zu tragen und in den Wäschekorb zu werfen, während sein Vater das Geschirr in die Küche brachte. Währenddessen musste Paul von seinen Klausuren berichten und wie weit er mit seiner Hausarbeit war. Alle schienen froh zu sein, als es Zeit wurde, zum Restaurant aufzubrechen. „Klaus hat gestern die kleine Gartenmauer im Alleingang abgebaut. Das sah nach einem unglaublichen Kraftakt aus“, erzählte die Mutter im Restaurant mit stolzer Stimme. „Haben sie dich dafür bezahlt oder warum machst du das freiwillig?“, wollte Paul wissen. „Hatte einfach Lust zu helfen“, erwiderte Klaus einsilbig. „Und was habt ihr jetzt mit der Ecke vor?“, fragte Paul an seine Eltern gerichtet. „Papa wollte doch schon immer so eine richtige Grillecke. Wir werden den Bereich pflastern und dann mit Grill und Beistelltisch und allem ausstatten, was man zum Grillen benötigt.“ „Das klingt gut. Vielleicht komme ich dann öfter mal nach Hause, wenn es ein leckeres Barbecue gibt.“ „Das wäre schön.“ Seine Mutter lächelte bei dem Gedanken. Sie wusste, dass auch Klaus bald studieren gehen würde und dann wäre es ganz schön still im Haus. „Du weißt doch, dass du mich mit Essen immer locken kannst.“ Und wie aufs Stichwort wurde das bestellte Mittagessen serviert.   „Was ist denn heute mit dir los, Klausi-Mausi. Du bist so still.“ Die beiden Brüder liefen einige Meter hinter ihren Eltern. Nach dem Mittagessen wollten sie ein Stück durch den Park spazieren gehen. „Nichts.“ „Du kannst mir doch nicht sagen, dass nichts ist. Ich habe dich Klausi-Mausi genannt, was du hasst, und sonst machst du deshalb ein Fass auf. Los, rück raus mit der Sprache.“ „Natascha hat einen anderen geküsst“, damit war es ausgesprochen. „Was?“ „Sie haben sich mitten auf der Tanzfläche im Roxx geküsst. Keine Ahnung, wer der Typ ist“, meinte Klaus und langsam kam die Wut zurück, die sich seit Freitagabend immer wieder in ihm aufbaute. „Aber das kann ich gar nicht glauben. Ich meine, ich kenne Natascha nicht persönlich, aber alles was du über sie erzählt hast, widerspricht dem.“ „Ich weiß. Das ist ja das Schlimme. Sie wusste, dass ich mit den anderen im Shining bin, vermutlich hat sie nicht mit uns im Roxx gerechnet.“ „Aber sie ist doch sicher nicht so berechnend. Kann es sein, dass sie den Kuss gar nicht wollte?“ „Keine Ahnung. Sie wirkten sehr vertraut, haben eng getanzt.“ Klaus dachte an die Szene zurück und es schüttelte ihn. „Hast du noch nicht mit ihr gesprochen?“, hakte Paul nach. „Nein, ich konnte einfach nicht. Ich bin so wütend und … und verletzt. Sie hat mir am gleichen Abend noch geschrieben, dass sie mich vermisst. Als wäre nichts passiert.“ „Vielleicht ist für sie auch nichts passiert. Also, ich will damit den Kuss nicht herunterspielen, aber vermutlich hat sie den Typen zurückgewiesen und wollte dir lieber persönlich davon erzählen statt per Nachricht. Meinst du nicht?“ „Ich weiß gar nichts mehr. Ich kann irgendwie nicht klar denken. Immer wieder spielt sich dieser Kuss vor meinem inneren Auge ab. Am liebsten würde ich die ganze Zeit in irgendwas reinschlagen.“ „Klaus, bleib ganz ruhig. Es ist sicher anders als du denkst. Da bin ich mir ziemlich sicher. Aber du musst ihr die Chance geben, es zu erklären. Vielleicht aber erst, wenn du dich etwas abgeregt hast.“ Paul blieb stehen und nahm seinen Bruder in den Arm. Er wusste, dass Klaus das nicht wollte, aber er wusste auch, dass er die Umarmung brauchte, um runter zu kommen. „Es wird alles wieder gut“, sagte er leise und drückte ihn noch etwas fester an sich. Ihre Eltern drehten sich zu ihnen um, als sie keine Schritte mehr hinter sich hörten, und beobachteten die Szene aus der Ferne verwundert. Als Klaus sich aus der Umarmung löste, wischte er sich verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln.     ***   Am Montag hatte Natascha immer noch nichts von Klaus gehört, sie hatte ihm mehrfach geschrieben und auch versucht anzurufen, alles ohne Reaktion. Habe ich irgendwas falsch gemacht? War schreibst du nicht zurück, Klaus? Hoffentlich bist du nicht krank… Als sie jedoch in der Schule ankam, sah sie ihren Freund über den Schulhof in das Nebengebäude laufen. Gleich schrieb sie ihm noch eine Nachricht, in der Hoffnung, dass er sie vorm Unterricht lesen würde.   Mein Herz:          Ist alles okay bei dir? Ich mache mir Sorgen, weil du dich nicht meldest.   Im Unterricht konnte sich Natascha nicht auf den Inhalt konzentrieren. Ständig wollte sie auf ihr Handy schauen, ob Klaus geantwortet hatte, doch sie zwang sich, es nicht zu tun. Doch kaum, dass es geklingelt hatte, zog sie es aus der Tasche und sah nach. Es wurde angezeigt, dass ihre Nachrichten gelesen worden waren, aber es gab keine Antwort. Auf dem Weg vom Gebäude zum Stammplatz auf dem Schulhof, kam Natascha an Klaus‘ Gruppe vorbei. Sie versuchte, seinen Blick einzufangen, doch er sah nicht in ihre Richtung.   Gedankenverloren starrte Klaus auf den Boden vor seinen Füßen. Er nahm die Gespräche seiner Freunde um sich herum kaum wahr. Erst als er Nataschas Namen hörte, wachte er aus seiner Trance auf und hörte zu. „Der Freitag war schon echt interessant. Wer hätte gedacht, dass die Schreckschraube mal jemanden abbekommt“, brachte Christian das Gespräch auf das Thema. „Ja, und der Typ sah gar nicht so schlecht aus. Ob sie irgendwas gegen ihn in der Hand hat, dass er sie anfasst?“, überlegte Pascal und verzog das Gesicht beim Gedanken an Natascha. Dann klopfte er Klaus auf die Schulter und ließ seine Hand dann darauf liegen. „Und wir dachten tatsächlich mal, du hast was mit Natascha. Damit bist du aus dem Schneider, Kumpel.“ „Hmmm.“ Klaus schob Pascals Hand von seiner Schulter. „Entschuldigt mich bitte.“ Er schnappte sich seine Tasche und schlenderte in Richtung Schulgebäude. Seine Freunde sahen ihm irritiert hinterher. Ich kann nicht mit ihr sprechen. Was soll ich ihr sagen? Ich habe dich mit deinem anderen Freund beim Knutschen erwischt und eine halbe Stunde später schreibst du mir, dass du mich vermisst. Das ist doch lächerlich. Klaus seufzte und sah sich am schwarzen Brett um, um sich von seinen Gedanken abzulenken. Als es zum Unterricht klingelte, machte er sich auf den Weg zu dem Raum, in dem er Geschichte haben sollte. Auf seinem Tisch lag ein Blatt Papier. Er hob es auf und drehte es herum, um zu sehen, ob man es jemanden zuordnen konnte, doch das Foto ließ ihn erstarren. Es zeigte Natascha, die fröhlich in die Kamera grinste und von dem jungen Mann auf die Wange geküsst wurde, den Klaus am Freitag mit ihr hat tanzen sehen. Was?! Woher kommt das nur? Im Raum war noch niemand sonst. Ich könnte verrückt werden. Trotz der Wut, die wieder in ihm hochkam, schob er das Foto zwischen die Hefter in seinem Rucksack.   ***   Natascha drückte den Klingelknopf und musste nur einige Augenblicke warten, bis ihr die Haustür von Klaus‘ Mutter geöffnet wurde. „Hallo.“ „Hallo Natascha.“ „Ist Klaus da?“ „Leider nicht. Versuch es morgen nochmal, Liebes“, vertröstete Klaus‘ Mutter sie. „Okay. Danke.“ Natascha klang enttäuscht, drehte sich jedoch um und verließ das Grundstück, während sich die Haustür hinter ihr schloss. Die Tür zu Klaus‘ Zimmer war nur angelehnt. Seine Mutter schob die Tür etwas weiter auf und sah, wie ihr Sohn am Schreibtisch vorm Computer saß. Er hatte seine Kopfhörer auf und starrte auf den Bildschirm, auf dem soeben etwas explodierte. Was ist nur zwischen euch vorgefallen, dass du mich sogar für dich lügen lässt?   Mein Herz:          Was ist los, Klaus?                               Wir wollten uns doch heute unbedingt sehen. Was ist passiert?     12. April Mein Herz:          Habe ich irgendwas falsch gemacht?   5 verpasste Anrufe von Mein Herz     13. April Mein Herz:          Ich war heute das dritte Mal bei dir zuhause. Bist du wirklich nicht da oder hast du deine Mutter eingespannt, dich zu verleugnen?                               Warum willst du nicht mit mir reden?   3 verpasste Anrufe von Mein Herz     „Entschuldigt bitte, wenn ich störe.“ Natascha trat an die Gruppe um Klaus, Pascal und Christian heran und alle Augen richteten sich auf sie. Er hatte sich die ganze Woche in Schweigen gehüllt, weshalb Natascha sich am Donnerstag endlich zu diesem Schritt entschlossen hatte. „Klaus, kann ich dich bitte kurz sprechen?“ Sie sah ihn direkt an, doch er wich ihrem Blick aus. „Nein. Verzieh dich!“ Natascha schnappte bei diesen harten Worten nach Luft, drehte sich jedoch auf dem Absatz um und lief über den Schulhof zurück zu ihren Freundinnen. Auch die Gruppe um Klaus hatte den Atem angehalten. Sie mochten nicht jeden aus ihrem Jahrgang und zeigten es denjenigen meistens auch, doch Klaus war zu allen immer die Freundlichkeit in Person. „Klaus? Alles okay mit dir?“ „Ja. Warum?“, erwiderte Klaus schroff. „Weil du dich wie ein völlig anderer Mensch verhältst. Du hast Natascha gestern schon in Mathe so fies abgewiesen, obwohl du ihr sonst immer hilfst.“, erklärte Pascal seine Nachfrage. „Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?“ „Weil du unser Freund bist und wir uns Sorgen machen!“, blaffte Christian zurück.  „Das braucht ihr aber nicht. … Es tut mir leid. Ich bin momentan einfach nicht gut drauf, keine Ahnung warum“, versuchte Klaus seinen Ausbruch zu erklären. „Du weißt, du kannst immer mit uns sprechen, wenn du ein Problem hast.“ „Ich weiß. Danke.“ Als es zur Vorbereitungszeit klingelte, lief die Gruppe langsam zum Schulgebäude. Pascal und Christian ließen sich etwas zurückfallen. „Haben wir uns geirrt? Ist er doch mit Natascha zusammen und ist gerade im Streit mit ihr?“ „Hab ich auch schon überlegt. Vielleicht war der andere Kerl der Auslöser, den wir im Roxx gesehen haben. War das eigentlich dieser Anton, den Anne die letzten Male mitgebracht hatte?“, überlegte Christian. „Ich glaube schon. Aber Klaus ist echt scheiße drauf und kann nicht mal mit uns darüber reden, weil wir nicht wissen dürfen, dass sie zusammen sind.“ „Das würde sein Verhalten zumindest erklären.“   Mein Herz:          Warum benimmst du dich wie ein Arsch?     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)