Taschentuch? von FreeWolf ================================================================================ Kapitel 1: Kaffee und ein Kater ------------------------------- Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und Yuriy besann sich gerade noch, es seinem Gastgeber gleichzutun und die Schuhe auszuziehen, bevor er sich weiter in die kleine Wohnung vorwagte. Kai war inzwischen mit seiner voll gefüllten Einkaufstasche drei Schritte weiter und durch eine Tür nach rechts verschwunden. Yuriy mutmaßte, dass es sich um die Küche handeln musste, als er leises Klirren vernahm. „Kann ich dir was anbieten?“, kam es von Kai, ganz der Gastgeber, während er den Inhalt seiner Einkaufstasche in diverse Küchenschränke verstaute. Er warf ihm einen Blick zu und spezifizierte: „Kaffee? Tee? Wasser? Saft hab‘ ich leider keinen. Aber du bist auch nicht Sergej, der sich von Apfelsaft ernährt“ Yuriy schnaubte amüsiert. „Kaffee, bitte“, gab er zurück und drehte sich in Richtung des Wohnraums, der sich in seinem Rücken auftat. Yuriy hatte so einige Entdeckungen gemacht, seit er frei von Volkov lebte. Eine davon war: Kaffee war gut. Und: Niemand kochte Kaffee so wie Kai. Er hörte Kai mit etwas hantieren, was wohl eine Kaffeekanne war, und machte gewohnheitsmäßig ein paar Schritte von der Küche weg in den Raum hinein. In der Wohnung, die er sich mit Boris, Ivan und Sergej teilte, bedeutete aufeinanderschlagendes Metall eigentlich immer Gefahr. „Mach’s dir ruhig schon mal bequem, ich komm gleich mit dem Kaffee“, kam es hinter ihm, und Yuriy sah sich unschlüssig um. Vor ihm erstreckte sich eine schlicht gehaltene Wohnung. Sie war weder alt noch neu, die Möbel schienen etwas zusammengewürfelt. Auf der einen Seite des Raumes befanden sich ein mit Büchern und Zetteln vollgestopftes Bücherregal, daneben war ein Schreibtisch, auf dem ein aufgeschlagenes Buch darauf wartete, weitergelesen zu werden. Vor sich hatte Yuriy eine Couch mit lila Samtkissen, die wohl schon bessere Tage gesehen hatten. Yuriy beschloss, sich nicht von den vielen weißen Haaren – seit wann verlor Kai so viele Haare? War er krank? – auf den Kissen abschrecken zu lassen und ließ sich auf das Sitzmöbel sinken. Sein Hintern sank bedenklich nach hinten ein. „Frisst deine Couch Leute auf?“, fragte er also skeptisch in Richtung Küche, aus der Kai gerade kam. In der Hand hatte er zwei Tassen, von denen er ihm eine in die Hand drückte. „Nur Leute, die besonders schmackhaft aussehen. Vielleicht findet sie dich mit deiner neuen Frisur ja zum Anbeißen“, witzelte Kai. Yuriy verdrehte die Augen. Kai war noch nicht darüber hinweggekommen, dass er sich einen Undercut hatte schneiden lassen. Er wollte gerade etwas erwidern, da bemerkte er, wie sich etwas an sein Bein schmiegte. Hatte die Couch doch ein Eigenleben? Yuriy schielte zu Kai, der neben ihm Platz genommen hatte, halb ihm zugewandt, und seelenruhig Kaffee schlürfte. Eine Katze sprang auf die Couch, direkt neben Yuriy. Der Rothaarige erwiderte irritiert ihren Blick aus hellgrünen Augen. Sie schien etwas von ihm zu erwarten. Kai hatte also eine Katze. Yuriy wandte den Blick ab und sah zu Kai. „Deine?“, stellte er die unnötige Frage, die ihm eine amüsiert hochgezogene Augenbraue einbrachte. „Nein, djed maroz‘ hat sie bei mir in Pflege gegeben“, kam auch gleich die Retorte. Der Kater setzte tastende Vorderpfoten auf seinen Oberschenkel, testete die Konsistenz seiner Sitzfläche und hob Yuriy seinen Kopf entgegen. Dabei ließ er ein leises Schnurren hören. Yuriy hob unwillkürlich die Hand und streichelte dem silbergrauen Tier über den Kopf. Eine Pfote war schwarz, fiel ihm auf. Seine Augen begannen zu brennen. „Siegfried kommt sonst nie auf Fremde zu“, stellte Kai fest und Yuriy sah ihn aus dem Augenwinkel schmunzeln. „Du musst ihm sympathisch sein“ „Aha“, Yuriy atmete geräuschvoll aus. Das klang irgendwie nach einem Schniefen. Einen Kloß hatte er auch noch im Hals. Was ging denn jetzt schief? Yuriy versuchte, das Brennen in seinen Augen wegzublinzeln. Es verging ein wenig Zeit, in der sie schweigend Kaffee tranken. Dafür hatte Yuriy Kai schließlich besucht: Seit er nicht mehr regelmäßig auf ihrer Couch campierte, konnte man den Kaffee in der Wohnung von Team Borg nicht mehr trinken. Yuriy hatte sich zu schnell an guten Kaffee gewöhnt, um die Entdeckung, dass das Heißgetränk auch schmecken konnte, wieder gegen das alte Gesöff einzutauschen. Es fiel ihm immer schwerer zu atmen. Auch das Brennen in seinen Augen verging nicht mehr. Was, verdammt, war das? „Yuriy“, sprach ihn Kai plötzlich an. Er klang halb alarmiert, halb amüsiert. „Weinst du?“ „Nein“, brummte er ungehalten. Dies schien die Katze zu erschrecken, denn sie sprang auf und lief hoch erhobenen Schwanzes in einen angrenzenden Raum – wohl Kais Schlafzimmer. Yuriy fühlte sich augenblicklich etwas besser. „Taschentuch?“, Kai hielt ihm eines hin. Yuriy nahm es, putzte sich die Nase und wischte sich über die Augen, während er dessen konzentrierten Blick auf sich fühlte. Dann lachte Kai plötzlich ungläubig auf. „Hast du etwa eine Katzenallergie?“ Yuriy hatte so einige Entdeckungen gemacht, seit er frei von Volkov lebte. Kaffee war eines davon. Dass er eine Katzenallergie hatte, wohl das nächste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)