Rivals' Reunion von MizunaStardust ================================================================================ Kapitel 19: Nachbeben --------------------- XIX: Nachbeben Time takes a cigarette, puts it in your mouth You pull on your finger, then another finger, then the cigarette The wall-to-wall is calling, it lingers, then you forget Oh, you're a rock 'n' roll suicide You're too old to lose it, too young to choose it And the clock waits so patiently on your song Oh no, love, you're not alone You're watching yourself, but you're too unfair You got your head all tangled up, but if I could only make you care Oh no, love, you're not alone No matter what or who you've been No matter when or where you've seen All the knives seem to lacerate your brain I've had my share, I'll help you with the pain Gimme your hands, 'cause you're wonderful. (David Bowie) Serenity Wheeler im Interview Hi ihr Lieben. Ohje, ich bin aufgeregt. Ich war noch nie im Fernsehn. Also, ich war überrascht, als ich angefragt wurde, ob ich für diese Show ein Interview geben will. Ich war mir zuerst nicht so ganz sicher, ob ich nicht absagen soll. Um ganz ehrlich zu sein, ich habe Joey davon abgeraten, bei dieser Show mitzumachen. Man hört ja immer, dass bei sowas nur Z-Promis teilnehmen und sich zum Gespött der ganzen Nation machen. Aber mein Bruder war sich seiner Sache so sicher. Schwesterherz, hat er gesagt, das ist meine Chance, zu zeigen, wer Joey Wheeler wirklich ist. Naja, ich schätze er musste es machen. Er geht immer seinen Weg, egal wie steinig er ist. Also, wollt ihr zuerst was über meinen Bruder hören oder was über mich? Ich schätze mal, ich bin recht uninteressant, da mich ja auch niemand kennt. Also, ich bin Joeys jüngere Schwester und … mein Bruder und ich waren immer ein Herz und eine Seele. Auch nach der Scheidung unserer Eltern. Obwohl es nicht einfach für uns war. Ich bin mit meiner Mutter umgezogen, während Joey bei unserem Vater geblieben ist. Im Nachhinein denke ich: Wäre er doch nur mit uns gekommen. Hach, ich sage es ganz ehrlich: Ich mache mir einfach Vorwürfe, weil es Joey zwischenzeitlich nicht besonders gutging. Und ich nicht so für ihn dar war, wie ich es als seine Schwester hätte sein sollen. Und wie ich es auch sein wollte. Die Sache war einfach die … ich wusste lange gar nicht, wie es um Joey steht. Er selbst hat mir nichts erzählt. Ich wusste, dass er mit Mai total glücklich war – Mai mochte ich immer richtig gern und deshalb hat es mich auch total gefreut, als ich gehört habe, dass die beiden zueinandergefunden haben. Am Telefon hat er nie durchblicken lassen, dass er Probleme hat. Ich wohnte ja in Korea. Ja, genau. Also, leider nicht gerade um die Ecke. Mein Mann ist Koreaner und hat den Familienbetrieb übernommen – da bin ich dann mit ihm gegangen. Und dann war es auch so, dass in die Zeit noch die Geburt unserer Tochter gefallen ist … also, das waren alles Dinge, die mich irgendwie ziemlich auf Trab gehalten und meine volle Aufmerksamkeit gefordert haben. Was natürlich keine Entschuldigung sein soll. Als ich dann auf einmal von Yugi erfahren hab, was wirklich los ist, bin ich aus allen Wolken gefallen. Ich hab erst mal den nächsten Flieger nach Japan genommen und bin dort ein paar Wochen geblieben. Meiner Mutter hab ich gar nicht viel gesagt, sie hätte sich nur unnötige Gedanken gemacht. Umso froher bin ich jetzt, dass Joey sich wieder so gut gefangen hat und dabei auch dauerhaft so gute Unterstützung hatte. Als ich gesehen habe, dass Joey in guten Händen war, konnte ich dann auch beruhigter wieder abreisen. Ich konnte ja auch nicht ewig wegbleiben. Ich habe mittlerweile ein kleines Geschäft. Ich verkaufe Bio-Kosmetika und Zutaten für die Herstellung von eigenen Zero-Waste-Artikeln. Ja, das ist etwas, was mit am Herzen liegt und natürlich auch den Geist der Zeit trifft. Gerade wegen all dieser Ereignisse in den letzten Monaten denke ich auch, dass es für meinen Bruder wichtig ist, in dieser Show mitzumachen. Er möchte einfach zeigen, was in ihm steckt und sich selbst und allen beweisen, dass er diesen Teil seines Lebens hinter sich gelassen hat. Vielleicht hofft er auch ein bisschen darauf, dass Mai das sieht und weiß, dass er es geschafft hat. Dass auch sie vielleicht nochmal anders über ihn denkt und sich wieder bei ihm meldet. (Kichert) Achso, ihr wollt sicher auch noch was über mein Verhältnis zu Tristan und Duke hören: Naja, wir haben nicht mehr viel Kontakt, aber sehen uns immer mal wieder sporadisch, wenn ich Joey besuche. Und jetzt verrate ich euch ein Geheimnis: Die beiden waren ja echt süß, wie sie sich immer um mich gestritten haben, aber ganz ehrlich: Keiner der beiden war je wirklich mein Typ (zwinkert). ~*~ Limonos Sinne waren träge und seine Glieder fühlten sich schwer an. Er musste weggedöst sein. Als ihm dies klar wurde, schreckte er hellwach auf. Noch immer war seine Haut eiskalt, er versuchte, sich zu regen. Seine Finger schmerzten vor Kälte. „Umko, wach auf“, alarmiert rüttelte er an Umkos Schulter, auf die dessen Kopf gesunken war. Auch Umko richtete sich nun auf und rückte verwirrt seine Brille zurecht. „Sieh mal, da oben!“, lenkte Limono seine Aufmerksamkeit auf etwas, das er an Nachthimmel entdeckt hatte. Eine dichte Wolkendecke war aufgerissen und sie konnten förmlich beobachten, wie sich der Nebel über ihnen lichtete, wie er langsam den Wald entpackte wie ein großes Geschenk und hinter den Baumwipfeln davonkroch. Auch die Kälte schien nachgelassen zu haben, obwohl Limono sich da nicht so sicher war, denn sie schien noch immer tief in seinen Knochen zu stecken. Sein Körper war ausgefroren und konnte keine Wärme mehr produzieren. Während sie noch immer das Schauspiel am Himmel beobachteten, überkam sie plötzlich etwas. Ein letzter eiskalter Schauer schien sie von vorn zu treffen und über die hinwegzurauschen. Limono bildete sich ein, über ihnen einen Schatten zu sehen, der den fast vollen Mond für einige Sekunden verdunkelte. So schnell, wie er gekommen war, war er jedoch wieder verschwunden – und sie waren allein. Limono hätte es plötzlich klarer nicht sein können, dass das, was auch immer sie in diesem Nebel gefangen gehalten hatte, fort war. Oder zumindest seine Aufmerksamkeit nun anderen Dingen zugewandt hatte. Der düstere Zauber und der Staub der Vergangenheit schien von den Baumkronen zu rieseln und der Wald war wieder nur ein gewöhnlicher Wald. Er stand auf und bewegte seine steifen Glieder. „Komm schon, lass uns schnellstmöglich hier verschwinden“, forderte er Umko auf. Schweigend und frierend liefen sie schnellen Schrittes der Villa entgegen. An die ursprünglich geplante Verfolgung verschwendete keiner mehr einen Gedanken. Sie waren schwach und fühlten sich wie ausgesaugt. Als sie den Waldrand erreichten, parkte gerade ein Produktions-Truck vor der Villa und zwei Mitglieder der Produktionscrew stießen die Türen auf uns stiegen aus. Ein weiterer Truck stand bereits am Waldrand und das Logo, das auf dessen Seitentür prangte, kam Limono seltsam bekannt vor. Aber er hatte keine Kraft und keine Muse, darüber nachzudenken, wo er es schon einmal gesehen hatte, und dieser Truck schien leer zu sein. „Seid ihr in Ordnung?“, wollten die beiden Produktions-Männer von Limono und Umko wissen. „Halbwegs“, gab Limono achselzuckend zurück. Sie wurden ins Haus geführt und mussten sich einem medizinischen Check-Up unterziehen, doch außer einem heißen Bad und Schlaf fehlte ihnen nichts. „Aber wir sind die nicht einzigen von den Kandidaten, die in den Wald gegangen sind!“, erklärte Umko dem Team ernst. „Wissen wir. Aber keine Panik. Diese drei sind bereits wieder in ihren Zimmern und werden morgen durchgecheckt.“ „Drei?“, Limono und Umko warfen einander fragende Blicke zu. Dann rückte das Team wieder ab, nicht ohne sie zu verwarnen, dass sie so etwas nicht noch einmal tun sollten und dass dies ein Nachspiel für alle haben werde. Limono und Umko war es in diesem Moment herzlich egal. Stille umfing sie erneut und sie standen nun wieder alleine im Korridor des ersten Stocks, wie sie es vor ihrem abenteuerlichen Ausflug getan hatten. Limono lächelte matt. „Ich bin froh, dass es gut ausgegangen ist“, sagte er, etwas um Worte verlegen, „ich hätte diesen Blödsinn nicht vorschlagen sollen.“ „Ist schon gut“, sagte Umko beschwichtigend, „eigentlich bin ich ganz froh, dass es so gekommen ist. Abgesehen von dem seltsamen Spuk in diesem verdammten Wald war es doch ganz nett.“ „Ja, das war es. Aber … ich denke, wir sollten das Ganze vergessen“, sagte Limono nachdrücklich, „wir haben gefroren und es war eine Ausnahmesituation. Klar, dass da unsere Gefühle mit uns durchgegangen sind. Aber trotzdem führt uns das nach wie vor nirgendwohin. Das wissen wir beide. Also … lassen wir‘s einfach gut sein und sprechen nicht mehr davon, ok?“ Vielleicht würde morgen alles sein wie zuvor. Vielleicht war diese Nacht zu surreal gewesen, um sie für bare Münze zu nehmen, um sie in die Wirklichkeit einzuflechten. Vielleicht würden sie nie wieder von alldem hier sprechen. Er drehte sich um und ging in Richtung seines Zimmers davon. Er war plötzlich so erschöpft und eine ungewohnte Traurigkeit überkam ihn heftig. „Limono …“, sagte Umkos Stimme hinter ihm. Sie klang ungewöhnlich klar und fest. Limono drehte langsam den Kopf und sah ihn an. Umko stand da, die Türklinke seiner offenen Zimmertür in der Hand, „ich will das nicht“, sagte er, „ich will nicht immer vergessen. Nicht schon wieder. Wenn das wirklich ist, was du willst, dann bitte … lass mich einfach zufrieden und halte dich aus meinem Leben raus. Aber falls da ein Teil von dir ist, der etwas anderes will … der nicht allein sein will, dann entscheide dich jetzt. Ich frage dich nicht noch einmal.“ Limono senkte den Kopf und sah auf seine kalte Hand. Er dachte an die Momente dieser Nacht. Wie die Kälte in seinen Adern steckte und ihn durchzog, wie sie seine Haut fahl machte, ihm gut zu Gesicht stand. Schon lange konnte er sie spüren. Dann, langsam, ohne Umko anzusehen machte er kehrt und ging den Weg wieder zurück. Er passierte Umkos Zimmertür, die mit einem leisen Klicken hinter den beiden ins Schloss fiel. * „Könnt ihr mir das bitte mal erklären?!“ Joey wedelte aufgebraucht und mit todernster Miene mit dem Zettel in seiner Hand vor den Gesichtern von Yami und Seto herum. Diese saßen nebeneinander auf der Couch und sahen sich kurz etwas beschämt an. Dann senkten sie die Blicke und schwiegen. „Ich meine“, fuhr Joey fort, „sieht das denn außer mit hier keiner so? Wie könnt ihr beiden einfach mitten in der Nacht aus dem Haus schleichen, ohne irgendjemandem von uns Bescheid zu geben?! Wegen eurer dämlichen Aktion müssen wir jetzt alle die Konsequenzen tragen!“ Er hatte den Zettel in seiner Hand nun zu einer Rolle geformt und piekste Yami damit mehrmals provokant auf die Brust. Es war eine kurze und unruhige Nacht gewesen, in der Yami nur wenig Schlaf gefunden hatte. Zuerst war er trotz seiner Müdigkeit zu aufgekratzt gewesen und ein Gedanke hatte den nächsten gejagt. Miko hatte eine hässliche Kerbe in seinen Gedanken hinterlassen und Yami war besorgt, was alles geschehen konnte, wenn er jetzt einfach einschlief. Dann waren seine Gedanken zu Seto geschweift. Er hatte daran gedacht, wie nahe sie sich gekommen waren, sich gefragt, was er selbst eigentlich wollte – und wie Seto wohl über all das dachte. Schließlich hatte ihn auch Bakura nicht losgelassen. So hatte sich in seinem Inneren alles in einem endlosen Karussell gedreht, bis er schließlich in einen unruhigen Schlaf hinabgesunken war. Am Morgen war er unausgeschlafen und völlig erschöpft aus seinem Zimmer getrottet, als er auch schon erregte Stimmen von unten hörte und wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Sein Puls schnellte auf der Stelle nach oben und sofort dachte er daran, was Miko in der Zwischenzeit alles hatte anrichten können. Ohne weitere wertvolle Sekunden zu verlieren, war er die Treppe hinabgestürmt und hatte sich, als er den Salon betreten hatte, hektisch vergewissert, dass alle anwesend und wohlauf waren. Das war der Fall, aber dennoch blickte er in ernste Gesichter. Hinter ihm betrat gerade Seto das Zimmer. Ohne Umschweife hatte Joey ihnen den Zettel vor den Latz geknallt, um den sich das Gespräch nun bereits seit 15 Minuten drehte. „Liebe Kandidaten und Kandidatinnen“, stand darin, „fünf von euch haben sich gestern Nacht unbefugt aus dem Haus geschlichen. Das stellt eine grobe Verletzung der Spielregeln dar und ihr müsst die Konsequenzen dafür tragen. Zur Strafe müsst ihr alle eure Luxusartikel abgeben. Legt sie bitte auf den großen Esstisch. Die fünf Verantwortlichen werden zusätzlich bis zum Ende der Woche den Dachboden dieses Gebäudes aufräumen, ausmisten und reinigen.“ Yami konnte den vorwurfsvollen und enttäuschten Ausdruck in Joeys Gesicht kaum ertragen. Er war erleichtert, dass niemandem etwas passiert war, während er geschlafen hatte, aber er wusste, er hatte nicht im Sinne aller und schon gar nicht in Joeys Sinne gehandelt. Er biss sich auf die Unterlippe. „Die Strafe ist mir völlig Wurscht!“, sagte Joey barsch, „Aber Yami, wenn irgendwas verdächtig war, warum hast du uns denn dann nicht geweckt? Warum hast du dir stattdessen nur Kaiba, diesen reichen Pinkel, mitgenommen, anstatt uns einzuweihen? Du weißt doch, du kannst auf uns zählen! Verdammt nochmal, wir haben doch immer alles zusammen hingekriegt!“ „Jetzt halt endlich mal die Luft an, Wheeler!“, konterte Seto, als Joey endlich mit Worten rang, „Spiel dich hier mal nicht so auf. Du bist nicht der einzige, der in der Lage ist, zu helfen. Willst du jetzt etwa die beleidigte Leberwurst spielen, weil du die ganze Action verpasst hast?“ „Das – darum geht es doch gar nicht! Arg … was verstehst du schon davon!“, brauste Joey erneut auf und auch Yami warf Seto einen eindringlichen Blick zu, der ihm bedeutete, dass diese Reaktion unangemessen war. „Ist doch wahr. Muss ich mir diese Ansprache etwa gefallen lassen?“, murmelte der Chef der Kaiba Corporation, beließ es aber dabei. „Joey … es tut mir leid. Ich habe es aus dem Bauch heraus entschieden und Seto war der einzige, der noch wach war. Andernfalls wäre ich ehrlichgesagt alleine gegangen.“ Nun fing Yami sich seinerseits einen empörten Blick von Seto ein, dem es offenbar nicht gefiel, nur aus einer Laune des Zufalls heraus Yamis Begleiter gewesen zu sein. „Wir alle wissen doch nur zu gut, dass Bakura gefährlich sein kann. Hast du denn in all den Jahren immer noch nichts gelernt? Ich dachte … wir wär‘n Freunde. Ich dachte, wir wär’n ein Team“, während der letzten Worte war Joey leiser geworden und seine Stimme klang matt und brüchig, als er sich auf eines der Sofas fallen ließ. Yami schwieg betreten. Er konnte dem nichts mehr entgegensetzen. „Und ihr beiden“, brach Tea das angespannte Schweigen, „wieso habt ihr sie nicht davon abgehalten? Stattdessen rennt ihr ihnen einfach kopflos hinterher, ohne zu wissen, um was es eigentlich geht!“ Sie strafte Limono und Umko mit einem tadelnden Blick. Auch diese beiden sahen sich nur ratlos an. Limono zuckte mit den Achseln, während er seine Fender Stratacoustic auf den Tisch zu den anderen konfiszierten Luxusgegenständen legte. „Wir haben diese ganze Sache nicht angezettelt. Seto und sein kleiner Spielgefährte sind zuerst ausgebüxt, das sollten wir hier mal nicht vergessen. Wir wollten nur nachsehen, was sie vorhaben!“, giftete er zurück. „Ach ja?! Was geht EUCH das überhaupt an?! Und abgesehen davon, wir wollten ebenfalls nur Bakura helfen, weil der allein losgegangen ist!“, fauchte nun wiederum Yami Limono an, dann ergänzte er jedoch schnell: „Aber … Bakuras Schuld war es ebenfalls nicht und er ist auch nicht gefährlich. Er war hinter etwas anderem her, das uns allen hätte gefährlich werden können. Er wollte das Schlimmste verhindern.“ „Mir schwirrt echt der Kopf. Wer hat denn hier nun wen verfolgt?“, stöhnte Malik und schlug sich die Hand an die Stirn. „Wir sollten uns alle erst mal wieder beruhigen“, mischte sich nun auch Umko in das Gespräch ein und bedachte insbesondere Limono mit einem eindringlichen, tadelnden Blick. Dieser grinste seinerseits nur frech zurück, offenbar amüsiert darüber, dass Umko ihm Einhalt gebieten wollte. Dann ließ er sich neben seinen Ex-Mann aufs Sofa fallen und lehnte sich an seine Seite, während er, wie die anderen, Joey und Yami fixierte. Alle anderen sahen einander ratlos an. Manche schauten etwas unbehaglich drein, andere warteten fragend auf eine genauere Erläuterung von Seiten Yamis. „Also … wie soll ich es erklären …“, rang dieser nach Worten. „Am besten gar nicht“, erklang nun Bakuras Stimme und der Geist des Ringes trat aus einer dunklen Ecke des Raumes hervor, wo ihn bisher niemand bemerkt hatte „Es ist nichts, worüber ihr alle euch den Kopf zerbrechen solltet“, fuhr er entschieden fort. „Hey, du Penner! Denkst du etwa, wir sind zu blöd, um irgendwas zu kapieren?! Wir habens’s schon mit viel Merkwürdigeren Sachen aufgenommen, das kannst du mir glauben! Und du bist eine davon!“, brauste Joey auf. „Ok, Timeout, Joey“, nun erhob sich Yugi und hielt beschwichtigend beide Hände mit den Handflächen nach vorne vor seine Brust, „wir sollten jetzt mal wieder zur normalen Routine zurückkehren und in Ruhe die Aufgaben für den heutigen Tag verteilen. Ich bin mir sicher, Yami hat eine gute Erklärung dafür, wie er gehandelt hat. Wenn du dich etwas beruhigt hast, solltest du dir seine Version der Geschichte erst mal anhören. Dann kannst du immer noch entscheiden, ok?“ Joey murrte unzufrieden, aber sagte nichts mehr. Nachdem sie die täglichen Aufgaben zugeordnet hatten, verstreuten sich alle so langsam und gingen anderen Dingen nach. Doch die Stimmung blieb gedrückt und auch Joey blieb stumpfsinnig an Ort und Stelle sitzen und starrte mit finsterem Blick in die Ferne. „Ich kann dich nur zu gut verstehen“, sagte plötzlich jemand neben ihm und riss ihn aus seinen Grübeleien. Joey sah auf. Yugi hatte sich neben ihm niedergelassen und sah ihn an, halb besorgt, halb offenherzig. „Ach ja?“, fragte Joey verunsichert zurück, „obwohl ich mich so dämlich aufgeführt hab? Ich wollt‘ meine Fassung nicht so verlieren. Ich hab mich ganz schön blamiert, was?“ „Ein bisschen“, sagte Yugi schmunzelnd, „aber wer hat das nicht schon während unseres Aufenthalts hier? Und abgesehen davon kann ich deinen Standpunkt nachvollziehen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass Yami mehr Vertrauen zu uns hat. Ich wünsche mir auch, dass es wieder so sein könnte wie früher, dass wir immer noch dasselbe Team wären. Aber … wir müssen uns wohl damit abfinden, dass sich manche Dinge einfach ändern.“ Joey drehte sich nun zu Yugi um und sah ihn direkt an, froh, dass er ihm wenigstens jetzt beipflichtete und seine eigenen Gefühle ihm nicht mehr so völlig absurd und beschämend erschienen. „Aber … warum sieht Yami denn nicht, dass wir ihm helfen können? Warum rennt er stattdessen zu Kaiba? Ich meine, der Typ muss ihn damals doch echt enttäuscht haben. Und dann auch noch Bakura? Der zwielichtigste Kerl seit der Erfindung des Zwielichts?! Ehrlich jetzt?!“ Yugi kicherte ein wenig. „Aber Joey, versuch nicht so hart mit ihm zu sein. Ich bin mir sicher, es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Ich für meinen Teil bin froh, dass Yami wieder den Kontakt zu uns gesucht hat. Vielleicht sollten wir nicht zu viel auf einmal wollen und dankbar sein für das, was wir haben. Du musst auch sehen, dass es für Yami sicher nicht leicht war, seinen Platz in dieser Welt zu finden.“ „Aber dabei hätten wir ihm doch helfen können! So wie wir ihm auch damals geholfen haben, seine Erinnerungen wiederzuerlangen und in seiner Erinnerungswelt zu bestehen!“, sagte Joey halbherzig, resigniert. „Vielleicht ist das etwas, wobei ihm niemand wirklich helfen kann. Vielleicht muss er es diesmal alleine mit sich ausmachen. Ich bin mir sicher, wenn er bereit dazu ist, wird er sich uns noch weiter nähern. Er hat den ersten Schritt getan, wir sollten ihn nicht wieder von uns wegtreiben, indem wir ihn bedrängen und einengen. Ich denke, wir sollten ihm noch etwas mehr Zeit geben. Oder was denkst du?“ Joey sah auf seine Zehenspitzen. Dann lächelte er müde. „Ich denke, du hast wie immer Recht. Ich bin wohl etwas übers Ziel rausgeschossen. Ich schätze, ich schulde Yami eine Entschuldigung.“ „Und er dir“, lachte Yugi. Einfühlsam legte er Joey eine Hand auf den Unterarm. „Hey; mach dich nicht selbst fertig. Es ist immer in Ordnung, offen zu sagen, wie man sich fühlt. Für das, was man fühlt, sollte man sich nicht schämen müssen. Ich denke, es ist gut, dass Yami weiß, dass es dich verletzt hat.“ Joey lachte hohl auf. „Ich wünschte, ich wäre so ein schlaues Köpfchen wie du. Du weißt immer, was das Richtige ist. Ich – ich bin immer nur wie eine wandelnde Abrissbirne. Alles, was ich hab, mach ich kaputt.“ „Joey … wenn du damit Mai meinst … ich bin mir sicher, was auch immer euch auseinandergebracht hat, war nicht alleine dein Verschulden. Ich hatte den Eindruck, Mai war sehr viel glücklicher mit dir in ihrem Leben. Du hast sie doch auf Händen getragen. Ich wünschte, ich könnte dir helfen, aber ich will dich auf keinen Fall drängen. Du weißt, ich bin immer für dich da, wenn du bereit bist, darüber zu sprechen …“ Joey sah Yugi an. Seine Augen strahlten eine Ruhe aus, die ihn immer auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hatte, ihn geankert hatte. Ohne Yugi sähe sein Leben heute sehr viel anders aus. Er wusste, was er seinem besten Freund zu verdanken hatte und er war jemand, der solche selbstlosen Gesten niemals vergaß. Durch all das, was geschehen war, war er für immer mit Yugi Muto verbunden. Und er würde nie zögern, ihm diese Freundlichkeit zurückzugeben, wann immer er konnte. „Ich will es ja“, sagte er kaum hörbar, „ich will es wirklich versuchen.“ Yugi nickte ermutigend. Und schließlich erzählte Joey. Erzählte Yugi leise und so gefasst er konnte all das, was passiert war, nachdem er und Mai sich einander genähert hatten. Wie letztlich alles aus dem Ruder gelaufen und ihm die Kontrolle entglitten war. Und Yugi hörte zu. Er urteilte nicht. In seinem Blick lag nicht auch nur die geringste Ablehnung, nur Offenheit und Verständnis. Das ließ Joey Mut fassen, immer weiterzusprechen. Bis sich der giftige, aufgeriebene Schorf, der sein Herz so lange bedeckt hatte, ablöste und als Worte seinen Weg nach draußen fand. Bis er nach langer Zeit wieder etwas leichter atmen konnte. Und ihm war plötzlich klar: Yugi würde immer zuhören, egal was ihn beschäftigte. Er würde ihn nie wegschicken. Wie er ihn auch damals nicht verurteilt oder weggestoßen hatte. Und er fühlte sich nicht mehr ganz so wertlos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)