Von Kaufhaussantas, Schneestürmen und Jimmi Hendrix von Keinseier ================================================================================ Kapitel 1: Von Kaufhaussantas, Schneestürmen und Jimmi Hendrix -------------------------------------------------------------- Hektisch warf Jared seine Sache in die Reisetasche. Den Überblick über das was er bereits eingepackt hatte und das was noch fehlte, hatte er längst verloren. Draußen vor dem Fenster der schäbigen Wohnung in einem eher unschönen Teil von Brooklyn, tanzten unermüdlich Schneeflocken vorbei. Pünktlich zu Weihnachten versank New York unter einer weißen Schneedecke. Was aus dem warmen Haus raus betrachtet einfach nur schön aussah, bereitete dem Verkehr und den hier lebenden Menschen zunehmend Probleme. Besserung war nicht in Sicht. Im Gegenteil, ein Blizzard war im Anflug und drohte ganz New York für die nächsten Tage lahm zu legen. Jared hatte geplant über die Feiertage zurück nach Hause an die Westküste zu fliegen und seiner Mutter in Portland einen Besuch abzustatten. Eigentlich sollte sein Flug erst morgen gehen, doch Aufgrund des zunehmend schlechter werdenden Wetters, wurden für morgen bereits alle Flüge gestrichen. Wann die nächsten gingen, konnte bisher niemand sagen. Doch mit ein bisschen Glück, hatte Jared für heute noch ein Ticket ergattern können. Sämtliche Pläne über den Haufen werfend, beeilte er sich seine Sachen zu packen, um sich draußen im Schnee zum Flughafen durch zu kämpfen. Wer wusste schon, wie lange die Taxen durch die verschneiten Straßen brauchen würden und ob überhaupt eines zu kriegen war. "Wo ist denn..." Noch während Jared im Schrank wühlte, meldete sich sein Handy mit einem eingehenden Anruf zu Wort. Er zog es aus der Tasche und warf einen Blick auf das Display. Die Nummer kannte er nicht. Kurz überlegte Jared den Anrufer einfach weg zu drücken, immerhin hatte er gerade wirklich keine Zeit, ging dann aber doch ran. "Scott?" "Jared?" Angesprochener runzelte die Stirn, die Stimme kannte er doch... "Liam?", fragte er irritiert. Sein bester Freund gluckste am anderen Ende der Leitung und Jared rollte mit den Augen. "Bist du betrunken?" Der Brünette warf einen Blick auf die Uhr. Es war gerade einmal halb vier Nachmittags. Dennoch wunderte ihn der Zustand seines Freundes weniger, als es vielleicht sollte. "Nein", kam es versucht seriös von der anderen Seite und Jared wusste sofort, dass Liam versuchte ihm wenig erfolgreich etwas vor zu machen. "Man, ich habs eilig. Mein Flug geht heute. Was ist das eigentlich für eine Nummer?" Der Brünette ahnte bereits Übles. Er konnte nicht sagen was genau, doch irgendetwas war ganz sicher im Busch. Schnell klemmte er sich das Handy zwischen Schulter und Ohr, um nebenbei im Schrank weiter nach dem dicken Pullover zu suchen. Oder hatte er den schon eingepackt? "Du fliegst heute?" "Ja, Mann. Hab ich dir doch erzählt." "Oh.." "Was willst du, verdammt?" "Ich... brauch deine Hilfe." Jared seufzte schwer. "Dein Ernst? Ich hab doch gerade gesagt.." "Ich sitz im Knast und du musst mich raus holen! Du bist mein einer Anruf. Komm schon, Mann." Warte, was? Ganz schlechtes Timing... da rutschte Jared glatt das Handy von der Schulter, so dass es polternd auf dem Boden aufschlug. "Jared?" hallte Liams leicht verzweifelte und angetrunkene Stimme aus den Lautsprechern. "Bist du noch dran?" Schnell hob er es wieder auf. "Das ist jetzt ein Scherz, oder?" Jared war ehrlich entsetzt. "Was hast du... nein, sag mir einfach wo genau du bist. Jesus..." Genervt strich er sich durch die Haare und eilte dann in die Küche, um sich Zettel und Stift zu schnappen und sich zumindest die Reviernummer zu notieren. Natürlich wusste Liam die Adresse nicht. Natürlich...   Was Liam nicht wusste, wusste zumindest Google und so hatte er die Adresse schnell raus bekommen. Das Revier auf welchem sein Freund festgesetzt wurde, war natürlich nicht in Brooklyn, sondern in Manhattan. Immerhin war es nicht all zu weit nördlich angesiedelt. Jared nahm die U-Bahn, die vor Menschen nur so überquellte. Es war der 20. Dezember und auf den Straßen herrschte reges Treiben. Die letzten Weihnachtseinkäufe wollten erledigt werden und die Stadt war voll mit Touristen wie sonst nie. So sehr Jared die Großstadt und das pulsierende Leben auch liebte, gerade gingen ihm die Menschenmassen, die sich durch die unterirdischen Gänge drängten, ziemlich auf die Nerven. Er hatte es eilig, verdammt! Endlich an der frischen Luft, atmete er tief durch. Der leichte Abgasgeruch störte ihn dabei weniger. Die Straßen waren bunt geschmückt und auch die Straßenlaternen und Geschäfte wurden zusätzlich von Lichterketten dekoriert. Die Dämmerung setzte langsam ein. In gut einer Stunde würde es bereits dunkel sein. Mit eiligen Schritten bahnte der Basketballspieler sich seinen Weg zwischen den anderen Passanten hindurch, bis er endlich vor dem Polizeirevier stand. Eilig lief er die verschneiten Treppen hinauf und drückte die große Glastür auf. Eine wohlige Wärme schlug ihm entgegen, die den Schnee in seinem braunen Haar sofort zum schmelzen brachte. Und mit dieser auch ein muffiger Geruch von abgestandener Luft und Menschen. Sich die Hände reibend, trat er an den Empfangstresen heran. Die Dame hinter diesem hing noch am Telefon und so ließ Jared den Blick über das Revier schweifen. Auch auf der Wache war es voll. Auf dem Empfangstresen stand ein kleiner Plastikweihnachtsbaum und ein kitschiger Weihnachtsmann. Aus dem im Hintergrund laufenden Radio dudelte Weihnachtsmusik und noch während er auf die Aufmerksamkeit der Empfangsdame wartete, wurde ein betrunkener Santa mit Handschellen an ihm vorbei geführt. Merry Christmas Ungeduldig tippelte Jared mit einem Fuß auf der Stelle und klopfte leicht mit der flachen Hand auf den Holztresen. Den Blick starr auf die Empfangsdame gerichtet. Jared schätzte sie auf mindestens Mitte 50, oder doch Anfang 60? Ihr Gesicht war rundlich und von der ein oder anderen Falte durchzogen. Auf dem Kopf waren mehr graue als schwarze Haare zu erkennen. Alles in allem machte sie einen eher grimmigen Eindruck, während sie seinen Blick hielt, genervt die Augen rollte und dann endlich auflegte. "Ja, was kann ich für Sie tun?", krächzte sie und richtete dabei ihre Brille. "Hi. Ich suche Liam Coulson. Er sagt er wurde verhaftet und ist hier.." "Aha...", brummte sie und gab im Schneckentempo Liams Nachnamen in ihren Computer ein. "C-o-u-l... san?" "Coulson", korrigierte Jared ungeduldig. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Die Frau schnaubte kurz auf, schien den Fall dann aber gefunden zu haben. "Ja, der ist hier." Soweit so gut.. oder auch nicht. Doch immerhin war er schon mal an der richtigen Adresse. Da sie nicht vorzuhaben schien noch etwas zu sagen, ergriff Jared erneut das Wort: "Kann ich zu ihm? Gibt es eine Kaution? Und.. wie hoch wäre die?" Den letzten Satz murmelte er eher leise vor sich hin. Es musste einfach eine Kaution geben. Liam würde doch wohl Niemanden umgebracht oder eine Bank ausgeraubt haben? Nun... sein bester Freund war immer für eine schlechte Überraschung gut, was augenblicklich die Nervosität in Jared steigen lies. "Oder... sollte ich besser seinen Anwalt anrufen?", schob er zögerlich hinterher. Das Gesicht der Frau zeigte keine Regung, was ihn zunehmend verunsicherte. Kniff sie gerade die Augen zusammen, um die Akte auf dem Computer besser lesen zu können? "Körperverletzung und Sachbeschädigung... für 8.000,-$ können Sie ihn bis zur Anhörung wieder mit nehmen." Sie schielte über ihre Brillengläser hinweg und fixierte Jared starr mit ihrem Blick, welcher gerade um einige Nuancen bleicher wurde. "Fuck...", zischte er leise und strich sich durch die Haare. Er war Student und das nicht unbedingt aus gutem Hause. So viel Kohle hatte er nicht. Wenn er das Basketballstipendium nicht bekommen hätte, dann wäre er gar nicht hier, sondern wahrscheinlich in irgendeinem ätzenden Handlangerjob gefangen, für den man keine höhere Schulbildung benötigte. "Kann ich mit ihm reden? Ich bräuchte da wohl seine Kreditkarte..." Letzteres murmelte er lediglich in seinen Dreitagebart. So sehr er Liam gerade für seine nächste Eskapade verfluchte, so konnte er ihn wohl kaum einfach über die Feiertage mit Drunken-Santa in einer Zelle versauern lassen. Zu seiner Erleichterung winkte die grimmige Empfangsdame den nächstbesten Deputy herbei. "Harold... der Typ hier will zu Coulsan." "Coulson...", murmelte Jared, doch sie ignorierte ihn. Immerhin der Deputy schien etwas hilfsbereiter und deutete Jared an ihm zu folgen. Vorbei an den Schreibtischen der Cops, landeten sie hinter den Büros an der Zelle, wo die eingefangenen Kleinkriminellen auf Zeit eingesperrt wurden. "Jared!", wurde er sogleich von seinem besten Freund begrüßt, der vorne am Gitter hing. Die Unterarme steckte er durch die Stäbe und stützte sich mit diesen auf der Querstange auf. "Du kommst um mich zu retten", jauchzte er deutlich angetrunken und Jared hätte ihm am liebsten eine verpasst. Stattdessen strich er sich schwer seufzend mit der flachen Hand übers Gesicht. "Was hast du nur angestellt? Die wollen 8000,-$ von mir. Wo ist deine Kreditkarte? So viel Kohle hab ich nicht, das weißt du." Liam zog einen Schmollmund und drückte sein Gesicht gegen die Stangen. "Ich bin unschuldig... ich hab nichts gemacht..." Der leichte Nuschelton und die Fahne die von ihm ausging, waren fast mitleiderregend. Doch wäre er wohl kaum hier drin, wenn dem so wäre. Ein wenig verzweifelt, sah Jared sich nach dem Deputy um, der noch immer Spalier stand. "Guck ihn nicht so an... hallooo", Liam schnipste mit den Fingern, um Jareds Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen. "Nagut.. aber isch hab nicht angefangen!", beteuerte er schnell. "Körperverletzung und Sachbeschädigung.. ernsthaft, was ist passiert?" Liam druckste herum, gluckste auf, als wenn das alles ein Spiel wäre und begann dann doch endlich zu erzählen. "Da war Santa... der hat mich provoziert.." "Er hat gearbeitet und sich in der Mall mit Kindern fotografieren lassen", warf Deputy Harold ein. "Schhhh... schhhh.. bin noch nicht fertich.. Also.. der hat den Kindern ... n Scheiß erzählt.. das sie Geschenke kriegen wenn sie artig sind und so`n Scheiß... Familie, blabla... Lünger", brummte Liam vor sich hin und Jared ahnte schon wo das drauf hinaus laufen würde. "Will ich den Rest hören?", fragte er resignierend und sah kurz abschätzig zu dem Deputy, der immer wieder den Kopf schüttelte. "Und dann hat er mich plötzlich angegriffn... Als ich gesagt hab er solls lassen..." "Ihr Freund hier ist betrunken auf Santa los gegangen", warf der Deputy wieder ein und Liam wedelte wild mit dem Finger. "Stimmt nich.." "Und dann sind sie sich prügelnd in den danebenstehenden Schmuckstand gekracht und die Vitrinen sind zu Bruch gegangen." "Er lügt...", gluckste Liam versucht seriös, doch scheiterte er auf ganzer Linie. "Okay... okay, mir egal.. ich habs echt eilig, Mann. Gib mir einfach deine Kreditkarte. Ich hol die Kohle, hol dich hier raus und erwische dann hoffentlich noch meinen Flug. Na mach schon." Auffordernd wedelte Jared mit der Hand und Liam starrte zurück. "Die is gesperrt..." Jared entgleisten für einen kurzen Moment die Gesichtszüge. "Ernsthaft? Immer noch? Ich dachte ihr habt euch wieder versöhnt?" Das Liams Dad ihm die Kreditkarten in folge seines Univerweises gesperrt hatte, wusste er natürlich. Schließlich war er erst danach zu ihm nach New York gezogen. Doch hatte er nicht erwartet, dass sein alter Herr das ganze so konsequent durch ziehen würde. Scheiße gebaut hatte Liam immerhin schon seit der frühen Jugendzeit. Das war nichts Neues. "Würden wir uns sonst noch eine Wohnung mit den Ratten teilen?" Liam machte eine ausladende Handbewegung und hatte dabei definitiv einen Punkt. Doch half ihnen das im Moment absolut nicht weiter. "Fuck... ich hab nicht so viel Geld, das weißt du... vielleicht solltest du deinen Dad..." "Auf gar keinen Fall!", fiel Liam ihm ins Wort und krallte sich an die Gitterstangen, so dass seine Fingerknöchel bereits weiß hervor traten. "Du musst dir was einfallen lassen, Mann. Irgendwas.. grab einen Tunnel, reiß die Wand ein... irgendwas!" Liams Stimme klang ein wenig verzweifelt und sein Blick wanderte zum noch anwesenden Deputy. "Das haben Sie jetzt nicht gehört!" "Niemand... niemand reißt hier eine Wand ein!", meldete Jared sich schnell beschwichtigend zu Wort. "Ich... überleg mir was. Bleib einfach... okay du kannst eh nicht weg." Ein kurzes, schadenfrohes Grinsen huschte über Jareds Gesicht. "Sehr witzig... Lass mich ja nicht hängen." Jared schüttelte den Kopf. Würde er nicht, allein weil er wusste, dass Liam ihn auch nie hängen lassen würde. Auch wenn sein bester Freund sich den denkbar schlechtesten Tag für so eine Aktion ausgesucht hatte.   Wenige Minuten später befand Jared sich auf dem Rückweg zu Ihrer Wohnung. Eine Bank ausrauben kam nicht in Frage und eine Kreditkarte, die er hoffnungslos überziehen konnte, hatte er ebenfalls nicht. Doch vielleicht... vielleicht hatte er da eine Idee. Gute 30 Minuten später schlug ihm die stickige Wärme aus dem Inneren ihrer Bruchbude entgegen. Er selbst besaß nichts von großem Wert, doch sah es bei seinem Freund da schon anders aus. Schnurstracks steuerte er Liams Zimmer an und begann sich um zu sehen. Teure Markenklamotten gab es sicherlich einige, doch würde er da nicht mal eben 8000 Dollar draus machen können. Den Porsche hatte er nicht mehr, aber... Vielleicht lag irgendwo ein versteckter Goldbarren? Oberflächlich begann er in die Schubladen zu schauen. Alles was er fand war nicht zu gebrauchen, um mal eben 8000 $ zu machen. Und irgendwas roch hier muffig. Jared wollte gar nicht wissen, was das nun genau war. Stattdessen fiel sein Blick auf die an der Wand hängenden Gitarren. Nicht das einer von Ihnen spielen konnte. Sie tobten lediglich gelegentlich betrunken mit den Musikinstrumenten durch die Wohnung. Andere spielten Luftgitarre, sie... nun gut. Fakt war, dass die Instrumente an Liams Wand keinen großen Nutzen hatten und höchstens als Deko fungierten. In Jareds Augen waren sie also entbehrlich. Und das die eine von einem Jimmy Hendrix unterschrieben und angeblich auch gespielt worden war, wie Liam immer mal wieder betonte, würde ihrem Wert sicherlich nicht schaden. Auch wenn sie echt alt und aus dem letzten Jahrhundert war. Wer brauchte so etwas? Vorsichtig nahm Jared die Gitarre von der Wand und strich einmal über ihren Hals. Ja, sie war der einzige Gegenstand, der vielleicht noch etwas Geld einbrachte. Und wenn Liam die Feiertage nicht mit Drunken-Santa hinter Gitter verbringen wollte, dann sollte er sich verdammt noch mal nicht beschweren, wenn nachher eine Gitarre weniger an der Wand hing. Zufrieden mit sich und seiner Idee, googlte Jared das nächstgelegene Pfandanleihenhaus und machte sich, mitsamt seiner mehr oder weniger vollständigen Reisetasche auf den Weg.   Der Schneefall und der eisige Wind wurden immer stärker. Eigentlich müsste er so langsam mal im Taxi Richtung Airport sitzen. Denn auch auf den Straßen brauchte man deutlich länger, als gewöhnlich. Nicht mehr lange und das gesamte, öffentliche Leben würde zum Stillstand kommen. Jared stapfte durch den tiefen Schnee. Die Räumungsdienste kamen allmählich nicht mehr hinterher. Zum Glück war das nächste Pfandanleihenhaus nur ein paar Blocks entfernt. Völlig durchgefroren betrat Jared den kleinen, schäbigen Laden mit den vermeintlichen Schätzen. Hinter dem Tresen saß ein alter, dürrer Mann auf seinem Hocker und steckte die Nase in die Tageszeitung. Auf der Titelseite wurde der aufziehende Sturm mit einem verschneiten Bild angekündigt. In der Auslage des Glastresens lagen alte Uhren, verschnörkelte Schmuckstücke die so aussahen, als hätte man sie vom nächsten Filmset eines Mittelalterstreifens geklaut und jede Menge Gedöns. Auch an der Wand hinter dem Mann und in dem kleinen Verkaufsraum hingen unzählige Kleidungsstücke, Taschen, Golfschläger und Bilderrahmen. Alles in allem verbreitete der schlecht beleuchtete Laden eine eher beklemmende Atmosphäre. Einzig die bunte Lichterkette im Schaufenster, die sicherlich nur aufgrund der Weihnachtszeit dort angebracht war, sorgten für etwas Farbe. Jared legte die Gitarre auf den Tresen und räusperte sich. Langsam nahm der Mann die Zeitung hinunter und musterte ihn mit skeptischen Blick. Er trug eine Brille und das beinah weiße Haar war nur noch spärlich auf dem Kopf des Mannes vorhanden. Er legte die Stirn in Falten, sah einmal auf die Gitarre und dann zurück zu Jared. "Was kann ich für Sie tun?" "Ich will diese Gitarre hier verkaufen. Was krieg ich dafür?" Der Mann rutschte von seinem Barhocker und war plötzlich gute 40 Zentimeter kleiner. Er griff nach dem Musikinstrument und begann es ausgiebig zu mustern. Dabei richtete er mehrmals seine Brille und setzte eine ernste Miene auf. "Eine Fender Stratocaster... unterschrieben von Jimmy Hendrix... sehr schön. Wo haben Sie die her?" Neugierig sah er zu Jared auf. "Ist das wichtig? Ich brauch Geld und habs eilig. Also wie viel?" Ein Blick auf die Uhr verriet ihm zwar bereits, das es kaum noch zu schaffen war, rechtzeitig am John F Kennedy Airport auf zu schlagen, aber die Hoffnung starb bekanntermaßen zuletzt. Der Pfandleiher wiegte den Kopf in einer Seelenruhe hin und her, musterte Jared noch einmal kritisch, welcher immer ungeduldiger wurde und unterbreitete dann endlich sein Angebot. "Ich geb dir 5500$ dafür." "Bitte was?!", brach es schockiert aus dem Sportler hervor. Das war nicht einmal ansatzweise genug, um Liam aus dem Gefängnis frei zu kaufen. Der Alte wollte ihn ganz sicher übers Ohr hauen. "Nein nein... haben Sie da etwa eine Null vergessen? Das ist nicht irgendeine Gitarre... die ist von Jimmy Hendrix unterschrieben. Ich hab gegoogelt, der ist tot. Der unterschreibt so schnell keine Gitarre mehr. Also bitte, versuchen Sie mich nicht zu verarschen!" Ganz offenbar hatte der Mann nicht mit so vielen Widerworten gerechnet zu haben und zog die leicht faltige Stirn kraus. "Na schön, Sie haben Recht. Sie ist mehr Wert. Aber keine 55.000$. Ich mache Ihnen ein wirklich gutes Angebot: 12.000$" Jared zögerte kurz. Das klang fair, oder? Es wäre in jedem Fall genug, um Liam noch schnell aus der Zelle zu befreien. Doch hatte ihn der Ehrgeiz gepackt. Er hatte keine Ahnung was die Gitarre wirklich Wert war. Er wusste ja nicht mal so recht wer Jimmy Hendrix überhaupt gewesen war. Musik und Musiker interessierten ihn schlicht und ergreifend nicht genug. Wenn es sich jetzt um ausgelatschte Schuhe von LeBron oder einen handsignierten Ball von Michael Jordan gehandelt hätte, wäre er besser vorbereitet gewesen. Davon mal ab, das er diese Dinge sehr sehr ungern zum Pfandleiher geschleppt hätte. Doch wenn der Mann sich so schnell hoch handeln ließ, ging da sicher noch was. "25.000$", entgegnete er ihm daher mit fester Stimme. "13.000$" "22.000$" "15.000$, das ist ein wirklich guter Deal." Dir Frage war für wen. "Auf keinen Fall. 20.000$, mindestens!" Der Mann seufzte schwer, wischte sich über die Stirn und ging dann in Abwehrhaltung. "17.000$ das ist mein wirklich letztes Angebot. Take it or leave it, Junge." Um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, schob er Jared die Gitarre wieder ein Stück auf dem Glastresen entgegen. 17.000$ statt 5.500$ klang in Jareds Ohren ziemlich gut. Da hatten sie noch genug über, falls Liam wieder von der Straße gefangen wurde. Oder um einen Kammerjäger zu beauftragen und ihr Rattenproblem zu bekämpfen. Er streckte die Hand aus und der Pfandleiher schlug mit ihm ein. "Deal." Der Mann begann zu grinsen. "Deal. Warten Sie kurz hier, ich muss an den Safe." Jared sah dem Mann nach, wie er zurück in ein Hinterzimmer schlurfte. Besonders gut war er nicht mehr zu Fuß. Beinahe bekam er ein schlechtes Gewissen, dass er den Preis so hoch gezogen hatte. Doch würde er die Summe sicher nicht zahlen, wenn sie es nicht wert wäre. Kurz darauf kam er mit einigen Packen Bargeld zurück in den An-und Verkaufsraum zurück und schob Jared diese über den Tresen zu. So viel Bargeld hatte er noch nie besessen. Nein falsch - so viel Geld war auch noch nie auf seinem Konto gewesen, oder auf dem seiner Mutter. Jared versuchte den für ihn magischen Moment zu überspielen und begann nach zu zählen und vereinzelte Scheine gegen das Licht zu halten. Nicht das man ihm hier noch Falschgeld unterschob, mit dem er dann versuchte eine Kaution bei der Polizei zu bezahlen. Dann saß er wohl gleich mit Liam zusammen ein. "Das hat alles seine Richtigkeit", versicherte ihm der Pfandleiher noch einmal. "1000$ pro Packen." Jared wollte ihm gerne glauben, zähle aber trotzdem zu Ende.   Zurück auf der Polizeiwache, rieb Jared seine frostigen Hände aneinander. Der Wind wurde immer stärker und eisiger und auch der Schnee wollte einfach nicht aufhören zu fallen. Die Dame von vorhin, saß noch immer am Empfang, schien ihn sogar wieder zu erkennen. Erwartungsvoll sah sie ihn an. "Ich will die Kaution für Liam Coulson bezahlen. 8000$, richtig?" Jared zog das abgezählte Geld aus seiner Mantelinnentasche und klatschte es auf den Tresen. Verdammt, das fühlte sich besser an, als es sollte. "Haben Sie eine Bank ausgeraubt?", krächzte die Frau, als sie die Geldbündel annahm und skeptisch beäugte. "Hab' nur ein bisschen unnützen Kram verkauft." Er zuckte mit den Schultern und beobachtete die Frau dabei, wie sie sich langsam vom Stuhl erhob und mit den Geldscheinen ins Hinterzimmer verschwand. Und dann ließ sie ihn erst einmal Warten. Nach ein paar Minuten wurde Jared zunehmen ungeduldiger. Ein Blick verriet ihm, dass er eigentlich längst am Flughafen sein müsste. Er presste die Lippen aufeinander. Wenn er sich die draußen herrschenden Straßenverhältnisse ins Gedächtnis rief, konnte er seinem Flieger bestenfalls noch beim Abheben zusehen. Jared seufzte leise und fand sich mit dem Gedanken ab dieses Weihnachten in New York fest zu hängen. Danke Liam! "Heeeeeyyy", ertönte es nach einer Weile hinter ihm überschwänglich und im nächsten Moment hatte er schon den noch immer nicht ganz ausgenüchterten Liam am Hals hängen. "Du hast mich gerettet!" Jared klopfte ihm zwei mal freundschaftlich auf den Rücken und löste sich dann wieder von seinem Kumpel. "Ja ja, schon gut.." Ein Deputy kam hinterher und übergab Liam seine persönlichen Sachen wie Handy und Portmonee, die sie zuvor eingesackt hatten. Nachdem auch die Papiere unterschrieben waren, durften sie gehen. Kaum das sie zur Tür raus waren, schlug ihnen der eisige Wind entgegen. Jared zog den Reißverschluss höher und vergrub die Hände in den Taschen. "Wozu die Reisetasche?", wollte Liam nach kurzem Schweigen wissen. "Ich wollte nach Hause fliegen, schon vergessen?" "Oh... Oh!!! Verdammt!" Liam eilte die Treppen hinunter und machte schlitternd an der Straße halt. "Taxi!" Doch die Straße war wie leer gefegt. Jared schloss halb joggend, halb rutschend zu ihm auf. "Gib dir keine Mühe, ich schaff es eh nicht mehr." Liam sah ihn schuldbewusst an. "Echt jetzt? Oh verdammte scheiße... sorry, das tut mir echt Leid, Mann!" Jared zuckte grinsend mit den Schultern. "Was solls - immerhin ist meine Mum nicht alleine, sie hat jetzt ja Ed..." Der Brünette verzog das Gesicht, konnte er den neuen Freund seiner Mutter nicht wirklich leiden. "Heißt dann wohl Weihnachten zu zweit in New York." Er klopfte Liam kumpelhaft auf die Schulter und setzte sich dann in Bewegung. "Und ein bisschen Kohle hab ich auch noch über, könnte ganz witzig werden." Auch Liam begann zu grinsen. "Wo hast du das Geld eigentlich her? Oh! Du hast eine Bank ausgeraubt? Für mich?" Jared lachte leise auf. "Natürlich nicht. Hab was von deinem Krempel verkauft." Abrupt blieb Liam stehen und wurde mit mal etwas bleicher im Gesicht. "Was... genau hast du verkauft?" Den alarmierten Unterton in seiner Stimme ignorierend, redete Jared unbedarft weiter: "Die eine Gitarre. Viel Wertvolles gibt es in unserer Bruchbude wohl nicht." Liam wurde unterdessen immer bleicher. "Welche Gitarre?" Der entsetzte Unterton in seiner Stimme, ließ nun auch Jared etwas unsicher werden. "Die... Bekritzelte?" "Du hast die Jimmy Hendrix Gitarre verhöckert?!!", brach es entsetzt aus Liam hervor und Jared ging sofort in den Gegenangriffsmodus. "Überleg dir nächstes mal vorher mit wem du dich prügelst, verdammt! Du kannst gerne zurück in die Zelle, vielleicht kann ich sie dann zurück kaufen", schnaubte der Brünette zurück, entsetzt über so viel Undankbarkeit. "Aber... die Gitarre... weißt du eigentlich was die Wert ist?", wimmerte Liam nun schon beinahe. "17.000$?" "17.000$!!!!", wiederholte Liam entsetzt und der Mund stand ihm für einen Moment offen. "17.000... verdammt Jared. Die ist mindestens 170.000$ Wert." Ohh, der alte Mann hatte ihn doch abgezogen. Fluchend knirschte der Brünette mit den Zähnen. Jetzt fühlte sich der Handel nicht mal mehr halb so gut an. "Es ist eine Gitarre", versuchte er ein zu lenken und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. "Aber.. von denen gibt es fast keine mehr!" "Du spielst doch nicht mal!" "Aber ich sehe so gut mit dieser Gitarre aus. Besonders Nackt, und die Frauen..." Eine kurze Welle des Ekels erschauderte Jared, wollte er gar nicht so genau wissen in welchen Körperregionen die Gitarre am nackten Liam geklebt hatte. "Die meisten, dummen Blondchen die du anschleppst wissen noch weniger wer das war, wie ich." Jareds Augen verengten sich zunehmend zu Schlitzen. Gleich würde er seinen besten Freund zurück aufs Revier schleifen und doch über die Feiertage da lassen. "Aber..." "Jetzt hör auf zu heulen, wegen dir hab ich meinen Flug verpasst!" Wütend schnaubte Jared auf und Liam senkte resignierend den Kopf. Kurz verfielen die Freunde in Schweigen. Dann begann Liam plötzlich breit zu Grinsen und seine Augen funkelten auf. "Gib's zu, du wolltest eh nicht nach Hause, ich hab dir einen Gefallen getan." Eventuell hatte Jared sich einmal zu viel über Ed beschwert. "Ach, halt die Klappe", entgegnete er leicht eingeschnappt, konnte dann aber doch nicht verhindern ein wenig zu grinsen. „Jareeeeed.. sag das doch gleich. Gern geschehen!“, setzte Liam noch einen drauf und nahm den Studenten freundschaftlich in den Schwitzkasten. Jared buffte seinem besten Freund den Ellenbogen in die Rippen, um sich etwas mehr Luft zu verschaffen. „Übertreib es nicht“, mahnte er versucht ernst, konnte das Grinsen aber nicht mehr verhindern. „Also 17.000, ja? Dann haben wir noch... Neun?“, überlegte Liam laut und schon deutlich weniger geknickt als vor wenigen Minuten. Jared nickte zustimmend. „Irgendeine Idee?“ Sofort grinste der Millardärssohn spitzbübisch auf. „Na klar! Lass uns einfach Weihnachten in die Karibik fliegen!“ Ein wenig verständnislos sah Jared ihn an. „Es geht kein Flieger mehr, schon vergessen?“ „Ach verdammt... vielleicht ne Kreuzfahrt?“ „Alter... hörst du dir überhaupt selbst zu?“ Jared lachte amüsiert auf, bei so viel Verpeiltheit. Liam zog eine Schnute . „Dann vielleicht...ein Helikopterrundflug?“ „Nein“ „Roadtrip in die Hamptons?“ „Ohne Auto und ohne Haus? Bei diesem Wetter?“ „Nagut, dann doch...“ Albern lachend setzten die beiden ihren Weg weiter fort durch die nahezu verlassenen Straßen der Großstadt. Und während sie über mögliche Verwendungszwecke des Geldes diskutierten, versank New York tiefer und tiefer unter einer dicken Schneedecke. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)