Calypsoklänge von _Delacroix_ ================================================================================ Kapitel 1 ---------   Shake, shake, shake, Senora Shake your body line Shake, shake, shake, Senora Shake it all the time Work, work, work, Senora Work your body line Work, work, work, Senora Work it all the time       Der kleine, gelbblaue Doktorfisch schüttelte seine Rasseln, während Arista die fröhliche Melodie auf ihrer Klarinette vorzugeben versuchte. Ihre grasgrüne Kugelfischfreundin Pari schwamm ein wenig lustlos im Kreis herum, doch davon ließ sich Arista nicht aus dem Takt bringen. Sie war es gewohnt, dass die Kugelfischdame etwas zu meckern hatte und sich dadurch in den Mittelpunkt spielte.   Doch gerade ging es um Fabius, der endlich mal wieder ein bisschen Spaß zu haben schien. Seit Arielle sie für ein Leben an der Oberfläche verlassen hatte, war es ihm sichtlich schwergefallen, sich zu amüsieren. Und so hatte Arista ihn in aller Frühe geschnappt und war mit ihm zu den einsamen Unterwasserhöhlen an der Mündung eines Flusses geschwommen, um fern ab von neugierigen Ohren etwas zur allgemeinen Stimmungsverbesserung beizutragen.   Die fröhliche Melodie hallte von den Höhlenwänden wieder, ließ ihre Klarinette fast wie ein ganzes Orchester klingen und Fabius Rasseln verliehen dem Ganzen den letzten Schliff. Sie heizten die Stimmung auf und sorgten so dafür, dass selbst Pari es nicht schaffte, dem Takt gänzlich zu entkommen.   Arista schlug einen fröhlichen Salto, blies noch einmal in ihre Klarinette hinein, dann verneigte sie sich vor ihrer Freundin. Pari schnalzte mit der Zunge. „So viel Möh und so viel Mah, ist in der Klassik niemals da“, motzte sie provozierend.   Neben ihr rollte Fabius mit den Augen. „Wenn du möchtest, spielen wir dir gerne einen Trauermarsch“, schlug er vor. Pari schüttelte den Kopf. „Die Idee ist gar fein, die Antwort aber nein“, entgegnete sie schnippisch und schob schmollend ihre Unterlippe vor.     Arista schenkte ihr ein Lächeln. „Jetzt sei nicht so“, versuchte sie die Wellen zu glätten, „Dieser Ausflug soll doch unsere Stimmung heben.“   „Das tut er bisher nicht eben.“   „Es kommt einfach nur auf die Einstellung an.“   „Und was dann?“   Arista holte tief Luft. „Naja“, schnurrte sie, „Wir könnten ja auch ein aufmunterndes Tänzchen wagen!“   „Tanzen?!“, echote Pari und vergaß vor lauter Überraschung sogar, dass ihr Ausruf sich nicht reimte.   „Besser als Algen anzupflanzen!“, übernahm Arista das für sie. Sie lachte, während sie ihre Freundin mit sich zog. „Komm, lass dich einfach mal gehen!“, forderte sie, „Amüsier dich, Pari! Fabius kann das doch auch.“   „Ich bin ein echter Tanzfisch“, stimmte der ihr zu und wackelte prompt mit seinen Flossen herum.   „Ja, genau! Hau rein!“, feuerte Arista ihn an und sah zu, wie der kleine Fisch immer schneller zappelte. „Das nenn ich die richtige Einstellung! Super Fabius!“   Der Doktorfisch machte eine besonders gewagte Pirouette und drehte sich danach prompt noch ein paar mal weiter. Dann schwankte er zu ihnen zurück. „Tada!“, rief er triumphierend und versuchte krampfhaft nicht zu zeigen, dass er gerade ziemlich grün um die Kiemen geworden war.   Pari rümpfte die Nase. „Tada, nada. Ich tanze besser als du; ich zeig’s dir im Nu“, verkündete sie und schwebte mit der ihr eigenen Leichtigkeit in die Mitte ihres provisorischen Proberaumes. Einen Moment lang trieb sie reglos auf der Stelle, dann begann sie sich in einem stummen Takt zu wiegen, hob ihre hellgrünen Brustflossen und lugte immer wieder verführerisch hinter ihnen hervor. Ihr Körper wiegte sich in der schwachen Strömung, mal nach links, mal nach rechts und schließlich auch im Kreis herum. Ganz so, als folgte er einer fernen Melodie. Ihre Hüften kreisten, ihre Flossen schienen gleichzeitig überall zu sein, bis sie schließlich in der Bewegung innehielt und den Kopf anmutig nach oben hob.   Arista klatschte in die Hände. „Das war wundervoll Pari“, lobte sie.   Fabius nickte. „Ganz große Klasse!“, pflichtete er ihr bei.   „Bravo!“   „Brava!“     Ihre Freundin knickste anmutig. „Das will ich wohl meinen, bei allem and’ren müsst ich wei- Was ist das? Barrakudas?“   Arista folgte Paris Blick nach oben, durch eines der unzähligen Löcher in der Höhlendecke, wo etwas Großes, Dunkles langsam näher kam.   „Das ist kein Barrakuda“, korrigierte Fabius, „Ich glaube, das ist Treibgut.“   „Treibgut?“, echote Arista, „Du meinst von den Menschen?“   Fabius nickte. „Arielle hat das immer eingesammelt. Da waren tolle Sachen bei. So lange, silberne Gabelteile für die Haare und schwammige Dinger zwischen zwei Deckeln, mit Farbklecksen drin und einmal, da hat sie ein Kästchen gefunden, mit so einer kleinen Figur, die hat -“   „So viel Geschnatter, welch ein Gemater!“ fiel Pari ihm unwirsch ins Wort, „Ihr wollt doch nicht bergen, was fremde Schergen, ins Wasser warfen, dort oben am Hafen! Das gefährlich! Wir sind nicht entbehrlich! Bitte Arista, lass diesen Mist da!“   Arista winkte ab. „Fabius sagt doch, es sei ungefährlich“, widersprach sie ihrer besorgten Freundin, „Das heißt, wir können doch mal gucken. Vielleicht finden wir dann auch so ein Teil für die Haare. Ich bräuchte dringend ein Neues. Weißt du, Aquata hat schon wieder meinen Muschelkamm konfisziert. Und warum? Weil da ein A in den Griff graviert war. Ein A! Was glaubt sie eigentlich, wie man Arista schreibt? Mit A natürlich. Es ist meine Initiale.“   „Schreibt man Aquata nicht auch mit A?“   Arista warf Fabius einen bitterbösen Blick zu, bevor sie auf das Treibgut zu zu schwimmen begann. „A oder nicht“, rief sie über die Schulter zurück, wohl wissend, dass die Anderen ihr folgen würden, „Es ist trotzdem meiner.“     🐟🐟🐟     Viel schneller als von ihr geplant, spürte sie Fabius neben sich. Der kleine Doktorfisch war gut im Training, war er doch immer ihrer Schwester nachgeschwommen, welche nachweislich die schnellste Meerjungfrau war, die Atlantica je gesehen hatte.   Arista dagegen strengte es schon an, die paar Meter so schnell aufzusteigen. Mühsam unterdrückte sie ein Schnaufen und verringerte ihre Geschwindigkeit. Im Zweifel würde sie halt behaupten, sie habe Sorge gehabt, ob Pari so schnell folgen konnte. Das war immer noch besser als japsend neben einem Schatz zu treiben.   Apropos Schatz! Der seltsame Gegenstand war in den letzten Sekunden noch größer geworden und irgendwie schien es ihr, als ginge etwas Rotes von ihm aus. Das Wasser um ihn herum hatte bereits die merkwürdige Färbung angenommen und -   „Ach du Schreck!“, entfuhr es Arista und plötzlich waren alle ihre guten Vorsätze vergessen. Sie schwamm wieder schneller. „D-Das ist kein Treibgut“, krächzte sie, „Das ist ein Mensch!“.   „Der sieht aber seltsam aus und auslaufen tut er auch. Was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Fabius verunsichert.   „Er kann im Wasser nicht überleben. Er muss zurück an die Oberfläche.“   Fabius nickte. „Das hätte Arielle jetzt auch gesagt“, stimmte er zu. „Fass du da an und ich schiebe hier und dann -“   „Wartet! Macht mal eine Pause, das rote Zeug ist keine Brause. Bald ist es aus, da fließt zu viel von aus ihm raus“, fiel Pari ihm ein weiteres Mal ins Wort, „Wir müssen das heilen und wir sollten uns eilen.“   Zwei Fische warfen Arista einen erwartungsvollen Blick zu und ihr wurde spontan ganz anders „Ich?“, entfuhr es ihr, „Ich kann nicht mal einen Schnappmaulmuschelbiss verbinden! Und ich habe keine Ahnung, wo das rote Zeug überhaupt herkommt. Ich kann das nicht! F-Fabius, du bist doch der Menschenexperte hier. Hat Arielle dir irgendwas über das rote Zeug erzählt?“   Der Fisch schüttelte den Kopf. „Sie hat von ganz viel Zeug erzählt, aber nicht von so etwas.“   „Schon wieder Gemater, fast wie im Theater. Doch keine Panik, ich kenn die Mechanik, da ist ein Zauber, vielleicht nicht ganz sauber, der kriegt das hin, dann ist’s aus dem Sinn!“, blubberte Pari und schwamm neugierig eine Runde um den Menschen herum.   „Meinst du wirklich?“, fragte Fabius misstrauisch, doch Pari ignorierte ihn. Statt auf seine Bedenken einzugehen, drehte sie weitere Runden um den Menschen herum. Sie wurde schneller und schneller, grüne Funken sprühten, unbekannte Worte glitten über ihre Lippen:     ᛞᚢᛗᛗᛖᛇ ᚹᛖᛇᛖᚾᛗᛖᛁᚾ. ᚷᛖᛇᚢᚾᛞ ᚹᛁᛖᛖᛁᚾ ᚠᛁᛇᚲᚺ ᛇᛟᛚᛚᛇᛏ ᛞᚢ ᛇᛖᛁᚾ.     Der Mensch verschwand in einer grün blinkenden Wolke. Arista warf einen skeptischen Blick zu Fabius. „Denkst du, dass das so muss?“, wollte sie wissen.   Fabius zuckte mit den Flossen: „Vermutlich haben wir Glück, wenn wir nicht als Seewürmer enden“, klagte er.   Arista seufzte. Sie konnte es Fabius nicht verübeln, dass ihm die Begegnung mit der Meereshexe noch immer in den   Gräten steckten, doch eigentlich vertraute sie Pari. Und wenn sie sagte, dass sie das hinbekam, dann würde sie das ganz be-   „Oh!“   Arista zuckte zusammen. „Pari?! Pari, was hast du?!“, rief sie alarmiert und wäre beinahe in die giftgrüne Wolke hineingeschwommen, wäre ihr der Kugelfisch nicht schon entgegengekommen.   „Ich hab was vergessen, das könnte euch stressen“, erklärte Pari, kaum das sie aus der grünen Wolke heraus war, „Drum werd ich jetzt geh’n, auf Wiedersehen!“   Noch nie hatte Arista ihre Freundin so schnell paddeln sehen. „A-Aber, was ist jetzt mit dem Menschen?“, rief sie ihr hinterher, doch Pari reagierte schon nicht mehr. Besorgt blickte Arista zu Fabius. „Und was jetzt?“   Dieser plusterte sich auf. „Ich hol sie zurück. Sie kann jetzt nicht einfach gehen. Kümmer’ du dich um das da. Ich bin gleich wieder da!“   Arista öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen. Sie wollte die Rollen tauschen und selbst nach ihrer Freundin sehen, doch es war bereits zu spät. Fabius war mit schnellen Flossenschlägen los geschwommen und ließ sie mit der unheimlichen, grünen Wolke allein, die langsam begann, sich aufzulösen.   Hosted by Animexx e.V. 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