Fate/Royale von Daelis ================================================================================ Kapitel 6: Tee, Kekse und ein Geheimnis --------------------------------------- Ich wischte gerade den Tisch ab, als Elisabeth aus dem Schlafzimmer geschlurft kam. Sie wirkte noch ein wenig neben sich, so wie sie sich die Augen rieb. “Master”, grüßte ich sie mit einem Lächeln. “Hast du ausschlafen können?” Ob sie wohl ahnte, was mit ihr geschehen war? Vermutlich nicht und wenn ich ehrlich war, wollte ich es ihr auch nicht direkt auf die Nase binden. Damit würde ich ihr nur Angst machen. Es genügte, wenn ich Angst hatte. “Nicht so richtig. Und du, Caster?”, murmelte sie noch etwas schlaftrunken zurück. Sie klang wieder völlig wie sie selbst. Kein dunkler Unterton, kein Gefühl von Kälte in ihrer Ausstrahlung. Eli war wieder die süße Teenagerin, die mich in diese Welt beschworen hatte. Mir fiel ein Stein vom Herzen. “Als Servant brauche ich keinen Schlaf”, erlaubte ich mir, sie mit einem Lachen zu erinnern, während ihr Blick durch den Raum wanderte, fast als ahne sie, dass jemand hier gewesen war. Skeptisch folgte ich ihrem Blick, der schließlich an einem Teller Keksen hängen blieb. “Du hast ja schon ohne mich gebacken!” Beleidigt verschränkte Eli die Arme und blickte zu mir auf. “Ich dachte, wir machen das zusammen.” “Entschuldige Master”, beeilte ich mich zu sagen. “Ich wollte dich nicht wecken. Darum habe ich mich alleine darum gekümmert.” Elisabeth blies die Wangen auf. Sie wirkte alles andere als beschwichtigt, griff aber nach einem Keks und schob sich diesen in den Mund. “Wie wäre es, wenn du dafür den Tee vorbereitest?”, schlug ich ihr vor. Das schien sie aufzumuntern, denn sofort verwandelte sich ihre missmutige Miene in ein strahlendes Lächeln. “Au ja, das mache ich! Bestimmt kommen die beiden Ruler auch bald.” Ich nickte ihr noch nach, als sie in die Küche flitzte, wo ich sie rumoren hören konnte. Nachdem ich den Tisch ordentlich abgewischt hatte, folgte ich ihr. Sie hatte bereits den Wasserkocher befüllt und sortierte gerade eine Auswahl an Teebeuteln. “Welche Sorte soll ich machen?”, wandte sich Eli an mich, nur kurz über die Schulter blickend, als ich eintrat. “Welche Sorte magst du denn?”, gab ich die Frage zurück und erntete ein Grinsen seitens meines Masters. Elisabeth zögerte nicht mehr und griff nach einer Pappbox mit der Aufschrift “Rote Früchte”. Keine große Überraschung, wenn man mich fragte. Die meisten Kinder mochten nur süßen Tee und wenn ich ehrlich war, hatte sich das bei mir auch nicht verändert. Zwischen Sorten wie Kirsche, Applepie Caramel und Blueberry Muffin brauchte man mir sicher nicht mit einer Sorte wie Ingwer oder Brennnessel kommen. Blieb abzuwarten, ob die beiden Ruler Elisabeths und meine Neigung zu Süßem teilten. Lange mussten wir auf die beiden Servants nicht warten, die in diesem ungewöhnlichen Gralskrieg für Ordnung sorgen sollten. Zwar fragte ich mich noch immer, wer der dritte Ruler sein mochte, dass er nicht mit Holmes und Charles zusammenarbeiten wollte, doch im Grunde machte ich mir diesbezüglich wenig Sorgen. Zumindest solange sich nicht ausgerechnet herausstellte, dass es Shirou Amakusa war, der hier quer schoss. Wohin das führte, hatte man ja in Apocrypha bereits gesehen. Ich schob den Gedanken beiseite, als ich hörte, wie Elisabeth die zwei Ruler aufgeregt plappernd herein bat. Sie war sofort zur Tür gestürzt, als die Türklingel erschollen war, während ich die Zuckerwürfel suchte, von denen ich absolut sicher war, sie gestern noch hier irgendwo gesehen zu haben. Anscheinend ein Irrtum, denn ich fand sie partout nicht. Also steuerte ich auch die Haustür an, um unsere Gäste zu begrüßen. “Ich hole schnell Caster!”, konnte ich Elisabeth hören, da kam sie mir auch schon entgegen geflitzt, die Augen geweitet vor Aufregung und ein strahlendes Lächeln auf den Zügen. “Sie sind da!”, quietsche sie mir aufgeregt entgegen, ehe sie sich wieder zu den beiden Rulern umdrehte, die ich mit einem Nicken und erhobener Hand begrüßte, während Elisabeth die Zwei schon wieder mit Fragen bestürmte. Woher sie denn wüsste, wo welcher Master wohnte und ob sie auch andere Master besuchten? Wie fühlte es sich an, keinen Master zu haben? Waren sie deshalb manchmal traurig? Durften sie über ihre Noble Phantasms sprechen? Nur schwer konnte ich mir ein Schmunzeln verkneifen. Charles schien ein wenig überfordert mit Elisabeths Enthusiasmus und dem Umstand, dass sie nie mehr als den Bruchteil einer Sekunde Zeit gab, um ihre Fragen zu beantworten. Holmes hingegen blieb absolut gelassen, während sein Kollege mit jeder Sekunde unsicherer wirkte. Elisabeth schien das nicht zu bemerken. Sie redete ohne Punkt und Komma weiter. Dass sie die beiden Ruler zur Begrüßung nicht umarmt hatte, war auch alles. Das hatte sie doch nicht, oder? Prüfend musterte ich die Ruler, doch zerknautscht sahen die eigentlich nicht aus. “In welcher Klasse wirst du denn sonst beschworen?”, bestürmte Elisabeth Charles bereits wieder, als ich entschied, dass es wohl besser wäre, einzugreifen, ehe der arme Ruler überhaupt nicht mehr wusste, was ihn dazu getrieben hatte, diese Einladung anzunehmen. “Möchtest du schon den Tee eingießen, Master?”, lenkte ich Eli ab, die unbeirrt über das ganze Gesicht strahlte und nickte. “Mach ich! Kommt doch rein, Ruler!” Damit gab sie nun auch endlich die Tür frei sodass Sherlock und Charles ihr ins Wohnzimmer folgen konnten, während ich die Tür hinter ihnen schloss. Minutenlang bestürmte Elisabeth die beiden Ruler noch mit Fragen. Die meisten davon konnten die beiden Servants nicht einmal beantworten, weil Eli ihnen schlicht keine Zeit dafür ließ, sondern schon weiterfragte. Einige Fragen, so schien es mir, ignorierten die Zwei auch geflissentlich. Vermutlich, weil sie nicht zu viel preisgeben wollten, auch wenn ihnen sicher klar war, dass Elisabeth ihre Fragen nicht unbedingt mit Hintergedanken stellte, sondern schlicht neugierig war. Dennoch fiel mir auf, dass gerade Charles, wann immer die Frage nach seinem Leben aufkam, auffallend oft nach seiner Teetasse griff. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. “Die Kekse sind wirklich köstlich”, lobte Charles schließlich und biss in seinen zweiten Keks. Neben ihm knusperte auch Holmes an einem, sagte jedoch nichts, während Elisabeth ungeniert gleich zwei Kekse griff. “Die hat Caster heute morgen frisch gebacken!”, erklärte Elisabeth strahlend und schob sich einen Keks komplett in den Mund. Charles schenkte mir ein wohlwollendes Lächeln, ehe er seinen Keks aufaß und betonte: “Sehr gelungen. Zu anderen Zeiten hätte ich wohl das Rezept erbeten”, schmunzelte er, nippte dann am Tee und griff bereits den nächsten Keks. Schien ihm wohl wirklich zu schmecken. “Wenn Ihr möchtet, packen wir Euch gerne ein paar für unterwegs ein”, bot ich mit Blick gen Elisabeth an, die sofort nickte. Nichts anderes hatte ich erwartet. Mein kleiner Master war freundlich und großzügig. Sollte sie noch mehr Kekse wollen, könnten wir beide ja immer noch neue backen. Ich hingegen sah es als Chance, uns gut mit den beiden Rulern zu stellen, auch wenn Elisabeth darüber sicherlich nicht nachdachte. Sie war arglos und wollte nur nett sein. Ich wusste nicht, wie Charles das Ganze sah, doch bei Sherlock war ich mir ziemlich sicher, dass er mich durchschaute und genau wusste, dass ich mir ein klein wenig erhoffte, dass die beiden uns im Fragefall nachsichtiger mit uns wären. Wenn schon nicht mit mir, dann zumindest mit meinem Master. Wenn ich fiel, dann wäre es schön zu wissen, dass jemand verhinderte, dass ein Kind wie Eli sinnlos abgeschlachtet wurde. Charles hatte bereits den nächsten Keks verspeist und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Sherlock sprach zuerst. “An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank für die freundliche Einladung. Wir haben nicht oft das Vergnügen.” Ein wenig wunderte mich das. Irgendwie hätte ich erwartet, dass die beiden Ruler überall eher gern gesehene Gäste wären. Immerhin waren sie potentielle Verbündete, sobald ein anderer Master gegen Regeln verstieß und konnten als Belohnung für Unterstützung Befehlszauber gewähren. “Die Freude liegt ganz bei uns”, gab ich zurück und nippte an meinem Tee. Einige kostbare Sekunden blieb es still, während Eli mit ihrem Keks rang. Den in einem Happs essen zu wollen, erwies sich als nicht so einfach, wie sie sich das vorgestellt hatte und nun kaute sie energisch darauf herum. “Es gibt da allerdings noch eine Sache, über die wir reden sollten”, begann Sherlock unvermittelt und nippte an seinem Tee. Über die Sorte hatte er bisher kein Wort verloren, obwohl diese sicher nicht unbedingt seine erste Wahl gewesen wäre. Fragend starrten Elisabeth und ich ihn an, während Charles nur leise seufzte. Worum auch immer es ging, Sherlocks Kollege hatte das Thema wohl erwartet. “Worum geht es denn?”, hakte ich schließlich nach, als Holmes nur bedeutungsschwer in meine Richtung starrte. Unsicher sah ich über meine Schulter, ob dort etwas wäre, das seine Aufmerksamkeit auf sich zog, doch mir fiel nichts auf. “Vergangene Nacht gab es einen Kampf”, begann Sherlock, den Blick auf mich fixiert, dass ich mich direkt unwohl fühlte. Ich ahnte, dass er den Kampf von Lorelei und Tristan meinte und dass Sherlock ganz genau wusste, dass ich mich eingemischt hatte. Ganz anders Elisabeth, deren Augen sich weiteten. “Wer hat denn gekämpft?” Sie hatte offensichtlich nicht den blassessten Schimmer, dass sie und ich in dieser Sache auch mitgemischt hatten. “Archer und Caster”, erklärte Holmes und stellte seine Teetasse auf der Untertasse ab. “Archer gewann, doch die Umstände sind überaus mysteriös. Eigentlich sah es aus, als wäre er bereits unterlegen, als sich das Blatt wendete.” Während Sherlock sprach, ruhte sein Blick immer wieder auf mir. Nicht auffällig, doch jedes Mal lange genug, dass ich am liebsten unruhig herumgerutscht wäre. “Meine Caster hätte ganz bestimmt gewonnen!”, ereiferte sich mein kleiner Master unvermittelt und griff sich unbekümmert den nächsten Keks. Elisabeth schien das Interesse an der Unterhaltung schon fast wieder verloren zu haben. Besonders spannend klang es halt wirklich nicht, was Sherlock hier preisgab - es sei denn natürlich, man wusste ziemlich genau, was so Ungewöhnliches passiert war. “Es ist wirklich ein Wunder, dass Archer noch gewann”, befand Charles ganz ohne jeglichen Argwohn, während sein Kollege nur vielsagend eine Braue hob. “Ich halte es weniger für ein Wunder als für das Eingreifen eines anderen Masters, auch wenn uns dessen Motive nicht bekannt sind.” Charles runzelte die Stirn, doch ehe er etwas einwenden konnte, fuhr Sherlock fort. “Bündnisse sind in Gralskriegen nicht ungewöhnlich. Dennoch war auffällig, dass Archer und sein Master selbst überrascht zu sein schienen. Wer immer sich einmischte, hat womöglich eigene Motive.” Zumindest bei dieser Bemerkung konnte ich aufrichtig die Unwissende spielen. Wieso genau die dunkle Seite in Elisabeth Tristan hatte helfen wollen, wusste ich ja wirklich nicht. “Vielleicht hatte sich Caster schon anderweitig Feinde gemacht”, tat ich überlegend und betete, dass man mir abkaufte, dass ich gerade eben zum ersten Mal von diesem Vorfall gehört hatte. Ich zuckte mit den Schultern. “Gab es denn schon viele Kämpfe?”, versuchte ich das Thema auf etwas anderes zu lenken. Leider vergeblich, denn Sherlock ließ nicht locker. “Nicht viele, aber dieser war in jeder Hinsicht speziell.” Charles nickte nachdenklich. “Dennoch: Es war kein weiterer Master oder Servant vor Ort”, gab er zu bedenken, doch sein Rulerkollege Holmes ließ sich nicht beirren. “Das heißt noch lange nicht, dass kein Master eingegriffen hat”, befand Sherlock knapp. “Archer hätte nicht gewinnen können. Sein Sieg war mehr als ungewöhnlich”, erklärte Holmes sachlich und griff nun wieder nach seiner Teetasse, in die er kurz hinein sah, ehe auch mir auffiel, dass sie leer war. Eilig goss ich ihm nach, während sein Blick auf mir ruhte. Konnte er bitte aufhören, mich so anzusehen, als könnte er in mir lesen wie in einem offenen Buch? Das Blöde war, dass er das vermutlich wirklich konnte. “Genau wie du, Caster.” Sherlocks Bemerkung hatte mich völlig unerwartet getroffen und so starrte ich den Ruler nur verdattert an. Elis fragender Blick ähnelte dem meinen. “Wie ich?”, brachte ich schließlich heraus, wobei meine Stimme etwas höher als gewöhnlich klang und verriet, wie unwohl ich mich ob Holmes’ Bemerkung fühlte. Wusste er etwa, dass mit mir etwas als Servant nicht stimmte? Ahnten Ruler so etwas? Konnte er vielleicht sehen, dass ich überhaupt kein Held gewesen war und auch nicht aus einer Welt kam, in der es Magie gab? Wie sollte ich ihm all das erklären? Und selbst wenn man mir glaubte, was für einen Unterschied machte es? Eiskalt lief es über über den Rücken, als Sherlock nun einen Schluck von seinem Tee nahm und mir sogar ein Lächeln schenkte. “Ich finde diesen ganzen Krieg ziemlich seltsam”, startete ich nervös einen zweiten Versuch, das Thema auf etwas anderes zu lenken. “So viele Magier und sie alle müssen teilnehmen…” Elisabeth griff sich einen Keks und erklärte mit vollem Mund: “Und wir werden gewinnen!” Was gäbe ich für ihren Optimismus. Realistisch gesehen standen unsere Chancen leider überhaupt nicht so gut. Ganz abgesehen von der Dunklen Elisabeth, wie ich entschied, den Geist zu nennen, der Eli übernommen hatte. Wer wusste schon, welche Pläne sie verfolgte und was sie tun würde, wenn ich mich ihren Wünschen widersetzte. “Nun, was diesen Krieg ungewöhnlich macht, ist eigentlich etwas gänzlich anderes.” Holmes’ Miene blieb weiterhin ungerührt, doch wieder ruhte sein Blick auf mir. Mein Blick jedoch wanderte fast hilfesuchend zu Charles, der die Lippen zu einem schmalen Strich gepresst hatte und Sherlock einen fast mahnenden Blick zuwarf. Hatte ich etwas verpasst? Spielte Sherlock hier etwa auf etwas an, dass nur Ruler wussten? Jetzt war ich auch neugierig. “Und das wäre?”, hakte ich nach. Mit einer Antwort hatte ich beinahe nicht gewartet oder zumindest nicht mit einer so aufschlussreichen. “Du, werte Caster.” Sherlock schmunzelte ob meiner irritierten Miene. “Ich?” Aus den Augenwinkeln sah ich kurz zu Charles, der die Stirn in nachdenkliche Falten gezogen hatte, doch wieder war es Sherlock, der mir antwortete. “Du. Als Ruler haben wir die Fähigkeit, einen Heldengeist zu identifizieren. Das heißt, uns sind Name und Geschichte bekannt.” Da fiel bei mir der Groschen und sogar mir war klar, dass man mir das vermutlich auch genau ansehen konnte. Die beiden Ruler hatten keine Ahnung, wer ich war, weil es mich hier eigentlich gar nicht gab. Irgendwie hatte Elis Beschwörung eine andere Realität erreicht und mich aus meinem Leben hierher gerissen. “Bei dir hingegen…” Sherlock sah über seine Tasse hinweg zu mir. Instinktiv versteifte ich mich unter seinem Blick. “Bei dir hingegen, Caster, können wir das nicht. Ein wirklich faszinierendes Rätsel.” Ich fand das weniger faszinierend als beunruhigend, zumal Sherlock auf eine Weise dreinsah, bei der ich mir direkt die Frage stellte, ob er dieses Rätsel wirklich nur interessant fand oder nicht eher erpicht darauf war, es zu lösen. Nervös lächelte ich die beiden Ruler an. “Ah… ist das so? Ich hatte keine Ahnung. Dann hätte ich mich wohl vorstellen sollen. Ich wollte wirklich nicht unhöflich sein”, plapperte ich eilig drauf los. “Mein Name ist Daelis, sehr erfreut.” Zumindest Charles schien mir mein Laienschauspiel abzukaufen, denn er lächelte mich wohlwollend an und nickte kaum merklich. “Die Freude ist ganz bei uns. Vielleicht erzählst du uns ja etwas über dich?”, schlug er versöhnlich vor und sah dabei kurz zu Holmes, der lediglich wissend schmunzelte. Ich hatte keine Ahnung, was Sherlock wusste, aber ganz sicher hielt er weder den Ausgang des Kampfes zwischen Lorelei und Tristan, noch meine seltsam verschleierte Identität für einen Zufall so wie Charles. “Über mich? Ähm… Ehrlich gesagt kann ich mich nur sehr schwammig erinnern”, murmelte ich kleinlaut und betete inständig, dass diese Ausrede auch dieses Mal ziehen würde. Hilfesuchend warf ich einen Blick zu Elisabeth, die bedrückt auf ihre Knie schaute. Sie glaubte ja, dass es ihre fehlerhafte Beschwörung war, die dafür gesorgt hatte, dass ich nichts zu erzählen wusste. Sacht drückte ich ihre Hand. Gerne hätte ich sie entlastet und einfach alles erzählt, doch dann wäre meine Rolle als Heldengeist nur noch ein Witz und womöglich würden die Ruler entscheiden, dass ich nicht hier sein sollte. Damit wäre fraglich, ob Elisabeth noch eine Chance auf den Gral hätte, von meinem Verbleib ganz zu schweigen. Ich wollte gar bestimmt nicht sterben. Also musste ich mir wohl oder übel irgendetwas aus den Rippen leiern, das heldenhaft genug klang, um ein Servant zu werden und gleichzeitig nicht so pompös, dass man sich wundern musste, wieso kein Schwein meinen Namen kannte. Da hatte ich mir ja etwas eingebrockt. Halt, nein: Da hatte mir der Gral ja etwas eingebrockt! “Ich erinnere mich an einen Raum mit vielen Büchern”, erklärte ich schließlich und rieb mir demonstrativ die Schläfe, darauf bedacht, nicht dauernd zu Sherlock zu blicken. Der war es schließlich, den ich wirklich überzeugen müsste. Daran, dass mir Eli und Charles glaubten, zweifelte ich nämlich nicht weiter. Mit der freien Hand strich ich dann über mein eigenes Buch. “Ich weiß auch noch, dass man mich manchmal um Hilfe gebeten hat, wenn jemand mit seinem Schicksal nicht zufrieden war. Doch was ich riet oder auf welcher Grundlage…” Hilflos zuckte ich mit den Schultern und mimte die Ratlose. “Irgendwie habe ich das Gefühl, ich wäre eine Art Wächter gewesen. Allerdings passt das wohl nicht wirklich zu meinen anderen Erinnerungen, oder?” Insgeheim hatte ich mir natürlich etwas zurecht gesponnen, das zu meinem Noble Phantasm passte und irgendwie auch erklärte, wieso mein Name nicht gerade bekannt war. Wenn ich behauptete, dass ich eine eher einsiedlerische Hexe gewesen war, die über magische Bücher wachte und dabei gelegentlich in das Geschehen der Welt eingriff, um zu einem Happy End zu führen, dann wüsste das kaum jemand und niemand würde hinterfragen, wieso mein Name unbekannt war, während ich mir damit die Rolle als Heldengeist bestimmt hätte verdienen können. Mit Sicherheit nicht optimal diese Geschichte, doch das Beste, das mir auf die Schnell einfiel. Blieb zu hoffen, dass meine scheinbar unzusammenhängenden Andeutungen dazu führten, dass die zwei Ruler die Puzzleteile zusammensetzten und das Bild erkannten, das ich ihnen zu vermitteln versuchte. Wenn sie es für ihre Erkenntnis hielten, war ich aus dem Schneider. Es machte mich glaubwürdiger. “Tut mir Leid. Das ist wohl leider nicht sehr hilfreich”, wandte ich mich zerknirscht an die Runde und ganz wie ich gehofft hatte, reagierte Charles sofort hilfsbereit. “Ah, aber nicht doch. Es ist ja nicht deine Schuld und wir sind dankbar, dass du so offen mit uns bist. Sicherlich legt sich diese Amnesie bald.” Eifrig nickte ich und drückte noch einmal sacht Elisabeths Hand, die diese Geste erwiderte und ebenfalls nickte. “Ich bin gespannt, was du dann für aufregende Geschichten erzählen kannst, Caster”, mischte sich Sherlock ein und hätte ich noch einen Beweis dafür gebraucht, dass er kein Wort von meiner Geschichte gekauft hatte, dann hätte mir dieses fucking scheinheilige Lächeln das ziemlich klar verraten. Sah denn nur ich das? “Wenn dir noch etwas einfällt, wirst du es uns doch sicher mitteilen.” Eilig nickte ich Sherlock zu, der seine Tasse nun wieder abstellte. “Selbstverständlich Ruler.” “Dann können wir uns wieder zum Kekseessen treffen”, fügte Elisabeth gut gelaunt hinzu, die in ihrer Arglosigkeit vermutlich nicht einmal ahnte, welche Anspannung zwischen Sherlock und mir in der Luft hing. Für einen Moment lang hatte ich das Gefühl, Holmes wäre belustigt, doch seine Miene war unglaublich schwer zu lesen. Charles war im Vergleich ein offenes Buch. Er lächelte gut gelaunt und kusperte an einem Keks, ganz so als sorge er sich nicht im geringsten ob dieser kleinen Anomalie, die ich in diesem Krieg darstellte. Noch sorgloser sah nur Elisabeth drein, die lediglich grinste und eher der Ansicht schien, dass mich das zu einem besonderen Servant machte, was doch nichts Schlechtes sei. Mir allerdings ging der Arsch gehörig auf Grundeis. Nicht nur, dass Sherlock Holmes sicher ein Auge auf alles hätte und ihm ganz bestimmt auffiele, wenn ich mein Noble Phantasm noch einmal benutzte, ich wusste auch noch immer nicht, wer die Dunkle Elisabeth war oder wie ich hierher hatte gelangen können. Wieso gab es in dieser Welt überhaupt einen Katalysator für mich? Oder war es vielleicht mein Ich aus dieser Realität? Vielleicht war die Daelis hier ja eine Heldin gewesen, wog ich ab. Doch dann würde man die wohl kennen. Möglich war auch, dass ich ähnlich einem Counter Guardian funktionieren sollte. Die waren ja auch nicht unbedingt große Helden der Geschichte. Aber falls dem so war, gegen was hatte der Gral mich hergerufen? Fragen über Fragen, auf die ich bisher nur eine sehr vage Antwort hatte: Merlin. Denn der war immerhin selbst ein Master und kein Servant. Sehr wahrscheinlich hing das alles also mit ihm zusammen. Na toll. Selbst, wenn er nicht das Problem war, wüsste er wahrscheinlich mehr, zumindest über die Dunkle Elisabeth. “Leider müssen wir uns langsam auf den Weg machen”, riss mich Charles aus meinen Gedanken. Neben mir zog Elisabeth direkt eine Schnute. “Jetzt schon? Ihr seid doch noch gar nicht lange da”, jammerte sie und warf einen fragenden Blick zu Sherlock, wohl in der Hoffnung, dieser würden seinem Ruler-Kollegen widersprechen. Stattdessen jedoch nickte der Detektiv nur zustimmend. “In der Tat. Wir haben noch etwas Wichtiges zu erledigen.” Elisabeth beschwichtigte das nicht. “Und was?”, hakte sie neugierig nach, noch immer mit beleidigtem Unterton in der Stimme. Charles’ Lächeln war so schief wie Pisas berühmter Turm, als er recht ausweichend erklärte, dass es sich um Ruler-Angelegenheiten handele und er wirklich nicht mehr sagen könne. Dass das für meinen Master nach einer Ausrede klang, konnte ich Eli an der Nasenspitze ansehen. Erst als Sherlock sich erhob, brach die angespannte Stimmung und auf Elis Miene siegte Enttäuschung über Ärger. “Ihr kommt doch wieder zu Besuch, oder?” Jetzt kehrte ein warmes Lächeln auf Sherlocks Züge zurück und er nickte Elisabeth zu. “Sehr gerne, junge Dame. Es wäre uns eine Freude.” Diese Worte wirkten wie ein Zauberspruch und ließen Elisabeths Miene direkt aufhellen. “Dann ist ja gut!”, freute sie sich. Als Holmes’ Blick dann aber kurz zu mir wanderte, konnte ich das vage Gefühl nicht abschütteln, dass sein Versprechend zugleich bedeutete, dass er auch nachforschen würde, was es mit mir auf sich hatte. Da wusste ich wirklich nicht, ob ich hoffen sollte, dass er nichts fand oder aber, dass er etwas fand und damit auch mir half, dieses ganze Rätsel um mein Hiersein zu lösen. Ich war so damit beschäftigt, Angst vor Sherlocks Verstand zu haben, dass mir erst an der Tür siedend heiß mein Versprechen an Charles wieder einfiel. “Oh, wir wollten euch doch noch Kekse einpacken. Einen Augenblick!” Auf eine Reaktion wartete ich nicht mehr, sondern sprintete direkt los, um eine Gefriertüte mit Keksen zu füllen. Für Elisabeth und mich zu zweit waren es eh zu viele, selbst wenn man davon absah, dass ich ja eh nicht essen musste. Als ich mit den Kekstüte bewaffnet wieder in den Flur trat, erklärte Sherlock Elisabeth gerade, dass nicht alle Ruler auch in anderen Rollen beschworen werden konnten. Mein kleiner Master lauschte mit unverkennbarer Neugier, bis ich das Gespräch durch meine Anwesenheit unterbrach und Charles die Tüte übergab, der mich begeistert anlächelte. Dass er Kekse mochte, war wohl keine Untertreibung gewesen. “Lass es euch schmecken!”, ließ Eli die beiden Ruler wissen, kaum, dass Charles die Kekse an sich genommen hatte. “Das werden wir. Bis bald, Elisabeth, Caster. Passt auf euch auf”, hob Charles zum Abschied die Hand und grinst wie ein kleiner Junge, dem man gerade Süßigkeiten gegeben hatte. Da vergaß man wirklich fast, dass er als Karl der Große in die Geschichte eingegangen war. “Machts gut”, verabschiedeten Eli und ich uns fast unisono. “Bis bald.” Sherlock deutete eine Verneigung an, ehe er sich ebenfalls abwandte. Elisabeth und ich kehrten ins Wohnzimmer zurück, wo ich mich dieses Mal meinem Master gegenüber setzte. “Die beiden sind wirklich nett”, plauderte Eli gelassen drauf los. “Ich hoffe, sie kommen bald wieder vorbei. Vielleicht kommt dann ja auch der dritte Ruler mit.” Das glaubte ich irgendwie nicht. Wenn der dritte Ruler nicht gemeinsam mit Holmes und Charles arbeiten wollte, musste das ein ziemlich schräger Vogel sein, denn als Ruler waren diese Zwei eindeutig eine hervorragende Wahl des Grals. Ich betete stumm zu einem Gott, an den ich nicht glaubte, es möge nicht Shirou Amakusa sein. Bitte, nicht Shirou. Denn, wenn der hier mitmischte, musste ich wirklich tierisch aufpassen. Als wäre Merlin nicht schon besorgniserregend genug! Apropos Merlin… “Du hast heute wirklich lange geschlafen, Master”, wechselte ich in tadelndem Tonfall die Stimme. “Das sollte besser nicht zur Gewohnheit werden, sonst kannst du abends nicht einschlafen.” Eli zog nur kurz eine Schnute, dann lachten wir beide. “Ist gut, Caster. Aber nur, wenn du mir abends immer etwas erzählst oder vorliest.” “Einverstanden”, stimmte ich sofort zu, hakte aber dann direkt weiter nach. “Wovon hast du denn heute morgen so lange geträumt?” Ob sie sich unterbewusst an irgendetwas erinnerte? Immerhin war sie physisch voll dabei gewesen. Mein Master zog eine nachdenkliche Miene, dann zuckte sie mit den Schultern. “Weiß ich nicht mehr. Glaube, irgendetwas mit Sensei und Diogenes.” Sollte ich nun erleichtert sein oder mir Sorgen machen, weil sie die beiden so selbstverständlich als Teil ihres Lebens sah, dass es schwer würde, ihr klar zu machen, dass hinter Marlin eigentlich ein Typ namens Merlin steckte, der ganz sicher nicht nur der harmlose Onkel von nebenan war? Blöd nur, dass ausgerechnet Marlin-Merlin vielleicht der einzige war, der mir in Sachen Dunkle Elisabeth weiterhelfen könnte. Er kannte meinen Schützling ziemlich gut und war obendrein immerhin ein wahnsinnig mächtiger Magier. Welche Wahl hatte ich also? “Was hälst du davon, wenn wir heute Nachmittag deinen Sensei und Diogenes besuchen und ihnen die restlichen Kekse mitbringen?”, schlug ich vor und traf dabei wie erwartet einen nerv. Eli strahlte sofort über das ganze Gesicht und nickte energisch. “Au ja, die freuen sich bestimmt!” “Das wird sicher lustig”, stimmte ich zu. Oh ja und wie lustig das Ganze erst würde, wenn Merlin und ich uns noch einmal unter vier Augen unterhielten. Beim letzten Mal hatte ich ihm immerhin eine gelangt. Irgendwie beschlich mich schon jetzt das Gefühl, dass es nicht unwahrscheinlich war, dass das wieder passierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)