New Beginning von Schmetterling1 (Wie das Leben so spielt) ================================================================================ Kapitel 5: Hellfire ------------------- We could sing pretty melodies On the unmade bed Slow dancing to a silhouette `Cause I ain’t dead yet Ain’t no chariots of fire Come to take me home I’m lost in the woods And I wander alone Hellfire, Hellfire Take my soul I’m waiting, waiting I’m ready to go Mit einem zufriedenen Lächeln schlage ich meine Bücher zu und sammle meine Notizen zusammen – endlich geschafft! Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Nachmittag so schnell zu Ende geht und ich es tatsächlich schaffe den vorgenommenen Stoff zusammenzufassen. In den letzten Wochen haben wir neben dem allgemein geltenden Gesetzbuch, auch mit Mietrecht begonnen. Ersteres bereitet mir besondere Schwierigkeiten, da ich lange kein Japanisch brauchte und die Gesetzestexte zum Teil noch aus dem vergangenen Jahrhundert stammen, wodurch es mir nicht ganz so leicht fällt, den Sinn der einzelnen Passagen zu verstehen. Wer hätte jemals gedacht, dass mir meine Muttersprache einmal Probleme bereiten wird? Bevor ich die Bibliothek verlassen, sehe ich noch schnell auf meine Uhr, woraufhin mir das Herz in die Hose rutscht: Mist, ich habe nur noch fünf Minuten bis das Spiel von Taichi beginnt und er hat mich nicht nur einmal daran erinnert, wie wichtig das heute für ihn ist! Ich beginne zu laufen und halte meine Tasche mit beiden Händen fest. Gott sei Dank habe ich mich heute für ein etwas sportliches Outfit bestehend aus roten Converse, schwarzer Jean und einer Lederjacke mit kuscheligem Schal entschieden. Der Oktober ist dieses Jahr ungewöhnlich mild, wodurch wir noch viel Zeit im Freien verbringen können und Taichi und ich auch einige Male am Abend gemeinsam spazieren waren. Unser erster, unschuldiger Kuss auf Hikari’s Ausstellung ist mittlerweile fast drei Wochen her und seither haben wir versucht uns noch häufiger zu sehen als die Wochen davor - soweit es uns eben möglich war. Zwischen all unseren Vorlesungen, seinen praktischen Unterrichtseinheiten, den zu erledigenden Arbeitsaufträgen und Ausarbeitungen, Taichi’s Training und seiner Abschlussarbeit war das mit unter gar nicht so einfach, weswegen ich ihm manchmal auch einfach nur beim Training zusah und wir danach gemeinsam spazieren gingen. Einmal haben wir es aber sogar in den Vergnügungspark geschafft, wo wir den Abend ausgelassen und mit viel zu vielen Süßigkeiten verbracht haben. Über den Kuss selbst haben wir in dieser Zeit nicht viele Worte verloren, genauso wenige wie über unsere Gefühle und was da eigentlich zwischen uns passiert – das war für mich aber in keinster Weise unangenehm, da er mir das Gefühl gab, dass alles gut ist so wie es ist. Gingen wir spazieren, nahm er oft meine Hand in seine, so dass wir Händchen haltend über das Campusgelände oder durch die Stadt liefen. Brachte er mich nach Hause, küssten wir uns zum Abschied oft lange, wobei uns der Abschied jedes Mal unglaublich schwer fiel. Und Gott, bei jedem Kuss mit ihm sind die Schmetterlinge in meinem Bauch wie verrückt auf- und abgeflogen und meine Knie wurden ganz weich. Durch ihn fühle ich mich in diesen Momenten vollkommen, er zaubert mir dieses permanente, zufriedene Lächeln auf meine Lippen und mit ihm fühlt sich alles richtig an – wie wenn es einfach so sein soll und wie wenn das Schicksal das auch schon immer für uns wollte. Ich denke das ist auch der Grund, wieso weder Taichi noch ich in den letzten Wochen einen Schritt weiter gegangen sind: es war jeder einzelne Augenblick perfekt wie er war und keiner von uns möchte dieses zarte, unschuldige Gefühl der Zuneigung durch eine übereilte Handlung kaputt machen. Wobei, zugegebener Maßen wird es bei jedem Abschiedskuss schwieriger, da ich ihn jedes Mal weniger gehen lassen möchte und nichts mehr möchte als seine nackte, warme Haut auf meiner spüren. Am Fußballplatz angekommen, quetsche ich mich in die Mitte der Tribüne und versuche noch einen Platz zwischen den unzähligen Leuten zu bekommen, die sich das Spiel ansehen möchten. Wahnsinn wie viel hier los ist! Mit einem Seufzen sehe ich mich hilflos um, bevor ich schließlich doch noch einen freien Platz neben einem Pärchen ergattere, das mehr mit sich selbst als mit dem Fußballspiel beschäftigt ist. Ein Blick auf die Anzeigetafel verrät mir, dass Taichi’s Mannschaft mit 1:0 hinten ist – verdammt und das schon nach 15 Minuten Spielzeit! Auch das übrige Match verläuft nicht viel besser, da die Mannschaft unserer Universität ihre liebe Not hat dem taktangebenden Spiel der anderen Mannschaft seinen eigenen Stempel aufzudrücken, um so den Spielstand vielleicht doch noch zu drehen. Mit dem 1:0 Rückstand geht es auch in die Halbzeit und ich versuche einen Blick auf Taichi zu erhaschen, was bei den Unmengen an Menschen leider gar nicht so einfach ist. Ich sehe nur, wie er sich frustriert die Haare rauft und seine Trinkflasche wütend gegen die Wand wirft, bevor der Trainer ihn und seine Teamkollegen zu einer kurzen Besprechung versammelt. Bitte lieber Gott, lass das helfen, damit sie in der zweiten Halbzeit zumindest den Ausgleich schaffen, so dass sie heute nicht mit null Punkten vom Platz gehen müssen. Die zweite Halbzeit beginnt mit einem schnellen Spiel, das durch etliche Angriffe und Gegenangriffe geprägt ist und das klar den Kampfgeist unseres Teams zeigt. „Gut so Jungs – gebt nicht auf und kämpft um jeden Ball!“ geht es mir dabei aufgeregt durch den Kopf, was mir ein leises Kichern entlockt: wer hätte je gedacht, dass ich mich so für Fußball begeistern und mich dabei auch noch hineinsteigern kann? Die 45 Minuten der zweiten Hälfte vergehen durch das hohe Spieltempo viel zu schnell und es sind am Ende nur noch wenige Minuten zu spielen, obwohl die Jungs nach wie vor 1:0 hinten sind. Aufgeregt quetsche ich meine gedrückten Daumen, als Taichi den Pass seines Teamkollegen annimmt und sich beinahe tänzerisch um seine Gegenspieler spielt, bevor er alleine auf das Tor zustürmt. Als er tatsächlich wenige Sekunden später zum 1:1 trifft, gibt es auf der Tribüne kein Halten mehr und die Leute springen von ihren Plätzen auf um ausgelassen zu jubeln und der Mannschaft, insbesondere Taichi, zu applaudieren. In diesem Moment pfeift der Schiedsrichter das Spiel ab, wodurch es amtlich ist: durch ihren unbändigen Kampfgeist haben die Jungs ein Unentschieden rausholen können, was mehr ist, als jeder nach der ersten Halbzeit erwarten konnte. Wie auch die restlichen Zuschauer applaudiere ich und pfeife ihnen zu, während sie einen Freudentanz aufführen, um sich im Anschluss vor den Zuschauern zu verbeugen. Was bin ich in diesem Moment stolz auf Tai! Wie bereits vor dem Spiel mit Taichi abgesprochen, warte ich nach dem Ende auf der Tribüne, wie damals als ich ihm das erste Mal beim Training zugesehen habe und wie wir uns das erste Mal nach all den Jahren in den USA wiedersahen. Aufgeregt laufe ich auf und ab und blicke dabei immer wieder zum Eingang der Mannschaft, bevor sich die Türe endlich öffnet und Taichi mit geschulterter Sporttasche und einigen Teamkollegen hinauskommt. Sein Haar ist noch nass und er lacht ausgelassen mit den anderen, was ihn einfach umwerfend macht und ihn in seiner Jean und seinem Kapuzenpullover noch viel besser aussehen lässt. Fröhlich beginne ich zu grinsen, bleibe augenblicklich stehen und winke ihm mit klopfendem Herzen. Als er mich sieht, stielt sich ein Lächeln auf seine Lippen und er läuft beinahe auf mich zu – und wie bei unserem ersten Aufeinandertreffen zieht er mich in eine stürmische Umarmung, bei der er mich dieses Mal regelrecht durch die Luft wirbelt. „Du warst unglaublich! Wie du die gegnerischen Spieler ausgetrickst hast!“ fange ich mit einem Lachen an. Ich komme jedoch nicht weiter, da er mich hier, vor den Augen seiner Teamkollegen, in einen stürmischen Kuss zieht, bei dem er mich fest hält und mich sanft an sich drückt. Ohne auch nur eine Sekunde zu protestieren, lasse ich mich ganz auf ihn ein und umschlinge liebevoll seinen Nacken und presse meinen zierlichen Körper an ihn. Keine Ahnung, wie lange wir uns geküsst haben, bevor wir uns schwer atmend voneinander lösen und uns tief in die Augen sehen. Meine Wangen glühen vor Hitze und Taichis Blick ist lustverhangen, als er mit seiner Hand über meine Seite streicht, um am Schluss seine Hand in meine hintere Hosentasche zu stecken, so dass sie auf meinem Po liegt. Seine Stirn lehnt an meiner. Es wäre ein Leichtes ihn erneut zu küssen und ich beiße mir sanft auf die Unterlippe, um mich der Versuchung nicht hinzugehen. Dabei sehe ich, wie er seine Augen schließt, um seine Lippen wieder auf meine zu legen und mich damit komplett ins Verderben zu stürzen. „Taichi, ich…“ hauche ich leise, ehe wir durch das Vibrieren des Handys in seiner Hosentasche gestört werden. „Du solltest da vielleicht rangehen.“ bringe ich nach ein paar Sekunden und einem Räuspern hervor, während dem ich auch einen kleinen Schritt von ihm zurücktrete, so dass etwas Luft zwischen uns kommen kann, um uns die dringend benötigte Abkühlung zu verschaffen. Taichi quittiert dies nur mit einem leichten Kopfnicken und einem Grummeln, bevor er den Anruf entgegennimmt. „Hi Mum…ja, wir sind vor ca. einer halben Stunde fertig geworden.“ Das restliche Gespräch verläuft still, Taichi sagt fast kein Wort und wird im Laufe des Gesprächs immer blasser. Ich merke, wie seine Hand etwas zu zittern beginnt und wie er nervös auf seiner Lippe herum kaut, was er sonst nie macht und woraufhin ich beginne mir Sorgen zu machen. „Okay Mum, ich mach mich gleich auf den Weg.“ kommt es noch ruhig, aber mit angespannter Stimme von dem Braunhaarigen ehe er auflegt, sich von mir wegdreht und unter einem erstickenden Schrei mit der Faust gegen die hinter uns liegende Wand schlägt. Durch den Schlag platzt seine Haut an den Knöcheln auf und er beginnt augenblicklich zu bluten. Ich beobachte schockiert, wie ihm Tränen über die Wangen laufen und wie viel Selbstbeherrschung es ihm in diesem Moment kostet nicht auf der Stelle los zu toben und die Tribüne in ihre Einzelteile zu zerlegen. „Taichi, was ist los?“ versuche ich es vorsichtig und berühre dabei zaghaft seinen Oberarm, auch wenn ich in diesem Moment meinen eigenen Herzschlag als ein lautes Dröhnen in meinen Ohren wahrnehme und Angst vor dem habe, was er mir sagen wird. „Hikari…Mum hat sie ohnmächtig in unserer Wohnung auf der Toilette gefunden, sie war ganz kalt und blass. Sie hat sofort die Rettung gerufen, sie operieren sie gerade.“ Mehr Worte bedarf es nicht, um Taichi zu umarmen und ihn fest in meinen Armen zu halten, damit er fühlt, dass er nicht alleine ist. Still weint er weiter, auch dann noch als er Daumen und Zeigefinger gegen seine Augen presst um sich zu beruhigen. „Lass uns los…“ mit diesen Worten nimmt Tai eilig meine Hand und zieht mich hinter sich her, wobei ich beinahe laufen muss, um mit ihm Schritt zu halten… „Mama, Papa! Wo ist sie, wie geht’s es ihr?“ bricht es aus Taichi hervor, als er seine Eltern im Wartebereich der Chirurgieabteilung sitzen sieht und eilig auf sie zuläuft. Beschützend nimmt er seine Mutter in den Arm und streicht ihr sanft über den Rücken, da Frau Yagami bei der Ankunft ihres Sohnes wieder zu weinen begonnen hatte. Sie wirkt erschöpft und am Ende mit ihren Kräften, während Taichi’s Vater den Umständen entsprechend gefasst und ruhig wirkt. Unschlüssig was ich nun tun soll, bleibe ich vorerst etwas abseits stehen und beiße mir auf die Unterlippe um nicht selbst zu weinen – hoffentlich geht es Hikari gut! „Wir haben sie vor wenigen Minuten in den Aufwachraum gebracht, wo sie vorerst beobachtet wird. Die Operation selbst verlief gut, auch wenn es nicht einfach war den Blinddarmdurchbruch in den Griff zu bekommen. Hatte Frau Yagami in der Vergangenheit keine Bauchschmerzen, die auf eine Blinddarmentzündung hingedeutet hätten?“ mischt sich nun der behandelnde Arzt in das Gespräch ein, der gerade zu der Familie gekommen ist, um sie über Hikari’s aktuellen Zustand zu informieren. „Nein…nein sie hat in den letzten Tagen nichts davon erzählt, aber wir haben uns auch nicht lange gesehen. Taichi, hat sie dir gegenüber etwas erwähnt?“ fragt Taichi’s Mutter an ihn gewandt nach, wobei dem Braunhaarigen nichts anderes übrig bleibt als traurig den Kopf zu schütteln. Woher hätte Taichi auch etwas ahnen können? Die wenige freie Zeit die er hatte, hatte er mit mir verbracht und dabei maximal mit seiner Schwester telefoniert oder WhatsApp Nachrichten geschickt, wodurch mich augenblicklich das schlechte Gewissen einholt. „Wie dem auch sei – wir haben den Durchbruch in den Griff bekommen und werden sie die nächsten Tage hierbehalten, um die Infektion zusätzlich mit Antibiotika zu behandeln und um ein Auge auf sie zu haben, wenn sich ihr Zustand wieder verschlechtern sollte. Herr und Frau Yagami, wenn Sie möchten, kann ich Sie zum Nebenzimmer des Aufwachraumes bringen, so dass sie sich selbst ein Bild vom Zustand Ihrer Tochter machen können?“. Taichi’s Eltern folgen der Aufforderung des Arztes und verabschieden sich kurz von uns, bevor sie hinter dem Arzt das Zimmer verlassen um nach ihrer Tochter zu sehen. Erleichtert lasse ich mich mit einem Seufzen neben Taichi in den Sessel des Wartebereichs fallen und sehe zu ihm. Er hat seine Ellbogen auf den Knien aufgestützt und deine Hände in seinen Haaren vergraben. Sein Blick ist starr auf den Boden gerichtet. „Tai, hast du gehört? Deine Schwester hat die Operation gut überstanden und sie wird wieder ganz gesund werden!“ versuche ich zaghaft das Gespräch zu beginnen und ihm ein aufbauendes Lächeln zu schenken. „ICH BIN SO EIN IDIOT!“ kommt es plötzlich laut, aufgebracht und wütend von ihm. Nachdem er von seinem Stuhl aufgesprungen ist, läuft er ziellos durch den Warteraum. Unsicher was ich tun soll, bleibe ich sitzen und schaue betreten zu Boden. Was ist hier los? Wieso freut sich Tai nicht, dass es seiner Schwester bald wieder besser gehen wird? „Mimi, wie konnte ich das tun? Wie konnte ich ihr das nur antun?“ – „Tai, wovon sprichst du? Du hast doch nichts getan. Du hast keine Schuld an Hikari’s Zustand.“ Mit diesen Worten stehe auch ich auf und gehe zu ihm. Ohne zu zögern greife ich nach seinem Arm und zwinge ihn so stehen zu bleiben und mich anzusehen. „Ich mache mir Sorgen, was ist hier los? Wieso bist du nicht erleichtert, dass die Operation gut verlaufen ist? Bitte rede doch mit mir…“. Zusehens verzweifelt blicke ich direkt in Tai’s Augen, welcher sich jedoch von mir löst und zum Fenster geht. Mit verschränkten Armen und starrem Blick nach draußen in die Nacht, beginnt er aber doch leise, in dem Bewusstsein, dass ich ihn trotzdem höre, zu erzählen: „Als ich dir vor ein paar Wochen erzählt habe, dass Takeru Hikari ohne auch nur ein Wort verlassen hat, war ich nicht ganz ehrlich. Es sind damals ein paar Tage vergangen, seit er Schluss gemacht hat und ich kam gerade vom Einkaufen zurück nach Hause. Kari und ich wollte uns Pasta kochen und im Anschluss einen alten italienischen Mafioso-Film ansehen. Ob du es glauben kannst oder nicht, aber vor unserem Haus habe ich dann tatsächlich Takeru gesehen, der anscheinend gerade zu uns wollte. Was hätte er auch sonst in der Gegend zu tun gehabt, da all seine Freunde in anderen Bezirken wohnen und ihn nur Kari mit dieser Gegend verbindet? Wütend stellte ich ihn zur Rede und fragte ihn, ob er eigentlich auch nur in irgendeiner Weise Anstand besitzt, weil er sich hier blicken lässt und ob er sich darüber im Klaren ist, was er meiner Schwester eigentlich angetan hat und wie sehr sie wegen ihm leidet. Er druckste herum, wollte mir keine ausführliche Antwort geben und schwafelte nur etwas von es tut ihm leid und ob er das nicht mit Kari besprechen kann. Er meinte zur Krönung des Ganzen auch noch, dass ihm das alles zu viel geworden ist und er mit dem Druck nicht umgehen konnte, weil angeblich schon alle erwartet haben, dass er ihr einen Antrag macht und die beiden heiraten, er sich dazu aber noch nicht bereit fühlte. Als er dann sagte, dass das alles ein riesiger Fehler war, den er gerne rückgängig machen würde, hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle und habe ihn auf öffentlicher Straße verprügelt. Er selbst hat kein einziges Mal die Hand erhoben und am Ende ist er mit blutender Nase und blauem Auge davon, während ich ihm nachrief, dass er sich nie wieder bei uns blicken lassen soll und dass er Hikari gefälligst in Ruhe lassen soll. Und das wars dann – Hikari hat nichts mehr von ihm gehört und wir haben ihn seither auch nicht mehr gesehen. Ach Gott Mimi, was bin ich nur für ein Idiot und vor allem, was bin ich für ein Bruder? Ich habe mich in das Leben meiner Schwester auf das Übelste eingemischt, habe ihre große Liebe verprügelt, das niemandem erzählt und sie lieber leiden gelassen, damit sie vielleicht eines Tages über ihn hinwegkommt, als dass sie auch nur noch einmal mit ihm redet und sich seine Version der Geschichte anhört?!“ Ich spüre wie schwer es Taichi fällt mir diese Geschichte zu erzählen und wie groß die Überwindung ist, sich seinen Fehler einzugestehen. Was ich zu all dem sagen soll, weiß ich in einem ersten Moment nicht. Klar, kann ich es schon irgendwie nachvollziehen, wie sehr der Braunhaarige seine Schwester liebt und dass er sie nur beschützen möchte, weswegen die Situation mit Takeru derart eskaliert ist. Auf der anderen Seite ist Hikari eine erwachsene Frau, die ihr Leben selbst bestimmen kann, die für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich ist und die eigentlich von niemandem mehr bevormundet werden sollte. „Du musst das auch deiner Schwester erzählen, wenn es ihr wieder gut geht und die Sache hier vorbei ist, das ist dir klar, oder?“ bringe ich schweren Herzens über meine Lippen, als ich meine Hand auf seine Schulter lege. Auch wenn diese Geschichte nicht ohne ist und noch für mächtig Zündstoff zwischen den Yagami Geschwistern sorgen wird, kann ich Tai einfach nicht böse sein. Er meinte es am Ende des Tages nur gut und wollte seine Schwester beschützen, so wie er es schon sein ganzes Leben getan hat. „Ich weiß Mimi…und zuvor sollte ich mich bei Takeru für den ganzen Mist, den ich gebaut habe entschuldigen.“ – „Gute Entscheidung.“ antworte ich noch leise, bevor wir beide Seite an Seite aus dem Fenster blicken. Nachdem Hikari munter wurde, haben die Ärzte sie noch am selben Tag auf die normale Station verlegt, wodurch auch Taichi und ich noch kurz bei ihr vorbei schauen konnten. Sie wirkte so zerbrechlich und blass in ihrem Krankenbett, während sie gleichzeitig so unendlich müde war. Trotzdem war sie am Leben und sie würde wieder ganz die Alte werden, was in diesem Moment mehr Priorität hatte als alles andere. Mit ruhigerem Gewissen, haben Taichi und ich kurze Zeit später das Krankenhaus verlassen, da uns beiden klar war, dass der Braunhaarige von nun an ohnehin jeden Tag nach seiner Schwester sehen würde, solange die Ärzte sie hierbehielte. Müde und ausgelaugt lehne ich mich gegen Taichi. Die Straßenbahn ist beinahe leer und wir sind die einzigen Gäste in dem Abteil, da es bereits weit nach Mitternacht ist. Er selbst hat die Augen geschlossen und versucht einen Moment zur Ruhe zu kommen – es war ein langer und anstrengender Tag für uns beide. Vorsichtig hole ich das Handy aus meiner Tasche und öffne WhatsApp. „Hallo Sora. Es tut mir leid, dass ich dich die letzten Wochen ignoriert habe und mir deine Version der Geschichte mit Matt nicht anhören wollte oder vielleicht auch noch nicht anhören konnte. Hast du die nächsten Tage Zeit für einen Kaffee, damit wir das klären können? Ich hätte gerne meine beste Freundin zurück…“ tippe ich schnell und bevor ich es mir anders überlegen kann, schicke ich die Nachricht ab. Als ich mit einem Seufzen auf das Display und meine Nachricht blicke, spüre ich wie Tai seinen Arm um mich legt und mich fest an sich zieht. Liebevoll drückt er seine Lippen an meinen Kopf und sieht dabei aus dem Fenster zu den beleuchteten Straßen Tokios. Dankbar über die Anwesenheit des Anderen fahren wir gemeinsam nach Hause, damit nach diesem Tag keiner alleine sein muss… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)