Von La Sadie's zu Dir en Grey- Ein steiniger Weg von MarryDeLioncourt ================================================================================ Kapitel 3: Hate --------------- Nach der Tour mit Malice Mizer hatten die Jungs von La Sadie’s auf jeden Fall Blut geleckt und Kyo verkroch sich des Öfteren zum Schreiben neuer Songs. Aufgrund der letzten Ereignisse fielen die Texte entsprechend düster aus und auch überlegte der Sänger hin und wieder, wie er seine Musik verändern könnte, dass diese mehr zu seinen Texten passte. Keine Frage, er mochte die poppige J-Rock Klänge, die zur Zeit in den meisten Songs überwiegten, doch er wollte etwas Eigenes schaffen. Seinen eigenen Stil kreieren, an dem nur seine Band erkannt werden konnte. Kyo wollte sich von anderen Bands seiner Szene unterscheiden und nicht nur das, er wollte damit berühmt werden und die Bühne zu seinem persönlichen Sprachrrohr machen, damit er allen, die nicht an ihn glaubten, vom Gegenteil überzeugen konnte. Eines Abends, als er sich Mal wieder im Proberaum verzogen hatte, leistete ihm sein Bassist Gesellschaft. „Hast du gerade Zeit?“ Kyo zündete sich eine Zigarette an und bot auch Kisaki eine an. „Wofür?“ „Naja, ich hatte gedacht, dass wir Mal wieder was miteinander unternehmen könnten.“ Der Sänger zuckte mit den Schultern. „Mh, was schwebt dir denn vor?“ Kisaki grinste schelmisch. „Meine Schwester wollte heute vorbeikommen und noch ein paar andere Leute…hast du Bock? Bissl feiern in meiner Wohnung.“ Nach einigen Minuten, in denen Kyo abwog, ob es denn jetzt lustig wäre mit seinem Bassisten zu feiern, entschied er sich dafür. Vielleicht tat ihm ein bisschen Abwechslung ganz gut und einen klaren Kopf zum Denken hatte er ohnehin nicht mehr. Also packte er seine Sachen in den Rucksack und machte sich mit Kisaki auf Weg zu dessen Wohnung. „Sag Mal…findest du nicht, dass die letzten Texte ein bisschen sehr düster waren?“ „Schon, aber ich mag das“, fertigte er den anderen ab. Bei Kisaki hatten sich schon ein paar Leute eingefunden und Musik dröhnte durch die Wohnung. Sogleich wurden die beiden mit Schnaps empfangen. Kyo ahnte, dass das vermutlich kein gutes Ende nahm, doch wie so oft ignorierte er die schrille Stimme in seinem Inneren, die ihn zu warnen versuchte. Er kannte Kisakis Schwester nur flüchtig und wusste, dass sie um einiges jünger war, als ihr Bruder. Hatte er nicht sogar erwähnt, sie sei erst achtzehn? Sweet eighteen. Der Blonde erinnerte sich nicht mehr genau, doch eine Sache wurde wieder wachgerufen, als er die junge Kimii erblickte- sie war mehr als reizend und sicher kein Mädchen, das er von der Bettkante stoßen würde. Außerdem überzeugte sie mit zwei Argumenten, die nicht zu verachten waren, ihrer Oberweite. Und Kyo war sich mehr als sicher, dass sie bei ihren Brüsten nachgeholfen hatte. Dennoch wirkte sie süß und eher unschuldig. Insgeheim verfluchte er sich für seine Gedanken, denn das Mädchen hatte alles andere als einen so lüsternen Typen wie ihn verdient. Doch schien sie das recht wenig zu stören, denn in ihrem kurzen Rock und dem bauchfreien Oberteil steuerte sie sogleich in Kyos Richtung und umarmte ihn, nicht ohne ihm ihre Brüste gegen den Oberkörper zu pressen. „Heyyy Kyo…so schön dich zu sehen“, flötete sie ihm zu und reichte ihm sogleich einen Schnaps, den der Sänger in einem Zug leerte und leicht angewidert das Gesicht verzog. Eigentlich mochte er es nicht sich zu betrinken, denn da verlor er meist die Kontrolle über sich. Doch ein Gefühl riet ihm sich heute die Kante zu geben. Mal wieder Spaß zu haben und das schöne im Leben zu genießen. Schließlich beschloss er diesem Gefühl zu folgen und ging auf die offensiven Flirtversuche des Mädchens ein. „Freut mich auch…hübsch siehst du heute aus“, schmeichelte er ihr und sie lächelte etwas verlegen. Die beiden holten sich einen neuen Drink und zogen sich im Wohnzimmer in einer ruhigen Ecke zurück. „Kisaki hat erzählt, dass du gerade jemanden hast, stimmt das?“, fragte Kimii neugierig und Kyo haderte einen Moment mit sich. Doch dann rang er sich ein Lächeln ab und schüttelte mit dem Kopf. „Nein hab ich nicht…wie sieht es bei dir aus?“ Das Mädchen verneinte und der Sänger zog sie auf seinen Schoß, blendete Emotionen aus und zurück blieb Lust. Lust auf das zarte, unschuldige Wesen, das heute sicher ohne Probleme die Beine für ihn breit machen würde. Kurz verabscheute sich Kyo für diesen Gedanken, verwarf das dann aber wieder und ließ sich von ihrer Schönheit hinreißen. Kimiis Rock rutschte gefährlich hoch und ohne wirklich etwas dagegen tun zu können, strich er ihr über die pfirsichweichen Schenkel. „Wow und mein Bruder beschwert sich immer, dass du in letzter Zeit so übellaunig bist“, neckte sie ihn, während seine Finger zwischen ihre Beine wanderten. „Mhh er ist ja auch nicht du“, konterte der Sänger und schob seine Hand ihn ihren Nacken, um sie in einen Kuss zu ziehen. „Vielleicht sollten wir wohin gehen, wo wir nicht so auf dem Servierteller sitzen“, schlug Kimii vor. „Warum hast du Schiss, Kisaki erwischt uns?“, witzelte Kyo schon recht angetrunken. „Möglich.“ Die schwarzhaarige Schönheit erhob sich und zog den etwas verwirrten Sänger mit sich. Doch statt sich zurück zu ziehen, schleifte sie ihn auf die Tanzfläche, legte ihre Hände um seinen Hals und tanzte mit ihm. Kyo war alles andere ein Tänzer, doch er ließ sich von ihr führen und irgendwie gefiel es ihm. Ihre Hüften bewegten sich gefährlich nahe an seiner Lendengegend und er hatte Mühe sich zusammen zu reißen. Seine Hände wanderten an ihren Seiten entlang und ihre Lippen suchten die seinen. „Wolltest du nicht weg von den Leuten?“, nuschelte er in den Kuss. „Mh, hab’s mir wohl anders überlegt.“ Nach einer gefühlten Ewigkeit und einer schon fast pornösen Tanzsession kühlten sich die beiden ab und holten sich einen neuen Drink. Kalte Winterluft schlug ihnen auf dem Balkon ins Gesicht und Kyo legte seine Arme schützend um die zarten Schultern von Kimii. Sie zündete sich eine selbstgedrehte Zigarette an und hielt diese auch dem blonden Sänger vor die Nase. Er öffnete seine Lippen einen Spalt breit, sodass sie den Glimmstängel dazwischen schieben konnte und nahm einen tiefen Zug. Sogleich huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Oh oh, weiß dein Bruder denn, dass du kiffst?“ Energisch schüttelte sie ihren Kopf, wobei ihr langes Haar herumflog. „Nein und er sollte es auch nicht erfahren…ich bin halt ein böses Mädchen…er weiß so viel nicht…“ Kyo zog sie wieder an sich und stahl ihr einen Kuss. „Und woher willst du wissen, dass ich dich nicht verrate?“, ärgerte er das junge Mädchen. Kimii schob ihre Unterlippe schmollend nach vorne. Genüsslich zog er am Joint und blies den bläulichen Rauch nur minimal an ihr vorbei. „Was muss ich dafür tun, damit du mich nicht verrätst?“, flötete sie ihm mit ihrer Engelsstimme zu. „Mhh…ich hätte Lust auf Sex…mit dir…“, gab er mit rauer Stimme zurück. „Das ist perfekt…mh, da gibt es noch eine Kleinigkeit…Kisaki denkt, ich sei noch Jungfrau.“ Kyo schaute Kimii etwas geschockt an. „Und?...bist du?“ „Nee, aber wie gesagt, er muss ja nicht alles wissen. Lass uns in mein Zimmer gehen, das ist ganz oben.“ Das Mädchen ergriff Kyos Hand und ihr Druck war erstaunlich fest. Das überraschte den Sänger. Sie kämpften sich durch die partywütige Meute und verschwanden in Kimiis Zimmer. Sie schloss die Tür ab und fiel sogleich über den Sänger her. Kyo blendete seine Gefühle noch immer aus, denn er wollte nichts spüren, was ihn später bereuen lassen könnte, was er getan hatte. Die schwarzhaarige Schönheit überzeugte ihn nicht nur mit Klamotten, denn als sich von der wenige Kleidung trennte, wirkte ihr Körper wie ein Magnet, von dem man angezogen wurde und Kyo hinterließ mit seiner Zunge unsichtbare Spuren darauf. Schließlich setzten die beiden ihren erotischen Tanz fort, nur eben ohne Klamotten und mit mehr Körperkontakt. Sie konnten die Händen nicht mehr voneinander lassen und endlich verschmolzen ihre Körper zu einem. Es war schon eine Weile her, dass Kyo etwas intimer mit einer Frau gewesen war, doch bei diesem sexy Girl konnte er sich beim besten Willen nicht beschweren. Sie schien zu wissen, was sie wollte und das trieb ihn an. Beide näherten sich ihrem Höhepunkt und Kimii krallte sich lustvoll in seinen Rücken, als ihr ein erlösendes Stöhnen entfuhr. Kyo entsorgte das benutzte Gummi und ließ sich wieder zu dem Mädchen auf’s Bett nieder. In ihrem etwas zu pinken Zimmer leuchteten mehrere Kerzen und Räucherstäbchen. Es hatte ein bisschen was von einem Buddahtempel. Kimii baute einen weiteren Joint, was Kyo mehr als amüsierte, denn ganz so hatte er die kleine Schwester seines Bassisten gar nicht eingeschätzt. Schon allein der süßliche Geruch machte ihn schlaftrunken und etwas benommen. „Magst du Sake haben Liebster?“, säuselte sie und klimperte mit ihren künstlichen Wimpern. Wie konnte er da nur nein sagen? „Liebster?“ „Warum nicht?“ Das war keine Antwort, aber Kyos Gehirn war mittlerweile unfähig auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, Deshalb ließ er sich in die Kissenwand sinken und schaute Kimii nach, wie sie nicht ohne mit dem Hintern zu wackeln auf ein Regal ihnen gegenüber zusteuerte und mit zwei Gläsern und einer Flasche wieder zu ihm zurück kehrte. „Weißt du…ich finde, du solltest dir deine Haare lila färben…glaub das würde zu dir passen.“ „Lila? Ernsthaft?“ „Klar. Ich hab noch Farbe, könnten es auch sofort probieren.“ Kyo lachte. „Du spinnst, als ob du in deinem Zustand noch irgendwas auf die Reihe bekommst“, lachte er und Kimii boxte ihn gegen den Oberarm. „Sei nicht so gemein…du bist ja nur zu feige…das Bad ist gleich nebenan.“ Warum eigentlich nicht? Falls sie es versauen sollte, konnte er morgen immer noch schwarz drüber färben. Schwerfällig erhob er sich und schenkte beide Gläser fast voll. „Also dann Madame…dann auf in den Friseursalon.“ Kimii kicherte und schob ihn ins Badezimmer, holte eine Glasschale, in der sie die Farbe mischte und zog sich Handschuhe über. Kyo setzte sich auf den Badewannenrand und ließ Kimii beginnen. Na wenn das Mal nicht nach hinten los ging. Die Farbe fühlte sich kalt und glitschig auf seinem Kopf an, doch genoss er die mehr oder weniger unbewusste Massage auf seinem Haupt und hin und wieder fielen ihm die Augenlieder zu. Während die Farbe einwirkte setzten sich die beiden, noch immer nackt, auf den Teppich im Badezimmer und ließen Wasser in die Wanne laufen. „Glaubst du eigentlich, dass ihr irgendwann mal berühmt werdet…also so richtig?“, fragte Kimii schließlich. „Ich hoffe es…glaub ich kann nichts anderes als singen.“ „Hattest du jemals nen anderen Job?“ Kyo schüttelte mit dem Kopf. „Früher hab ich halt anderen Bands beim Merch und so geholfen, bis ich eben selbst begonnen hab Songs zu schreiben.“ „Klingt voll toll…ich wünsche mir für euch, dass ihr berühmt werdet.“ Kyo lächelte ein bisschen und trank einen Schluck. Dann spülten sie in der Dusche die Farbe aus seinen Haaren und stiegen in die Badewanne. Wohlige Wärme umfing den Sänger und Kimii schmiegte sich an ihn. Ihre süßen vollen Lippen begannen ihn wieder zu küssen und zu liebkosen. Völlig benommen gab er sich ihr ein weiteres Mal hin. Ein bisschen erschöpft und schrumpelig zwischen den Händen und Füßen verließen sie das Badezimmer und kuschelten sich zurück ins Bett, wo sie auch gleich einschliefen. Der Geruch von Kaffee sieg Kyo in die Nase und als er seine Augen aufschlug, schwebte vor ihm eine Tasse in der Luft, die zu einem sehr zierlichen Arm gehörte und als er sich umdrehte, sah er der hübschen Kimii geradewegs in die Augen und sie lächelte. „Guten Morgen Liebster…Kaffee?“ „Oh…gerne, danke.“ Das Gebräu tat gut und erweckte seine Lebensgeister. Als er kurz aufstand, um auf die Toilette zu gehen, blieb er etwas geschockt vor dem Spiegel stehen und musterte den fremden Mann darin. Nein, halt Mal, das musste er sein, doch was zur Hölle war da mit seinen Haaren passiert? Lila? „Kiiiimiiiii, was haben wir letzte Nacht getan? Und warum verflucht hab ich violette Haare?“, rief er aus dem Bad heraus und machte sich nicht die Mühe die Tür beim Pinkeln zu schließen. Das Mädchen kicherte und hielt sich die Hand vor den Mund. „Ich glaub ich hab deine Haare gefärbt…so schlimm?“ „Keine Ahnung…“ Der Sänger kuschelte sich wieder ins Bett, weil es außerhalb dieser Kissenhöhle viel zu kalt war. Die schöne Idylle wurde jedoch plötzlich vom Klingeln seines Handys zerstört und ohne nachzuschauen konnte er sich denken, wer ihn da anrief. Kimii fragte ihn, ob denn nicht ans Telefon gehen wolle, doch der Sänger schüttelte heftig mit dem Kopf. Die nächsten zwei Tage flüchtete sich der Sänger mithilfe seiner schwarzhaarigen Schönheit in eine trügerische Scheinwelt, doch je öfter er aus dieser erwachte, desto schlechter fühlte er sich. Das Berauschen seiner Sinne hatte außerdem den unschönen Nebeneffekt, dass er noch mehr über alles nachdachte, wenn sein Verstand wieder allmählich klarer wurde und die eiskalte Realität schmetterte ihn zu Boden. Warum nur hatte er sich so fallen lassen? Immerhin war er sich darüber im Klaren, was diverse Rauschmittel mit ihm anstellten. Kyos Herz schlug viel zu schnell und zu hektisch in seiner Brust und seine Hände hatten zu zittern begonnen. Der Geschmack in seinem Mund war alles andere als appetitlich und seine Zunge schien von einer pelzigen Schicht überzogen zu sein. Mit aller Kraft, die er gerade aufbringen konnte, schwang er seine Beine aus dem Bett und wollte sich anziehen. Doch wo um alles in der Welt waren seine Kleider abgeblieben. Kyo blinzelte, um sich im Schein der Kerzen im Raum zu orientieren. Er kniff die Augen zusammen und ließ seinen Blick über das kissenbedeckte Sofa und den Boden wandern. Schließlich schob sich das, wonach er suchte in sein Blickfeld und auf zittrigen Beinen wankte er zu dem hölzernen Stuhl, über den er seine Klamotten wohl geworfen haben musste. Haltsuchend krallte er sich an der Lehne fest, als er beim Anziehen seiner Hose fast umgefallen wäre. Vom Bett aus ertönten Laute und das hübsche Gesicht von Kimii kam zum Vorschein. „Willst du mich etwa verlassen Liebster?“, fragte sie verschlafen. „Ich hab noch zu tun. Außerdem muss ich mich mal wieder bei den Proben blicken lassen…“ Eh sich Kyo versah, war das Mädchen bei ihm und wollte ihn zurück in ihr Bett locken. „Kimii hör zu, wir hatten drei wundervolle Tage, aber das ist nicht das, was ich will…ich brauche meine Musik, sonst dreh ich irgendwann durch…“, versuchte er zu erklären. „Heißt das, ich bin dir nicht gut genug?“, sprach sie mit schon fast weinerlicher Stimme und Kyo rollte mit den Augen. „Du bist toll, nur ich bin leider nicht an mehr interessiert, falls du das meinst…du bist wunderschön, nur ich bin der Falsche für dich…“ Nun schlug sie mit Fäusten gegen die Brust des Sängers. „Das ist unfair…hat es sich für dich nicht magisch angefühlt? Nur wir beide in unserem eigenen Universum?“ Kyo schien zum ersten Mal aufzufallen, wie jung Kimii wirklich war. Ihre noch fast jugendlichen Züge sagten ihm, dass er ihr gerade das Herz brach. Doch er konnte nicht anders, wenn er jetzt nicht die Reißleine zog, würde es nur noch schlimmer für sie werden. „Magisch? Weißt du, was sich für mich magisch anfühlt? Wenn ich auf der Bühne stehe und meine Lieder singe. Dann bin ich in meinem Universum und ergötze mich am Jubel meiner Fans…alles andere…das mit uns hatte wenig mit Magie zu tun.“ „Du bist ein Arsch…und ich dachte ich bedeute dir was…“ Kyo musste so schnell wie möglich weg hier und entzog sich ihrem erneuten Fausthagel. Behände schlüpfte er unter ihrem Arm hindurch und öffnete die Tür. Draußen war es totenstill, schon fast beängtigend. Mit schnellen Schritten bewegte er sich in Richtung Haustür, entriegelte diese und schnappte frische Luft. Kurz schaute er sich um, weil er die Orientierung zurück zu gewinnen, dann ließ er in Richtung Haltestelle. Am nächsten Tag bei der Bandprobe würdigte ihn sein Bassist keines Blickes und als am Ende fast alle nach Hause gegangen waren, schnappte sich Kisaki den Sänger und drückte ihn voller Wut gegen die Wand. „Was hast du ihr angetan, du mieses Arschloch!“, fuhr er Kyo an, welcher sich zu befreien versuchte. „Nichts…ich hab ihr lediglich gesagt, dass ich keine Beziehung will…“, murrte der Sänger sichtlich unbeeindruckt. „Kimii hat erzählt, dass du sie gegen ihren Willen gevögelt hast…und wem sollte ich deiner Meinung nach glauben…Mhh?“ „Kisaki, jetzt entspann dich Mal…ich hab sicher nichts getan, was deine Schwester nicht auch wollte.“ „Ich glaub dir kein Wort du Perversling…du scheißt doch auf Gefühle anderer, nur deine eigenen interessieren dich! Dir ist es doch egal, wenn Kimii jetzt am Boden zerstört ist, hab ich Recht?“ Kyo nickte und biss verbittert auf seine Unterlippe. Kao, der noch immer im Büro arbeitete, schien den Tumult gehört zu haben und kam, um nach dem Rechten zu sehen. „Was ist denn hier los?“ „Ja…da muss ich dir wohl oder übel zustimmen…andere Menschen interessieren mich nicht…“ Damit wand sich Kyo aus dem Griff seines Bassisten, der nun wie vom Donner gerührt dastand und ihn verständnislos anstarrte. „Tooru…kann ich dich einen Augenblick sprechen?“ Wütend funkelte der Sänger seinen Leader an. „Nein, kannst du nicht, denn ich hab gerade kein Bock auf deine Moralpredigt Kao…und wage es ja nicht mir Shinya vorbei zu schicken“, drohte er noch und verschwand aus dem Proberaum. Die Zeit verging wie im Fluge und Kyo war gefangen zwischen seiner Liebe zu Kami, seiner Liebe zur Musik, die er schreiben wollte und der stetig steigenden Hassbeziehung zu seinem Bassisten, denn dieser ließ, seit der Sache mit Kimii, keine Gelegenheit aus, um dem Sänger wie das letzte Stück Dreck zu behandeln. Das alles wirkte immer mehr auf Kyo ein und bei den kleinen Shows, die La Sadie‘s gaben, setzte er immer mehr Kunstblut ein, damit den anderen seine echten Verletzungen verborgen blieben. Die Bühnenaoutfits der Band wurden schriller und schräger. Eine Mischung aus Horror, Glam und Rock. Es ging nicht skurril genug und die Jungs scheuten sich auch nicht an Make-up zu sparen, so dass man zwei Mal hinschauen musste, um den einen oder anderen als Mann zu erkennen. Vor allem Shinya mit seiner ohnehin schon femininen Art hätte, wenn man es nicht besser wüsste, locker als supersexy Lolita durchgehen können. Kyo liebte das Verkleiden und das Verändern seiner Identität. So dass sich die Leute vielleicht fragten, wie er denn wohl in Wirklichkeit aussah? Dieser Gedanke ließ ihn schmunzeln und allein das reichte, um ihn am Leben zu halten. Eine Woche vor Weihnachten jedoch befand sich der Sänger an einem besonders düsteren Tiefpunkt und nach den Proben wollte er sogleich wieder den Heimweg antreten, doch dieses Mal wurde er von Shinya aufgehalten. „Bitte geh noch nicht…du fehlst mir Tooru-chan.“ „Ich bin müde Shin…lass mich einfach.“ „Du willst zu ihm oder? Ich bin nicht blind und ich sehe, wie er dich verletzt…immer und immer wieder. Du machst dich kaputt.“ „Es ist mein Leben Shinya und ich kann tun und lassen was ich will.“ „Aber ich riskiere nicht, dass du dich zerstörst!“, fuhr ihn der Drummer verzweifelt an. „Das wird nicht passieren“, log Kyo, obwohl er wusste, dass seine Grenze nun fast erreicht war. Er umarmte seinen besten Freund noch und ging. Shinya schaute Kyo mit traurigem Blick nach, doch das bemerkte der Blonde schon gar nicht mehr. Natürlich war er auf dem Weg zu Kami. Denn nur dort fand er Befriedigung, wenn auch keine Liebe. An die glaubte er ohnehin nicht mehr. Warum musste er jemand anderen lieben, wenn er doch auch so bekam, was er wollte? Die Antwort auf diese Frage lag auf der Hand, doch Kyo wollte nicht darüber nachdenken, denn dann hätte er sich eingestehen müssen, dass ihn seine Beziehung zu Kami näher an den Abgrund trieb, als er wollte und dann musste er sich ebenso bewusst machen, dass es ihm nicht gut tat. Aber er brauchte den Rothaarigen so sehr. Dieser verabschiedete sich vor seiner Wohnung gerade von Juka und Kyos Herz zersprang wie schon so oft davor in tausend Teile. Erst, als Kamis Lover außer Sichtweite war, näherte er sich dem Drummer und wurde sogleich mit einem Lächeln empfangen, das er jedoch nicht erwidern konnte. „Jetzt schau mich nicht so traurig an…komm erst Mal rein“, beruhigte ihn der Rotschopf, doch Kyo hatte Mühe sich zusammen zu reißen. „Warum kannst du das nicht einfach beenden?“, fuhr er Kami dann an. „Das hab ich dir schon so oft erklärt…ich kann nicht…ich liebe euch beide…und er allein reicht mir nicht. Du bist so anders…wild und verletzlich, das macht mich irgendwie an…“ „Ich kann das nicht mehr Kami…es macht mich fertig. Ich will nicht die zweit Wahl sein…ich möchte dich nicht teilen.“ „Oh mein armer Schatz…dir bleibt keine Wahl. Du kannst neben mit genauso noch andere Partner haben, es würde mich nicht stören.“ Kyo funkelte Kami wütend an. „Ich will aber keine anderen verdammt! Ich will dich und zwar nur dich! Entweder so oder ich beende das mit uns. Weiß er von mir?“ Der Rothaarige schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht…und ich möchte auch, dass das so bleibt, sonst würde er sich sofort von mir trennen. Nur du weißt von meiner Vorliebe Kyo…bitte nimm mir das nicht…mach das zwischen uns nicht kaputt…ich liebe dich und ich brauche dich…bitte bleib bei mir“, flehte er und der Blonde schloss einen Moment die Augen. Warum nur konnte er nicht einfach gehen? Warum nur bedeuteten ihm diese beschissenen Worte, die Kami vermutlich niemals ernst meinen konnte, so viel? Der Sänger verbrachte die Nacht bei seinem Drummer. Eine Nacht, in der an Schlaf kaum zu denken war und ihm am nächsten Tag alles weh tat, doch er verspürte zumindest einen kurzen Moment sowas ähnliches wie Glück oder Freude. Am Morgen schlich sich dieses unbehagliche Gefühle wieder an und Kyo wollte so schnell wie möglich verschwinden und stieg so leise wie möglich in seine Klamotten, die auf dem Boden verstreut lagen und schlich auf Zehenspitzen aus der Wohnung, um kein Aufsehen zu erregen. Draußen erwartete ihn Mal wieder Kälte und Schneeregen und er zog die Jacke um sich enger. Durch das Schneegestöber konnte er kaum mehr als ein paar Meter sehen und so trugen ihn seine Füße nur recht langsam voran, was ihn nervte, weil ihn so allmählich die Müdigkeit überkam. Ja Schlaf benötigte Kyo dringend und schon allein der Gedanke an sein warmes kuscheliges Bett war mehr als verlockend. Doch zu seinem Unglück erwartete ihn Shinya vor seiner Wohnung und ohne Worte ließ er ihn mit in sein Heim. Die Jacke, sowie den dicken Pullover ließ Kyo an Ort und Stelle fallen. Besorgt inspizierte der Drummer die Arme seines Sängers. „Das wird nicht passieren klar, verarschen kann ich mich auch allein…Tooru, dir geht es nicht gut und erzähl mir verdammt noch Mal nichts anderes.“ „Ich bin so müde…können wir nicht schlafen gehen?“ Shinya warf seinem Sänger einen vorwurfsvollen Blick zu. „Schon klar…ich habe Angst, dass du irgendwohin gehst, wohin ich dir nicht folgen kann…ich dachte immer die Band ist dir so wichtig.“ „Die Musik hält mich am Leben Shini…ich will erfolgreich werden, mehr noch.“ „Das werden wir, versprochen…aber was in aller Welt hält dich bei Kami? Er benutzt dich…jedes Mal wieder und du zerbrichst daran, das sehe ich…wo ist der witzige, lebensfrohe Tooru…wo ist mein bester Freund?“ Kyo seufzte und zündete sich eine Zigarette an. „Tooru gibt es nicht mehr…langsam verabscheue ich diesen Namen…“ Shinya zog seinen Freund in eine Umarmung und allmählich entspannte sich dessen Körper. „Für mich wird es Tooru immer geben, ob du willst oder nicht…“ „Bitte hass mich nicht Shin-chan…“, flüsterte Kyo kaum hörbar und die Tränen drangen jetzt doch in seine Augen und benetzten seine Wangen. „Ich könnte dich niemals hassen…aber ich mach mir Sorgen…die Jungs ebenso. Du entgleitest uns immer mehr und das wollen wir nicht. Wir vermissen dich.“ „Aber ich liebe ihn so sehr…ich kann nicht aufhören ihn zu lieben, egal wie sehr er mich verletzt…“ „Mein armer Schatz…ich bin für dich da, immer.“ „Danke…kannst du noch ein bisschen bei mir bleiben?“ „Solange du willst.“ Shinya schaffte es tatsächlich seinen Sänger ein bisschen aufzupäppeln und ab und an verirrte sich sogar wieder ein kleines Lächeln auf dessen Lippen. Doch dieses Jahr schien dem La Sadie‘s Sänger trotzdem nichts vergönnt zu sein. Obwohl es mit seiner musikalischen Karriere immer noch steil bergauf ging traf für sein Privatleben das genaue Gegenteil zu. So sehr er Kami auch anbetete, seine Zeit mit ihm verbrachte und ihm die Welt zu Füßen legte, blieb er bei seinem Juka. Nun schon fast ein Jahr steckte Kyo all seine Energie in eine Beziehung, die am Ende doch recht einseitig war. Und immer, wenn er dann doch den Versuch wagte diese zu beenden, überzeugte ihn der Drummer von Malice Mizer doch wieder, dass zwischen ihnen alles schön sein könnte. Gegen seine Gefühle kam Kyo nicht an, so sehr es ihn auch zerstörte. Einen Tag vor Weihnachten. Die letzte Probe für dieses Jahr war fast beendet, doch das Grauen nahm einfach kein Ende. „Niichan…du musst nach Hause kommen“, schluchzte Hana am Telefon und den Sänger überkam ein ganz mieses Gefühl. Seine Hand sank auf den Tisch und acht Augenpaare musterten ihn. Die Probe war ohnehin zu Ende, doch jetzt hatte er Angst, denn vielleicht wollte er ja auch gar nicht wissen, was bei seiner Familie schon wieder los war. Kao legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Ist alles okay?“ Kyo zuckte mit den Schultern. „Das war meine Schwester…ich soll schnell nach Hause kommen.“ Sofort sprang der Leader auf und fummelte den Autoschlüssel aus seiner Jacke. „Na dann los, worauf wartest du noch? Ich fahr dich.“ Der Sänger blickte zu seinem Leader auf, doch der schien es tatsächlich ernst zu meinen. Der schwarze kleine Wagen parkte vor Kyos Elternhaus und mit zittrigen Beinen stieg er aus. „Soll ich warten?“ „Nein. Und danke für’s Herbringen.“ „Melde dich, wenn was ist“, gab Kao noch bittend von sich und Kyo nickte nur und hob die Hand zum Abschied. Die kleine Hana kam sofort angestürmt und drückte ihr tränenverschmiertes Gesicht an die Brust ihres großen Bruders. „Was ist los Süße?“ Doch das Mädchen schluchzte nur, sodass er kein Wort verstand. Der Krankenwagen fuhr gerade weg und eine böse Vorahnung beschlich den Sänger. Was ging hier vor und was war nur mit Hana los? Er hatte Angst ins Haus zu gehen, denn vielleicht wollte er gar nicht wissen, weshalb der Krankenwagen hier war. Hana heulte noch immer und hing ihm am Arm. Kyo nahm sie hoch und schritt zum Haus. Die Tür stand noch offen und er konnte seinen Vater und Akira im Wohnzimmer sehen. Sie hockten vor dem niedrigen Sofa, auf dem seine Mutter lag und schlief. Langsam näherte er sich. Doch das alles fühlte sich komisch und falsch an. Kyo beugte sich herab und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, doch schreckte im selben Moment zurück. Die Haut unter seinen Lippen fühlte sich eiskalt an und auch fiel ihm auf, dass sie sehr bleich wirkte. Panik stieg in dem jungen Sänger auf und er rüttelte an seiner leblosen Mutter, doch sie erwachte nicht. „Was ist mit ihr? Warum wacht Mama nicht auf?“, schrie er die anderen an und die Angst schnürte ihm bereits die Kehle zu. „Sie ist tot mein Sohn…gestern ist sie draußen gestürzt, wollte aber nicht zum Arzt und heut haben wir sie so gefunden. Die Ärzte sind vor einer halben Stunde gegangen, weil sie nichts mehr gegen die Blutung im Gehirn tun konnten.“ Kyos Füße gaben unter ihm nach und er sackte wie ein nasser Sack zu Boden. Tränen flossen wie kleine Bäche über seine Wangen und seine Fingernägel gruben sich in die Handflächen. „Warum hast du sie nicht gleich nach dem Sturz zum Arzt gebracht?“, fuhr er seinen Vater an. „Weil es ihr gut ging.“ „Verdammt, nach einem Sturz auf dem Glatteis muss man ins Krankenhaus, das weiß doch jeder! Du hast sie umgebracht“, schrie er und wollte seine Wut nicht mehr länger zügeln. „Jetzt halt mal ein Junge! Das sind heftige Unterstellungen. Das muss ich mir von dir nicht anhören!“ „Oh doch…du kümmerst dich doch sonst auch um jeden Scheiß…“ Die flache Hand seines Vaters sauste mit einem lauten klatschenden Geräusch auf Kyos Wange. „Verschwinde aus meinem Haus und wage es ja nicht hier noch Mal aufzukreuzen.“ „Ich gehe erst nach der Beerdigung und wiederkommen werde ich auch ohne deine Drohung nie wieder.“ Die Trauerfeier riss ein weiteres Loch in Kyos Leben und er wusste nicht im Geringsten, wie er diesen Schaden jemals beheben sollte. Noch nie hatte er einen geliebten Menschen verloren und an diesem Tag starb auch ein Teil von dem jungen Sänger. Der Teil, der vielleicht noch gewillt war seine Familie zusammen zu halten, doch jetzt? Und würden sich Hana und Akira auf seine Seite stellen? Kyo stützte seine Ellenbogen auf der Küchentheke ab und vergrub sein Gesicht in den Händen. Die vielen Menschen um ihn herum sprachen ihm ihr Beileid aus, doch die Hälfte dieser Leute kannte er nicht einmal mit Namen. Den ganzen Tag hatte er nichts essen können, weil ihm schon bei dem Gedanken speiübel wurde und sich alles in seinem Magen umdrehte. Dieser Tag zog sich so endlos hin und der Blonde wünschte sich mehr denn je an einen anderen Ort. Er wünschte sich den Tag zurück, an dem sich der Unfall zugetragen hatte, denn da hätte er seine geliebte Mutter noch retten können. Er vernahm die Stimme seines Vaters im Wohnzimmer, die die zahlreichen Gäste milde stimmte und sich mit ihnen unterhielt. Was für ein Heuchler. Kyo biss sich heftig auf seine Unterlippe, sodass er Blut schmeckte. Er versuchte Shinya erneut auf dem Handy zu erreichen, doch sein liebster Freund ging nicht ran. Betrübt steckte er das Telefon wieder in die Tasche und beschloss eine Zigarette zu rauchen, wozu er sich hinters Haus in den Garten begab. Die Kälte kroch durch die dünnen Klamotten und ließ ihn bibbern. Sein Hemd flatterte im Wind und Regen peitschte ihm ins Gesicht. „So macht das doch alles keinen Spaß“, grummelte er und verschwand wieder ins Warme. „Wo warst du? Kümmer dich gefälligst auch um die Gäste und steh hier nicht so nutzlos in der Gegend herum“, fuhr ihn sein Vater an, doch Kyo tat nicht dergleichen, sondern griff nach der Sakeflasche und schenkte sich etwas davon ins Glas. Daraufhin erntete er einen bitterbösen Blick seitens seines Erzeugers. „Ich finde du kümmerst dich ganz prima um unsere Gäste“, entgegnete er und prostete dem Mann vor ihm zu. Dann leerte er sein Glas und schenkte sich erneut ein. Die Idee sich zu betrinken hätte ihm auch eher kommen können. Völlig ausgelaugt ließ er sich im Wintergarten nieder und beschaute die Wand mit den Familienfotos aus glücklicheren Tagen. Auf einmal fühlte sich Kyo so unendlich allein und auch der Gedanke an Kami oder seine Freunde halfen nicht, um dieses elende Gefühl zu vertreiben. Eines der Bilder zeigte seine Mutter mit ihm und seinen Geschwistern im Disneyland in Tokio. Wie hatte er sich auf diesen Tag gefreut. Das war zwei Monate nach seinem fünfzehnten Geburtstag gewesen. Und in dem Jahr, in dem Kyo für sich beschlossen hatte nicht mehr zur Schule zu gehen, sondern sein Leben der Musik zu verschreiben. Natürlich hat er mit dem Verkünden dieses Entschlusses eine mittelgroße Katastrophe heraufbeschworen. Doch seine liebe Mama glaubte stets an sein Talent und versuchte ihm mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und jetzt war sie einfach weg. Nicht mehr da. Wieder sank der junge Sänger in sich zusammen und vergoss Tränen der Trauer. Als sein Telefon klingelte, drückte er seinen Drummer weg, denn er wollte allein sein. Einerseits quälte ihn diese Einsamkeit bitterlich, doch mit jemanden reden, selbst wenn es sich bei diesem jemand um seinen besten Freund Shinya handelte, konnte er gerade nicht. Als sein Handy ein weiteres Mal klingelte, schaltete er es aus. Gegen acht Uhr Abends verließen die letzten Gäste das Haus der Familie Nishimura. Kyo schlich ins Zimmer von Hana, die er dort noch angezogen und schlafend auf ihrem Bett vorfand. Vorsichtig zog er seiner jüngeren Schwester die Klamotten aus, wovon sie erwachte. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken Kleine.“ Hana schmiegte sich an Kyos Brust und weinte bitterlich. Er legte sich mit ihr zusammen hin und strich ihr sanft über den Kopf. Dann sang er seiner Schwester das Schlaflied vor, was auch ihre Mutter früher immer für ihre Kinder gesungen hatte. Hanas Atem beruhigte sich und wurde regelmäßig. Er strich ihr noch eine letzte Strähne aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss. „Gute Nacht kleine Prinzessin“, flüsterte Kyo noch und ließ die Tür des Zimmers einen Spalt breit offen. Von unten drangen Stimmen nach oben. Akira sprach mit ihrem Vater. Kyo hielt inne. „Wenigstens diese eine Nacht“, kam es von seinem Bruder. „Ich will ihn nicht länger hier haben und damit Basta. Jetzt fang du nicht auch noch an dich mir zu widersetzen.“ Das war Kyos Zeichen. Er packte seine Sachen zusammen und schnappte die Jacke vom Garderobenhaken. Akira hielt ihn fest. „Bitte geh nicht“, bat er seinen älteren Bruder und der Hundeblick des jüngeren ließ ihn beinahe weich werden. Doch dann schüttelte Kyo mit dem Kopf. „Ich kann nicht…pass auf dich auf Aki-chan“, verabschiedete er sich schweren Herzens und trat hinaus in die Nacht. Schon nach wenigen Metern kroch ihm die Kälte wieder in die Glieder und er musste dringend nach Hause. Kyo eilte durch den Regen und realisierte kaum, was um ihn herum geschah. Die grellen Lichter der Stadt brannten in seinen Augen und mittlerweile war er bis auf die Haut durchnässt. Seine Schritte beschleunigten sich und er erhaschte gerade noch so die letzte Bahn. Tropfend und triefend zwängte er sich zwischen die Menschen und war zugleich auch angewidert so dicht gedrängt in einem Raum mit diesen Personen gepfercht zu sein, die er nicht kannte. Zum Glück musste er nur zwei Stationen fahren. Schon fast taub vor Kälte und Schmerz stolperte Kyo in seine Wohnung. Überall lagen Zettel verteilt, auf denen er beinahe ausgerutscht wäre. Seine zittrigen Hände suchten nach dem Lichtschalter, den er auch schnell fand. Unter ihm bildete sich eine kleine Pfütze, denn seine nassen Kleider tropften auf den Parkettboden. Er stützte sich an der Wand ab und löste seine Füße aus den Stiefeln und schmiss diese in die nächste Ecke im Flur. Es roch noch immer nach kaltem Rauch und der verbrannten Pizza, die er vorgestern im Ofen vergessen hatte. Kyo rümpfte die Nase. Erst jetzt wurde ihm wieder bewusst, dass er zitterte. Deshalb steuerte er auf die Tür rechts von sich zu, hinter der sich das kleine Badezimmer befand. Dort riss er sich die nassen Kleider vom Leib und stellte sogleich eine Waschmaschine an. Die Heizung schien Mal wieder ausgestiegen zu sein, denn als er den Heizkörper anfasste, schreckte er zurück, da ihm Kälte entgegen strahlte. Also zurück ins Wohnzimmer, dort gab es genügend warme Decken. Doch nun, da er wieder allein in seinen eigenen vier Wänden war, umfing ihn die Einsamkeit wie ein unsichtbares Netz, aus dem es kein Entkommen gab. Der Schmerz fraß sich einen Weg durch seinen Körper, hinterließ kleine und große Löcher in seinem Inneren. Haltsuchend krallten sich seine Fingernägel in der Brust fest, bis seine helle Haut aufplatzte und sich das Blut einen Weg nach draußen bahnte. Immer wieder kratzte er über die verletzte Stelle, bis seine Hände sich rot färbten. Der pochende Schmerz seiner Verletzung setzte ein. Vor Erschöpfung blieb er auf dem Teppich liegen und strich sich über seinen Oberkörper. Er versuchte seine Augen zu schließen, doch suchten ihn die Bilder der letzten beiden Tage wieder heim. Selbst wenn er gewollt hätte, an Schlaf war jetzt nicht zu denken. Auf Knien kroch er zum Sofa und griff mit zittrigen Händen nach seinem Handy, um die Nummer zu wählen, die er mittleerweile in und auswendig kannte. Doch als hätte er nicht schon genüg Enttäuschungen erlitten, versetzte ihn Kami, weil er bei Juka sein wollte und angeblich unter Kopfschmerzen litt. Kyo boxte wütend gegen die Sofalehne und fiel wieder in sich zusammen. Seine blutgetränkten Hände hinterließen rote Spuren auf den weißen Blättern mit den düsteren Songs. Wie ein Embryo, zusammengekauert lag er auf dem Fußboden und heulte. Ließ alle angestauten Gefühle der letzten Tage raus. Jemand platzte in seine Wohnung, doch das war ihm reichlich egal. Alles war egal. Er wurde auf’s Sofa gehievt und seine Nacktheit wurde mit einer Decke verborgen. Tranceartig nahm er wahr was um ihn herum geschah. Und als er die letzten Tränen wegblinzelte wurden die Umrisse klarer. Shinya. Wer sonst. Er verarztete Kyos Wunden und der sorgenvolle Blick des Freundes nagte an seinem schlechten Gewissen. „Oh Tooru-chan…was tust du bloß“ Der Sänger brachte kein Wort über seine Lippen und klammerte sich nun an seinen Drummer. „Du solltest schlafen gehen, ich bring dich ins Bett.“ Ohne, dass er die unausgesprochene Frage stellte, legte sich Shinya zu ihm und hielt ihn fest in seinen Armen. Behutsam tätschelte er den Kopf seines Sängers und so fielen beide in einen traumlosen Schlaf. einen traumlosen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)