Niffler and Where to Find Them von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Percival nahm alles zurück, was er bisher Negatives über das Aurorenbüro gedacht hatte. Verglichen mit den Räumlichkeiten, in denen das Amt zum Schutz Magischer Geschöpfe untergebracht war, war das Aurorenbüro der reinste Palast. Seit einer halben Stunde wartete er in dem Kabuff nun darauf, dass einer der Mitarbeiter der Abteilung hier aufkreuzte. Der Auror hatte sich nicht getraut, weiter als unbedingt nötig in das Büro hinein zu treten. Hier herrschte das reinste Chaos. Warum sie die Knuddelmuffs in einem Käfig neben der Deckenleuchte eingesperrt hatten, war Percival ein Rätsel. Die kleinen Fellknäuel versuchten, mit ihren Zungen die Gegenstände unter ihnen zu erreichen, aber dafür waren sie nicht lang genug. Er selbst befand sich gerade außer Reichweite, um von ihnen abgeschleckt werden zu können. Vorsichtig schob sich der Auror die Wand entlang. „Wer sind Sie?“, fragte jemand. Percival zuckte zusammen und hätte um ein Haar seine Aktentasche fallen gelassen. Der Stuhl rechts von ihm begann, sich zu bewegen. Oder wohl eher das Lumpenknäuel, das sich auf ihm befand. „Äh ...“ „Bringt mich um meinen wohlverdienten Mittagsschlaf.“ Das Knäuel erhob sich und fischte einen labbrigen Zauberhut vom Kopf. Zum Vorschein kam eine rot angelaufene Halbglatze. Das Gesicht darunter war durch einen zotteligen Rauschebart und buschige Augenbrauen fast nicht auszumachen. Nur ein Monokel verriet, wo die Augen waren. Der Hut wanderte wieder auf den Kopf, nachdem sein Besitzer ihn in Form gebracht hatte. Die Spitze reichte nun fast bis an den Käfig der Knuddelmuffs heran. „Und mit wem hab ich das zweifelhafte Vergnügen?“ „Äh, Percival Graves, Sir. Ich komm aus der Aurorenabteilung.“ „Ah! Nun, ich bin Oscar Biberfeldt.“ Percival schüttelte vorsichtig die schrumpelige Hand des Alten. „Also? Was treibt Sie zu mir?“ „Sir. Ich bräuchte Ihre Hilfe bei der Identifizierung einer Fellprobe.“ „Einer Fellprobe?“ „Ja. Ich habe auch noch eine Zeichnung angefertigt, Sir.“ Percival holte seinen Zettel hervor und reichte ihn Oscar. „Sieht aus wie eine Ratte, wenn Sie mich fragen.“ „Ich hab mir sagen lassen, dass es wohl eher einem Maulwurf ähnelt. Kommt es Ihnen bekannt vor?“ „Nein. So ein Wesen hab ich noch nie in meinem Leben gesehen, wenn ich ehrlich sein soll. Was ist das?“ „Ein Goldbarren. Das Tierchen schiebt sich alles, was glitzert, in den Bauch.“ Oscar raufte sich den Bart. „Sagt Ihnen das auch nichts?“ „Nein. Zeigen Sie mir mal die Fellprobe.“ Percival holte das Einweckglas aus seiner Aktentasche und hielt es ihm hin. „Das ist das gute Stück?“ Der Auror nickte verdrießlich. „Dann wollen wir es mal untersuchen, nich‘?“ Der Zauberer nahm das Glas entgegen und ging zu einem chaotischen Untersuchungstisch. Er nahm Platz und bedeutete Percival, sich ebenfalls zu setzen. Dann wühlte Oscar auf dem Tisch herum und zog einen dicken Wälzer hervor, der dem Auror vorher nicht aufgefallen war. Die Knuddelmuffs schlabberten derweil eifrig an Oscars Zauberhut herum. „Also wollen mal sehen ... Maulwurf, Maulwurf ...“ Oscar ging das Buch systematisch durch. Percival zog überrascht die Augenbrauen nach oben, als er nach etwa einem Drittel nur noch leere Seiten sah. „Hm, nun ja. Das kann schon mal vorkommen“, meinte Oscar. „Was kann vorkommen?“ „Dass es keine Eintragungen gibt. Wissen Sie, nicht alle Arten sind bisher literarisch erfasst, geschweige denn erforscht.“ Oscar schob den Schinken von sich und rückte sein Monokel zurecht. „Aber Sie können doch herausfinden, um was für ein Wesen es sich handelt, oder nicht?“, fragte Percival besorgt. „Nun, zumindest kann ich herausfinden, ob Ihre Probe tatsächlich von einem magischen Tier stammt. Oder ob es nur ein Nerz ist, der sein Dasein nun als Fellmantel fristet. ... Schauen Sie mich nicht so an. Das Büro zum Schutz Magischer Wesen ist seit jeher chronisch unterfinanziert, da schaffen wir es leider nicht, uns neben dem Schutz der bekannten Wesen auch noch um die Klassifizierung der bisher unbekannten magischen Wesen zu kümmern“, erklärte Oscar. Percival erinnerte sich wage daran, dass sein Vater einmal ein ähnliches Argument über die Aurorenabteilung fallen gelassen hatte. Damals, als er ihm dazu geraten hatte, in die Politik zu gehen. Inzwischen war er sich sicher, dass ein magisch begabter Politiker Ähnliches von sich geben würde. „Das wird dann wohl reichen müssen“, meinte Percival säuerlich. Oscar ignorierte ihn, nahm stattdessen die Fellprobe aus dem Glas und legte sie vor sich auf den Tisch. Nachdem er es noch einmal feindselig betrachtet hatte, zog er seinen Zauberstab hervor und sprach einen simplen Analyse-Zauber. Percival beobachtete entsetzt, wie die Fellprobe in Flammen aufging.  „Gut, das ist ein ziemlich offensichtliches Ergebnis.“ Percival bekam fast einen Hustenanfall. „Ich verstehe nicht, wie das ein offensichtliches Ergebnis sein kann. Sie haben mein einziges Beweismittel vernichtet!“, warf der Auror Oscar vor. Letzterer erwiderte seinen Blick gelassen. „Bei einem magischen Tierwesen wäre das nicht passiert. Scheinbar haben Sie doch nur ein paar Hundehaare vom Boden aufgesammelt.“ Percival starrte Oscar wütend ins Gesicht. Er konnte fühlen, wie ihm das Blut in die Wangen stieg. „Nehmen Sie es nicht so wild, das passiert den Besten aus Ihrer Abteilung auch.“ Percivals Blut kochte immer noch. Erst jetzt schien Oscar zu bemerken, dass der Kollege aus der anderen Abteilung wirklich aufgebracht war. „Hey, schauen Sie mich nicht so an!“ Der Auror verzog noch einmal die Nase, atmete dann aber einmal tief durch, um seine Nerven zu beruhigen. „Und jetzt?“, fragte er. „Wie ‚und jetzt‘? Jetzt sollten Sie vielleicht in andere Richtungen ermitteln. Sie scheinen ja felsenfest davon überzeugt zu sein, dass ein magisches Tierwesen in Ihren Fall verwickelt ist.“ „Natürlich ist es das!“ „Dann beschaffen Sie eines. Dann haben Sie auch wieder ein Beweisstück.“ Percival sah Oscar säuerlich an. Er war schon wieder kurz vorm Platzen, gerade so, als ob der andere es darauf anlegte, ihn in Wallung zu versetzen. Ohne ein weiteres Wort stand der Auror auf und verließ die Abteilung zum Schutz Magischer Wesen. ‚Der hat gut reden! Wie soll ich eines fangen, wenn ich keinerlei Anhaltspunkt habe‘, dachte er. Er stapfte den Gang entlang zu den Aufzügen, und wartete etwa fünf Minuten, ehe sich die Türen der Aufzugkabine vor ihm öffneten. Ohne den Wärter eines Blickes zu würdigen, trat er ein. „Abteilung für Magische Strafverfolgung!“ Auf dem Weg drei Stockwerke nach oben dachte Percival nach. Das Einzige, was ihm jetzt noch blieb, war die Liste mit den Kunden, die die Steen National Bank am Tattag aufgesucht hatten. Er konnte nur hoffen, dass Mrs. Fuller, die Zauberstab-Beauftragte, an ihrem Platz saß. Bei den seltenen Gelegenheiten, die er selbst bisher im Büro verbracht hatte, hatte er die Dame nicht zu Gesicht bekommen. Sie fuhren ins dritte Kellergeschoss und Percival schlüpfte aus der Kabine. Auf dem Weg in die Abteilung kam ihm Michelle eiligen Schrittes entgegen, die blonden Haare leicht zerzaust. Ihr Blick war auf den Boden fixiert und sie rempelte ihn an. „Sag mal ...!“ Michelle sah ihm nur kurz ins Gesicht und stürmte dann davon. Percival blickte ihr verwundert hinterher, zuckte schließlich mit den Schultern und betrat das Büro. „Oh!“ Bisher hatte er das Auroren-Büro eher ausgestorben erlebt. Jetzt ging es zu wie auf dem Wochenmarkt. „Ist etwas passiert?“, fragte er einen vorbeieilenden Kollegen. Percival bekam keine Antwort. Er beschloss, zuerst seinen Mantel abzulegen, und ging zu seinem Platz. Und blieb irritiert stehen. Dort standen nach wie vor zwei Schreibtische. Nur war einer davon von seinem Bruder Raymund besetzt. „Was wird das hier?“, fragte er. Raymund blickte auf. „Da bist du ja endlich. Du wolltest doch einen neuen Platz. Fortan kannst du meinen Tisch nutzen. Bis der MACUSA umzieht, versteht sich ...“ „Und du sitzt jetzt hier?“ „Ja.“ Langsam schälte Percival sich aus seinem Mantel. „Die Sachen hast du schon umgeräumt, wie ich sehe?“ „Ja. Außer deinen Tee und was du sonst noch in der Schublade hast.“ „Oh. Das hol ich gleich.“ Percival wandte sich um und versuchte, in dem Gedränge seinen neuen Arbeitsplatz auszumachen. Ab sofort würde er mitten im Geschehen sitzen. Zwei seiner unmittelbaren Sitznachbarn nahmen nicht Notiz von ihm, während er Mantel und Aktentasche ablegte. Und dann stutzig einen mit Hand beschriebenen Zettel von seinem Tisch aufnahm. „Ich hasse dich!“, stand dort in krakeligen Buchstaben. Percival kannte sie nicht. Und bezweifelte, dass Michelle so eine hässliche Handschrift hatte. Jedoch war sie die Einzige, der er in letzter Zeit auf die Füße getreten war. Der Auror sah sich um. Raymund hatte sich wieder gesetzt und hielt den Kopf gesenkt. Percival ging zu ihm. „Weißt du, von wem das ist?“, fragte er und hielt seinem Bruder die Notiz hin. Raymund nahm sie, las sie und sah Percival besorgt an. „Was hast du angestellt?“ „Ich? Gar nichts!“ „Und woher hast du die Notiz?“ „Lag auf meinem Tisch.“ Sein Bruder sah ihn skeptisch an. „Sicher, dass sie nicht von Michelle ist?“, hakte Percival nach. „Sei nicht albern. Frauen haben keine solche hässliche Schreibschrift!“ Percival verschränkte die Arme. „Und warum ist sie heulend rausgelaufen?“ „Michelle ist heulend rausgelaufen?!“, fragte Raymund entsetzt. „Ja, ich ...“ Weiter kam Percival nicht. Sein älterer Bruder sprang eilig von seinem Stuhl auf und hetzte aus dem Büro. „Du mich auch ...“ Er ließ seinen Blick erneut wandern. Und entdeckte eine pummelige kleine Dame mit drahtiger Grauhaarfrisur und Hornbrille auf der Nase, die gerade in der Teeküche verschwand. Percival ging seine Bankkunden-Liste holen und wartete, bis die Alte wieder zum Vorschein kam. Mit einem großen Becher bewaffnet schlurfte sie zum Schreibtisch, der für die Zauberstabzulassung vorgesehen war. Und setzte sich. „Ah, also doch!“ Er ging zu ihr, setzte ein charmantes Lächeln auf, das nicht zu aufdringlich wirkte, und wartete. Nach einigen Minuten räusperte er sich dezent. Mrs. Fuller zuckte erschrocken zusammen. „Wie lange stehen Sie schon da?!“, wollte sie von ihm wissen. Percival blieb freundlich. „Noch nicht so lange. Ich wollte mich vorstellen, da wir ...“ „Graves, Sie Spaßvogel! Tun Sie nicht so, als würden wir uns heute das erste Mal sehen!“, meinte Sie ungehalten. „Ich, ähm ...“ „Sie Flegel! Michelle hat mir alles erzählt!“ „Michelle?“, fragte er verunsichert. „Was hat sie denn erzählt?“ „Das wissen Sie ganz genau!“ Percival wich verwirrt zurück. „Mrs. Fuller, ich glaube, Sie verwechseln mich ...“ „Ach papperlapapp!“ Hilflos sah er sich um. „Raymund ist mein älterer Bruder“, versuchte er es erneut. Die Alte musterte ihn. Rümpfte die Nase und schob die Brille zurecht. Legte den Kopf schief. Stand auf und ging einen Schritt auf ihn zu. Nahm die Brille ab. „Sicher, dass Sie nicht Raymund sind?“, fragte sie. Mrs. Fullers rechte Hand näherte sich langsam seiner Stirn, als ob sie seine Temperatur erfühlen wollte. Er wich ihr aus. „Ich muss doch sehr bitten, Mrs. Fuller.“ Höflich wehrte Percival sie ab. „Na schön. Wenn Sie wirklich nicht Raymund sind, sehen Sie ihm aber ziemlich ähnlich.“ ‚Eigentlich nicht‘, dachte Percival ernüchtert. „Und was wollen Sie?“, fragte Mrs. Fuller. „Mich bei Ihnen vorstellen.“ Percival setzte wieder sein charmantes Lächeln auf. „Ich bin Percival“, meinte er und reichte ihr die Hand. Mrs. Fuller ignorierte sie, setzte stattdessen wieder ihre Brille auf. „Agnes Fuller“, stellte sie sich vor. „Für Sie ‚Mrs. Fuller‘, junger Mann!“ „Selbstverständlich.“ Sie setzte sich wieder. „Brauchen Sie noch was?“, fragte sie dann. „Err, ich bräuchte in meinem aktuellen Fall Ihre Hilfe.“ „Und was wollen Sie genau?“ Percival zog seine Unterlagen hervor. „Ich habe hier eine Liste mit Personen, die ich gern mit der Zauberstab-Registratur überprüft bräuchte.“ Mrs. Fuller sah ihn streng an. “Mr. Graves, damit wir uns richtig verstehen. Ich bin nicht Ihre Sekretärin.“ „Das hab ich auch nicht ...“ „Sie können die Registratur unter meiner Aufsicht durchgehen“, fuhr sie dazwischen. „Aber ich werde sicher nicht Ihre Arbeit machen.“ Er nickte ergeben. Drei Seiten mit je 20 Namen in ungeordneter Reihenfolge. Ihm stand ein langer Nachmittag bevor. „Sie können sich gerne einen Stuhl holen und meinen Tisch mitbenutzen. Aber breiten Sie sich nicht zu sehr aus“, erklärte Mrs. Fuller, ohne aufzublicken. „Vielen Dank!“ „Die Listen finden Sie alle in den Regalen. Sagen Sie Bescheid, wenn Sie mit dem Sortierverfahren nicht klarkommen.“ Percival nickte und legte seine Listen auf eine Ecke des Schreibtischs. Ein hölzerner Stuhl war schnell gefunden. Den von seinem Schreibtisch durch das Büro zu tragen, geschweige denn zu zaubern, traute er sich nicht.  Der Auror nahm das erste Blatt in die Hand und näherte sich respektvoll dem Registraturschrank. Insgesamt hatte der Kasten acht Fächer, auf die mehr oder minder gleichmäßig die Buchstaben des Alphabets verteilt waren. Percival überflog sein Papier und blieb dann bei einem gewissen Wilhelm Zimmer hängen. „Kein sehr häufiger Name“, murmelte er. Percival wandte sich dem Schuber rechts unten zu. Wie er vermutet hatte, war das Fach von X bis Z nicht besonders gut gefüllt. Schnell hatte er den entsprechenden Hefter heraus geholt und ging die Zulassungen durch. Er musste genau hinschauen, denn nur wenige waren mit Schreibmaschine geschrieben. Die meisten der Zettel stammten noch aus der Zeit von davor, und waren zum Teil verblasst. Er fand zwei Zimmermann, aber keinen Wilhelm Zimmer. „Hmpf, also nicht.“ Percival schob das Fach wieder in den Schrank. Dann ging er zu Mrs. Fuller. „Entschuldigen Sie bitte?“ „Hm? Was gibt es denn?“ „Werden die Zulassungsbescheide noch an einem zweiten Ort verwahrt?“ Mrs. Fuller sah ihn verwirrt an. „Nein, wie kommen Sie darauf?“ „Nun, einige der schon älteren Bescheide sind schon stark ausgeblichen. Möglicherweise wird man die handschriftlichen Notizen in ein paar Jahren nicht mehr erkennen können“, erklärte er. „Ah, Sie haben wohl ganz hinten angefangen?“ Percival nickte. „Ich, wir, sind uns des Problems durchaus bewusst, Mr. Graves. Seien Sie versichert, dass uns nichts wegen Unachtsamkeit entgeht.“ Er sah der Alten durch die Hornbrille in die Augen. Und schwieg. Als sie sich wieder ihrer Arbeit zugewandt hatte, stibitzte Percival ihr einen Bleistift vom Tisch und strich den Namen Wilhelm Zimmer durch. So fuhr er fort, bis Mrs. Fuller Feierabend machte und ihn dazu nötigte, ebenfalls Schluss zu machen. Obwohl ihm von seinem letzten Blatt nur noch zehn Namen fehlten, die er noch nicht überprüft hatte. Ganze drei magisch Begabte hatten sich bisher auf der Liste der Bankkunden wiedergefunden. Zu wenige, als dass sie sich mit den fünf verschiedenen Fußspuren deckten, die er durch das Appare Vestigium als magisch identifiziert hatte. Percival brummte frustriert und beschloss, ebenfalls Feierabend zu machen. Den Zetteln mit den Ergebnissen seiner bisherigen Recherche nahm er mit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)