Heartbeats von Khaleesi26 (Michi-Woche) ================================================================================ Kapitel 7: Infinite ------------------- Taichi Konzentration. Konzentrier dich, Tai. Wie war das noch mal? Zwei nach vorn und zwei nach hinten … oder doch anders rum? Und dann? Wie gings dann weiter? „Autsch!“, beschwerte sich Mimi zum wiederholten Male bei mir, als ich ihr auf die Zehen trat. Schon wieder. „Nein. Nein, nein, nein. So klappt das nicht.“ Der Tanzlehrer stoppte die Musik und sah mich mit verschränkten Armen an. Sein Fuß wippte ungeduldig auf und ab. „Sie müssen es fühlen, hören Sie? FÜHLEN! Können Sie nichts fühlen?“ Dieser Typ redete mit mir, als wäre ich bescheuert. „Ich FÜHLE schon etwas. Ich fühle nur nicht … das hier.“ Ich machte eine abwertende Handbewegung und Mimi und er verdrehten nahezu zeitgleich die Augen. Herrgott noch mal, wieso wollte dieser verfluchte Tanz denn einfach nicht in meinen Kopf? Oder besser gesagt: warum machten meine Füße einfach nicht, was sie sollten? Nachdem ich Mimi den Antrag gemacht hatte, stürzte sie sich geradezu in die Hochzeitsplanungen, die nun inzwischen vier Monate andauerten. Ich hatte stark protestiert, doch Mimi bestand darauf, einen Tanzkurs zu besuchen. Wir waren hier, um unseren Hochzeitstanz einzustudieren. Mimi war eine begnadete Tänzerin, wie ich feststellen musste. Nur leider hatte sich herausgestellt, dass ich mich wie ein dicker Bär auf zwei tollpatschigen Füßen bewegte. Ich konnte mir weder die Abfolge merken, noch fand ich den Rhythmus. Ich hatte einfach null Taktgefühl. Und so langsam schien auch Mimi ihre Geduld mit mir zu verlieren. „Kannst du es nicht wenigstens versuchen, Tai?“, flehte sie. Oh, konnte sie diesen Hundeblick nicht lassen? „Ich versuche es ja“, seufzte ich und fuhr mir gestresst durchs Haar. „Die ganze Zeit versuche ich es, aber … ich kanns nun mal einfach nicht.“ „Oh, bitte“, meinte der Tanzlehrer abschätzig. „Jeder kann tanzen. Tritt bei Seite, Jungchen.“ Jungchen? Er wedelte mit der Hand, um mich zu verscheuchen. Wiederwillig trat ich einen Schritt zurück, um Platz zu machen. Er schnappte sich Mimis Hand, packte sie an der Taille und zog sie an sich. Dieser ekelhafte, schleimige Typ. Auffordernd sah er mich an. „Die Musik?“ Ich warf ihm einen tötenden Blick zu und grummelte in mich hinein, während ich zum Player ging und die Musik erneut anschaltete. „Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei“, machte er vor und wirbelte dabei meine Verlobte umher. Wieso sah das bei denen so einfach aus? „Sehen Sie?“, fragte er in meine Richtung, während er den Arm hob und Mimi eine grazile Drehung hinlegte. „Ist ganz leicht.“ Ich geb dir ganz leicht – dachte ich bei mir und biss die Zähne zusammen, bevor ich noch irgendetwas sagte, was mir später leidtun würde. Ich versuchte wirklich mich zusammenzureißen – für Mimi. Weil sie das hier verdient hatte. Weil sie ihre Traumhochzeit wollte, auf die sie so lange gewartet hatte. Aber verdammt. Musste sie mich deswegen einmal quer durch die Hölle jagen? Als das Lied verstummte und die beiden einen perfekten Tanz aufs Parkett gelegt hatten, sahen beide mich erwartungsvoll an. „So, und jetzt Sie“, forderte der Tanzlehrer mich auf. Ich verdrehte die Augen und nahm seinen Platz ein. Mimi sah zu mir auf. „Versuch’s einfach, Tai. Bitte, ja?“ Ich seufzte und schenkte ihr ein Lächeln. Was ich nicht alles für sie tun würde. Die Musik setzte ein und ich versuchte all meine Gedanken zu sammeln. Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei. Soweit so gut. Jetzt die Drehung und dann … Ich öffnete den Arm und wollte Mimi unter ihn durchführen, doch irgendwie legte ich zu viel Kraft in diese Bewegung und ehe ich mich versah, flog Mimi förmlich davon. Ihre Finger entglitten mir und sie stolperte gleich mehrere Schritte nach hinten, bis sie das Gleichgewicht gänzlich verlor und auf den Po landete. „Oh, mon dieu!“, entfuhr es dem Lehrer und er schlug die Hände vor den Mund. Ich ballte die Hände zu Fäusten und sah ihn erzürnt an. Was? Tat der Typ etwa so, als wäre er Franzose? „Auuuh“, jaulte Mimi auf und zog wieder meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Sie saß auf den Knien und rieb sich den Po. „Oh, Schatz“, meinte ich reumütig und eilte zu ihr. Ich kniete mich vor ihr hin. „Es tut mir leid. Das war ganz sicher keine Absicht.“ „Ist schon gut. Wir kriegen das schon noch hin“, entgegnete sie großzügig und schenkte mir ein Lächeln. Unglaublich, welche Geduld sie mit mir hatte. „Also, ich sehe da wenig Hoffnung.“ „Was?“ Ich warf dem Typen einen abschätzigen Blick zu und stand auf. „Sind wir doch mal ehrlich. Es tut mir leid, meine Süße. Aber ihr Verlobter hat im wahrsten Sinne des Wortes zwei linke Füße“, sagte er und schüttelte müde lächelnd den Kopf. Machte er sich etwa lustig über mich? Und wie hatte er Mimi da gerade genannt? „Wissen Sie, stehen Sie mal auf einem Fußballfeld. Ich würde wetten, Sie würden sich da genau so dämlich anstellen, wie ich mich hier beim Tanzen“, antwortete ich spitz. „Fußball?“, lachte er auf. „Sie wollen ja wohl nicht Fußball mit Tanzen vergleichen. Dann könnten Sie genauso gut eine Blockflöte mit einem Klavier vergleichen. Tanzen ist Leidenschaft. Tanzen spiegelt die Seele wieder. Fußball dagegen ist … nahezu primitiv.“ Ok, das reichte. Ich fletschte wie ein bissiger Hund die Zähne und machte einen drohenden Schritt auf ihn zu. „Ich kann dir ja gerne mal mit meinem primitiven Fuß in deinen tanzenden Arsch treten. Na, wie gefällt dir das?“ Der Typ wich einen Schritt zurück und gab einen Laut von sich, der dem eines kleinen ängstlichen Welpen glich. Angewidert verzog er das Gesicht. „So was … das ist ja unerhört!“, fauchte er mich an. „Das habe ich während meiner gesamten Karriere noch nicht erlebt.“ Von welcher Karriere sprach dieser Kerl da eigentlich? Er sammelte seine Sachen vom Boden der Tanzhalle auf und eilte zur Tür. Seine Halsschlagader pulsierte und Schweißtropfen bildeten sich auf seiner Stirn, während er immer wieder verängstigt zu mir rüber schielte. „Tut mir leid, meine Liebe. Aber unter diesen Umständen kann ich sie unmöglich weiter unterrichten“, sagte er an Mimi gewandt, die immer noch auf dem Boden saß und ihn mit offenem Mund hinterher sah. „Wirklich schade, um ihr Talent. So ein vulgärer, anstandsloser, …“ Man hörte ihn noch über mich schimpfen, als die Tür schon längst scheppernd hinter ihm zugefallen war. Wütend starrte ich ihm hinterher. Sein Glück, dass er freiwillig die Flucht ergriffen hatte. Einen Tanz länger und mir wäre der Geduldsfaden gerissen. „Tai, du …“ Oh, verflucht. Mimi. Mist, das konnte was geben. Ich hatte unseren Tanzlehrer beleidigt, ihm gedroht und ihn in die Flucht geschlagen. Und ohne daran zu denken – aber ich hatte unseren Hochzeitstanz ruiniert. Mimi hatte es sich so sehr gewünscht und jetzt? Wer sollte uns jetzt das Tanzen beibringen? Ich konnte mich wohl auf was gefasst machen. Sie würde mir den Kopf abreißen. Ganz sicher würde sie gleich auf mich losgehen und mich anschreien, was für ein riesen Idiot ich doch wäre. Ich wagte einen Blick in ihre Richtung. Fassungslos und mit offenem Mund starrte sie mich an. „Tai, du hast nicht ernsthaft …“, stammelte sie und ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Mimi war schon immer sehr impulsiv gewesen. Aber das? Das würde sie ausrasten lassen! „Tai, du hast … du hast ihn ja total zur Schnecke gemacht!“, prustete sie plötzlich lauthals los. „Der hatte ja richtig die Hosen voll!“ Stutzig sah ich sie an, doch Mimi … hielt sich nur den Bauch vor Lachen. Okay, das war jetzt irgendwie nicht die Reaktion, mit der ich gerechnet hatte. „Unfassbar! Ich glaub’s nicht, dass du das gemacht hast“, lachte sie weiter und hatte bereits Tränen in den Augen. Ich konnte mein Grinsen nicht mehr unterdrücken und ging vor ihr in die Hocke. „Hey, warum findest du das so lustig?“, fragte ich amüsiert. „Ich habe unseren Tanzlehrer vergrault. Was wird denn jetzt aus unserem Hochzeitstanz?“ Unter Tränen hob Mimi den Kopf. Ihre Wangen waren ganz gerötet vor Lachen. „Ach, der war doch sowieso ne Pfeife.“ Ich prustete los. War das ihr Ernst? „Als ob man dir nicht das Tanzen beibringen könnte. Ich bitte dich, Taichi Yagami. Du hast zwar zwei linke Füße. Aber man muss dich nur zu nehmen wissen“, sagte sie überzeugt und stand auf. „Zu nehmen wissen, huh?“, grinste ich ihr breit hinterher, als sie zur Musikbox ging und erneut auf Play drückte. Als die zarten Violinen ihres Lieblingsliedes erklangen, stellte sie sich in die Mitte des Raumes und streckte ihre Hand nach mir aus. Es war eine Streichversion von „Stay With Me“, die Mimi über alles liebte. „Na, komm schon“, sagte sie und sah mich herausfordernd an. Perplex zeigte ich mit dem Finger auf mich. „Wie? Du willst, dass ich mit dir tanze? Aber du weißt doch, dass ich es nicht kann.“ Mimi schüttelte den Kopf. „Komm her. Wir kriegen das schon hin. Vertrau mir.“ Wenig überzeugt zog ich eine Augenbraue nach oben. Dennoch stand ich auf und ging zu ihr. Wir stellten uns in Position. Ich nahm ihre Hand in meine und zog sie an der Taille an mich. Es war eigentlich ein sehr langsamer und geschmeidiger Tanz. Aber irgendwie fehlte mir bisher wohl die nötige Anmut dazu. Doch diesmal versuchte ich mich ganz auf die Melodie einzulassen – und auf Mimi. Wir gingen ein paar Schritte vor und ein paar zurück, immer im Takt der Musik, bis Mimi ihre Hände hob und sie seitlich an meine legte. So tanzten wir im Kreis und ich konnte deutlich den Druck spüren, den sie auf meine Hände ausübte. Ein verschmitztes Grinsen legte sich auf mein Gesicht. „Du führst.“ Mimi lächelte wissend. Wir bewegten uns immer sicherer zu den sanften Klängen des Streichquartetts. Ich nahm Mimi seitlich an der Taile, hob sie hoch und wir drehten uns im Halbkreis. Sie grinste. „Und du sagst, du kannst nicht tanzen.“ „Hätte ich gewusst, dass es so einfach ist …“ Ich ließ mich weiter von ihr führen. Es fiel mir nicht schwer. Ich vertraute niemanden so sehr wie ihr. Es fühlte sich wunderschön an, wie wir uns bewegten. So perfekt. Als hätten wir nie etwas anderes getan. Das zeigte mir einmal mehr, wie sehr wir doch zusammengehörten. Mimi war mein Gegenstück, in jeder Weise. Die Dinge, die ich nicht konnte, glich sie aus. Und wenn ich einmal über die Strenge schlug, verzieh sie mir stets. Das war Liebe. Das waren wir. Und auch wenn ich es nie zugegeben hätte – ich hätte ewig so mit ihr weiter tanzen können. Für immer. Mimi „Willst du das wirklich?“, fragte ich ihn. Das war seine letzte Chance einen Rückzieher zu machen. „Wir könnten uns auch eine Ausrede einfallen lassen“, bot ich ihm weiter an, doch Tai schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, ich will mit dir tanzen.“ Es war unser Hochzeitstag. Der schönste Tag in unserem Leben. Wir feierten mit unseren Freunden und der Familie. Doch unseren Hochzeitstanz hatten wir uns bis ganz zum Schluss aufgehoben. Ich war mir bis zuletzt nicht sicher, ob Tai das wirklich mit mir durchziehen würde. Doch plötzlich kam es mir so vor, als könnte ihn nichts in der Welt davon abhalten. Die Musik setzte ein und wir fingen an, uns im Takt zu bewegen. Ich begann die Führung zu übernehmen und Tai ließ es zu. So wie er mich die letzten zwei Jahre durchs Leben geführt hatte, so führte ich ihn nun in unser Neues. Ich schüttelte leicht den Kopf und musste grinsen. „Was ist?“, fragte Tai lächelnd. „Warum lachst du?“ „Ach, nur so“, meinte ich, während er mir voll und ganz weiter vertraute. „Ich finde es nur witzig, dass du plötzlich darauf bestanden hast, mit mir zu tanzen. Wo du dich doch am Anfang mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hast. Tai zuckte leicht mit den Schultern. „Tja, ich wusste ja auch nicht, dass ich die beste Lehrerin direkt vor der Nase habe.“ „Da ist was dran“, lachte ich und drückte sanft seine Hand, sodass er wusste, dass er jetzt zurückgehen musste. Es war erstaunlich, wie sehr sich Tai in den Tanz einfügte. Niemand bemerkte, dass ich diejenige war, die führte. Wir waren wie eine Einheit. Zwei Teile eines Ganzen. Ich wusste, solang er an meiner Seite war, würde ich mich immer komplett fühlen. Damals war ich mir oft unsicher gewesen, ob der Weg, den wir beschritten wirklich der Richtige war. Ich hatte viele Zweifel, die uns, doch die vor allem mich betrafen. Heute weiß ich, dass sie völlig unbegründet waren. Denn unsere Herzen schlugen im selben Takt – das taten sie schon immer. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir war, dann hatte ich es auch schon immer gewusst. Dass Tai der Richtige für mich war. Dass ich niemals wieder einen anderen Menschen so sehr lieben würde wie ihn. Und dass wir einfach alles überstehen konnten, solange wir uns hatten. Tai hatte mich nie aufgeben. Und dafür war ich unendlich dankbar. Durch ihn konnte ich wieder hoffen. Denn es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich nicht an Morgen dachte, weil das Morgen für mich nicht mehr existierte. Es hatte aufgehört zu existieren, genauso wie die Zeit danach. Doch durch Tai wurde sie wieder lebendig. Die Zeit schritt weiter voran und ich konnte jede einzelne Sekunde davon genießen – weil ich ihn hatte. Nun wusste ich, solange er bei mir war, würde es immer ein Morgen geben. Wir beide gehörten zusammen. Für immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)