Fate/Royale von Daelis ================================================================================ Kapitel 3: Inkognito -------------------- Es wäre eine Lüge gewesen, zu behaupten, dass mein irgendwie ungutes Gefühl sich bei dem Spaziergang durch Chronos legte. Die Stadt mochte von außen nicht anders aussehen als irgendeine andere Stadt und für die Bewohner galt gleiches, doch ich hatte die Worte Elisabeths noch zu gut im Hinterkopf. Alle Magier kamen für den Krieg hierher. Und sie alle mussten am Krieg teilnehmen. Wollte ich da überhaupt wissen, wie viele Leute hier mit Befehlszaubern auf der Hand herumliefen, vielleicht schon ihren Servant beschworen hatten und nur darauf warteten, dass der Startschuss fiel? Mir wurde schon vom daran denken ganz übel. Elisabeth hatte meine Hand gegriffen und führte mich, was in mehr als einer Hinsicht gut war. So konnte ich mich ein wenig umsehen und zugleich würde es vermeiden, dass ich mich hoffnungslos verlief. Das war nämlich leider gewissermaßen mein geheimes Talent. Nach den ersten Metern raste mein Herz bereits vor lauter Nervosität und ich schalt mich stumm eine Idiotin. Wenn jemand angreifen wollte, würde ich doch sicher einen anderen Servant in der Nähe spüren, oder? Sie nähmen mich ja auch wahr. Allein Assassins konnten ihre Anwesenheit verschleiern und daran würde auch meine Paranoia nichts ändern. Vielleicht könnte ich ja entdecken, ob ein potentieller Feind in der Nähe war? So gut ich in meiner Aufregung eben konnte, versuchte ich, mich zu konzentrieren. Die Erinnerung daran, wie sich Cú Chulainns Nähe angefühlt hatte, war noch frisch, doch hier und jetzt nahm ich nichts Vergleichbares war. Kein Schauer, der mich durchfuhr, kein vages Gefühl von Gefahr. Nur das sichere Wissen, dass mehrere Master nahe waren, was auch nicht unbedingt dazu beitrug, dass ich mich entspannte, obwohl das kaum eine Überraschung war. Natürlich waren hier Master. Vermutlich Dutzende! Wenn das so weiterginge, wäre ich ein nervliches Wrack ehe ich überhaupt wusste, wie viele Leute hier überhaupt mitmischten. Wie viele Magier wohl letztendlich am Krieg teilnehmen wollten? Ich betete stumm, dass es nicht zu viele wären, sondern sich möglichst viele Magier dafür entscheiden würden, freiwillig auszuscheiden. Warum die kleine Elisabeth das nicht bereits von sich aus getan hatte, war mir sowieso schleierhaft. Hoffentlich riet ihr Sensei ihr dazu. Mein Master schien meine Nervosität allerdings überhaupt nicht zu teilen. Munter und gut hörbar für alle um uns herum plauderte sie vor sich hin, erzählte mir, wo sich welche Geschäfte befanden und dass sie sich ganz doll freute, mich ganz ohne Hilfe beschworen zu haben. Jedes Mal, wenn sie etwas erwähnte, das auch nur im Entferntesten mit dem Gralskrieg zusammenhing, zuckte ich zusammen, doch niemand schien davon Notiz zu nehmen - oder von Eli generell, obwohl sie so laut sprach, dass jeder, an dem wir vorbei kamen, sofort wissen musste, um was es gerade ging. Beinahe kam es mir vor, als wäre mein Master der Geist und nicht ich, so wie die Leute sie ignorierten. Vielleicht war das die Art der Leute hier damit umzugehen, dass auch Kinder am Krieg teilnehmen mussten. Sie ignorierten es, weil die Vorstellung, ein Kind töten zu müssen, um an den Gral zu kommen, einfach nur abstoßend war. Oder aber sie gingen davon aus, dass Elisabeth ihre Befehlszauber sowieso weitergäbe. So richtig überzeugten mich zwar diese Erklärungen nicht, doch eine bessere hatte ich nicht zur Hand. Vielleicht waren die Magier hier auch einfach nur seltsam. Zielsicher führte mich Elisabeth die Straßen entlang zu einem Betonklotz von Gebäude, über dessen Glastüren der Schriftzug “CR-Laboratoriums” prangte. Ich war verwirrt. Arbeitete ihr Sensei hier? Ohje, das konnte ja heiter werden. Vor meinem inneren Auge entfaltete sich bereits das klischeehafte Bild eines wahnsinnigen Wissenschaftlers, der die Weltherrschaft an sich reißen wollte. Ein bisschen wie Pinky and the Brain. Blieb die Frage, ob Diogenes als Pinky durchginge, so lustlos wie er gewirkt hatte. Vielleicht war das aber auch nur der Punkt, an dem ich mir Sorgen darüber machen sollte, was mein Hirn so ausspuckte. Möglicherweise war ja alles ganz harmlos und die eigentliche Gefahr war eben Cú Chulainn nebst Master. Den hatte ich noch nicht vergessen und auch nicht mein Buch, in das ich jedoch nicht zwischen Tür und Angel oder gar in der Öffentlichkeit hineinsehen wollte. Am besten nicht einmal vor Elisabeth, damit sie nicht merkte, wie wenig Peilung ich hatte. Das Foyer empfing uns in dunklen, kühlen Tönen, die gleich den Eindruck von Sterilität vermittelten, wie ich fand. Alles andere als gemütlich jedenfalls. Allerdings klärte sich jetzt, wieso ich mehrere Master wahrgenommen hatte. Die standen hier nämlich für irgendetwas Schlange, fast wie im Supermarkt. Doch noch ehe ich meinen Master danach fragen konnte, was einen Haufen Magier während des Krieges dazu veranlasste, ihre Zeit mit Herumstehen und Warten zu verschwenden, zog mich Elisabeth auch schon einfach an der Schlange vorbei, was zu meiner Verwunderung nicht nur niemanden zu stören sondern auch keinen zu verwundern schien. Am Empfang erwartete uns eine junge Frau mit strahlendem Lächeln, die Elisabeth einfach durchwinkte und obendrein mit “Willkommen Lady Elisabeth” begrüßte. Verdattert folgte ich Eli zu den Fahrstühlen. “Du kommst oft her, oder?”, erkundigte ich mich. “Ja, Onkel Marlin arbeitet hier und darum kennt mich hier auch jeder”, erklärte sie stolz, wohl nicht ahnend, dass mich das nur weiter verunsicherte. Ich schaute eindeutig zu viele Horrorfilme, wenn die erste Assoziation von Kindern in Laboren der Film The Ring war und die Szene, in der die kleine Samara Morgan in diesem weißen Raum hockt. Danke, liebes Hirn, für diese wenig hilfreichen Einblicke. Elisabeth war zum Glück nicht so schräg drauf wie das Ring-Mädchen, sondern sprühte vor Leben. Mit einem leichten Ruck setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Abwärts. Und nicht nur ein paar Etagen. Ich wagte einen kurzen Blick auf die Anzeige und bereute es sofort. Elf Etagen unter die Erde? Elf?! Wollte ich wissen, was da unten war? Dass wir gleich neun Stockwerke davon in die Tiefe fuhren, behagte mir nicht unbedingt. Wozu baute jemand ein Labor so tief unter der Erde? Zumindest ging es nicht ganz nach unten. Ein Teil von mir musste dennoch unwillkürlich an diesen Horror-Action-Streifen mit den Zombies in einem unterirdischen Labor denken. Musste ich so etwas überhaupt fürchten? Immerhin war ich ein Geist und damit bereits tot. Konnten Geister verzombifiziert werden? Ich schüttelte den Gedanken ab und lächelte in Elisabeths Richtung, die dies als Chance sah, meine Hand zu fest zu drücken. Eine Geste, die ich instinktiv erwiderte. “Onkel Marlin freut sich bestimmt, dich kennenzulernen, keine Sorge, Caster”, beruhigte sie mich. Wirkte ich so unsicher? Es stimmte zwar, dass ich mir Marlin betreffend einige Sorgen machte, doch die Frage, ob er mich mögen würde, gehörte eindeutig nicht dazu. Angesichts der Umstände war mir das sogar herzlich egal. Allein um Elisabeths Willen musste ich vorsichtig sein, damit ihr Sensei nicht auf die Idee kam, seine kleine Schülerin loszuwerden. Unwillkürlich fand meine Hand ihren Weg zu dem Buch, das an meiner Hüfte hing und sich so vertraut anfühlte. Bitte sei nützlich. Bitte sei richtig, richtig nützlich und enthalte auf keinen Fall Fanfictions. Als die Türen der silbernen Fahrstuhlkabine schließlich aufglitten und den Blick auf einen von Neonröhren erleuchteten Flur preisgaben, verstärkte sich der Eindruck eines Labors. Die Wände waren schneeweiß gestrichen und ein leichter Geruch von Desinfektionsmittel hing in der Luft, fast wie in einem Krankenhaus. Der kleine Vorraum gab den Blick auf ein Labor preis, in das man durch verglaste Fronten schauen konnte. Neugierig ließ ich den Blick dorthin schweifen, doch nur kurz, denn zum Einen bemerkte ich nichts ungewöhnlicheres als Reagenzgläser, diverse Glaskolben sowie eine Zentrifuge und zum Anderen trat bereits jemand aus dem Labor direkt auf uns zu, der mir sofort bekannt vorkam. Am liebsten hätte ich mir die Augen gerieben, denn ich konnte kaum glauben, wer sich da die Ehre gab. Diesen weißen Schopf kannte ich eindeutig aus dem Fate-Fandom. Sollte das hier ein Witz sein? Wenn ja, konnte ich darüber nicht wirklich lachen. “Elisabeth, Caster. Schön, dass ihr hier seid. Kommt doch herein. Möchtet ihr einen Tee?”, begrüßte er uns. Auf den Zügen des Mannes lag ein wohlwollendes Lächeln, das fast schon zu arglos schien und doch unwillkürlich dafür sorgte, dass ich meine Anspannung ein wenig nachließ. Mit einer einladenden Geste winkte er uns, ihm in eine Art Behandlungszimmer zu folgen. Für mich sah das beinahe aus, als wäre er Arzt und wir in einer Praxis, nicht in einem Laborgebäude. Noch während ich mich umsah, sprach Elisabeths Sensei weiter, eindeutig an mich gewandt. “Ich bin übrigens Prof. Marlin und der Master von Diogenes.” Marlin. Jetzt, wo ich ihn gesehen hatte, konnte ich darüber wirklich nur den Kopf schütteln. Ich kannte ihn, diesen “Marlin”. Dieser Name war ein schlechter Scherz. War das wirklich sein Ernst? Das war unter diesen Umständen halt mal der absolut beknackteste und schlechteste Deckname, der ihm hätte einfallen können! Im nächsten Leben dann vielleicht Murlin oder Morlin? Wenn er die gleiche Kreativität früher in Camelot an den Tag gelegt hatte, hatte ich prompt eine vage Idee, wieso seine Pläne nie so richtig gut gegangen waren. Dennoch hatte es für einen Heldengeist wohl gereicht, auch wenn er sich hier und jetzt nicht anfühlte wie ein Geist, sondern wie ein Master. Ich beäugte ihn von Kopf bis Fuß. So lebendig wie er hier vor mir stand, hieß das dann wohl aber, dass er im letzten Krieg gewonnen hatte und sich für ein zweites Leben entschieden hatte. Schon ironisch, dass er diesmal als Master und nicht als Servant teilnahm. Da wusste ich nicht, ob ich lachen oder heulen sollte. Sicher war ihm diese Ironie auch nicht entgangen. Diogenes wäre dann wohl auch nicht weit, wenn Merlin oder halt meinetwegen auch Marlin hier arbeitete. Was der wohl von seinem Master hielt und ob er wusste, wer dieser Kerl wirklich war? Ich nahm es an. Elisabeth hingegen ahnte es vermutlich nicht. Wie könnte sie auch? Es war ja nicht so, als gäbe es reihenweise Poster und Fernsehnachrichten aus den ersten Lebzeiten des Magiers. “Bitte nehmt doch Platz.” Elisabeths Beispiel folgend setzte ich mich ihm gegenüber neben Elisabeth. Auf dem Schreibtisch standen bereits vier Tassen dampfenden Tees, ganz so, als hätte der Magier ganz genau gewusst, wann wir eintreffen würden. Mein Blick jedoch hatte Diogenes erspäht, der auf der Patientenliege lag und zu schlafen schien. Zumindest zeigte er kein Anzeichen, dass er überhaupt bemerkt hatte, dass wir hier waren. Vielleicht besser so. Zwar hatte er noch nicht viel gesagt, aber so richtig vertrauenserweckend war er bei unserer ersten knappen Begegnung auch nicht gewesen. Elisabeth hingegen wirkte total entspannt und schien sich darüber überhaupt keine Gedanken zu machen. Als ich zurück zu Merlin-Marlin blickte, genoss der bereits ungeniert seinen Tee. Vorsichtig griff ich nach einer Tasse und nippte am Tee. Die Sorte konnte ich nicht zuordnen, doch er war süß und damit prinzipiell erstmal gut. Vielleicht würden sich meine Nerven jetzt auch ein wenig beruhigen. Zwar traute ich Merlin nicht unbedingt und Diogenes entsprechend auch nicht, doch zumindest für den Moment schienen beide friedlich zu sein. Zweifellos hatten die eh gefährlichere Gegner als ausgerechnet Elisabeth und mich. Wir waren ja eher von der Sorte ‘harmlos und leicht loszuwerden’, so ungern ich das zugab. Das beste Beispiel jedoch für einen sehr gefährlichen Gegner hatte ich ja schon getroffen: Cú Chulainn. Ihn und auch seinen Master, diesen Lord El Melloi, zu unterschätzen, wäre ein riesiger Fehler, den ich sicher nicht machen wollte. Allerdings blieb die Frage, wieso die beiden versucht hatten, mich abzuwerben. Es war ja nicht so, als könnte ich das einfach alleine entscheiden. Oder steckte doch noch mehr dahinter, als ich auf den ersten Blick erkennen konnte? “Nun”, ergriff Marlin als Erster wieder das Wort und ließ mich glatt staunend zurück, wie ihm das überhaupt gelang, denn vorhin hatte mein Master ja noch munter geplaudert wie ein Wasserfall. Jetzt aber nippte auch Elisabeth an ihrem Tee, immer wieder gegen diesen pustend, weil er ihr wohl noch zu heiß war. “Woher hattest du überhaupt den Katalysator für Caster, Elisabeth?” Ich stockte. Hieß das etwa, nicht er hatte den besorgt? Das war nämlich mein Verdacht gewesen. Woher sonst sollte Elisabeth einen Katalysator haben? So gesellte sich zu Marlins fragendem Blick mein eigener. Mein Master lugte hinter ihrer Tasse hervor. “Mir hat ein Servant geholfen und daher habe ich auch den Katalysator!”, verteidigte sie sich. “Er hat gesagt, dass ich mich beeilen muss. Also konnte ich nicht warten und es war doch auch so aufregend! Mein ganz eigener Katalysator!”, ereiferte sich Elisabeth mit strahlenden Augen. An der Wahrheit ihrer Worte zweifelte ich nicht, dennoch stellten mich diese Antworten vor nur noch mehr Fragen. Ein Servant hat ihr meinen Katalysator gegeben? Warum? Und wer? Etwa Cú Chulainn? Das würde immerhin erklären, woher er wusste, wo er Elisabeth und mich finden würde. Womöglich wüsste er sogar mehr über mich als ich selbst und hatte darum den Katalysator herausgegeben. War das der Plan hinter meiner Beschwörung? Dafür zu sorgen, dass Elisabeth keinen starken Servant mit einem Katalysator beschwor, den ihr Merlin - oder halt auch Marlin - gab? Wenn ja, dann ging hier jemand sehr strategisch vor. Einem Lord El Melloi traute ich das durchaus zu. Das hieß zugleich aber auch, dass Cú Chulainn und sein Master ziemlich sicher auch den jungen Mann getötet hatten, der mich zuerst beschworen hatte. Dessen Anblick, wie er Blut spuckte und zusammenbrach, hatte ich noch vor Augen. Kaltblütig ermordet, noch während der Beschwörung. Als habe man sicher gehen wollen, wen der Katalysator rufen würde. Jemanden, der keine Gefahr wäre. So überzeugend ich diese Theorie fand, sie passte nicht zu meiner anderen, nämlich der, dass man mich hatte abwerben wollen, um Marlins Position zu schwächen. Dann nämlich hätte man sich für mich nicht weiter interessiert. Stattdessen aber hatte sich der blauhaarige Caster persönlich bequemt, um mir ein Angebot zu unterbreiten. Nur Show? Ich hatte keine Ahnung, wenn ich ehrlich war. Hatte Cú Chulainn den Mann getötet, der mich beschwor? Nicht, dass ich ihm das nicht zutraute, aber hätte man bei einem Caster nicht mit etwas mehr Magie rechnen müssen? Feuer oder so? Ich erinnerte mich an nichts derart Auffälliges. Steckte doch jemand anderes dahinter oder vielleicht ein anderer Verbündeter von Lord El Melloi? Natürlich bestand noch immer die Chance, dass es eine ganz andere Partei gewesen sein könnte, deren Gründe mir absolut schleierhaft waren. Ich musste wissen, wer meinem Master den Katalysator gegeben hat und wieso diese Person es so eilig damit hatte, dass ich beschworen wurde, wenngleich nahe lag, dass meine Beschwörung bedeutete, dass Marlins Vorbereitungen ad absurdum geführt wurden. Was wohl überhaupt der Katalysator gewesen war? Danach fragte ich Elisabeth wohl besser später. Meine Liste wurde wirklich immer länger, immerhin wollte ich auch noch immer unbeobachtet einen Blick in mein Buch werfen. Sollte einem der Gral nicht eigentlich zumindest irgendein Wissen mitgeben? Wo war meines bitte? Am liebsten hätte ich mich einfach zusammengekauert und ein wenig geheult, so hilflos fühlte ich mich. Eigentlich hatte ich gehofft, dass Merlin-Marlin fragen würde, was für ein Servant Eli den Katalysator gegeben hatte, doch Fehlanzeige. Beinahe, als hätten beide Magier das Thema damit schon abgehakt, wandte sich Marlin dem nächsten Punkt zu. “Du hättest mir wirklich sagen sollen, dass du schon eine Beschwörung durchführen willst.” Trotz des Tadels sah Elisabeths nur ein klein bisschen schuldbewusst drein. Vielmehr kam es mir vor, als wäre sie insgeheim stolz, es ganz ohne Hilfe geschafft zu haben. Ein wenig konnte ich das sogar verstehen. “Das war sehr unbedacht und gefährlich. Du hättest besser mit mir reden sollen. Wir hatten doch vorher darüber gesprochen.” Leise seufzte Marlin-Merlin in seinen Tee, den Blick nun zu mir wendend. “Eigentlich hatte ich eine Manabatterie für die Beschwörung vorbereitet, an die Elisabeths Servant gebunden hätte werden sollen, Caster. Das hätte Elisabeth erheblich entlastet, doch nun ist es dafür zu spät.” Elisabeths Servant. Wer immer das nach seinen Plänen auch gewesen wäre. Dem ganzen Vorhaben hatte ich wohl gehörig einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zumindest war es nicht meine Schuld und meiner Meinung nach auch nicht die Elisabeths. “Es ist doch alles gut gegangen und Elisabeth ist auch nichts passiert”, mischte ich mich ein, um meinen Master in Schutz zu nehmen, denn ob der tadelnden Worte war die ein wenig in sich zusammengesunken und hatte den Blick fest auf ihren Tee gerichtet. “Das mag ja sein”, lenkte Merlin-Marlin ein, weiterhin den Blick streng, aber auch voller Wärme auf Elisabeth gerichtet, wie den eines Vaters, der sein kleines Mädchen schalt, dem er trotz ihres Fehlers nicht wirklich böse sein konnte. Dass er nicht Unrecht hatte, stimmt wohl aber leider. Hatte nicht auch Cú Chulainn mich gewarnt, dass mein Noble Phantasm zu viel Mana kostete, als dass mein jetziger Master es stemmen könnte? Dass ausgerechnet Eli mich beschworen hatte, hatte uns beide gleichermaßen ausgeschaltet. Sie konnte keinen mächtigen Servant rufen, ich meine mächtigste Fähigkeit nicht benutzen. Volltreffer versenkt. Ich hatte keine Ahnung, ob Marlin diesen Fakt ahnte und wie ich ihn wiederum Elisabeth beibringen sollte. Marlin schien mit Schimpfen jedoch noch nicht fertig zu sein, auch wenn er nicht wirklich wütend wirkte.“Dennoch wa-” “Ach, sei ruhig, Marlin”, mischte sich unerwartet eine weitere Stimme in das Gespräch ein. Diogenes. Der Servant hatte wohl doch nicht geschlafen, denn obgleich er gesprochen hatte, klang er nicht verschlagen. Er lag er noch immer auf der Patientenliege, ebenso wie zuvor und hatte sich nicht geregt. Erst jetzt, wo alle Blicke auf ihm ruhten, zog er die Arme unter dem Kopf weg und stemmte sich in eine sitzende Haltung. “So nervig war zuletzt Alexander, als er mir in der Sonne stand. Die Kleine hat Caster beschworen. Find dich damit ab.” Beinahe hätte ich erwartet, dass Diogenes noch gähnte, so desinteressiert wie er klang, doch der Servant blickte nur von Elisabeth, die ihn dankbar anlächelte, über mich zu seinem Master, dessen Lächeln schon im gleichen Moment zurückgekehrt war. Ob der Alexander, von dem er erzählte, der gleiche war, an den ich denken musste? Ihn zu treffen, wäre schon ziemlich interessant. Ich konnte nicht wirklich behaupten, aus Diogenes wirklich schlau zu werden, noch wusste ich sicher, welcher Servantklasse er angehörte, doch es tat gut zu sehen, dass er Merlin nicht blind folgte, sondern offenbar seine eigenen Ansichten vertrat. Zugleich mahnte ich mich aber auch, nicht gleich zutraulich zu werden. Immerhin würde er sich für den Gral fraglos noch immer gegen Elisabeth und mich stellen. Was das wiederum für meinen kleinen Master und mich bedeuten würde, konnte ich mir ziemlich gut ausmalen. Merlins Räuspern war zugleich das Ende seines Tadels als auch der Thematik, was denn nun alles schief gelaufen war, indem mich Elisabeth ohne jede Hilfe beschwor, einen Katalysator nutzend, von dem für mich unverständlicherweise niemanden zu interessieren schien, woher der eigentlich kam. Was stimmte eigentlich mit den Leuten hier nicht? Waren die Magier hier in Chronos einfach alle nicht mehr ganz knusper? Erst ignorierten sie wahllos ein kleines Mädchen, standen aus unerfindlichen Gründen während eines Gralskriegs vor einem Labor Schlange und nun interessierte keinen, dass ein Servant mit Katalysatoren dealte? Vor allem letzteres interessierte mich zumindest brennend und wären Marlin-Merlin und Diogenes nicht hier, hätte ich Elisabeth wohl sofort gebeten, den ominösen Katalysatoren-Verschenker zu beschreiben. “Nun… Lasst uns nicht streiten”, befand Marlin schließlich, wieder ein strahlendes Lächeln auf den Zügen. “Es ist ja wirklich alles geglückt und ihr seid beide wohlauf. Herzlich willkommen in Chronos auch von mir, Caster.” Etwas verunsichert nickte ich nur und murmelte ein leises “Danke”. “Elisabeth, erinnerst du dich an die Aufgaben, die du das letzte Mal gemacht hast? Wie wäre es, wenn du heute weitermachst?”, fuhr der weißhaarige Magier in einem lockeren Plauderton fort und erhob sich. Elisabeth tat es ihm gleich, sodass ich dem Beispiel der beiden folgte. Diogenes jedoch ließ sich einfach wieder auf die Patientenliege fallen und drehte uns kurzerhand den Rücken zu, wohl nicht weiter daran interessiert, am Gespräch teilzunehmen. Stumm folgte ich Elisabeth und Marlin, bis letzterer mir eine Hand auf die Schulter legte und mir mit einem Nicken gestikulierte, ihm zu folgen, obgleich mein Master durch eine Tür verschwand. Wirklich wohl fühlte ich mich dabei nicht, doch die Neugier siegte und ich folgte Marlin in den Raum nebenan, der sich als kleine Kammer mit drei Stühlen herausstellte, von der aus man den Nebenraum durch eine Fensterscheibe beobachten konnte. Müsste ich raten, würde ich wohl darauf tippen, dass dieses Glas nur einseitig durchsichtig war. Sofort war ich wieder bei meinen The Ring-Assoziationen, in denen Elisabeth, die an einem kleinen Tisch saß und verschiedene bunte Zettel ausfüllte, die Rolle von Samara übernahm. Misstrauisch sah ich zu Marlin, doch dessen Blick ruhte auf Elisabeth, sodass er wohl nicht einmal bemerkte, wie wenig mir gefiel, was ich hier sah. Die Kleine war doch kein seltenes Versuchstier, sondern ein liebenswertes kleines Mädchen! “Was sind das für Aufgaben, die sie erledigen soll?”, fragte ich ohne Umschweife. Von hier aus konnte ich nichts Näheres erkennen, sodass Elisabeth da ebensogut einen psychologischen Test wie eine Bachelorarbeit zum Thema Hydraulik schreiben könnte. “Nur ein paar kleine Tests. Nichts, was ihr schaden würde”, versicherte mir Marlin, anstatt meine Frage einfach zu beantworten, was mein Misstrauen nur noch schürte. Dass er meiner Frage ausgewichen war, ließ mich meine eigenen Schlüsse ziehen. Entweder er hielt Elisabeth für hochbegabt - wonach dieses Labor irgendwie nicht aussah - oder mein Master war besonders magiebegabt - was sich dann nicht in ihrem Manapool äußerte - oder aber er glaubte, mit ihr stimme psychisch etwas nicht und danach sah es für mich aus, auch wenn das hier kaum die geeignete Umgebung war, um so etwas festzustellen. Wir waren doch nicht mehr in den 70ern. “Als ihr Erziehungsberechtigter, wie können Sie da zulassen, dass Elisabeth in diesen furchtbaren Krieg hineingezogen wird?”, wechselte ich das Thema. Als Marlin nicht antwortete, sondern mich nur mit seinem scheinbar arglosen Lächeln ansah, fuhr ich ungehalten fort: “Sie ist noch viel zu jung für Kämpfe auf Leben und Tod! Ein Kind sollte nicht in solche Kämpfe gezwungen werden. Noch dazu ist sie so unerfahren! Ihnen muss doch klar sein, wie groß die Gefahr ist…” Ich brachte es nicht über mich, den Satz zu vollenden. Wie groß die Gefahr war, dass man Elisabeth einfach abschlachtete, weil sie im Grunde gar keine Chance hatte, war sie doch gleichermaßen jung wie ohne nennenswerte Macht im Rücken wie eine große, alte Magierfamilie. Sie hatte nur mich und ich hatte keine Ahnung, ob ich überhaupt irgendetwas konnte und noch weniger, wie ich es einsetzen sollte. Außerdem schien mein Noble Phantasm im Moment ohnehin ausgeknipst. Ich schluckte. Selbst jetzt schwand Merlins Lächeln nicht. “Du machst dir zu große Sorgen, Caster. Es wird schon alles gut gehen. Es wäre doch langweilig, würde immer alles so sein, wie man es sich wünscht. Man braucht Herausforderungen, um daran zu wachsen.” Fassungslos starrte ich ihn an. Herausforderungen?! War der noch ganz dicht?! Mit einer ‘Herausforderung’ hatte das hier doch nun wirklich nichts mehr zu tun! Im Gralskrieg ging es um verdammt nochmal alles und lauter erwachsene, mächtige Magier würden einander töten, während lauter Helden für sie kämpften. Eine wehrlose Magieranfängerin im Kindesalter mit einem unnützen Caster da rein zu schubsen, war schlicht Mord. “Warum tun sie ihr das an?”, verlangte ich tonlos zu wissen, unfähig zu glauben, mit welcher Naivität oder Gnadenlosigkeit - da war ich mir noch nicht schlüssig - dieser gottverdammte Idiot diesen Krieg anging und zuließ, dass Elisabeth ihr Leben darin riskierte. Kein Wunder, dass mein Master so sorglos dachte. Sie hatte ja nicht unbedingt das besonnenste Vorbild. “Was haben Sie vor? Glauben Sie, dass Sie Elisabeth als Untermaster missbrauchen können, um einen Vorteil in diesem Krieg zu haben?”, giftete ich ungeniert los, meinen inneren Frust heraus lassend. “Was soll all das hier? Sind wir vielleicht nur der Köder für irgendeinen persönlichen Disput, den Sie mit El Melloi haben?” Grimmig starrte ich den Weißhaarigen an, der meinen Blick so gelassen erwiderte, dass ich nicht übel Lust hatte, ihm kräftig eine zu langen. Für einen Moment jedoch, als ich den Namen El Melloi erwähnte, glaubte ich, so etwas wie einen Funken der Neugier in seinen Augen aufblitzen gesehen zu haben. Hatte ich ihm etwas Neues verraten oder nur bestätigt, was er längst angenommen hatte? Missgelaunt ranzte ich ihn einfach weiter an. “Wenn Sie glauben, Elisabeth und mich benutzen zu können, schminken Sie sich das gleich wieder ab! Das können Sie total knicken. Ich bin Elisabeths Servant und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um sie vor Schaden zu bewahren.” Bis hierhin hatte Marlin mit nur schweigend, ein heiteres Lächeln auf den Zügen, zugehört. Kein einziger Kommentar, kein Versuch, mich zu beruhigen oder sich selbst zu verteidigen. “Es freut mich, dass du das sagst”, meinte er schließlich, scheinbar bester Laune, als wäre mein unverhohlener Ärger total an ihm vorbei gegangen. “Ich wollte dich nämlich ohnehin darum bitten, ein Auge für mich auf Elisabeth zu haben. Allerdings solltest du auch vorsichtig sein, wenn es um sie geht. Lass dich nicht vom ersten Eindruck täuschen.” Er seufzte theatralisch und wieder hätte ich ihm zu gerne eine Schelle verpasst. Konnte der sich nicht einfach klar ausdrücken? Finster starrte ich ihn an, doch unbeirrt und mit einem sanften Lächeln auf den Lippen fuhr Marlin fort: “In ihrem Herzen ruht ein Schatten, doch ich bin guter Hoffnung, dass der Gralskrieg die kleine Elisabeth näher zum Licht bringen wird.” Das war zu viel. Ich handelte, ehe ich überhaupt nachdachte. Das klatschende Geräusch und ein leicht roter Abdruck auf Merlins Wange zeugten von meiner Wut, die mir unverkennbar ins Gesicht geschrieben stand. Für einen Augenblick lang wirkte Marlin überrascht, doch dann kehrte ein Lächeln auf seine Züge zurück. “Oh. Für einen Caster schlägst du wirklich entschlossen zu.” Sollte das vielleicht ein Lob sein? “Keine Ahnung, was bei Ihnen schief gelaufen ist”, fauchte ich ihn wütend an, “aber ganz sicher wird ein verdammter Krieg einem unschuldigen Kind wohl kaum helfen, irgendwie glücklicher zu werden! Wenn Sie so davon überzeugt sind, sollten Sie vielleicht ihre Befehlszauber an Elisabeth abtreten und Platz für sich machen!” Schweigend starrten wir einander an. Marlin stetig lächelnd trotz der Ohrfeige und meiner Worte und ich ihm gegenüber, vor Wut brodelnd und bereit, ihm gleich noch eine zu verpassen, um ihm ein klein wenig gesunden Menschenverstand einzuprügeln, auch wenn ich daran zweifelte, dass das funktionieren würde. Meine Hand brannte und ich hoffte einfach nur, dass ihm das genauso weh tat wie mir. Vermutlich hätte ich irgendwann angefangen, den weißhaarigen Magier anzuschreien, wäre nicht das Geräusch der sich öffnenden Tür in meinem Rücken gewesen, das Elisabeths Ankunft ankündigte. “Ich bin fertig!”, flötete sie fröhlich. “Ah, dankeschön, Elisabeth”, antwortete ihr Merlin strahlend. “Du warst heute wirklich fleißig. Wieso schnappst du dir nicht einen der Lollis und zeigst Caster den Park? Der ist um diese Jahreszeit besonders schön. Der wird ihr bestimmt gefallen.” Ich war sprachlos. Wie konnte er einfach so tun, als wäre nichts vorgefallen? Klar, das war für Elisabeth sicher besser, aber wie gelassen er die Ohrfeige überspielte, ließ mich dennoch verdattert zurück. “Au ja, das mach ich. Kommst du, Caster?” Ich nickte etwas steif, war Marlin einen letzten, bitterbösen Blick zu, ehe ich mich, nun ebenfalls lächelnd, Elisabeth zuwandte. Sie konnte schließlich für all das nichts. “Das klingt super, Master.” Im nächsten Moment hatte das Mädchen auch schon meine Hand ergriffen und zog mich hinter sich her. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)