SKAM Season 3 "ISAK" (Special Extended) von -Sian- ((S 1 und 2 sind NICHT notwendig für die Story)) ================================================================================ Kapitel 10: 03x10 - MINUTE FÜR MINUTE – (Minutt for minutt) ----------------------------------------------------------- Evens bloße Anwesenheit hatte eine so beruhigende Wirkung auf mich. Was irgendwie eigenartig ist. Jetzt, da er hier bei mir war, ich somit wusste wo er war, war ich viel ruhiger, als die Nächte zuvor. Zumindest etwas. Denn die Sorge um seinen Zustand ließ leider kaum Schlaf zu, weshalb ich bei jeder seiner Drehungen aufwachte und den Drang unterdrücken musste, die Lampe anzumachen und nachzusehen, ob es ihm gut geht. Wenigstens die Decke rückte ich immer mal wieder zurecht, damit ihm auf keinen Fall wieder kalt werden konnte. Irgendwann am sehr frühen Morgen, es war noch dunkel, stand Even plötzlich auf und verließ das Zimmer. Er hatte auch kein Licht angemacht, doch die Helligkeit der Straßenbeleuchtung draußen vor dem Fenster reichte aus, um sein Tun im finsteren Raum zu verfolgen. Schnell sprang ich ebenfalls aus dem Bett und öffnete leise die Zimmertür. Ich sah wie Even gerade ins Bad ging und atmete erleichtert aus. Eigentlich wollte ich ihn gar nicht so... überwachen. Aber nachdem was in letzter Zeit alles passiert ist, kann man's mir vielleicht auch nicht übel nehmen. Obwohl ich am liebsten jeden Schritt verfolgen würde, um sicher zu sein, dass er sich nichts antut oder gar die Wohnung verlässt, aber ich begab mich vertrauensvoll wieder zurück ins Bett. Meine Bedenken würden allerdings erst ein Ende nehmen, wenn er wieder hier bei mir unter der Decke liegt. Sogar die Wasserflasche stellte ich ihm auf seine Seite, damit er was trinken kann, wenn ihm danach ist, ohne erst fragen zu müssen oder irgendwas zu suchen. Wenige Minuten später ging die Tür wieder auf und Even trat hinein, er machte das Licht im Flur aus und kam endlich wieder zu mir. Als ich seine Umrisse direkt vor mir sah und die Bewegung auf der Matratze spürte hob ich die Decke an. Er stoppte kurzzeitig, sagte jedoch nichts. Vielleicht hatte er gedacht oder gehofft, dass ich noch schlafen würde. Als Even sich wieder hingelegt hatte deckte ich ihn zu und schmiegte mich wieder an seinen Rücken. Auch jetzt drückte ich einen Kuss auf seine Schulter und legte den Arm um seinen Oberkörper. Der Herzschlag fühlte sich jetzt zumindest ein wenig kräftiger an, wenn auch noch ziemlich langsam und seine Haut war halbwegs warm. Bald schien er wieder zu schlafen und so konnte auch ich noch mal meine Augen versuchen zu schließen. Samstag 10.12.2016 – 8:10 Uhr Als es zu dämmern begann wachte ich abermals auf. Mein erster Blick ging prüfend zu Even, welcher nun hinter mir lag, da ich mich herum gedreht haben musste. Er schlief noch tief und fest und so wandte mich vorsichtig zu ihm um und beobachtete sein Gesicht, welches man mit der Zeit immer besser erkennen konnte. Wie sich die Augen hin und wieder unter den Lidern bewegten. Was er wohl träumt? Hoffentlich was schönes... Ich stand auf und begab mich nun erst mal selbst ins Bad. Als ich dort fertig war und mir die Hände wusch, betrachtete ich mich dabei im Spiegel. Hab früher eigentlich nie so viel Zeit in mein Spiegelbild investiert. Ein schleichender Prozess womöglich. Um zu sehen, ob man mir mein inneres Chaos ansehen könnte. Kam vielleicht auch erst, seitdem ich ab und zu mal rasieren muss oder mich frage, ob ich attraktiv auf andere Menschen wirke. Oder wie ich generell auf bestimmte Menschen wirke. Was findet Even zum Beispiel an diesem Gesicht? Vorher hab ich zudem alles daran gesetzt, jemand anderes zu sein, der ich einfach nicht bin. Es fühlte sich sicher an. Die Leute konnten die Rolle, die ich gespielt hab, mögen oder nicht mögen. Es war egal, und es fühlte sich nicht an, als könnten sie mich damit verletzten, wenn sie es nicht mochten. Aber da wusste ich auch noch nicht, wie es sich anfühlt, wenn man selbst jemanden liebt und Ehrlichkeit dabei soviel ausmacht. Ein paar Monate zuvor hätte ich auch nicht gedacht, dass sich mein Leben und meine Einstellung zu so vielen Dingen so schnell ändern würde. Es war keine schlechte Veränderung. Aber es gehört wohl zum Erwachsenwerden. Bin ich erwachsener geworden? Ich weiß es nicht... Doch eines konnte ich sagen: Der Typ, der mich vor drei Monaten noch in diesem Spiegel ansah... hatte sich verändert. Vielleicht nicht zwingend besser oder schlechter, aber definitiv anders. Ich ließ von meinem Ebenbild ab und ging zurück in mein Zimmer. Even lag noch genauso da wie ich ihn zurück gelassen hatte. Vorsichtig legte ich mich wieder zu ihm und beobachtete weiter seinen Schlaf. Wenn er schläft, wirkt er nicht als hätte er solche großen Probleme. Es schien ihm aber sehr zu helfen, die Welt um ihn herum auf diese Weise nicht wahrnehmen zu müssen. Einige Augenblicke später drehte er sich auf die andere Seite und von mir weg, wandte sich dabei etwas unter der Bettdecke hervor. Vorsichtig versuchte ich ihn wieder richtig zuzudecken, zupfte an der Decke und strich sie glatt. Ich kam damit aber nicht weit, denn er hatte sich irgendwie drauf gerollt. Sein Rücken blieb daher ein Stück weit freigelegt, egal wie ich es versuchte ihn zu bedecken. Deshalb rutschte ich ganz dicht heran und versuchte mit meinem Körper das fehlende Stück zu ersetzen. Doch mir fehlte auch etwas... Ich vermisste es so sehr, wie Even sich morgens auf mich geworfen hat und mich mit seiner gute Laune anstecken wollte. Das sind Dinge, die weiß man erst zu schätzen, wenn sie weg sind. Es war verdammt schwer ihn so zu sehen. Aber für ihn ist es sicher viel schwerer so zu sein. Seine Haare waren völlig verwuschelt. Ich wollte am liebsten hindurchfahren und ihn streicheln, doch wusste ich nicht, ob er sich jetzt anfassen lassen will. Deshalb ließ ich es sein. Wenn ich nur wüsste was ich tun könnte; wie ich ihm helfen kann. Es wurde langsam immer heller draußen. Even hatte sich etwas weiter gedreht und die Decke soweit freigegeben, dass ich ihn wieder richtig zu decken konnte. Ich rollte mich auf den Rücken und nahm mein Telefon zur Hand, warf einen Blick drauf und überlegte, ob ich Magnus schreibe und ihn frage was ich tun soll. Ihn hier lassen oder zu seinen Eltern bringen, oder doch irgendwie ins Krankenhaus, nachdem es ihm letzte Nacht so schlecht ging. Andererseits schien es ihm nun besser zu gehen. Zumindest körperlich. Da stresst es ihn wahrscheinlich mehr hin und her geschafft zu werden. Abgesehen davon würde Mags, angesichts der Uhrzeit, mit Sicherheit an einem Samstag morgen noch nicht wach sein. Ich wog die Pros und Kontras ab und ließ Even währenddessen kaum aus den Augen, drehte das Handy in meinen Fingern immer wieder und kam schließlich auf den Gedanken, dass seine Eltern ihn ja vermutlich vermissen und sich Sorgen machen. Erst recht wenn sie wissen, dass er manisch war und nun depressiv ist. Ich hatte die Nummer seiner Eltern nicht und wollte auch nicht wieder ohne sein Wissen an sein Telefon gehen, weshalb ich notgedrungen Sonja schrieb. Sie müsste doch sicherlich Kontakt zu Evens Eltern haben. Hi Sonja. Wollte nur sagen, dass Even bei mir zu Hause ist, wenn seine Eltern besorgt sind oder so. Und entschuldige, wenn ich der Grund dafür bin, dass es ihm nicht gut geht. Denke, das sollte so passen. Ich schickte die Nachricht ab und ließ das Telefon auf meiner Brust liegen, damit die Vibration des Geräts ihn nicht aufweckt, wenn eine Rückmeldung kommen sollte. Den Ton hatte ich sowieso ausgestellt. Eigentlich hatte ich nicht allzu bald mit irgendeiner Antwort gerechnet, doch es kam sogar ein Anruf rein. Schnell nahm ich das Handy und sah, dass es Sonja sein musste. Es war zumindest die Nummer, mit der sie mich bisher kontaktiert hatte und auf welche ich ihr eben die Nachricht gesendet hatte. Ich stand so rücksichtsvoll wie möglich vom Bett auf und ging vor die Tür, eh ich das Gespräch annahm: „Hi“, meldete ich mich und hörte auch von Sonja ein eben so formelles: „Hi.“ Sie klang schon mal nicht sauer oder sonst wie aufgebracht. „Ich hatte... die Nummer von seinen Eltern nicht, also...“, begann ich mich zögerlich zu rechtfertigen. „Ja, aber sie wissen, dass er bei dir ist. Er hat ihnen eine Nachricht geschickt“, warf sie ein und ich grübelte, wann er das getan haben könnte, da ich eigentlich nur einen sehr leichten Schlaf hatte. „Okay...“, bestätigte ich und überlegte, ob ich noch was sagen sollte, doch Sonja ergriff wieder das Wort: „Ehm... ich hab dich eigentlich angerufen, um Entschuldigung zu sagen, wegen letztens.“ Damit hatte ich nicht gerechnet, weswegen mir ein überraschtes: „Oh“, entwich und ich ergänzte: „Ehm, ist schon gut.“ „Nein, ich wollte nicht böse auf dich sein. Es war überhaupt nicht deine Schuld.“, sprach sie und ich suchte nach Worten: „Ja, aber... Ja, du...du warst sicher nur besorgt. Ich versteh das.“ Ich versuchte ebenfalls die Sache hinter mir zu lassen. „Mhm“, vernahm ich es nachdenklich von ihr, bevor sie erklärte: „Und es ist nicht deine Schuld, dass Even deprimiert ist. Er ist bipolar und... Ja, es ist nicht deine Schuld. Okay?“ „Ja...Okay“, entgegnete ich dem leise und noch immer etwas unsicher, bevor Sonja sich verabschieden wollte: „Okay. Gut...“ Doch ich hatte ja noch eine Frage: „Aber... eh, sollte ich ihn zu seinen Eltern bringen, oder so?“ Es dauerte einen Augenblick, eh sie antwortete: „Ich... Ich denke eigentlich, dass es gut für ihn ist, wenn er bei dir ist. Mhm.“ Ich nickte und war erleichtert, gestern Nacht offenbar die richtige Entscheidung getroffen zu haben, ihn bei mir zu lassen. Abermals schien sie das Gespräch beenden zu wollen, doch ich musste noch etwas wissen: „Ehm... Kann ich irgendwas für ihn tun?“ „Nein, eigentlich nicht. Du musst nur für ihn da sein... Und wenn alles hoffnungslos scheint, nimm dir nur einen Tag Zeit. Und wenn ein Tag zu viel ist, nimm dir nur eine Stunde Zeit. Und wenn eine Stunde zu viel wird, nimm dir nur eine Minute Zeit“, riet sie mir und ich nickte erneut: „Okay.“ „Falls was ist... Du hast meine Nummer“, sagte sie und ich antwortete leise: „Ja, Okay... Danke.“ „Gut, dann... Tschüss“, verabschiedete sie sich nun endgültig und ich erwiderte leise seufzend: „Tschüss.“ Sie legte auf und ich sah aufs Display. Ich hätte es nicht geglaubt, dass ich das je tun würde, aber... ich speicherte die Nummer mit ihrem Namen ab. Sonja schien an dem Abend vorm Hotel, wirklich nur genauso besorgt um Even gewesen zu sein, wie ich. Während ich in Panik rumgeheult hab, wurde sie zur Furie. Jeder geht eben mit Ängsten anders um. Und allein dass sie sich so aufgeregt hat, zeigt, dass ihr Even noch immer was bedeutet hat. Wer könnte es besser verstehen als ich? Sie hätte sich für ihren Ausbruch auch nicht entschuldigt, wenn sie ein schlechter Mensch wäre. Es war aber gut, dass sie es getan hat, es fühlte sich befreiend für mich an. Sonst würden wohl noch immer meine Schuldgefühle und so ein Schatten aus Ungewissheit über uns schweben, wie dieses berühmt-berüchtigte Damoklesschwert. Ich ging zurück ins Zimmer und legte mich wieder zu ihm. Even hatte sich inzwischen auf den Rücken gedreht und hielt den Kopf leicht seitlich. Er sah besser aus als gestern Abend. Der Schlaf tat ihm gut, und ihn endlich schlafen zu sehen, fühlte sich für mich wiederum gut an. Ich sehe ihn gern an. Hab ich schon immer. Nur getraut hab ich mir das nicht schon immer. Am Anfang hat mich seine bloße Anwesenheit total aufgewühlt und dafür gesorgt, dass mein Hirn nur Bullshit produziert hat und jetzt beruhigt mich seine Nähe einfach. Zumindest, wenn er ebenfalls so ruhig da liegt. Ob er weiß, dass ich ihm stundenlang zusehen könnte? Even regte sich langsam. Und er öffnete die Augen. Er sah sich um und schaute dann direkt zu mir, als ihm klar zu werden schien, dass auch ich ihn ansah. Doch schaute er auch gleich wieder weg, weshalb ich ihn leise ansprach: „Hi.“ Wieder sah er kurz zu mir und wich meinem Blick abermals aus: „Hi...“ Als würde er es nicht ertragen mich zu sehen. Er drehte sich um ein paar Grad von mir weg und schaute zur Tür. Seine Aufmerksamkeit blieb eine Weile in dieser Richtung, eh er sich weiter im Zimmer umsah, als würde er das alles zum ersten mal sehen. Oder auch auf eine völlig andere Weise. Evens Augenmerk glitt nun über mich hinweg zum Fenster hinter mir. Ich habe dort schon ewig eine dünne orange Decke zusätzlich über der Gardine hängen. Wollte einfach nicht, dass mich jemand von den gegenüberliegenden Wohnblöcken aus, bei irgendwas beobachtet, wenn ich abends Licht an hab... So konnte niemand durch dieses Fenster rein sehen und Even folglich auch nicht hinaus. Weshalb er die Augen für einen kurzen Moment schloss, eh sich sein Blick nach oben an die Zimmerdecke richtete und er dort umher schaute; es sichtlich vermied mich anzusehen. „Hungrig?“, fragte ich ihn. Zum Einen, weil ich wollte, dass es ihm an nichts fehlt und zum Anderen, damit diese Stille irgendwie... nicht so schwer wirkt. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er letztlich doch zu mir sah und fragte: „Wie spät ist es?“, ohne auf meine Frage einzugehen. Ich beantwortete jedoch die seine: „Gegen... 10:30, etwa...“ Es war ein Schätzwert, denn es war mindestens eine Stunde vergangen, seit ich mit Sonja gesprochen hatte und sicherlich über zwei Stunden, seit ich zuletzt aufgewacht bin. Even blinzelte, bevor er sagte: „Ich sollte gehen...“ „Wieso?“, wollte ich von ihm wissen, denn von mir aus könnte er hier bleiben so lange er will. Auch für immer. So wie er es selbst wollte, vor anderthalb Monaten. Doch wieder drehte er den Kopf weg und brauchte einen Moment, eh eine Antwort kam: „Weil ich nicht will, dass du hier liegst und das Gefühl hast auf mich aufpassen zu müssen.“ Er sprach zwar in relativ normal schnellem Tempo und dafür emotionslos, aber auch eher leise. „Ich habe nicht das Gefühl, auf dich aufzupassen“, brachte ich dem entgegen, denn ich sah ihn zwar an, aber nicht um ihn zu überwachen. Zumindest versuchte ich es nicht in Überwachung ausarten zu lassen. Dennoch: „Und warum... warum ist das falsch?“ Even hatte die Augen wieder geschlossen, doch seine Lider zuckten unruhig. Ich wusste nicht, ob ich ihn irgendwie nerve oder unter Druck setzte oder ob er aus irgendeinem Grund nervös war. Es dauerte wieder eine gefühlte Ewigkeit bis er was brummte: „Damit ist nichts falsch...“ Er atmete tief durch, bevor er fortsetzte: „Ich halte es nur nicht aus, wenn du hier so traurig liegst...“ Sein Kopf drehte sich wieder in meine Richtung, als würde er auf eine Bestätigung dessen warten. Doch die würde er nicht kriegen: „Ich bin nicht traurig“, flüsterte ich. Even schwieg abermals, schaute zu dem anderen Fenster, welches nicht zusätzlich verhangen war und dann wieder an die Decke. Ihm schien einiges durch den Kopf zu gehen. Er starrte nach oben, als würden dort seine Antworten stehen. Kann man ihm auch nicht verdenken. Ich hab da schließlich auch schon so oft Antworten gesucht, die dann doch nicht kamen. Eher mehr und mehr Fragen... „Ich weiß nur, dass das nicht funktionieren wird...“, brummte er und schaute wieder abwartend zu mir. Keine Ahnung welche Bestätigung er von mir erwartet. Dass ich sage: Ja, du hast recht? Dass er mich mit dem Mist, den er hier ablässt, von sich wegstoßen kann? Dass ich ihn raus werfe? Oh, nein. Sicher nicht! „Warum sagst du das?“, fragte ich ihn und er antwortete relativ schnell: „Weil's stimmt...“ Auch jetzt wanderte sein Augenmerk wieder zu mir, als würde ich ihm ausgerechnet jetzt recht geben. Testet er mich? Ob ich ihn fallen lasse? Even sah wieder weg, suchte wohl nach Mittel und Wegen und hatte offenbar vor dieses Spiel gegen sich selbst weiterzuführen. Wieder schaute er direkt zu mir, als er mit dem nächsten Argument gegen sich kam: „Ich werde... dich nur verletzen... Und dann wirst du mich hassen.“ So sehr wie er davon überzeugt schien, dass alles in Schutt und Asche liegt oder liegen wird, umso mehr ratterte mein Hirn, wie ich ihm begreiflich machen könnte, dass ich ihn nicht hassen kann. Nie hassen will. Und auch jetzt schaffte Even es nicht mich anzusehen, während er weiter auf meine Antwort wartete. Er schaute stur zur Decke und lauerte förmlich darauf, dass ich sage, was er aus irgendeinem Grund hören wollte. Werde ich aber nicht: „Nein.“ Sein Kopf drehte sich wieder ein Stück in meine Richtung, also sprach ich: „Du weißt einen Scheiß darüber, wie das enden wird.“ Nun wandte Even sein Gesicht noch etwas weiter zu mir. Ich hatte also seine Aufmerksamkeit: „Vielleicht fällt morgen eine Atombombe auf uns herab und dann ist es nur.. waist of time, das zu diskutieren. Also... schlag ich vor, dass du einfach aufhörst über Zukunft zu reden und wir Zwei anfangen an, das ganz gechillt zu nehmen.“ Nach meiner Ansage suchten seine Augen mein Gesicht ab. Gesagt hatte er jedoch nichts mehr, nur geschluckt. „Lass uns was spielen“, bot ich an und wurde nun weiterhin abwartend betrachtet. Er hörte zu, daher setzte ich fort: „Es geht so... Es nennt sich: Isak und Even, Minute für Minute.“ Noch immer bekam ich diesen aufmerksamen, aber unschlüssigen Blick von ihm. Ich ließ ihm Zeit drüber nachzudenken, außerdem wollte ich wissen, ob er überhaupt drauf anspringt. Gänzlich abgeneigt schien er jedenfalls nicht zu sein, also probierte ich mein Glück: „Es...“, begann ich und legte ganz vorsichtig meine Hand an seinen Kopf, spielte mit ein paar Haarsträhnen und erklärte weiter: „Es geht darum, dass die einzige Sache, um die wir uns kümmern werden, die nächste Minute ist. Bist du dabei?“ „Okay...“, flüsterte Even und wartete auf die Dinge die da kommen sollten. Doch ich war für einen Moment zu sehr vertieft darin, dass ich ihn streicheln durfte, bis er mit leiser Stimme fragte: „Was machen wir in dieser Minute?“ „Diese Minute.. küssen wir uns“, ließ ich ihn meine Idee wissen und... er konnte sich sogar ein kleines Lächeln abringen: „Das ist gechillt.“ Ja, „Das ist gechillt“, nickte ich ihm zu und auch Even schien es für sich selbst noch einmal zu verdeutlichen, dass es dafür nicht viel braucht. Auch wenn man meinen könnte, ich sei inzwischen dran gewöhnt, doch mein Herz machte einen kleinen freudigen Hopser, als ich ihn wieder küssen dürfte. Meine Hand, die Evens Kopf schon die ganze Zeit kraulte, rutschte ein Stück zum Kiefer hin und dann überwand ich die kurze Distanz zwischen uns, stupste ihn sachte mit der Nasenspitze an und küsste ihn. Eher zurückhaltend, denn ich wollte ihn keineswegs überfordern. Als meine Finger dabei endlich wieder gänzlich durch sein Haar fuhren konnten, war das für mich ein Licht im Dunkeln. Ich hoffte so sehr, dass es das auch für Even sein würde, denn diese... Finsternis in seinem Kopf machte mir nach wie vor Angst. Während wir uns küssten, drehte er sich mir etwas entgegen auf die Seite, zupfte dafür noch ein Stück an der Bettdecke herum und hielt sich daran fest. Am liebsten hätte ich Even ewig weiter küssen können, doch schon allein das, schien für ihn anstrengend zu sein. Er ließ es langsam ausklingen und schmiegte sich wieder ins Kopfkissen. Ich hielt meine Hand an seiner Wange und streifte ganz zart mit der Spitze meiner Nase über seine. Anschließend legte ich mich mit der Stirn an seine und kraulte ihm im Nacken, bis er wieder schlief. Verdammt... Ich wünschte so sehr, dass ich ihm diese Last irgendwie nehmen könnte... Für kurze Zeit musste ich ebenfalls wieder weggedöst sein, denn die Vibration meines Handys, welches irgendwo an meinem Rücken lag, weckte mich auf. Ich angelte umständlich danach und war erst mal erschlagen von den... What the fuck? Zwölf Nachrichten? Allesamt von Eskild: Bist du da drin? - Das ist keine Metapher, frage mich tatsächlich, ob du im Zimmer bist - Ist Even auch da? Ich weiß, er ist da #iamguru - Ist alles gut? - HALLO - Isak seid ihr wieder zusammen? - Antworte mir - Antworte mir - Antworte mir - Antworte mir - Antworte mir - #isakmussantworten. Jeez, man! Eh noch mehr davon kommen würde, tippte ich eilig: Chill Guru - Alles ist ok. Außerdem beschloss ich ihm ein kurzes Update zu geben, was bei mir im Zimmer vor sich geht, da ich nicht wollte, dass Eskild irgendwann vor lauter Sorge oder Neugier die Tür eintritt. Abermals erhob ich mich so vorsichtig wie möglich und schlich in den Flur hinaus, dort stand Eskild leicht nervös und erpicht darauf auf den neusten Stand gebracht zu werden. Ich deutete ihm leise zu sein und flüsterte: „Lass uns ins Wohnzimmer gehen...“ Natürlich folgte er mir und setzte sich aufs Sofa. Ich ließ mich seufzend neben ihm fallen und rieb mir die Stirn. „Even ist bipolar“, benannte ich die Sache direkt und Eskild grübelte: „Mhmm... davon hab ich schon mal gehört... Glaub ich.“ Ohne viel rumzueiern, klärte ich ihn mit den Fakten auf, die ich bisher zusammengesammelt hatte: „Bipolare Menschen haben 'ne manische Phase... oder auch 'ne abgeschwächte Form davon. Machen dann lauter verrückte Dinge... sind total aufgekratzt und so weiter... Und... 'ne depressive Phase. Da sind sie total down und dann hat alles keinen Sinn mehr, oder so... Und Even... ist gerade in dieser Phase. Deswegen liegt er in meinem Bett und schläft die ganze Zeit...oder redet sich selbst schlecht...“ Mein Mitbewohner nickte und verarbeitete die Informationen, während ich murmelte: „Ich hab keine Ahnung wie das angefangen hat, oder wo... oder wann. Ich weiß auch nicht wann es aufhört...“ „Aber es hört auf.. oder?“, fragte er mich und ich schaute zu ihm, zuckte mit den Schultern: „Ich hoffe es...“ Eskild nickte abermals und schwieg. Es fiel für eine Weile kein Wort, also stand ich auf: „Ich ähm...geh wieder zu Even. Ich will ihn nicht so lange alleine lassen... also...“ „Ja... ja, ich... wollte eh noch mal Einkaufen“, entgegnete er mir und so nickte ich, verließ das Wohnzimmer und begab mich zurück in mein Zimmer. Als ich das Häufchen Elend dort liegen sah, beschloss ich noch einmal meinen Laptop zu nehmen und alles was ich finden konnte zum Thema Bipolare Störung im Internet zu durchforsten. Ich wollte so gut wie möglich Bescheid wissen. Vielleicht sind auch irgendwo Foren, wo sich Betroffene und Angehörige austauschen. Ich hatte mich gerade ins Bett zurück gesetzt und den PC hochgefahren, als sich Even wieder drehte und blinzelte. Meine Hand ging hinüber an seinen Hinterkopf und kraulte ihn dort: „Schlaf weiter, Baby.“ Er sah mich an und dann zu dem Gerät auf meinem Schoß, anschließend wieder zu mir. Er sollte sich nicht mit dem beschäftigen was ich hier mache und deshalb fragte ich flüsternd: „Magst du jetzt was essen?“ Wieder bekam ich keine Antwort auf meine Frage, nur einen niedergeschlagenen Blick. Weshalb ich den Laptop neben dem Bett auf den Boden stellte und ein Stück tiefer rutschte. Ich sah ihm in die Augen, aber wie so oft wich er mir aus. „Wenn du... irgendwelche Musik hören willst... oder 'nen Film sehen...“, sprach ich leise mit dem vor mir Liegenden, welcher gerade so hörbar ein verneinendes Geräusch von sich gab. Es hatte wohl im Moment nicht viel Sinn, zu fragen was er will oder was er nicht will. Daher begann ich ihn wieder zu kraulen. Das schien ihm zumindest zu gefallen. Even schloss bald darauf die Augen und es dauerte auch nicht lange bis er wieder eingeschlafen war. Mit ganz vorsichtigen Bewegungen ließ ich von ihm ab und setzte mich wieder auf, nahm den PC zur Hand und lehnte mich mit einem Kissen im Rücken an die Wand. Meine Suche nach Infos begann ich mit den Foren. Dort fand ich einige Erfahrungsberichte von anderen. Es spiegelte sich so ziemlich das wieder, was ich bisher an Infos gesammelt hatte. Dass manche Betroffene dauerhaft Medikamente nehmen müssen, manche nur in den Phasen. Und manche verzichten, beziehungsweise verweigern es gänzlich. Die Geschichten dahinter sind ebenfalls wissenswert. Hier schreibt ein Mädchen, die seit ihrem vierzehnten Lebensjahr darunter leidet, dass sie meistens einem totalen Kaufrausch verfällt. Das hat die ganze Familie finanziell sehr belastet. Sie fand wohl immer Mittel und Wege irgendwie an Geld zu kommen. Sie schreibt, dass es sie während der Manie einfach nicht interessiert woher das Geld kommt, oder wem sie damit schadet. Nur hinterher ist ihr das immer unendlich peinlich und die Schuldgefühle machen sie fertig. Sie wollte sich deswegen auch schon mal selbst das Leben nehmen, bevor man wusste, dass sie unter dieser Störung leidet. Mit medikamentöser Behandlung ginge es ihr jetzt wohl besser. Oder ein Anderer berichtet davon, wie er schnell impulsiv, aggressiv und richtig wütend wird, sogar schon jemandem mit dem Messer bedroht hat. Noch ein Weiterer schläft sich in jeder Manie hemmungslos und rücksichtslos durch die halbe Stadt und hat dadurch dauernd irgendwelche Geschlechtskrankheiten. Er schreibt auch, er stehe nicht wirklich auf Männer, aber mit denen vögelt er auch, einfach weil er sich nicht bremsen kann und sie wesentlich leichter für 'ne schnelle Nummer zu haben sind als die Damen. Dann hier noch eine Frau, sie ist Meth-abhängig und bipolar. Sie ertrug ihre Krankheit und die Nebenwirkung der Medikamente nicht und fing mit Crystal Meth an. Fuck... Wenn man sich das alles versucht vorzustellen... Ich hätte schon wieder flennen können, bei dem Gedanken, dass es Even sein könnte, von dem ich hier die Geschichten lese. Gott sei dank war er's aber nicht. Wobei ich auch nicht weiß, was er für gewöhnlich treibt, wenn er manisch ist. Der Drang ihn fragen zu wollen kam in mir auf. Ich wollte ihn so vieles fragen. Aber... was wäre richtig? Ihn über sich ausquetschen, damit ich weiß worauf ich mich bei ihm einstellen kann? Oder warten, ob er was von selbst rausrückt? Und, dass ich bis dahin von den ganzen krassen Beispielen hier Albträume haben werde... Die womöglich alle gar nicht auf ihn zutreffen. Nachdem mich allein der Gedanke an all diese leidenden Menschen schon ziemlich fertig machte, ging ich dazu über, mir lieber noch etwas mehr sachlich betrachtete Wissenschaft und Forschung zum Thema reinzuziehen. Das liegt mir glaube ich mehr, als mich von Emotionen leiten zu lassen. Schließlich will ich ihm ja helfen und nicht den Teufel an die Wand malen. Es fanden sich einige aufschlussreiche Berichte dazu an. Auch, dass es wohl noch mehr Arten dieser Störung gibt, die nicht zu Bipolar-I oder -II gehören. Zudem fand ich anschauliche Kurvendiagramme, die die jeweilige Stimmung in Beispielen aufzeichneten und so grübelte ich, ab wann ich tatsächlich Veränderungen in Evens Verhalten erkennen konnte. Was echt nicht einfach ist, da ich ihn noch nicht so lange kenne und so wie ich ihn kenne, war er schon immer... speziell. Mein Augenmerk wanderte hinüber zu dem neben mir Schlafenden; dem Impuls ihn zu streicheln nicht nachgebend. Er sah so unschuldig aus... „Ich würde dich am liebsten vor all dem Mist beschützen wollen... Aber das kann ich wohl nicht...“, sprach ich vollkommen tonlos. Ich vernahm im Augenwinkel wie sich ganz leise meine Zimmertür öffnete. Eskild steckte den Kopf hinein und ich legte schnell den Finger deutend auf meine Lippen, damit er ja die Klappe hält. Wieder einmal fand der PC den Weg auf den Boden, neben dem Bett, eh ich von eben jenem rutschte und zu meinem Mitbewohner in den Flur schlich. Ich ließ die Tür angelehnt und sah mein Gegenüber fragend an. „Das hier hat jemand für dich abgeben“, sagte er mit gedämpfter Stimme und hielt mir einen A4 Umschlag hin. Ich nahm das Ding in die Hand und merkte, dass dort noch irgendwas anderes drin war, als nur ein Blatt Papier oder dergleichen. „Was ist das? Wer war das?“, wollte ich wissen und Eskild zuckte mit den Schultern: „So ein Mädel... Sie hat die Haare ähnlich lang wie du, blond... Hab ich irgendwo schon mal gesehen... Nur keine Ahnung wo.“ Klingt nach Sonja. Ich nickte und wollte gerade ein Blick hinein werfen, als er hinter mir auf eine Tüte an der Flurgarderobe deutete: „Ein paar Unterhosen von mir.“ Huh? „Was zur Hölle soll ich mit deinen Unterhosen?“, fragte ich höchst irritiert und mein Mitbewohner begann wild zu gestikulieren, während er erklärte: „Nicht meine! Aber, ehh... Ich dachte nur... Even könnte das Zeug vielleicht gebrauchen. Er... hat nichts hier. Keine Klamotten oder so.“ Stimmt, das hatte er zwar vor, wenn ich mich recht entsinne, aber es kam nie dazu. „Okay“, entgegnete ich dem und begab mich zu dieser Einkaufstüte. „Da ist auch 'ne Zahnbürste drin... und Einwegrasierer, Handcreme... Hab gesehen, dass er sowas benutzt.. und ja..“, führte er weiter aus. Ich nahm auch die Tüte in die Hände und ging wieder zu Eskild, legte einen Arm um seine Schulter und flüsterte: „Danke, für alles. Ich geb dir das Geld dafür, sobald ich welches hab.“ „Lass gut sein. Ist bald Weihnachten“, antwortete er und ergänzte dann: „Aber die Miete brauch ich trotzdem noch.“ „Shit...“, brummte ich, und versprach: „Ich... krieg das die nächsten Tage noch irgendwie hin... Versprochen. Nur nicht wieder Treppenhaus fegen.“ Ich vernahm wie mein Mitbewohner schmunzelte: „Ist gut.“ Wir lösten unsere Umarmung und ich ging zurück ins Zimmer. Even lag inzwischen auf seiner rechten Seite. Ich lief zu ihm und stellte meine Mitbringsel an seiner Hälfte vom Bett ab, setzte mich davor auf den Boden und nahm den Umschlag. Ich kippte ihn aus und so rutschten eine orange Plastikdose, fast noch ganz gefüllt mit irgendwelchen länglichen Pillen und eine Schachtel in meinen Schoß. Unschlüssig holte ich das Blatt hervor, welches dazu lag und las: Hi Isak. Das sind Evens Tabletten, die er noch bei mir zu Hause hatte. Gib sie ihm bitte, damit er sie hoffentlich bald wieder einnimmt. Auf den Behältern steht, wann und wie er sie nehmen muss. Bitte behalte ein Auge darauf, damit er sie nicht wieder vergisst. Gruß Sonja. Ich faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in meine Hosentasche. Anschließend besah ich mir die Pillen genauer und las was da für Namen drauf standen. Cipramil und... Mein Augenmerk wanderte nun direkt zu Even, denn er sah mir zu - ohne ein Wort zu sagen. „Du bist wach“, bemerkte ich und nahm die Tabletten runter. Sein Blick verfolgte mein Tun und so tat ich den Kram ganz beiseite. Ich rutschte ein Stück zum Bett heran und legte meine Arme auf den Rand und mein Kinn darauf: „Hab ich dich geweckt?“ Er sah mir erst direkt in die Augen und betrachtete dann mein Gesicht. Ich hob einen meiner Arme an und legte meine Hand in seinen Nacken, kraulte vorsichtig und fragte leise: „Willst du was trinken?“ Wieder keine Antwort, stattdessen rückte er näher und legte seinen Kopf auf meinen Arm. Ich machte ihm Platz und presste meine Lippen an seine Stirn. Evens Haar hing schlaff darüber und so strich ich ihm die Strähnen etwas aus dem Gesicht. Wir verharrten eine ganze Weile so, bis ich ihn abermals ansprach: „Ich... hab hier ein paar Dinge... für dich...“ Der vor mir Liegende nahm den Kopf von meinem Arm und schaute mich abermals an, dann nickte er leicht. Nervös kaute ich auf meinen Lippen herum und haderte mit mir, wie ihn dazu zu bringen kann die Pillen zu nehmen, wie er es sollte. Doch Even nahm mir das ab: „Gib schon her...“, brummte er und legte eine seiner Hände unter der Bettdecke frei. Ich gab ihm beide Packungen und er holte lustlos erst die eine Tablette aus der Plastikdose hervor und fummelte dann die andere aus der Schachtel heraus. „Hast du was Essbares?“, vernahm ich es von ihm und ich antwortete: „Ehh.. ich kann dir was bringen. Hast du Hunger?“ Er schüttelte den Kopf: „Nein... Aber ich soll die Dinger nicht auf leerem Magen nehmen...“ Schnell sprang ich auf und sagte: „Warte, ich bin gleich wieder da!“ Eilig begab ich mich in die Küche und bastelte so schnell es ging ein Sandwich für ihn zusammen, und auch etwas für mich selbst. Dabei feststellend, dass ich mal wieder nicht mehr allzu viel übrig hatte, was sich schnell zubereiten lässt. Anyway. Kaum hatte ich es fertig, hechtete ich zurück und sah Even einen Schluck aus der Wasserflasche nehmen. Die Tabletten lagen noch vor ihm. Ich setzte mich auf den Bettrand, reichte ihm sein halbiertes Sandwich und er nagte auch hier nur halbherzig an einer der Hälften herum, warf zwischendurch die Pillen mit Wasser ein und hatte schon mit all dem ziemlich zu kämpfen. Es dauerte bis er fertig war und sich wieder unter der Decke vergrub. Ich lächelte ihm zu und stellte die andere Sandwichhälfte, die Flasche und die Pillen in Reichweite neben seinem anderen Kram ins Regal. So hatte das Ding wenigstens mal einen höheren Zweck, als nur Staubfänger zu horten. Ich stand vom Bett auf und ging um dieses herum, nahm erst mein Handy und bedankte mich bei Sonja: Hi Sonja. Danke, dass du Evens Medikamente gebracht hast. Er hat sie eingenommen und schläft wieder. Dann landete das Telefon auf meinem Nachtschrank und ich mit meinem Laptop wieder auf meiner Seite vom Bett. Natürlich googelte ich erst mal was das für Zeug ist, was er da nimmt, während ich selbst etwas aß. Offenbar handelte es sich bei dem einen um ein Antidepressivum, und bei dem anderen um ein Phasenprophylaktikum; ein Stimmungsstabilisierer aus Lithiumsalzen. Mhm, Lithium. Ist das nicht in Akkus enthalten? Wird aber sicherlich was anderes sei. Hoffen wir zumindest mal, dass das Zeug hilft und es ihm bald besser geht. Laut Wirkungsweise sollte es das jedenfalls. Im Grunde hatte Even auch den ganzen restlichen Tag geschlafen und nicht viel gesagt. Die andere Hälfte von seinem Sandwich hatte er nicht angerührt. Aber wenigstens nimmt er seine Pillen. Das ist ein Anfang. Kurz vor 21 Uhr, ich war gerade in der Küche um meinen Teller los zu werden und mich ein paar Schritte zu bewegen, erreichten mich zwei weitere Nachrichten von Sonja: Ich wollte eigentlich nur sagen, dass du ihn am besten einfach schlafen lässt, wenn ihm danach ist. Er tendiert dazu viel zu schlafen. Aber frag ihn ruhig, ob er was machen möchte, wenn er wach ist. Einen Film sehen oder vor die Tür gehen. Manchmal lässt er sich drauf ein. Es ist ein komischer Gedanke, wenn man irgendwie doch das Gefühl hat, ein anderer Mensch kennt den eigenen Freund soviel besser als man selbst. Aber da muss ich wohl einfach drüber stehen. Sie waren immerhin vier Jahre zusammen. Da weiß man einiges über den Anderen. Und wir beide hatten ja noch nicht viel Zeit zusammen. Mach ich, danke, schrieb ich zurück und begab mich in den Flur, lehnte mich dann von außen an meine Zimmertür und grübelte. Irgendwie, hatte ich das Bedürfnis, Even so schnell wie möglich, so gut wie nötig kennen zu wollen. Zum Einen, weil ich ihn in meinem Leben haben will, als Partner und zum Anderen, weil ich ihm helfen will. Aber er selbst hatte offenbar das Gefühl von Sonja kontrolliert zu werden und dass sie ihn besser kennt als er sich selbst. Wie stell ich's also an, ihm zu helfen, ohne dass er sich überwacht fühlt? Als ich die Tür öffnete und einen Blick auf Even warf, musste ich tatsächlich ein wenig lächeln. Er hatte sich halb auf meine Seite gehievt und hielt das Kissen, auf dem ich lag, in einer Umarmung fest. Ich trat ein, schloss leise hinter mir die Tür und begab mich zu ihm hinüber. Den Laptop schob ich zur Seite und kniete mich vors Bett. Ganz vorsichtig legte ich meine Hand an seine Wange und strich sachte darüber. Dabei betrachtete ich ausgiebig sein Gesicht und die vielen winzigen Pünktchen auf seiner Haut. Ein paar davon erinnern an das einzige Sternbild, dass ich kenne, den großen Wagen, und so zeichnete ich es mit der Fingerspitze nach. Es schien ihn zu kitzeln, denn er legte die Stirn in Falten und brummte verpennt: „Machst'n da...?“ Abermals musste ich grinsen. Wenn Even versucht böse zu gucken, dann wirkt er eigentlich ziemlich niedlich. Lustlos schob er meine Finger von seinem Gesicht weg und ließ seine Hand in meiner liegen. Ich umfasste diese etwas fester und kraulte mit der freien Hand in seinem Nacken: „Gefällt dir das?“ Even gab ein Geräusch von sich, welches ich als Zustimmung identifizieren würde. Zumindest versuchte er nicht wieder böse zu schauen. „Ich kraule dich gern weiter... wenn du mir ein bisschen Platz machst“, flüsterte ich, sah sofort wieder die Falten auf seiner Stirn und hörte ein unwilliges Knurren. „Ich kann mich auch auf den Sessel da drüben fallen lassen, nur... dann kann ich dich nicht kraulen... also...“, stellte ich noch eine andere Möglichkeit zur Auswahl, doch mit der schien Even noch weniger einverstanden, so wie er nun murrte. Er rollte sich von seiner Bauchlage auf den Rücken und so hatte ich Platz mich neben ihn zu begeben. Mit dem zurückgelassenen Kissen nun wieder im Rücken, hatte ich eigentlich vor, noch ein paar Folgen meiner Serien weiter zu schauen, auch um den Kopf von den Geschichten anderer bipolarer Menschen wieder frei zu bekommen. Doch eh ich mich zu meinem Rechner nach unten beugen konnte, rollte sich Even wieder herum und auf mich drauf. Seinen Kopf platzierte er auf meinen Bauch. Da hat man wohl kaum eine andere Wahl, oder? Nachdem der nun halb auf mir Liegende bald wieder eingeschlafen war, musste ich auch recht schnell weggepennt sein. Die letzte Nacht war für mich ja auch nicht sonderlich erholsam. Ich wachte jedoch mitten in dieser Nacht auf. Even war inzwischen wieder auf seiner Seite zusammen gerollt. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es kurz nach Mitternacht war. Lohnte also nicht mehr noch irgendwas anzufangen. Ich stand vorsichtig auf und unterdrückte ein schmerzerfüllten Laut. Mein Arsch und mein Rücken taten weh von dieser ungeeigneten, halb liegenden und halb sitzenden Schlafposition. Den Rechner fuhr ich schnell runter, der hatte eh kaum noch Akkuleistung. Meine Klamotten landeten auf dem Boden und das Licht war auch bald aus. Even schlief die restliche Nacht aber ziemlich unruhig. Er schien schlecht zu träumen, zuckte oft heftig und wachte immer wieder auf. Erst als ich mich an seine Kehrseite schmiegte wie in der Nacht zuvor wurde es ruhiger. Vielleicht ist er in seinen Träumen vor dem Allein-sein weggelaufen... Als ich am späten Vormittag aufwachte und ganz allmählich die Augen auf bekam, wurde ich angesehen. Von Even. Direkt. Ich suchte sein Gesicht nach dem Grund seines Wachseins ab und sprach ihn unsicher an: „Hi.“ Auch der mir gegenüber Liegende schaute auf meinen Mund und dann wieder in meine Augen, hin und her. „Hi...“, hauchte er kaum hörbar. Ich rutschte ein Stück zu ihm ran und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Er beschwerte sich zwar nicht, erwiderte es aber auch nicht. Sachte stupste ich seine Nasenspitze mit meiner an und flüsterte: „Brauchst du irgendwas? Hunger? Durst?“ Sein Blick wich dem meinen aus. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er tief Luft holte und brummte: „Ich muss meine Tabletten nehmen...“ Ich verstand: „Okay... Ich zieh mir schnell was an und... mach dir was zum Frühstück.“ Schnell gab ich ihm noch einen Kuss auf die Stirn und setzte dieses Vorhaben in die Tat um. Zumindest... hatte ich vor... mein Vorhaben in die tat umzusetzen... Ich scheiterte aber daran, dass ich nicht wirklich Brauchbares mehr hatte, außer Tütensuppen und Dingen die eine Weile brauchen, bis sie zubereitet sind. „Fuck...“, fluchte ich, als ich mein Fach im Tiefkühler wieder zu schob. Ich überlegte was ich stattdessen tun könnte. Jetzt los in die Stadt rennen dauert zu lange. Kurzentschlossen schaute ich die anderen Fächer meiner Mitbewohner durch und fand eine Grandiosa Tiefkühlpizza. Eigentlich hab ich bisher lieber meinen Magen knurren lassen, eh ich den Anderen was wegnehmen würde, aber in dem Falle ging es nicht um mich, sondern Even. Eskilds Schuhe und Jacke waren nicht da, also hat er die letzte Nacht nicht hier gepennt und ob sich Linn vor Sonnenuntergang außerhalb ihres Zimmers blicken lässt ist fraglich. Noora war ebenfalls nicht im Wohnzimmer nebenan, also warf ich das Ding in den Ofen. Das war schließlich ein Notfall. Morgen nach der Schule, kaufe ich gleich ein und ersetze die Pizza. Aber... kann ich Even überhaupt alleine lassen, in dem Zustand? Ich überschlug grob meine Fehlstundenanzahl und stellte fest: Ich muss zum Unterricht erscheinen. Ich hab maximal noch die Möglichkeit 1 oder 2 Stunden früher zu gehen, aber einen ganzen Tag schwänzen liegt nicht mehr in meinen 10%. Großartig. Gerade mal die erste Hälfte vom Schuljahr rum und schon das Limit erreicht. Scheißdreck, verfluchter... Während die Pizza im Ofen war, setzte ich Kaffee auf und grübelte, wie ich das die nächsten Tage managen könnte. Even alleine lassen ging nicht, aber nicht zur Schule gehen genauso wenig. Schließlich war es die Hauptbedingung meiner Eltern, dass die Schule Vorrang vor allem anderen hat, damit sie mich hier wohnen lassen. Ich holte in der Zeit einen großen Teller hervor und den Pizzaschneider. Als ich eine Tasse in der Hand hielt für den Kaffee, kam mir die Frage in den Sinn, ob Even vielleicht auch welchen möchte. Darum stellte ich die Tasse auch gleich wieder ab und lief hinüber, öffnete die Tür und sah Even im Bett sitzen, mit dem Rücken an der Wand, die Beine angewinkelt und den Kopf nach hinten an die Wand gekippt. Er schaute nun zu mir und so fragte ich: „Willst du auch Kaffee?“ Ich bekam nur ein Kopfschütteln und wollte daher auch gleich wieder gehen, eh ich die Tür noch einmal öffnete und abermals fragte: „Willst du Tee? Oder Kakao.. oder... Saft... oder...“ „Tee“, unterbrach er meine Aufzählung und ich wiederholte: „Tee.“ Gerade, als ich die Zimmertür wieder schließen wollte, kam mir der nicht ganz unnütze Gedanke zu fragen welche Sorte. Also steckte ich den Kopf noch einmal hinein, wollte gerade zur Frage ansetzen und bekam schon eine Antwort: „Früchte.“ Etwas überrascht davon, eine Antwort ohne die Frage dazu zu bekommen, und das in einer Zeit in der Antworten von Even eh recht dünn gesät sind, nickte ich und bestätigte auch hier: „Gut, Früchtetee.“ Damit machte ich die Tür wieder zu und ging zurück in die Küche, warf erst einen Blick in den Ofen, dann zur Kaffeemaschine und füllte im Anschluss den Wasserkocher. Tee. Hm... Scheiße... Haben wir sowas überhaupt? Ich durchwühlte mal wieder eilig die Schränke und fand noch ein Teebeutelsortiment. Pfefferminz... Kamille, Earl Grey, Darmwohl... Glücklichmacher... Klingt an sich gut, aber wer weiß was das für ein Geschmack ist. Ich kramte weiter. Salbei... Honig-Mandel... klingt nach Linns Bodylotion. Pomme et cannelle. Was zum Henker ist das? Da alles an Sorten zusammengeschmissen wurde, riecht auch alles nach allem. Pomme... Irgendwas mit Apfel, glaube ich. Aber was ist Cannelle? Ich roch dran. Mhmm. Schwer zu sagen... Kommt mir aber bekannt vor... Mhmmm vielleicht... Ahh Apfel und Zimt! Na wenn er da nicht drauf abfährt, weiß ich's auch nicht! Zack, landete der Beutel in der Tasse und das heiße Wasser drauf. Der Kaffee war inzwischen auch durch und so kippte ich die andere Tasse damit voll, trug beide hinüber in mein Zimmer und stellte sie auf den Boden vorm Bett. „Pizza kommt gleich!“, verkündete ich und hechtete wieder los. Wenig später war ich mit dem Teller und ein paar Papierservietten wieder da, legte dies ebenfalls auf den Boden vorm Bett und setzte mich hin. Even nahm die Servietten in die Hand und faltete eine auseinander, schnappte sich seine Pillen, die er während ich weg war aus den Verpackungen gefummelt hatte und rutschte ebenfalls von der Matratze runter. „Sechs Stücke?“, kommentierte er die Art und Weise wie ich die Pizza aufgeteilt hab und so entgegnete ich dem, trockenem Humors: „Ja, acht Stück hätten wir eh nicht geschafft.“ Diese Antwort gab ihm offenbar zu denken, denn er schaute stutzig. Bis ich dann doch grinsen musste und er zu merken schien, dass es ein Joke war. Ob ich die Pizza nun in sechs oder zwanzig Stücke aufteile, das ändert ja nichts an der Masse. Aber auch Even konnte sich zu einem winzigen Lächeln hinreißen lassen und nahm sich ein Stück. Während wir aßen und mein Gegenüber die Tabletten einnahm, fragte ich vorsichtig: „Möchtest du heute vielleicht irgendwas machen? Rausgehen, oder 'nen Film sehen? Oder so...“ Even nagte an seinem Stück herum und atmete tief durch. „Du musst nicht...“, warf ich gleich ein, damit er sich bloß nicht gezwungen fühlt oder genervt ist. Doch er sprach: „Film.. ist gechillt.“ „Film“, wiederholte ich und wollte dann wissen: „Irgendwelche speziellen Wünsche?“ Even schüttelte mit dem Kopf und nahm eine zweite Serviette und tupfte sich damit die Mundwinkel ab. So wie er es bei unserem ersten Treffen mit den Papierhandtüchern gemacht hatte. Das blieb in meiner Erinnerung haften, wie kaum etwas anderes. Wieder musste ich lächeln und freute mich, als er sich das zweite Stück Grandis-Pizza griff. Das ist gut oder? Auch dass er das Bett verlassen hat. Und das nicht nur, um aufs Klo zu gehen. Als er zum Tee greifen wollte warnte ich vorsichtshalber: „Der ist verdammt heiß. Hab mir fast die Finger verbrannt...“ Die verbrenne ich mir gefühlt immer, wenn ich irgendwas heißes zubereite. Aber ich wollte nicht, dass ihm das auch widerfährt. Mein Gott, Isak... gerade mal ein paar Tage und du entwickelst dich fast schon zur Mutti... Er wird wohl schon mal in seinem Leben was heißes getrunken haben und wissen, dass es heiß ist. Ein wenig mit der Fürsorge runter fahren schadet bestimmt nicht. Even schlürfte vorsichtig am Tee und ich fragte ihn: „Fruchtig genug?“ Er nickte und schnappte sich zu meiner Verwunderung ein drittes Stück Pizza. Dieses sollte dann aber auch das letzte sein, dann verkroch er sich samt Tee wieder ins Bett und unter die Decke. Die leere Tasse stellte er auf den Boden neben sich und schloss bald darauf die Augen. Ich ließ ihn nach dem Essen noch etwas Schlafen und dachte in der Zeit darüber nach, welcher Film ihm gut tun würde. Einen, den er auf jeden Fall mögen würde, der ihn nicht aufregt oder traurig macht. Dass er gern auf Filme bezogene Referenzen verwendet war ein guter Hinweis. Mir fiel die offensichtliche, von ihm verwendete Referenz 'Was passiert, nachdem ich dich gerettet habe? - Ich rette dich zurück' wieder ein. Daher schloss ich meinen Laptop zum Laden an die Steckdose und googelte eben dies. Es stellte sich heraus, dass es ein Film namens 'Pretty Woman' sein musste. Okay, klingt... verdammt kitschig, wenn man die Beschreibung hier liest. Aber was tut man nicht alles? Während Even noch schlief, ging ich in Ruhe duschen und tat, was man eben sonst so im Bad tut, wenn man dort mal ein paar Minuten für sich hat. Nach all dem Stress fühlte ich mich danach fast wie nach einer rundum Erneuerung. Zurück im Zimmer warf ich mich in ein paar Klamotten und nutzte die Zeit, um wieder mal etwas für die Schule zu tun. Even wachte erst am frühen Abend wieder auf und hievte sich aus dem Bett, verließ das Zimmer und stand wenige Minuten später wieder in der Tür. „Film?“, sprach ich ihn an und er nickte. Ich räumte meinen Kram zusammen und stellte den Laptop in die Nähe des Fernsehers, damit ich ihn anschließen konnte. Ich bastelte ewig mit den Kabeln herum, bis alles passte und funktionierte. Normalerweise seh ich mir alles auf dem PC selbst an, aber ich wollte nicht dass Even sich zu sehr anstrengen muss auf den kleinen Bildschirm zu sehen. Der Film war vorhin schon bereit gesehen zu werden und so musste man nur noch auf Play drücken. Even lehnte sich derweil an die Wand, ohne Kissen im Rücken. Am liebsten hätte ich das geändert, aber er ist ja nicht schwerstbehindert und so wollte ich ihn auch nicht behandeln oder ihm das Gefühl geben, dass ich ihn so sehen könnte. Ich setzte mich neben ihn und klemmte demonstrativ zwei von drei Kissen in meinen Rücken, sah zu ihm hinüber und fragte: „Bereit?“ Mir wurde ein abermals Nicken entgegen gebracht und so startete ich den Film. Schon bei der ersten Szene, in der irgendein Typ auf einer Schnösel-Party einen Vortrag über Geld hielt und einen Haufen Zauberkunststücke mit Münzen vollführte, wusste Even um welchen Streifen es hier gehen würde und wandte sich zu mir. Er schaute mich mit geöffneten Lippen an, dann wieder zum Film und anschließen wieder zu mir. Seine Augen betrachteten mich prüfend, eh er sich von ganz allein zu mir beugte und mir einen kurzen Kuss auf die Wange gab. Es brachte mich zum Grinsen, weshalb ich mich zu ihm drehte und meine Hand an seine Wange legte. Ich küsste ihn und er erwiderte. Auch heute nicht allzu intensiv und ausdauernd, aber er tat es. Als Even sich löste und seinen Kopf, wie schon am Abend zuvor, auf meinen Bauch legte, begann ich ihn zu kraulen. Ab ungefähr der Hälfte des Films ist er dadurch eingepennt... Aber so kam ich wenigstens auch in den Genuss zu verstehen, weshalb er mich vor zwei Wochen fragte auf welchen Film er damals anspielte und ich absolut keinen Plan hatte was er von mir wollte. Nachdem ich zunächst dachte, Even wäre mal wieder am nächsten Morgen, nach 'ner gemeinsamen Nacht verschwunden und ich ihn dann mit Eskild und Noora in der Küche beim Essen machen vorfand, da sagte er, er wüsste nicht was ich mögen würde, zum Frühstück, also hätte er alles gemacht. Was er wortwörtlich auch hatte, so voll gestellt wie die Küche war. Nur hat der Typ in dem schnulzigen Streifen hier, nicht selbst gekocht, sondern die ganze Speisekarte über den Zimmerservice bestellt, weil er nicht wusste was seine Angebetete frühstücken wollen könnte. Ja, jetzt wusste ich welchen Film Even meinte. Und ich sah auch später die Szene, als der Kerl sie fragte, was passieren würde nachdem er den Turm hoch geklettert ist, um sie zu retten und die Frau antwortete: Sie rettet ihn gleich zurück. Was soll ich sagen? Kitsch ist immer noch nicht mein Fall. Aber für, oder wegen, oder mit Even ertrag ich das alles. Pünktlich nachdem der Streifen ein Ende nahm, vibrierte mein Handy, welches am Fußende des Bettes lag und ebenfalls den Akku auf lud. „Baby?“, sprach ich den halb auf mir Liegenden an und dieser rappelte sich langsam auf. „Entschuldige...“, brummte er und rückte von mir weg. „Alles gut“, versicherte ich ihm und rutschte vom Bett hoch, während Even sich auf die andere Seite drehte und weiter schlief. Ich nahm mein Telefon und lief damit hinüber zu einem Fenster. Linn fragte im WG-Chat, wer ihre Pizza genommen hat und Eskild hatte ihr bereits geantwortet: Ich nicht. Das war ich, musste was zum Essen machen, gestand ich also und ergänzte: Ich überweise dir Geld, Linn. Sorry. - Ok, wie läuft's mit Even?, entgegnete sie mir und auch Eskild stellte die selbe Frage, außerdem merkte er an, das sie ihm noch 'ne kalte Cola mit Eis schulde, während ich tippte: Es läuft besser, denke ich. Oder es wirkt als würde es besser gehen. Was zur Hölle weiß ich schon. Er schläft gerade. Aber ich hab mit Sonja geschrieben und sie sagt er neigt dazu zu schlafen, wenn er depri ist. Also, ja. Aber wenigstens hat er die halbe Grandis gegessen. Das ist gut. Während Linn offenbar nicht wusste was Eskild mit der Cola meinen würde, merkte dieser im Chat an: Ach, ♥ Isak. Denke da ist so viel Fürsorge in deinem kleinen grantigen Teenager-Körper. Grantig... Wieso finden alle, dass ich grantig bin? Eigentlich ein Grund gleich grantig zu werden...Whatever, konterte ich daraufhin und las nebenher, dass Eskild die Sache mit der Cola nur so daher gesagt hatte und trug nun meinerseits mein Anliegen vor: Aber was macht ihr morgen über den Tag? - Ich habe die 10% abgefuckt und muss zur Schule. Aber will nicht, dass Even hier alleine bleibt. Schließlich ist das seine größte Angst, alleine zu sein. Ich bin morgen bis 14 zu Hause, wann bist du fertig mit der Schule?, kam es von Eskild und ich antwortete: 15:30. - Ich komm gegen eins nach Hause, also kann ich übernehmen, wenn Eskild geht, brachte sich nun auch Noora ein und ich freute mich schon ziemlich, dass meine Mitbewohner mich in der Angelegenheit unterstützen: Danke Leute. Eskild wollte, einmal angestachelt, auch gleich einen Zeitplan für die ganze Woche erstellen und Linn und Noora für Wachdienste einspannen, und fragte letztere sogar, ob sie eben dafür Excel auf dem Tablet hat. Doch ich warf dazu gleich ein: Nicht sicher, ob er die ganze Woche bleibt. Ich weiß nicht mal wie lange sein Zustand jetzt andauert, oder ob es womöglich schlimmer wird. Warum will er nicht nach Hause?, las ich nun von Linn und ich entgegnete ihr: Er kann nach Hause, aber ist das Ok für euch, wenn er hier bleiben will? Ich war etwas unsicher, da meine Mitbewohner ja mitbekommen hatten, wie schlecht es mir wegen Even ging und dass sie deshalb vielleicht wenig Verständnis aufbringen, wenn sie mit seiner Situation genauso wenig anfangen können, wie ich selbst vor ein paar Tagen noch. Doch alle schienen damit einverstanden, dass Even hier ist und so bedankte ich mich noch einmal bei allen. Mein Blick ging wieder hinüber zu meinem Bett. Ein Fuß schaute unter der Decke hervor und der Kopf war gänzlich unter Kissen vergraben. Im Vorbeigehen zupfte ich die Bettdecke ein Stück nach unten, suchte meine Serien und das Headset hervor, um es an den PC zu schließen und Even somit nicht mit dem Sound zu stören und ließ den Abend damit gemächlich ausklingen. Montag, 12.12.2016 – 10:36 Uhr Es nützte nichts, ich musste an diesem Morgen wieder zur Schule und hatte inzwischen auch schon die ersten Stunden herum gebracht. Eskild ist heute extra für seine Schicht als Aufpasser früher aufgestanden als er es sonst tun würde, wenn er Spätschicht hat. Der Plan für den Wachdienst hing heute morgen auch schon am Kühlschrank. Er hatte fast schon zu viel Elan bei der Sache, dass ich beinahe befürchten musste, er würde Even eher in den Wahnsinn treiben. Und mich gleich mit. Denn er hatte mich schon zwei mal angerufen, als es darum ging, wie und wann Even die Tabletten nehmen soll, sobald er wach ist. Nun folgte das dritte mal. Aber es würde ja niemandem Punkte bringen, wenn wir nicht alle ein wenig gechillt bleiben in dieser Angelegenheit. Gelassen nahm ich deshalb auch dieses Gespräch an, da wir sowieso gerade Pause hatten. „Er schläft die ganze Zeit nur! Und er bewegt sich kaum. Ich weiß immer nicht, ob er überhaupt noch lebt. Trinkt er auch mal was? Oder isst was? Soll ja Leute geben, die sowas gelegentlich tun...“, redete er hörbar aufgeregt drauf los und ich bremste ihn: „Ja aber Eskild, wenn er schläft, dann lass ihn einfach schlafen.“ Dann redet er sich wenigstens nicht selbst schlecht... „Sollte ich ihn nicht wecken, um zu fragen wies ihm geht?“, wollte er wissen, während ich meinen – im Übrigen wunderbar funktionierenden – Spind öffnete. Ich schüttelte fast schon amüsiert den Kopf: „Nein.. Wieso willst du das tun?“ „Ich weiß nicht. Du... hast gesagt, ich soll auf ihn aufpassen“, entgegnete er mir und ich versuchte ihm in Ruhe klar zu machen: „Ja... Ich hab dich gebeten nach ihm zu sehen, weil er deprimiert ist, nicht um auf ihn aufzupassen, als wäre er ein Kind. Lass ihn einfach schlafen.“ „Okay. Iiich glaube er wacht jetzt auf. Reden später“, würgte er mich mit einem mal förmlich ab und ich musste abermals schmunzeln. Wenn Eskild etwas gefunden hat was er bemuttern kann... dann geht er auf wie ein Hefeteig. Apropos in irgendwas aufgehen... So eben kam Vilde auf mich zu: „Hi, Isak!“ „Hi, Vilde“, grüßte ich zurück und sie strahlte richtig: „Hast du die Nachricht gesehen, die ich in der Kosegruppe gepostet hab?“ Oh shit. Da war ja noch was. „Ehh... Kosegruppe? Nein, hab ich nicht“, giggelte ich und sie wollte auch gleich wissen: „Warum lachst du?“ Ich unterband mein Grinsen und erklärte: „Nein... es ist nur... Ich hab fast vergessen, dass die Kosegruppe existiert.“ Vildes Gesicht hatte sich binnen weniger Worte von zu vorwurfsvollem Ernst gewandelt und sie legte nun los: „Du bist aber noch dabei oder? Die Revue fängt jetzt an. Du kannst nicht nur wegen der Partys mitmachen und die Arbeit schwänzen.“ Nicht, dass ich vor zweieinhalb Monaten geglaubt hätte, dass zu sagen aber..: „Natürlich bin ich noch in der Kosegruppe, Vilde! Was denkst du wer ich bin?“ Sofort erhellte sich ihr Gesicht wieder und sie trug ihr eigentliches Anliegen vor: „Ja, weil ähm.. alle Gruppen haben ein Weihnachts-Beisammensein. Und das Rave-Vorglühen bei dir lief so gut, also dachte ich, wir könnten das bei dir machen?“ Rave? Damit meinte sie diesen Neon-Firlefanz, oder? Nach kurzem Überlegen darüber, dass durch alles was die Kosegruppe betrifft, die Sache mit Even und mir erst seinen Anfang nehmen konnte, seufzte ich nachgebend: „Ja.“ „Ja? Eh... Ist das für deine Mitbewohner in Ordnung?“, hakte Vilde ungläubig nach und ich bestätigte: „Das ist sicher Okay.“ Letztes mal hat sich auch niemand wirklich beschwert. Also.. why not? „Dann sende ich Einladungen raus!“, teilte sie mir hoch erfreut mich und brachte sogar mich zum lächeln: „Leg los!“ Ich holte nun endlich mal mein Buch aus dem Spind, weswegen ich eigentlich hier war und schloss das Ding. Als ich den Flur entlang schaute, sah ich weiter hinten Emma an ihrem Spind stehen, die gerade einige ihrer Hefte sortierte. Auch wenn das echt nicht nett war, mich in der Schule zu outen, war ich gewissermaßen auch selber Schuld dran, dass ich sie mit meinem Verhalten dazu gebracht habe. Vielleicht ist es an der Zeit das Kriegsbeil zu begraben und so machte ich den ersten Schritt, ging auf sie zu und lehnte mich wie damals an die Spindreihe: „Hallo.“ Sie sah mich ziemlich überrascht an, gab dann aber auch ein recht neutrales: „Hi“, von sich. Gut, da sie nicht mit ihren Büchern nach mir warf, versuchte ich es also auf die selbe Tour wie damals: „Da ist so ein eh.... Arschloch aus der zweiten Stufe, der so ein Weihnachts-Beisammensein mit der Kosegruppe veranstalten wird, am... Freitag. Also fragte er sich, ob du kommen willst, weil er denkt das es echt schön wäre.“ Ein Hauch von einem Lächeln bildete sich auch auf ihrem Gesicht, doch sie wich mir aus und sprach: „Ich hab... zur PR-Gruppe gewechselt, also...“ „Verstehe“, entgegnete ich dem, aber sie ergänzte: „Aber... du... kannst dieses Arschloch grüßen und sagen, dass ich mich sehr gefreut habe, dass er gefragt hat.“ „Ich sag's dem Arschloch. Er wird’s zu schätzen wissen“, versprach ich und sie entgegnete dem: „Tu das.“ „Yes“, nickte ich und so trennten sich nach kurzer Verabschiedung unsere Wege. Damit war wohl schon klar, dass wir kaum mehr miteinander zu tun haben werden, was vielleicht auch ganz Okay ist. Die Jungs fragten in der Mittagspause nach Evens Befinden und auch Magnus bestätigte mir nach meinem Bericht noch einmal, dass alles gut ist wie es ist. Dass, wenn er sich bei mir wohlfühlt, da auch bleiben kann. Und sofern nicht irgendwas schlimmes passieren sollte, man den Dingen einfach Zeit geben und auch mal Rückschläge hinnehmen muss, wenn welche auftreten. Geduld sei in dem Falle viel wert, sagt er. Im Grunde das gleiche wie Sonja. Ich hörte jedoch den restlichen Tag über nichts mehr von Eskild. Keine Anrufe, nicht mal eine Nachricht. Ein wenig besorgt war ich deshalb schon. Weshalb ich mich tunlichst beeilte nach der Schule nach Hause zu kommen. Noora kam gerade aus meinem Zimmer, schloss die Tür und flüsterte: „Er schläft.“ Ich nickte: „Okay, danke.“ Ich ließ mein Zeug an der Flurgarderobe zurück und schlich in meine Zimmer. Even lag auf meiner Seite vom Bett, weshalb ich mich vorsichtig auf die seine legte und ihn beobachtete. Es schien ihm den Umständen entsprechend gut zu gehen. Das freute mich so sehr, dass ich nicht widerstehen konnte ihm ein Küsschen auf die Wange zu drücken. Er knurrte leise und legte die Stirn in Falten, weshalb ich leise sprach: „Entschuldige.“ Darauf hin öffneten sich seine Augen und er sah mich an. Ich lächelte und wollte ihm etwas positives entgegen bringen, begrüßte ihn daher mit einem kleinen Kompliment: „Hallo schöner Mann.“ Even drehte sich abrupt wieder weg und nuschelte: „Ich muss mich rasieren, ich stinke und meine Haare sind fettig... Ich bin bestimmt nicht schön...“ Kann nicht mal sagen warum, aber ich musste lachen. Irgendwie waren die Rollen vertauscht. Ich wecke Even mit einem Kuss und er grummelt rum wie beschissen alles ist. Sonst war das immer mein Part. Weshalb ich lächelnd konterte: „Und deine Lippen sind spröde, weil du zu wenig trinkst.“ Ob er das gerade wollte oder nicht, doch ich küsste ihn trotzdem oder viel mehr genau deswegen. Als würde er mich damit abschrecken können...tzz. Ich legte meinen Kopf neben dem seinen ab und suchte unter der Decke nach einer seiner Hände, fasste nach dieser und spielte mit seinen Fingern. Einen Moment lang trat entspannte Stille ein und so schlug ich vor: „Was... hältst du davon... wenn wir zusammen duschen gehen? Und dann was zum Essen holen?“ Er sah mich abwägend an und so versuchte ich ihm das ganze schmackhaft zu machen: „Lecker Kebab? Du liebst Kebab. Und du liebst Duschen... mit mir...“ Es dauerte, aber endlich nickte Even, also beugte ich mich etwas hinüber, küsste ihn freudig und schob die Decke Stück für Stück weg. Langsam rollte er sich aus dem Bett und auch ich stand auf, schnappte mir ein Handtuch und die Einkaufstüte, die Eskild neulich mitgebracht hatte und anschließend griff ich nach seiner Hand. Wir gingen ins Badezimmer und ich schloss ab. Even hatte sich gleich lustlos auf dem Klodeckel gesetzt. Ich packte die Tüte auf der Ablagefläche neben dem Waschbecken aus und zeigte ihm, was da für ihn drin war: „Tante Eskild war einkaufen und hat dir was mitgebracht. Rasierer... Handcreme, natürlich... dann 'ne Zahnbürste uuund... brandneue Shorts. Was sagst du dazu?“ „Ich hab dich vermisst...“, war seine Antwort. Weshalb ich alles aus den Händen legte und zu Even rüber lief, mich vor ihm hinhockte und meine Arme auf seinen Knien ruhen ließ: „Ich hab meine 10% versaut, ich musste zur Schule... sonst hätte ich Schwierigkeiten bekommen.“ Beschwichtigend streichelte ich seine Wange und schlug vor: „Komm, raus aus den Klamotten und rein in die Dusche, dann... geht’s dir bestimmt auch besser.“ Damit stand ich auf und fasste an den Saum seine Shirts, zog es ihm über den Kopf und ihn anschließend auf die Beine. Nicht, dass ich ihm nicht auch liebend gern aus der Unterhose geholfen hätte, aber wie ich schon selbst sagte: Er ist kein Kind mehr. Daher schälte ich mich aus meinen eigenen Klamotten, trat mit einem Fuß in die Dusche und blickte mutig dem anfangs immer arschkalten Wasserstrahl aus dem Duschkopf entgegen. Als es warm wurde, drehte ich mich herum und zog Even zu mir hinein, der es inzwischen selbstständig geschafft hatte sich ganz auszuziehen. Als das angenehm warme Wasser über uns hinab prasselte, stellte ich mich auf die Zehballen, legte meine Arme um seinen Nacken und küsste ihn abermals, eh ich ihn an mich drückte. Es war wirklich gut zu sehen, dass er das hier mit sich machen lässt und es tat verdammt gut, als sich auch seine Arme um mich legten. Das ist viel besser, als wenn er rumhängt und von Tod, Schuld und Sünde spricht. Wir standen einen langen Augenblick so da, dann ließ ich von Even ab, drehte das Wasser zu und schnappte mir mein Duschgel, seifte den vor mir Stehenden überall ein und wusch ihm auch die Haare. Vor allem letzteres schien er für die gegenwärtigen Verhältnisse sehr zu genießen, weshalb ich ihm extra lang die Kopfhaut massierte. „Wenn ich die Schule verkacke... dann weiß ich wenigstens, dass ich irgendwas kann“, kommentierte ich seinen entspannten Gesichtsausdruck dabei. Even schaute kurz zu mir und schloss seine Augen gleich wieder, als er brummte: „Du bist 'n verdammtes Genie, du verkackst nichts...“ Ich lächelte und entgegnete dem: „Du hast nur Angst, dass ich jemand anderem den Kopf waschen könnte.“ Wieder öffnete er die Lider nur für einen kurzen Moment, eh ich ganz leise von ihm hörte: „Kann sein.“ Da mir die Arme vom stetigen hochhalten langsam wehtaten, musste das aber bald auch ein Ende nehmen, weshalb ich, nicht ganz uneigennützig, nochmal über seinen kompletten Körper fuhr und mich dann anschließend selbst einseifte, eh ich das Wasser wieder anstellte und es den Schaum nach und nach wegspülte. Auch wenn ich hier ewig mit ihm stehen könnte, so langsam bekam ich Hunger und deshalb drehte ich das Wasser ab, stieg aus der Dusche und behielt Even dabei im Auge, wie auch er hinaus trat. Denn der Boden kann manchmal echt verflucht rutschig sein, nach dem Duschen. Er bekam von mir das mitgebrachte Handtuch gereicht, meines hing ja noch auf der Halterung an der Wand. Er klemmte sich das Ding um die Hüfte und setzte sich wieder auf den WC-Deckel. „Ich föhne dir schnell durch die Haare“, ließ ich ihn wissen und er murrte: „Musste nicht...“ „Wenn wir gleich noch mal raus wollen, muss ich schon“, teilte ich ihm mit, denn mit nassen Haaren würde ich ihn bei den Temperaturen bestimmt nicht durch die halbe Stadt wandern lassen. Auch nicht mit Mütze. Er ließ mich gewähren und ich könnte schwören, er hatte dann sogar Gefallen dran gefunden, sich von warmer Luft anpusten zu lassen. Ich strich über Evens Kinn und fragte ihn: „Rasieren?“ Meinetwegen hätte er das nicht tun müssen, bis zum Rauschebart fehlt noch viel. Doch er nickte, weshalb ich ihm die Einwegrasierer und den Rasierschaum hinstellte: „Willst du, oder soll ich?“ „Ich kann das auch alleine...“, murrte Even und dann stellte er sich vor den Spiegel. Ich weiß, dass er das alleine kann. Er kann sich ja für gewöhnlich auch alleine anziehen, oder die Zähne putzen, oder... sich einen runter holen. Trotzdem 'helfe' ich ihm gerne dabei und da stellt er sich nicht so an. Auch beim Rasieren, oder Duschen, oder was weiß ich was... beim Kochen. Selbst beim Putzen würde ich helfen. Das macht man halt einfach, wenn man sich liebt. Denke ich... Es sieht jedenfalls lustig aus, welche Schnuten er dabei zieht, wenn er sich rasiert. Aber eh er sich womöglich ausgelacht fühlen würde, schnappte ich mir lieber selbst noch mal den Föhn, denn ewig trocknen lassen wollte ich meine Haare auch nicht, bis wir los könnten. Als ich fertig war, hatte auch Even seine letzten Züge getan und gemosert, wie sehr das Einweg-Ding kratzte. Daher schmierte er sich gleich mit der neuen Handcreme im Gesicht ein, statt auf meinen After Shave Balsam zu warten. Er war wohl schon immer ein Meister der Improvisation, nur nach Plan läuft scheinbar nicht immer alles. Aber wann tut es das schon? Ich stellte den ganzen Krempel in mein Fach im Badezimmerschrank, zeigte ihm wo er alles findet, wenn er was suchen sollte und drückte ihm die neuen Shorts in die Hand. Einen Augenblick später waren wir wieder bei mir ihm Zimmer und er packte sogar von selbst die Unterwäsche aus. Ich warf mich ebenfalls in frische Sachen und bot ihm ein paar gemütliche Klamotten von mir an, die er auch kommentarlos anzog. Als ich mir dabei Even in den neuen blütenweißen Shorts ansah, fragte ich mich schon, ob Eskild die mit Absicht so hauteng gewählt hat und vielleicht bei passender Gelegenheit vor hat, ein Glas Wasser 'versehentlich' über meinen Mann zu schütten... Wenn hier einer Wasser verschüttet, dann ich! Wie auch immer. Jetzt hoffe ich einfach mal, dass er mit raus kommen möchte. Ich reichte ihm daher seine Mütze und seine Jacke. Er sah mich zwar nicht unbedingt begeistert an, als es nun raus gehen sollte, aber er schien auch nicht gänzlich unwillig. „Lecker Kebab?“, versuchte ich ihn mit Dingen zu locken, von denen ich wusste, dass er sie gern hat. In dem Falle gerne isst. Kraulen lassen wollte er sich schließlich auch schon freiwillig. Klappte ja auch wunderbar. Später, auf dem Weg zum Bislett Kebab House, hatte er nicht viel gesagt und vor Ort tätigte ich unsere Bestellung, während Even neben der Tür stehen blieb und durch das große Fenster auf die nächtlich beleuchtete Straße blickte. „Einpacken lassen oder unterwegs essen?“, fragte ich ihn und er sah zu mir, zuckte lustlos mit den Schultern und schaute wieder nach draußen. „Einpacken...“, befand ich im Moment als die bessere Wahl. Dass er mit raus gekommen ist, war eine super Sache, doch ihn überfordern wollte ich auch nicht, weshalb wir auch gleich wieder in die WG zurück gingen. Es war eh dunkel und kalt, also auch nicht wirklich einladend. Zu Hause dann aßen wir in der Küche. Ich hörte im Wohnzimmer den Fernseher und Eskilds Stimme, doch nach dem Ausflug tat Even etwas Ruhe sicherlich gut. Oder zumindest war es besser, als sich den Fragen zu stellen, die da kommen könnten, wenn ich ihn zu den Anderen rüber gebracht hätte. Und fast aufgegessen hatte er auch. Was könnte man mehr erwarten? Kurz danach waren wir wieder bei mir im Zimmer. Even pellte sich aus seinen Klamotten und legte sich ins Bett zurück. Er zog es vor wieder zu schlafen, während ich mit dem Laptop auf dem Schoß einige Texte durchging, die wir als Hausaufgabe lesen sollten. Und außerdem wollte ich ja noch ein paar Überweisungen tätigen. Ich musste dafür mit der linken Hand auf dem Mousepad arbeiten, was echt ungewohnt war. Aber die Rechte hatte Even sich gesichert, da er den Kopf drauf gelegt hatte. Das wurde aber auch bald ungemütlich, obwohl ich es ihm zuliebe so lange wie möglich durch hielt. So kam es auch, dass ich mein Telefon mit der Linken bedienen musste, als Eskild im WG-Chat seinen wirklich umfassenden Lagebericht seines 'Wachdienstes' zu Protokoll gab: Montag 12. Dezember. Wache Teil 1 von 2: Even wachte ca. 10:30 auf. Ich habe ihm zwei Brotscheiben mit Braunem Käse* und Marmelade gemacht. Er hat eine gegessen. Ging zurück ins Bett, aber schaffte es ihn raus ins Wohnzimmer zu bekommen, um ein wenig Yahtzee* zu spielen und ein bisschen Planet Earth zu sehen, bevor Noora übernommen hat. Even war in guter Stimmung, während Nooras Wache anfing. Oder so gut wie es unter diesen Umständen sein kann. Leicht positive Entwicklung erfahren, seit diesem Morgen. Klingt doch gut. Ich streichelte den neben mir Liegenden, wodurch er sich regte und zu mir herum drehte. Er schob nun einfach den Laptop von meinem Schoß weg und legte seinen Kopf dort ab. „Du warst im Wohnzimmer?“, fragte ich ihn leise und er antwortete: „Mhmm... Du warst nicht da, als ich aufgewacht bin.“ Ich fuhr ihm durchs Haar und flüsterte: „Baby, du weißt warum. Aber ich find's gut, dass du raus gekommen bist.“ Wüsste nicht, wie ich die Dinge sonst handhaben sollte, als ihn hier zu lassen mit meinen Mitbewohnern, um zum Unterricht gehen zu können. Sonst bleibt nur ihn zu seinen Eltern zu bringen. Dort wäre ich dann aber nicht und ob die Zeit haben, weiß ich auch nicht. Seine größte Angst ist nach wie vor die vorm Alleinsein und gerade in diesem Zustand muss das für ihn besonders schlimm sein. Ich bin ja froh, dass er meine Nähe sucht. Statt mich wegzustoßen, nur um sich dann selbst einreden zu können, recht damit zu haben, dass sowieso jeder alleine ist und bleibt. Es wäre demnach fataler, würde er sich von mir isolieren. Er war total gechillt in meiner Wache, war Nooras Statement und Eskild schien nicht mit ihrer kurzen und prägnanten Berichterstattung einverstanden: Orrh, Noora. Du musst das wie ich schreiben. Wie, welchen Tag wir haben und welche Wache und was Even gemacht hat. Und es mit deiner subjektiven Ansicht über Evens Psyche abschließen. So ein Spinner... Danke wirklich. Euch beiden. Schulde euch was, schrieb ich dazu und las gleich darauf Eskild noch einmal im Chat fragen, was während ihrer Schicht passiert war. Offenbar mit der Erwartung, dass sie es so umfassend beschreibt wie er, doch auch jetzt kam von ihr nur: Er war total gechillt, schrieb ich doch. Er hat die ganze Zeit geschlafen. Hab ihm 'ne Tasse Tee gemacht. Reicht mir auch völlig als Info, nur Eskild reichte es nicht: Wäre lustiger gewesen, wenn du's so wie ich geschrieben hättest. - Eskild, jetzt bist du der Verrückte, warf Noora ein und was soll ich sagen... It's true. Auch Linn gab ihr recht und unser Mitbewohner wehrte sich: Schließt euch nicht gegen mich zusammen. - Isak, wie geht’s Even jetzt?, wechselte er auch gleich das Thema und ich antwortete schmunzelnd: Ok. Wir waren draußen um Kebab zu kaufen. Raus ist gut. Even döste inzwischen wieder. Schon ein wenig stolz auf meinen Freund strich ich ihm über die Schulter und zog die Decke etwas höher, bevor ich noch mal einen Blick in den Chat warf. Raus ist wirklich gut, bestätigte Linn und ich schrieb: Tnx nochmal peeps. Ich kann echt froh sein, diese Menschen um mich zu haben. Das ist ungemein beruhigend. So konnte ich später immerhin einigermaßen entspannt schlafen gehen, nachdem Even mich freigab und ich meine Hausaufgaben erledigt hatte. Am nächsten Morgen wachte Even auf, als ich noch da war. Er beobachtete mich die ganze Zeit wortlos. Kurz bevor ich los musste, kniete ich mich zu ihm vors Bett und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn: „Vergiss deine Pillen nicht.“ Er schüttelte den Kopf und gab ein verneinendes Geräusch von sich. „Ich vermiss dich jetzt schon“, flüsterte ich ihm zu und lächelte dabei. Er sagte zwar nichts, aber seine Lippen öffneten sich, als hätte er dies zumindest in Erwägung gezogen. „Gut. Ich muss los“, ließ ich ihn wissen und strich kurz mit dem Handrücken über seine Wange, eh ich aus dem Zimmer ging. Auf der Straße und in der Bahn begegneten mir schon ein paar jüngere Mädchen und auch einige kleine Jungs, die für den Saint Lucia Tag* ganz in weiß gekleidet waren. Ich beobachtete die Kinder ein Weilchen. Sie haben noch lange nichts mit dem Ernst des Lebens zu tun. An der Nissen gibt es zwar ein paar Sachen wie Aushänge und vielleicht kurze Ansprachen, die auf diesen Tag hinwiesen, aber wirklich zelebriert wird es nicht. Ist wohl eher was für die Kleinen. In der ersten großen Pause beschloss ich Evens Klassenlehrerin aufzusuchen. Zwar ging ich davon aus, dass sie inzwischen weiß was es mit seinem Nichterscheinen zum Unterricht auf sich hat, aber sicher ist sicher. Ich will nicht, dass er Ärger bekommt. Die Jungs warteten im Flur, während ich in den Klassenraum trat, in dem sie gerade ihre Stunde beendet hatte und sie ansprach: „Entschuldigung?“ Sie hob den Kopf an und lächelte freundlich: „Ah, Evens Freund!“ „Ehh...?“, kam es unschlüssig von mir und sie zwinkerte: „Hat sich bis ins Lehrerzimmer herum gesprochen.“ Großartig. „Ähm ja... Ich wollte nur wissen, ob sich seine Eltern bei ihnen gemeldet haben... und ob ich irgendwas für ihn mitnehmen soll. Oder sowas?“ „Die Schule weiß Bescheid. Er kann wieder kommen, wenn es ihm besser geht und den verpassten Unterrichtsstoff, den holt er doch mit links nach. Ich helfe ihm da auch gern“, ließ sie mich wissen und ich nickte zufrieden mit der Antwort: „Okay! Danke.“ Damit verließ ich den Raum und trat in den Flur, zückte mein Handy und wollte Even eigentlich eine Nachricht schicken, ob ich sie noch nach irgendwas bestimmtem fragen soll, wenn ich schon mal hier bin. Meine Kumpels standen am Fenster und warteten auf meine Rückkehr. Evens Lehrerin kam an uns vorbei und blieb stehen: „Wollen wir ihm ein Foto von dir und deinen Freunden schicken? Vielleicht freut er sich und fühlt sich nicht ganz vergessen.“ Überrascht von einem solchen Vorschlag sah ich sie mich hochgezogenen Augenbrauen an und sie erklärte: „Meine Schwester leidet an Depressionen. Ihr hilft es, wenn sie dann sieht, was die Welt zu bieten hat und wieso sie in diese Welt gehört. Außerdem ist heute ein Feiertag, auch wenn's dafür kein Schulfrei gibt.“ „Coole Idee!“, befand Magnus und auch Jonas stimmt dem zu: „Ja.“ Okay. Warum eigentlich nicht? Ich reichte ihr mein Smartphone und wir bauten uns vor dem Fenster auf. Sie machte ein Foto von uns, wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten und so sendete ich ihm gleich darauf das Bild. Schrieb, dass wir alle ihn vermissen, besonders sein zweitgrößter Fan Magnus und setzte ein Herzchen hinten dran. Ich fand das Bild sogar so gut, dass ich es auch auf meinem Instagram noch einmal postete, mit eher neutralem Text: Wenn die Lehrerin ein Bild am Lucia Tag macht. Immerhin war ich hier auch schon 'ne Weile nicht mehr aktiv. „Fett!“, war Mahdis Meinung zum Foto und Mags schlug vor: „Wisst ihr was auch fett ist? Wenn ich endlich was zu beißen kriege! Ich hab so Hunger, ey...“ Ich schüttelte lachend den Kopf und ging mit den drei besten Bros der Welt in die Kantine, eh ich nur noch zwei habe, weil der eine vor Hunger umgekommen ist. Der Tag verlief eigentlich soweit ganz gut, wäre da kurz vor Ende der letzten Stunde nicht eine Nachricht von Noora eingeflogen, die schon etwas Besorgnis erregend klang: Isak? - Wollte dich nur wissen lassen, dass Even den ganzen Tag nicht aus deinem Zimmer kam. Bin reingegangen, um mit ihm abzuhängen, aber ich hab keinen Kontakt zu ihm gekriegt. Shit! Dabei lief es gestern doch echt gut. Oder lag es an dem was ich ihm vorhin geschickt hatte? Anyway. Ich schrieb ihr schnell zurück: Ok. Komme gleich nach Hause. Während ich schon mal meine Sachen zusammenpackte, damit ich mit dem Gongschlag zur Tür raus konnte, wollte Noora noch wissen: Aber können wir irgendwas machen? Jemanden anrufen, irgendwas besorgen? Ich fürchte nicht... Kann Sonja schreiben. Komme jetzt, entgegnete ich ihr knapp und ergänzte: Danke fürs Bescheid geben. Ich zählte die Minuten bis es zum Stundenende klingeln würde und hetzte aus dem Raum. Während ich auf die Straßenbahn wartete, die jede Minute hier eintreffen müsste, schrieb ich Jonas, dass ich keine Zeit mehr haben würde, um auf ihn zu warten, wie verabredet. Ich rannte die restliche Strecke von der Haltestation aus nach Hause und eilte die Treppe hoch. Natürlich wollte der Schlüssel nicht sofort ins Schloss der Wohnungstür passen und so pfriemelte ich ewig herum, eh das blöde Ding endlich hinein ging. Kaum war die verdammte Tür auf, ließ ich alles fallen und trat die Schuhe in die Ecke, lief in mein Zimmer und sah Even quer im Bett liegen. Noora saß im Sessel, den sie neben das Bett gestellt hatte und stand nun auf, trat auf mich zu und sprach leise: „Er redet nicht mit mir...“ „Okay, ich krieg das hin“, flüsterte ich und so verließ sie mein Zimmer. Ich zog meine Jacke aus und ging hinüber zu meinem Bett legte mich vorsichtig an seine mir zugewandte Kehrseite und schmiegte mich an. Sein Kopf drehte sich in meine Richtung und er schaute mich aus dem Augenwinkel an. „Hi...“, hauchte ich dicht an seinem Ohr, doch er drehte den Kopf wieder weg. Vorsichtig legte ich meinen Arm um ihn und tupfte meine Lippen auf seinen Hals. Ich konnte sehen wie er vor sich hin starrte, nichts wirklich fixierte. Geistig war er aber vollkommen da, schließlich reagierte er auf mich. Offenbar wollte er nur niemanden bei sich haben oder er schien aus irgendeinem Grund nicht reden und nichts tun zu wollen. Als er seine Hand an meinen Arm legte, erinnerte ich mich an Sonjas Rat zurück: Ihm Zeit geben, und wenn es nur eine Minute oder einen ganzen Tag dauert. Eine Weile lag ich mit Even einfach so da und ließ ihm ein paar Zärtlichkeiten zukommen, auf die sprang er, den Umständen entsprechend, auch an. Daher probierte ich es noch mal ihn aus seiner Apathie zu locken: „Ich muss mir einen ultra spannenden Film über Pantoffeltierchen und andere Einzeller reinziehen. Willst du mit gucken?“ Er antwortete nicht, also beugte ich mich hinüber, um sein Gesicht zu sehen: „Mhm? Krasse Pantoffeltierchen?“ Even schaute zu mir und ich setzte fort: „Das wird niemanden pausenlos vom Hocker reißen, aber... vielleicht lernt man da noch was über die Lebensformen der Einzeller, die mit uns zur Schule gehen.“ Zumindest geh ich mal stark davon aus, dass es den ein oder anderen beschränkten Typen geben könnte und dem es nicht passen wird, wenn Even und ich dort irgendwann mal zusammen aufkreuzen. Ob er nun auf Pantoffeltierchen abfährt oder nicht, aber zumindest drehte er sich herum. Ich gab ihm einen Kuss zur Belohnung und rollte mich vom Bett, baute den Laptop am Fußende auf und startete die Datei. Damit Even liegen bleiben konnte, legte ich mich auch hier hinter ihm ab und versuchte hin und wieder so normal wie möglich mit ihm zu reden. Resonanz kam allerdings kaum. Mitten im Film vibrierte mein Handy, weshalb ich aufstand und mein Handy aus der Jackentasche nahm, eh ich mich zurück aufs Bett setzte. Noora hatte geschrieben: Ich musste los, wie läuft es mit Even jetzt? Er hatte zwar irgendwie auf mich reagiert aber, es blieb im Grunde: Ziemlich das selbe. Gestern war er vergleichsweise gut drauf. Ob dieser Rückschlag was zu bedeuten hat? Ich spielte wieder einmal mit dem Gedanken Sonja zu schreiben. Aber sie mit all dem ständig zu belasten kam mir auch nicht recht vor. Ich wusste ja noch immer nicht, was das nun für ein hin und her war zwischen den Beiden. Getrennt oder nicht getrennt. Aber so oder so, war da wenigstens ein Punkt, an dem Even sie mit mir betrogen hat. Das ist ein Fakt, der sich echt verdammt mies anfühlt, wenn ich mir vorstelle es wäre andersrum. Und dann komme auch noch ich zu ihr und nerve mit meinen Unsicherheiten. Aber sie hatte ja gesagt, dass es auch mal hoffnungslos scheinen kann und man sich einfach Zeit nehmen und für ihn da sein muss. Das ist jetzt meine Aufgabe und ich sollte wohl selbst Wege finden, damit auch Sonja wieder frei sein kann. Und...ich meine, wenn man sich verliebt, kann man eh nichts gegen die Gefühle machen... Genauso wie man nichts tun kann, wenn die Gefühle nicht mehr da sind. Die Verantwortung, die das alles hier mit sich bringt, kann einem Angst machen. Ja, definitiv. Aber Even ist es mir absolut wert. Auch wenn er von meinem Gedankengang im Kopf nicht viel mitbekommen haben kann, küsste ich ihn demonstrativ auf die Wange und schmiegte mich wieder an. Gesprochen hat Even zwar die ganze Zeit nicht, aber eingeschlafen war er während der Film lief auch nicht. Ich dagegen hätte durchaus einpennen können... „Moaahh... Jesus Christ...“, entkam es mir, als ich mich nach der Doku streckte und mir alles weh tat. Schwerfällig kroch ich aus dem Bett und stellte den PC wieder weg, ging anschließend ins Bad und stellte beim Wiederkommen fest, dass Even sich noch immer quer im Bett liegend unter der Decke verkrochen hatte und offenbar nun doch vor hatte zu schlafen. Ich wollte ihn nicht stören, weshalb ich mein Telefon vom Kopfkissen nahm und mich in den Sessel setzte, der noch immer neben dem Bett stand. Im WG-Chat war inzwischen eine Diskussion entbrannt. Eskild schrieb: Sehe, dass ich morgen eingeteilt bin, aber ich muss eigentlich Krill auf der Karl Johan* verkaufen. - Kann bitte jemand meine Wacht übernehmen? War es nicht Eskild höchstselbst, der erst vor zwei Tagen diesen Plan erstellt hat? Eventplanung ist demnach nicht so sein Spezialgebiet... Noora wusste scheinbar nicht viel damit anzufangen: Krill? - Je suis krill*, bestätigte er ihr und ich hoffte einfach mal, dass er sich nicht selbst an der Hauptstraße verkaufen will... Kann Even am Mittwoch nehmen. - Denkt ihr, dass es sein könnte, dass ich auch bipolar bin? - Ich erkenne mich stark in Even wieder, meldete sich auch Linn zu Wort. Eigentlich wollte ich dazu was schreiben, aber Noora war schneller: Manisch, Linn. Und auch Eskild wusste seinen Teil dazu beizutragen: Wenn du bipolar bist, bin ich heterosexuell. Und eh das passiert friert die Hölle zu... Kann doch sein?, blieb Linn dabei und unser Mitbewohner kündigte daher Maßnahmen an, dass, sobald das Thema 'Auf Even aufpassen' erledigt ist, das nächste Projekt angegangen wird; 'Linn aktivieren'. Na dann, viel Spaß. Ich für meinen Teil wollte im Moment nur, dass es Even wieder besser geht. Auch wenn es vielleicht selbstsüchtig klingt, aber... wenn's ihm nicht gut geht, dann gehst mir auch nicht gut. Es tut weh, ihn so zu sehen. Obwohl er dort lag, hatte ich dennoch das Gefühl ihn zu vermissen. Auch wenn ich zuerst duschen ging und dann versuchte mich mit Handy-Games davon abzuhalten ihn zu wecken, indem ich mich neben ihn lege, aber das war echt schwer. Die Sehnsucht wurde immer größer. Bis ich selbst diese kurze Distanz, von gerade mal einem Meter, getrennt von ihm nicht mehr aushielt. Ich erhob mich aus dem Sessel und legte mich zu ihm aufs Bett zurück. Ich brauchte seine Nähe einfach, und ich wusste, dass er meine auch genauso brauchte. Als Even mich realisiert hatte, drehte er sich zu mir um und schmiegte sich an mich, als hätte er mich eine Woche nicht gesehen. Ich streichelte ihm durchs Haar. Er hob den Kopf etwas an und so stupste ich ihn mit der Nasenspitze an: „Hey.“ Er öffnete die Augen, krächzte: „Hi...“ und schmiegte sich wieder an. Eine ganze Weile rührte weder er sich, noch ich mich. Weshalb ich nun zögerlich fragte: „Ist es... wegen dem Bild gewesen?“ „Bild?“, nuschelte er an meiner Brust und ich erklärte: „Ich hab dir vorhin was aufs Handy geschickt.“ „Kein Akku. Seit Sonntag“, vernahm ich es gerade so verständlich von ihm. Aber wenn es das nicht war...: „Was war es dann?“ Even schwieg. „Hm?“, hakte ich nach und rückte ein kleines Stück weg, damit ich ihn besser sehen und verstehen konnte. Er löste sich von mir und drehte sich auf den Rücken, raufte sich die Haare, starrte zur Decke und schloss die Augen, bevor er endlich mit der Sprache herausrückte: „Ich... hab geträumt, dass du heute morgen gegangen bist... und nicht mehr wieder kommst, weil ich dir zur Last falle...“ Innerlich war ich ein wenig geschockt von dieser Aussage. Und dass ihm Träume so sehr zu schaffen machen. Vorsichtig rückte ich wieder zu ihm auf und legte meinen Kopf auf seine Schulter, bevor ich ihn sagen hörte: „Ich wollte nie eine Bürde für dich sein...“ Es ist schlimm, das zu hören. Wie schlimm musste es also sein, dass zu fühlen? Sachte legte ich meine Hand an seine Wange und eines meiner Beine auf die seinen, damit er mich spüren konnte, als ich ihm mit ruhiger Stimme verdeutlichte: „Ich verspreche dir, das bist du nicht und ich lass dich auch nicht alleine. Wenn ich mal irgendwo hin gehen muss, komme ich wieder. Ich komme wieder... zu dir.“ Stille. Ich hob meinen Kopf samt Oberkörper an und drehte sein Gesicht zu mir: „Ich will bei dir sein. Du bist das beste was mir in meinem vergurkten Leben passieren konnte.“ Derartige Geständnisse liegen mir eigentlich nicht, denke ich zumindest, aber... vermutlich kommt das irgendwann automatisch... in einer Beziehung. Ich lächelte, auch wenn ich damit zu kämpfen hatte nicht los zu heulen. Seine blauen Augen suchten mein Gesicht ab. Sie begannen immer mehr zu glänzen, denn auch Even kämpfte scheinbar mit den Tränen. Er zeigt Emotionen. Das ist gut. Ich versuchte ihm aufbauend zuzulächeln, wobei sich doch noch ein salziger Tropfen löste und er seine Hand hob. Seine Finger wollten die feuchte Spur auf meine Wange nachzeichnen, vielleicht auch wegwischen, doch ich nahm diese Hand in meine und presste meine Lippen drauf. Mir lag in diesem Moment ein Satz auf der Zunge, den ich noch nie ausgesprochen hatte. Von dem ich annahm, er würde mir unendlich schwer fallen. Vor allem wenn ich es wirklich so meinen würde. Aber ich glaube, es war der Satz den Even nun am meisten brauchte: „Ich liebe dich doch...“ Immerhin war das ja von meiner Seite her noch irgendwie offen geblieben. Und ich hatte mir auch vorgenommen sowas nur zu sagen, wenn ich es so meine. Er sah mich an, schien diese Worte auf sich wirken zu lassen und richtete sich nun auch auf. Langsam beugte er sich zu mir hinüber, flüsterte an meinem Ohr: „In dieser Minute heulen wir wohl...“ und küsste mich dann auf die Wange. Etwas zittrig, aber ganz von selbst. Er lehnte seine Stirn an meine und rieb seine Nasenspitze an der meinen. Langsam legte ich mich auf dem Rücken ab und Even löste sich dabei kaum von mir, schmiegte sich gleich wieder ganz dicht an mich und vergrub sein Gesicht seitlich an meinem Hals. Ich wischte mir die Tränen weg und hatte ein Gefühl dabei, das ich noch nie gespürt hatte. Es ist schwer zu beschreiben, aber es ist wie die Gewissheit, dass wir alles schaffen können, solange wir zusammen sind. Klischeehaft, ich weiß... Aber ebenso war da der Gedanke, wie es uns beiden den Boden unter den Füßen wegreißen und uns verdammt weh tun kann, wenn wir nicht aufpassen. Nur wollte ich jetzt nicht an die möglichen negativen Auswirkungen denken. Lieber an etwas positives, wie diese unglaublich starke Bindung, die uns zusammengeschweißt hat. Meine Hand durchfuhr Evens Haar im Nacken gegen die Wuchsrichtung. Hab ihm damit eine Gänsehaut verpasst, die ich unter den Fingerspitzen meiner anderen Hand deutlich fühlen konnte. Auch wenn der halb auf mir Liegende bald wieder geschlafen haben musste, oder sich zumindest nicht mehr regte, so ließ ich mir das eben Geschehene noch ein paar mal durch den Kopf gehen. Es war ein verdammt bedeutsamer Moment. Dessen war ich mir bewusst. Und irgendwann, während meiner Grübelei, war auch ich eingeschlafen. Als ich am späten Abend wieder aufwachte und verpennt blinzelte, war die Lampe auf meinem Nachtisch an. Even saß im Schneidersitz neben mir und beobachtete mich. Kaum, dass ich die Augen offen halten konnte, streichelte er meinen Kopf. Und... er lächelte ein wenig. Ich ließ mich davon anstecken und rappelte mich auf. „Ich hab deinen Charger genommen...“, teilte er mir mit und griff hinter sich, legte sein Handy am Ladekabel zwischen uns und sprach: „Ich musste unbedingt wissen, welches Bild du meinst. Es gefällt mir.“ Wieder lächelte er, bevor er auf das Fotos sah und ergänzte: „Ich freu mich drauf deine Freunde wieder zu sehen.“ Lächeln und sich auf etwas freuen, dass klingt verdammt gut! Jetzt muss es nur noch so bleiben. Ich nahm das Telefon zwischen uns weg und kroch auf ihn zu, presste meine Lippen auf die seinen und folgte ihm vorsichtig, als er sich nach hinten kippen ließ und sich an die Wand lehnte. Ich schob ihm noch ein Kissen in den Rücken und schmiegte mich an ihn. Es tat verdammt gut, als er seinen Arm um mich legte. „Willst du was machen?“, fragte ich also nach einem Augenblick der Ruhe und er schüttelte den Kopf: „Nur 'ne Minute hier liegen... mit dir.“ „Das ist gechillt“, grinste ich und Even wiederholte: „Das ist gechillt.“ Andächtig verschränkte ich meine Finger mit den seinen und genoss es wirklich sehr, dass er zumindest gegenwärtig nicht mehr da liegt, wie ein lebloser Schatten seiner selbst. Die pure Lebensfreude strahlte er zwar noch nicht aus, aber wir haben vor dem Schlafengehen noch vergleichsweise viel geredet. „Das... mit uns... ist jetzt sozusagen offiziell“, teilte ich ihm mit und er schien nicht viel damit anfangen zu können: „Was meinst du?“ „Naja, meine Eltern wissen von dir und... die ganze Schule weiß es auch“, erklärte ich zögerlich, da ich nicht sicher war wie er drauf reagieren würde, doch er lächelte: „Gut.“ „Gut?“, hakte ich nach und er nickte: „Sehr gut. Dann... darf ich mich also, in aller Öffentlichkeit endlich in deine persönliche Komfortzone begeben... und dich küssen?“ Ich stellte mir kurz das Bild vor, wie ich auf dem Schulhof stehe und Even mich vor versammelter Mannschaft nieder knutscht. Es hatte nichts erschreckendes mehr an sich, was vor ein paar Wochen noch totale Panik in mir ausgelöst hätte. Es war eher.. irgendwie witzig. Sich die ganzen Gesichter vorzustellen, als hätten sie noch nie 'nen Kuss gesehen, auch wenn es zwei Jungs tun. Ich grinste: „Du darfst.“ Ich wandte mich herum, um das Licht auszumachen und wollte mich gerade wieder zurückdrehen, als ich spürte wie sich Even an meinen Rücken schmiegte und seinen Arm um mich legte, die Hand an meiner Brust ruhen ließ und sein warmer Atmen an meiner Schulter zu spüren war. Es fühlte sich so wahnsinnig gut an. Und es war die selbe Position die wir hatten, nachdem ich ihn hier her gebracht hatte. Nur andersherum. Er hatte also alles mitbekommen... Ich legte meine Hand auf die seine an meinem Oberkörper und verschränkte wieder unsere Finger ineinander. Die Nacht war bedeutend erholsamer, als die vorherigen, in denen ich immer wieder wach wurde, und nach sah was er da trieb, wenn er sich bewegte. Als ich am nächsten Morgen aufwachte schlief Even noch. Schwer zu sagen, ob es was gutes, oder was schlechtes oder einfach gar nichts zu bedeuten hatte. Ich wollte ihn auch nicht wecken und nachfragen. Weshalb mir nur das Hoffen und Bangen über den ganzen Schultag blieb. Ich hatte zwar Linn während ihrer Wache angerufen, aber die ging nicht an ihr Handy, was ziemlich normal bei ihr ist. Mittwoch, 14.12.2016 – 16:01 Uhr Dummerweise ging der Schultag heute zudem verflucht lange und so war es draußen auch schon relativ dunkel, eh ich Zu Hause ankam und einen Fuß in die WG setzen konnte. Doch als ich die Wohnungstür öffnete blieb ich stutzig stehen. Hab ich Even lachen gehört? Ich zog die Schuhe aus und vernahm durch die offen stehende Zimmertür auch Linns Stimme: „Ich hab den so geschossen. Ich hatte vor-...“ „Du weißt schon wie man das kontrolliert?“, unterbrach Even sie. Ich schlich ungläubig um die Ecke und war etwas überrascht: Die sitzen auf meinem Bett und... zocken Fifa! Er hatte auch andere Sachen an als gestern noch. War scheinbar im Bad, duschen und so, denn da lag sein Handtuch auf dem Sessel, welcher nun wieder in der üblichen Ecke stand. „Ja!“, antwortete sie und war im nächsten Moment offensichtlich nicht mit ihrem eigenen Spielzug einverstanden: „Nein, nein, nein!“ „Zurück zu ihm?“, kam es von Even und sie entgegnete dem: „Ja?“ „Willst du, dass ich Punkte mache?“, fragte er und wollte augenscheinlich gleich begeistert die Chance nutzen. Was wohl aber nicht Linns Plan dabei gewesen sein konnte: „Nein! Nein, nein, nein, nein! Neein! Komm her, blöder spanischer Wichser! Nein!“ „Fuck!“, hat's Even wahrscheinlich vergeigt, seine Chance zu nutzen oder er fürchtete bei der Ausführung nur Linns wenig ernstzunehmende Rache. Zwar konnte ich von hier nicht auf den Bildschirm sehen, aber die Fights muteten 'äußerste Brutalität' an... Mehr oder weniger... Wenn zwei absolute Profis am Werk sind... „Nein, nicht...!“, vernahm ich's noch einmal von meiner Mitbewohnerin, als ich mich breit grinsend bemerkbar machte: „Hallo.“ „Halloo!“, begrüßte Even mich und stoppte das Spiel. Linn sah ein wenig verzweifelt zu mir: „Gut, du bist zu Hause. Ich bin total fertig.“ Er lehnte sich grinsend zu ihr hinüber: „Schlechter Verlierer?“ Etwas eingeschnappt legte sie den Controller weg und murrte: „Ich leg mich ins Bett...“ Damit verließ sie mein Zimmer und er rief ihr hinterher: „Cool mit dir rumzuhängen, Linn!“ Gesagt hatte sie dazu nichts, aber das war man ja schon irgendwie gewohnt von ihr. Wenn man Even jetzt so sieht, konnte Eskilds Projekt 'Linn aktivieren' ja bald los gehen. Und wie er da sitzt und sich freut, fast schon strahlt. Da wird einem wieder so richtig bewusst wie wunderschön Even ist, vor allem wenn er lächelt. Irgendwie schüchterte mich das dann doch ein klein wenig ein, aber das hat seine Präsenz ja schon immer mit mir gemacht. Ich trat also langsam aufs Bett zu und beugte mich zu ihm. „Hallo!“, begrüßte er mich noch einmal und so wiederholte auch ich leise: „Hallo“, bevor ich Even küsste und wir uns auf dem Rücken kippen ließen. Mein Cap verrutschte dabei, weshalb ich es schnell wieder richtete. Man will ja schließlich gut aussehen für seinen Freund. Einen Moment lagen wir neben einander, bis ich die Frage los werden konnte, die mich schon den ganzen Tag beschäftigte: „Geht's gut?“ Evens Lippen bewegten sich zunächst nur, als wolle er was sagen, nur schien er noch nicht zu wissen was oder wie. Doch dann fand er Worte: „Hast du... alle deine Mitbewohner gebeten auf mich aufzupassen?“ Ich stellte mich unwissend: „Hm? Nein.“ Der neben mir Liegende schaute prüfend in meinem Gesicht umher und zog dann fragend die Augenbrauen hoch. Ich zuckte weiterhin 'ahnungslos' mit den Schultern. Even lachte: „Heilige Scheiße, du bist so ein schlechter Lügner!“ „Huh?“, kam es doch sehr entsetzt von mir und er bestätigte: „Ja!“ „Ich bin ein schlechter Lügner?“, hakte ich belustigt nach und wieder nickte er: „Ja!“ Fassungslos erklärte ich: „Bin ich ein schlechter Lügner? Ich bin ein verdammter Lügenmeister! Da gibt's niemanden, der ein besserer Lügner ist als ich! Du hast doch keine Ahnung, womit ich alles durchgekommen bin!“ Also ernsthaft, ich hab in meinem Leben schon soviel gelogen, vor allem hab ich mich selbst belogen und die Leute um mich herum. Und ich erkenne es meistens sofort, wenn andere es tun! Das ist mein Spezialgebiet. So schnell macht mir da keiner was vor! Auch wenn Even es tatsächlich schaffte mich lange nicht hinter seine Fassade blicken zu lassen, bis er sich selbst dazu entschied. „Dann sag's mir! Womit bist du durchgekommen?“, forderte er und ich überlegte kurz. Ist besser wenn ich ihm das alles nicht auftische. So mal ich beschlossen hab ein besser Mensch zu werden und die ganze Lügerei im großen Stil zum alten Isak gehört. Notlügen würd ich mal optional lassen... Abgesehen davon... säßen wir Weihnachten noch hier, wenn ich das alles aufzähle. „Nein. Ich denke, das willst du gar nicht wirklich wissen“, sprach ich und Even lachte, als hätte er sowieso gewusst, dass ich nichts sagen werde, es ihm aber auch nicht wichtig war, alles aus mir raus quetschen zu müssen. Ich schaute grinsend zu ihm und legte meine Hand an sein Kinn, er schmiegte sich an und sah auch mir in die Augen. „Ich mag es, dass du wieder lächelst“, gestand ich, doch im selben Moment vibrierte mein nervtötendes Handy. Ich fischte es aus meiner Jackentasche, warf einen Blick drauf und seufzte: „Phh... Heilige Scheiße... Vilde... Sie nervt mich so derb mit dem Kosegruppen-Mist.“ „Kosegruppe?!“, fiel auch Even sichtlich gerade wieder ein, dass es das ja auch noch gibt und er ergänzte: „Hab ich total vergessen.“ „Du kannst ihr das aber nicht sagen, weil... sie wäre echt angepisst. Sie hat Angst, die Leute sind nur für die Revue-Partys dabei“, erklärte ich ihm und er ließ mich wissen: „Naja, ich war da um dich zu treffen.“ Wie jetzt? „Hm? Echt?“, fragte ich ungläubig und er bestätigte lächelnd: „Ja, glaubst du ich war da um Spaß zu haben?“ „Nein“, antwortete ich spontan und so stellte sich mir eine weitere Frage. Ich wusste nicht wie ich's formulieren sollte und probierte es mit: „Hast du mich... schon vor dem ersten Kose-Treffen gesehen?“ „Ja...“, flüsterte Even. Er schaute mich an und setzte genauso leise fort: „Ich sah dich am ersten Schultag.“ Noch immer schaffte er es mich sprachlos zu machen, wenn er sowas mal eben droppen lässt, weshalb mir nur ein kaum hörbares: „Oh“, entwich. Abermals vibrierte mein Telefon und ich warf erneut einen Blick drauf: „Moah... Fuck...“ Es nützt ja nichts... So schnell gibt sie nicht auf. Ich nahm das Gespräch an: „Hi, Vilde!“ „Habt ihr einen Weihnachtsbaum da?“, kam sie gleich zur Sache und ich antwortete: „Nein, wir haben keinen Weihnachtsbaum hier.“ Even schmunzelte neben mir, während ich mir weiter anhört was Vilde sonst noch wollen könnte: „Das ist jetzt nicht so toll..“ „Nein...“, murmelte ich und sie sagte: „Wir brauchen aber einen-“ „Ja, aber wenn du so dringend einen Weihnachtsbaum brauchst, dann musste du dir selbst einen kaufen“, unterbrach ich sie gleich, eh sie auf komische Gedanken kommen konnte und sie fragte: „Und wo krieg ich den her?“ „Du kannst Weihnachtsbäume überall kaufen, Vilde! Kiellands Plass. Es ist...“- als hätten sie ganz Norwegen gerodet, so viele verdammte Bäume stehen da rum – wollte ich ihr eigentlich sagen, doch sie fiel mir ins Wort: „Gut, Isak! Ich bestell irgendwo einen.“ „Ja! Ja.... fett...“, brachte ich dem entgegen und wir verabschiedeten uns: „Tschüss.“ Die Frau schafft mich... Seufzend legte ich das Handy weg und hörte Even fragen: „Weihnachtsbaum?“ Ich drehte meinen Kopf zu ihm und antwortete: „Ja, ich hab's dir noch nicht gesagt... Apropos Kosegruppe: Ich hab hier ein Weihnachts-Beisammensein am Freitag.“ „Hier?“, hakte er nach und ich nickte: „Mhm.“ „Freitag?“, kam es abermals von ihm und ich nickte auch an dieser Stelle: „Willst du kommen?“ Even ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Er schaute überlegend an die Decke und schluckte. In mir kam der Gedanke auf, dass es ihn vielleicht noch überfordern könnte, doch er begann sich zögerlich zu äußern: „Ich... Ich hab eigentlich, ehm... Mama versprochen, dass ich... Ich hab heute mit ihr geredet. Und sie will wirklich, dass ich eine Weile vorbei komme. Und esse und so... Oder, ich weiß nicht. Ich hab eigentlich drüber nachgedacht ein bisschen da zu bleiben.“ Zwar muss ich zugeben, dass mir kurz der Zweifel aufkam, dass er womöglich doch lieber nach Hause gewollt hätte, als es ihm schlechter ging. Doch vielleicht sollte ich wohl besser nicht so pessimistisch sehen. Weshalb ich nur kaum merklich nickte und bat: „Nur, nimm dir einen Tag Zeit.“ Nicht, dass er sofort los stürzt und es ihm nachher da draußen im Dunkeln und alleine plötzlich wieder schlechter geht, mit alle den Menschen und dem Verkehr und der allgemeinen Weihnachtshektik. Even schaute abermals zu mir und lächelte, bevor er sich zu mir drehte und ganz nah heran rutschte, er seine Handfläche an meinen Hals legte und mich küsste. Sein Daumen fuhr über meine Wange und es fühlte sich so verdammt gut an, dass er das tat. Diese eigentlich so simple Berührung löste bei mir eine wohlige Gänsehaut aus. Auch ich drehte mich nun ganz auf die Seite und fasste an seine Hüfte. Vorsichtig stupste ich ihn mit der Nasenspitze an, was Even dazu brachte mich noch einmal zu küssen. Diesmal allerdings länger, weshalb ich darauf einstieg und mit machte. Ganz vorsichtig tastete sich seine Zunge an meinen Lippen vor. Ich erwiderte dies nur zu gern. Zungenküsse hatten wir schon ewig nicht mehr. Das letzte mal beim Sex im Hotel, meine ich. Mein Herz begann dadurch wie von selbst schneller zu schlagen und ich legte mein Bein auf seines, während wir weiter knutschten. Meine Hand rutschte hinauf in die Kapuze an Evens Nacken und legte sich kraulend an seinen Hinterkopf. Seine Finger wanderten an mir nach unten fassten nun an meine Hüfte. Unsere Küsse wurden nach der langen Durststrecke ziemlich schnell so unglaublich und anregend intensiv wie schon lange nicht mehr. Zumindest für mich. Ich hätte glatt wegschmelzen können. Eigentlich wollte ich es ganz langsam angehen lassen lassen, aber den Glückshormonen, die Even damit gerade in meinem Körper in Massen freisetzte, die waren einfach nicht aufzuhalten. Ich hob meinen Oberkörper an und spürte wie mein Cap vom Kopf rutschte, doch das war mir im Moment sowas von wurscht. Ich versuchte irgendwie mit meinen Lippen an seinen Hals zu kommen, um dort etwas zu knabbern. Doch leider hatte er ein mehr als unpraktischen Hoodie dafür an, der blöderweise nicht viel Platz bot. So zupfte ich mir das Ding etwas zurecht und Even schien es durchaus zu genießen, sich von mir ein wenig anfressen zu lassen. Seine Hand fuhr nun weiter, hinter an meinen Rücken und wollte mich noch etwas dichter an ihn heran ziehen. Dieser Einladung wollte ich natürlich gleich nachkommen und hob mich gänzlich an, schwang mich über seine Oberschenkel und entledigte mich auch gleich meiner Jacke, während Even sich auf den Rücken drehte. Anschließend beugte ich mich zu ihm hinab und seine Handflächen fuhren von meinen Beinen aus wieder hinauf an meinen Rücken. Ganz vorsichtig legte ich mich auf ihm ab, stützte mich mit den Unterarmen links und rechts neben seinem Kopf ab und flüsterte: „Ist das Okay? Oder bin ich zu schwer?“ „Alles gut“, raunte Even und ließ sich weiter von mir zum Rummachen animieren. Seine Hände glitten nun unter meinem Shirt, direkt auf der nackten Haut, über meine empfindlichen Seiten und ich zuckte lachend zusammen: „Ahh, das kitzelt, verflucht“ Der unter mir Liegend grinste und streichelte hauchzart erneut über meine Seiten und wieder zappelte ich, relativ hilflos, da ich auch nicht aufspringen und mich wehren wollte. „Bitte“, fiepte ich mit belegter Stimme und so ließ er sich davon abbringen mich damit zu necken. Die Handflächen wanderten weiter hoch an meinen Rücken und strichen dort entlang. Und... Oh mein Gott! Ich hatte schon wieder so eine Gänsehaut davon, dass ich nicht mal mehr weiter küssen konnte und so seufzte ich nur verdammt angetan davon: „Woah... fuck!“ Es ist einfach unglaublich, wie sehr ich mich danach gesehnt hatte. Vielleicht empfand ich es auch nur deshalb so stark, weil ichs lange nicht mehr gefühlt habe. Ich hob mich etwas an und schaute prüfend zu Even nach unten, er lächelte mich an, also küsste ich ihn abermals und verlagerte meine Gewicht auf meinen linken Arm. Dann knabberte ich wieder ein wenig an seinem Hals und tastete dabei vorsichtig zwischen uns, erfühlte den Knoten der Schnur von der Sporthose, die er trug und wollte diesen auf fummeln. Jedoch vernahm ich wie Even mich ansprach: „Isak?“ Irritiert und leicht benebelt vom Rausch der Hormone, hob ich meinen Kopf an: „Mhm?“ Die Hände an meinem Rücken verschwanden und fassten an meinen Kiefer. „Ich... kann nicht...“, sprach er leise und meine Gedanken ratterten. Eben war er doch noch fürs Rummachen zu haben? Würde sogar meinen, er hat angefangen. Oder ich hab zu viel hineininterpretiert... Aber 'ich kann nicht' und 'ich will nicht' sind auch zwei verschiedene Aussagen, weshalb ich verwirrt fragte: „Bin ich zu schnell? Willst du nicht?“ „Ehm... Das ist es nicht... Wirklich nicht...“ Ich wusste nicht was ich sagen sollte, schaute vermutlich blöd aus der Wäsche und so erläuterte er nach einem Augenblick Bedenkzeit von selbst: „Die Pillen... Ich... krieg keinen hoch...“ „Oh... Shit...“, entwich es mir. Nicht, weil ich ihm irgendwie einen Vorwurf machen wollte, sondern eher, weil mir das nie in den Sinn kam. Dass Tabletten, die in die Psyche eingreifen auf sowas Einfluss haben können, und ich blöderweise nun total angeheizt hier liege. „Entschuldige...“, kam es von ihm und ich winkte ab: „Nein, nein. Das ist nicht deine Schuld...“ Ich hab mich nur von meinen Trieben und seinen Reizen verleiten lassen... Knurrend legte ich mich auf ihm ab und vergrub mein Gesicht an seinem Hals. „Tut mir wirklich leid, Baby. Aber... wenn du willst... ich könnte... bei dir..?“, flüsterte er und verdeutlichte noch einmal: „Ist Okay! Ich überlebe das... Und es ist meine eigene Schuld, wenn überhaupt... Es sei denn, du möchtest die Verantwortung dafür übernehmen, so unverschämt heiß zu sein...dannnn-...“ Weiter kam ich nicht, da hatte er mich schon grinsend wieder zu sich gezogen und geküsst. Nur ohne Zunge. Seine Arme legten sich um mich und er hielt mich einfach nur fest. „Wie lange... wird das so sein?“, wollte ich nach einem Augenblick der Ruhe vorsichtig fragend wissen und Even antwortete: „Ähm soo... 30 – 40 Jahre? Vielleicht auch 50.“ „What!?“, entwich es mir geschockt und er zuckte mit den Schultern: „Ja, so lange muss ich die Pillen nehmen.“ Entsetzt starrte ich zu ihm nach unten und war sprachlos. Doch Even hatte sich selbst verraten, als er sich nicht mehr zurückhalten konnte und anfing zu giggeln. „Du verarscht mich schon wieder!“, krächzte ich und der lachte sich einfach kaputt: „Du hättest dein Gesicht sein sollen!“ „Das ist nicht witzig! Man... ich dachte jetzt echt...“, moserte ich, obwohl ich auch schon wieder mitlachen musste und Even ergänzte belustigt meinen Satz: „Dass wir nie wieder Sex haben werden?“ „Darüber macht man einfach keine Witze!“, grinste ich und Even beantwortete endlich die Frage: „Sollte eigentlich nur ein paar Tage dauern. Das liegt am Antidepressivum... Aber das muss ich nur in 'ner Depri-Phase nehmen. Wenn ich das jetzt absetze, sollte das bald wieder gehen. Es ist nur das Lithium, was ich... ungefähr 40 Jahre jeden Tag nehmen soll, aber das hat eigentlich keinen Einfluss darauf, ob ich 'ne Latte kriege oder nicht.“ Erleichtert atmete ich aus und legte meinen Kopf wieder auf ihm ab. Even begann mich erneut zu streicheln, wenn auch über den Klamotten und ich brummte an seiner Schulter: „Besser nicht anfassen...“ „Okay“, hörte ich es im Flüsterton direkt an meinem Ohr und dann legte er die Arme hinter seinen Kopf. Ich küsste dennoch sachte an seinem Kinn entlang. So wirklich aufhören wollte ich nicht und von ihm runter wollte ich noch weniger, aber liegen zu bleiben würde nicht gerade helfen die Beule in meiner Hose los zu werden. Da brauchte es härtere Maßnahmen: „Ich glaube, ich sollte kalt duschen...“ „So schlimm?“, schmunzelte der unter mir Liegende und ich seufzte theatralisch. Aber immer wenn man Eskild braucht ist er zur Stelle. „Isaaak! Ich hab Pizza für alle mit gebracht!“, plärrte er durch den Flur und dadurch, dass meine Zimmertür noch immer offen stand, hat es mich förmlich vor Schreck von Even runter geschmissen. „Linn hat mir geschrieben, dass es Even besser geht und da dachte ich, bring ich doch zur Feier des Tages...Oh...“, stoppte er sich und blieb vor meiner Tür stehen: „Viel besser, wie ich sehe! Hii!“ „Hi“, winkte Even zurück und ich knurrte leicht genervt. Eskild zeigte uns kurz mit diabolischem Grinsen die Kartons, wedelte den Duft der Köstlichkeit in unsere Richtung und zuckte mit den Augenbrauen: „Falls ihr auf was anderes scharf seid als euch, dann gibt’s hier was leckeres in der Küche.“ Dann schloss er die Tür und ich schaute zu dem nun neben mir Liegenden: „Hunger?“ Even nickte, doch ich war irgendwie noch nicht bereit ihn mit der Welt zu teilen und so schmiegte ich mich noch mal an. Nur eine Minuten... „Was... hältst du davon... wenn ich diese Nacht noch hier bleibe?“, fragte er, nachdem dann sicher schon fünf Minuten vorbei waren und ich sah zu ihm auf: „Ja?“ Er drückte mir einen Kuss auf den Mund und sagte: „Ja. Wenn das Okay ist?“ „Sicher!“, bestätigte ich und knutschte ihn nun meinerseits. Auch wenn es von mir anfänglich nicht beabsichtigt war, aber aus diesen kleinen, eigentlich unschuldigen Küssen, wurde schon wieder ein wenig mehr als das. Ich konnte und wollte mich auch nur schwer von ihm lösen... Jetzt, wo ich ihn endlich wieder hatte... Mit einem mal klopfte es an der Tür und sie wurde auch gleich aufgerissen: „Isak? Oh... Sorry!“, vernahm ich es, diesmal von Noora, und wieder ließ ich knurrend von Even ab. „Ähm... Eh... Eskild sagt, es gibt Pizza... und er weiß nicht wie lange er sich noch zurückhalten kann, alles aufzuessen...“, rief sie vor der nun angelehnten Tür und entschuldigte sich auch gleich noch mal: „Sorry, sorry!“ „Schon gut... Wir kommen...“, seufzte ich und drehte mich auf den Rücken, raufte mir die Haare und stöhnte frustriert: „Wenigstens hat sich das mit der Latte nun endgültig erledigt...“ „Warum... platzt eigentlich immer jemand rein, wenn wir... naja... rummachen?“, fragte Even belustigt und ich murrte: „Karma.“ Er sah fragend zu mir und ich zu ihm: „Karma liebt es einfach mich zu ficken...“ Even lächelte: „Ich dich auch.“ „Lieben oder ficken?“, entgegnete ich dem grinsend und er zuckte mit den Schultern: „Wozu entscheiden, wenn man beides haben kann?“ Ich schaute ausweichend an die Decke. Es war schon schwer genug diesem Kerl zu widerstehen und wenn er einen dann auch noch so ansieht und übers Vögeln redet, dann erhebt sich der Süden erneut... „Nee.. ich bin mal... ja, nur ein einziges verdammtes Mal rein geplatzt, als Jonas und Eva gerade dabei waren. Du weißt schon... Und seit dem ich dich habe... passiert mir das laufend“, erklärte ich, was es mit dem Karma auf sich hatte. „Verstehe“, vernahm ich es von Even, welcher sich nun aus dem Bett erhob und anschließend auch mich auf die Beine zog. „Die waren mal zusammen?“, wollte er auf dem Weg in die Küche wissen und ich hakte nach: „Jonas und Eva? Ja... Lange Geschichte, lange her...“ Als wir zu den Anderen stießen richteten sich kurz alle Blicke auf uns. Ich schaute abwartend in die Runde und stellte fest, dass nur noch ein Stuhl frei war und wandte mich an Even: „Setz dich, ich kann stehen.“ „Wir haben Thunfisch, Salami und... irgendwas Vegetarisches...“, zählte Eskild auf und Noora verwies zu den Tellern auf der Küchenzeile. Even setzte sich als erster in Bewegung und schnappte sich einen Teller und ein Stück Pizza und setzte sich auf den freien Platz. Das Gespräch, offenbar über Eskilds Krill-Verkauf, ging damit weiter und so näherte auch ich mich der Runde, trat in den Lücke zwischen Linn und Even und nahm mir ebenfalls von der Pizza, bevor ich auf den Schoß meines Freundes gezogen wurde. Es war ungewohnt mein Umfeld auf diese Weise daran teil haben zu lassen, dass Even und ich jetzt offiziell zusammen sind. Aber es wurde keine große Sache draus gemacht. Im Grunde war es das ja auch nicht, zumindest für die Anderen. Für mich schon. Nur endlich auch im positiven Sinne. Und es war angenehm, dass weder unsere Beziehung, noch Evens psychischer Zustand angesprochen wurde, sondern wir alle einfach am Tisch saßen, aßen und über Krill diskutierten. Als wir wenig später wieder bei mir im Zimmer waren und ich gerade fragen wollte, ob und wenn ja, was wir tun könnten, flog eine Nachricht auf meinem Handy ein. Ich nahm das Ding und setzte mich damit aufs Bett, sah nach wer es war und verdrehte die Augen, als ich las: Hab jetzt 'nen Weihnachtsbaum von Kielland bestellt. Kannst du den abholen?„Moah...nee...“, stöhnte ich und Even fragte interessiert: „Was ist passiert?“ „Vilde...“, knurrte ich und setzte fort: „Sie will, dass ich ihren Baum hole...“ Stress, antwortete ich ihr also schnell und sie schrieb zurück: Das ist kein Stress. Das ist der Mittelpunkt des Festes. Und ich Idiot dachte doch tatsächlich das wäre Liebe und Freude und gute Stimmung verbreiten... Von mir aus auch Liebesspielchen in dunklen Räumen. Daher schrieb ich: 'n Baum? Doch Vilde blieb bei ihrer Ansicht: Ja. Weil es ist Weihnachten. Und wir sind die Kosegruppe, wir sollten massenweise Liebe verbreiten. Das ist die Botschaft von Weihnachten. Liebe. All you need is love. Ich wage mal zu behaupten, wenn man nicht Millionen von Bäume fällt, nur um sie sich 'ne Woche oder zwei ins Haus zu stellen, würde man mehr Liebe verbreiten. Aber Okay, was zur Hölle weiß ich schon von Liebe... „Holen wir ihr doch einfach diesen Baum“, kommentierte Even nach einem Blick auf mein Telefon und so schaute ich zu ihm. Wenn er mich nur nicht so bittend anschauen würde, als er sagte: „Glaub mir, du willst dir nicht den Zorn einer Frau an Weihnachten auf dich ziehen.“ Hm, stimmt. Meine Mutter ist auch schon mal völlig durchgedreht, als Papa nur einen 'mickrigen Strunk' als Baum mit nach Hause brachte, als ich neun Jahre alt war... Das hat er nie wieder gemacht. „Okay...“, murmelte ich und schrieb ihr: Wann muss der geholt werden? Even gab mir einen Kuss auf die Wange und pellte sich derweil aus seinem Hoodie. Endlich! Doch erst mal zurück zu Vilde, denn die schrieb: Am Freitag, vor der Party. - Bittebittebitte, mit Herzchen und Engelchen-Emotjis... Okay, kam es von mir und von ihr daraufhin ein Kuss-Emoji. Even ließ sich wieder neben mir nieder und fragte: „Muss ich jetzt eifersüchtig werden?“ Für einen kurzen Moment war mir nicht bewusst was oder wen er meinen könnte, doch dann ging mir ein Licht auf: „Auf Vilde?“ Heiße ich Magnus? „Kann doch sein“, vernahm ich es von dem neben mir Sitzenden und ich schüttelte den Kopf: „Nein, also... nein. Wenn ich auf Mädchen stehen würde, dann ganz sicher nicht Vilde! Das wäre mir echt zu stressig...“ Even schmunzelte, doch ich teilte ihm neckend mit: „Aber sie wäre nicht meine erste Freundin.“ Nun wurde er hellhörig und schaute mich an, als wolle er mehr darüber wissen, also erzählte ich weiter: „Hatte sogar zwei mal die selbe Freundin.“ Der skeptische Blick, den er mir zukommen ließ, sprach Bände. Doch ich versicherte: „Ohne Scheiß. Sie heißt Sara und war 'ne Freundin von Eva.“ „Und..?“, hakte er nach, kaute sich nervös auf den Lippen herum und ich fragte: „Wie 'und'?“ „War das... was ernstes?“, wollte er wissen und ich schüttelte den Kopf: „Tze.. nee! Absolut nicht. Eigentlich hatte ich nur irgendwas mit der, weil Jonas damals mit dieser Ingrid zusammen war. Noch 'ne Freundin...“ Wirklich schlau wurde er nicht aus meiner Erzählung, also winkte ich ab: „Mach dir keinen Kopf. Ist alles ewig her und hatte keine Bedeutung. Jetzt bin ich mit dir zusammen. Und ich will niemand anderen-...“ Even beendete meine Rede abrupt mit einem Kuss, mit Zunge, und eh ich dieser Verlockung wieder verfallen könnte, sah ich lieber noch mal nach was Vilde inzwischen geschrieben hatte: Auch wenn es ein Kosegruppenfest ist, kannst du Magnus und die anderen einladen. - Da wir sowieso bei dir sind. Während ich las, begann Even an meinem Hals rumzuknabbern, als wollte er sicher gehen, dass er auch der Einzige bleibt. Was es nicht nur schwer machte das zu lesen was sie schrieb, sondern auch eine simple Antwort darauf zu finden. Mehr als angetan davon was er gerade an meinem Hals tat, tippte ich nur langsam: Kann fragen ... Kaum hatte ich das abgesendet, landeten sowohl ich mit dem Rücken, als auch mein Smartphone auf der Matratze. Zwar bekam ich am Rande noch mit, dass noch eine Nachricht kam, aber das war mir gerade sowas von egal. Obwohl ich wusste, ich sollte es besser nicht tun, zog ich Even zu mir heran und begann ziemlich schnell ziemlich heftig mit ihm herum zu knutschen. Wieder einmal. Wider besseren Wissens... Es kribbelte eben wie wahnsinnig überall in mir und ich nuschelte an seinen Lippen: „Fuck... was machst du mit mir...?“ Ich bekam keine Antwort, stattdessen knutschte er mich nur weiter und strich anregend durch meine Haare. Scheiße... Ich wollte ihn so sehr... Und genau deswegen musste ich die Sache stoppen! Sachte aber bestimmend schob ich ihn von mir runter: „Ich muss duschen!“ Kalt. Eiskalt! Ich verließ das Zimmer zielstrebig und steuerte das Bad an, schloss ab und klatschte mir fürs Erste eine Ladung kaltes Wasser vom Waschbecken ins Gesicht. „Fuuuck...“, fluchte ich leise und betrachtete mein Spiegelbild. „Du bist echt rettungslos verloren...“, flüsterte ich meinem Ebenbild zu, das knallrote Wangen vor lauter Hitze hatte. Und so ließ ich langsam den Gedanken zu, dass ich mich der Verlockung in meinem Zimmer erwehren könnte wie ich wollte, es würde nichts bringen. Ganz im Gegenteil. Ich zog schnell meine Klamotten aus und sprang unter die Dusche, drehte das Wasser kalt auf und hielt zumindest der Versuchung stand den Regler auf 'warm' zurück zu stellen. Mein Atem ging hektisch und mein Herz raste. Je länger ich hier stand, umso mehr wurde mir klar: Kaltes Wasser würde nicht helfen... Es ging nicht anders... Ich begann mich selbst zu befriedigen. Das war die einzige Möglichkeit Evens Anwesenheit 'ertragen' zu können. Druck abbauen. Die Erlösung hatte echt nicht lange auf sich warten lassen. Verdammt erleichtert regulierte ich hinterher die Temperatur auf angenehmere Grade, seifte mich ein und konnte wenig später dann einigermaßen ruhig zu ihm zurück. Unfassbar, was fast zwei Wochen Abstinenz und ein bisschen Rumfummeln für Lust wecken kann... Als ich ins Zimmer trat saß Even an der Konsole und zockte. Aber wie er da saß! Nackt! Naja fast... Nur noch die Unterhose hatte er an. Eine von diesen engen weißen Dingern, die Eskild gekauft hatte... Will mich irgendeine höhere Macht testen? Wie viel Verlockung ich ertragen kann, eh ich explodiere? Er stoppte sein Spiel und betrachtete mich von oben bis unten. Ich schloss vorsichtshalber meine Zimmertür gleich ab, eh wieder jemand rein platzt. Even biss sich auf die Unterlippe und legte den Controller beiseite: „Komm her, Baby...“, hörte ich ihn leise sagen und ich rang mit mir. Ich wollte so sehr, doch wahrscheinlich wäre ich innerhalb von Minuten wieder heiß, wenn ich das tue. „Ach.. fuck it!“, knurrte ich und beschloss, dass ich im 'Notfall' einfach wieder ins Bad verschwinde. Triefend nass wie ich war ließ ich das Handtuch fallen und ging auf Even zu, dieser rutschte etwas weiter aufs Bett drauf und schloss seine Arme um mich als ich mich auf seinen Schoß begab. Sofort küsste ich ihn gierig und drängte ihn dazu sich nach hinten abzulegen. Als ich so auf ihm drauf lag und wir knutschten, bemerkte ich im Flüsterton: „Das machst du doch mit Absicht oder?“ „Klar! Funktioniert ja auch“, entgegnete er mir unverhohlen und begann meinem Körper zu streicheln und meinen Rücken zu massieren. „Ich denke, du kannst nicht...“, murmelte ich und er antwortete: „Ja. Leider... Aber das heißt nicht, dass ich dich oder... das was wir tun, nicht vermissen würde...“ Der Kuss, der von ihm nun folgte, war wieder ganz zärtlich, fast schon ein wenig zu zart, nach dem kurzen, aber heftigen Rummachen eben. Verdammt... ich schwöre bei allem was mir heilig ist, sobald das wieder geht, werd ich 'ne ganze Weile kaum das Bett verlassen. „Wir holen das nach...!“, kündigte ich an. Und Even bestätigte lächelnd: „Wir holen das auf jeden Fall nach!“ Ich kroch von ihm runter und begab mich unter die Decke, während Even die Konsole, den Fernseher und anschließend auch das Licht aus machte. Es war dunkel im Raum und wir lagen dicht beieinander, küssten uns ab und an, aber traten ziemlich oft auf die Bremse. Während Even gemächlich an meinem Hinterkopf kraulte, ging mir das Gespräch vorhin noch einmal durch den Kopf. Dass er morgen früh, wenn ich in der Schule bin, nach Hause gehen will und ich damit wohl in der nächsten Nacht wieder allein schlafen muss. Bei dem Gedanken schmiegte ich mich gleich noch etwas dichter an. Komisch, eigentlich. Früher war es mir sogar ganz recht, wenn mich niemand nach dem Aufwachen vollsülzen konnte oder mir den Platz im Bett streitig machen würde oder dergleichen. Mir kam außerdem wieder in den Sinn, dass Even sagte, er habe mich am ersten Schultag gesehen. „Wieso hast du eigentlich nichts gesagt?“, wollte ich also wissen und vernahm nur ein fragendes Geräusch von ihm und so erläuterte ich: „Wenn du mich gleich am ersten Tag gesehen hast, wieso hast du nichts gesagt?“ „Was hätte ich denn sagen sollen? 'Hey, ich find dich ganz süß, lass uns Freunde werden'? Oder... oder... 'Yo Dude, du bist verdammt heiß, soll ich dir mal meine Nas-Sammlung zeigen?'“, entgegnete er mir giggelnd und ich zuckte mit den Schultern: „Das waren mindestens anderthalb Monate vorm ersten Kosegruppen-Treffen. Dir wäre sicherlich was eingefallen.“ Er lachte leise auf: „Nee, echt nicht. Ich wollte dich auch nicht vergraulen. Also.. hab ich es vorgezogen dich erst zu beobachten. Was du tust, mit wem, wo, wann...“ „Du hast mich gestalkt?“, schmunzelte ich, mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich bisher glaubte, ich hätte ihn zuerst gestalkt. „Ja... Aber du hast mich kein Stück registriert...“, sprach er leise und ich grübelte, wie ich Even nur solange übersehen konnte. War ich echt so sehr mit meinem eigenen Scheiß beschäftigt? Und wie konnte es überhaupt sein, dass er sich ausgerechnet für mich interessierte? Ich meine, der Schulwechsel, der ja wahrscheinlich auch mit dem Vorfall zusammenhing, von dem Vilde erzählte, bei dem Even in einer Manie ein paar schräge Sachen in Elvebakken gemacht hat. „Hattest du am ersten Tag nicht genug andere Sorgen, und Stress?“, fragte ich und musste einen Augenblick auf eine Antwort warten, eh er begann: „Schon... Aber... eigentlich genau deswegen...“ „Wie meinst du das?“, kam es von mir und der vor mir Liegende erzählte: „Ich war an dem Tag echt fertig mit den Nerven... Ich wollte nur irgendwie alles überstehen, nach Hause und mich vor der Welt verschließen...“ „Du hattest richtig Angst, hm“, entnahm ich seiner Aussage und er bestätigte: „Mhm... Und ich hatte nicht mal mehr Weed dabei, um runter zu kommen...“ Even machte eine Pause, bevor er weiter sprach: „Ich stand da hinter dieser Tür im Flur... direkt neben deiner Spindreihe und ich war kurz vor einem Panikanfall, glaube ich... Und dann ich hab ein Gespräch von dir, Jonas und Magnus mitbekommen. Ich glaube Magnus war es, der sagte, ihm sei 'der Neue' nicht geheuer. Und er hatte Angst, dass Mahdi die Schule wegbomben will, oder so 'n Bullshit.“ „Ich erinner mich“, bestätigte ich und so sprach er weiter: „Jonas sagte, Magnus sollte einfach abwarten und ihn kennen lernen.“ „Ja“, nickte ich, als ich die Szene vorm inneren Auge noch mal abspielte „Und... du hast was dazu gesagt, das... ging mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Mir wollte nicht einfallen was das gewesen sein könnte, doch Even half mir auf die Sprünge: „Everyone you meet is fighting a battle...“ „..you know nothing about...“, setzte ich fort und er ergänzte: „Be kind.“ „Always... Ja. Das ist ein Zitat. Weißt du, Noora wohnte vor mir in diesem Zimmer und sie hat dann 'ne Weile in London gewohnt, bei William...“ „William...? Der mit den tollen Haaren-William?“, hakte Even nach und ich nickte grinsend: „Ja, genau Der. Jedenfalls hatte sie das Zitat an der Wand und es vergessen mitzunehmen. Das, und einen Haufen anderen Kram. Uuund Eskild hat... ihr dann ein Wohlfühl-Paket nach London geschickt, damit sie ihr Zuhause nicht vermisst. Und da hab ich ihr das Zitat am Abend vorm ersten Schultag mit reingelegt. Dachte, sie wollte es vielleicht haben. Und ja... Das fiel mir damals eben zu Mahdi ein...“ Ich hatte meine Hand an Evens Kiefer gelegt und strich ab und an mit dem Daumen über seine Wange, daher konnte ich fühlen wenn er lächelte und dies tat er gerade, bevor er weiter sprach: „Ihr seid an mir vorbei gelaufen und... du hast gelacht. Ich hab dich gehört und gesehen... und ich war total ruhig. Meine Panik war weg. Ich wusste... ich muss dich kennenlernen.“ „Hat ja nur anderthalb Monate gedauert“, merkte ich noch einmal schmunzelnd an, bei dem Gedanken, dass ich das mit Even schon soviel früher hätte haben können. „Ey, ich kann doch nichts dafür, dass du blind bist! Außerdem... hat es mir erst mal gereicht, dass ich dich fast jeden Tag sehen konnte. Und... irgendwann hab ich angefangen dich zu zeichnen“, ließ er mich wissen und ich fragte: „Du hast mich damals schon gezeichnet?“ „Ja“, hörte ich es leise von ihm. „Ich hab da so 'n... kleines grünes Sketchbook. Da hab ich immer rein gekritzelt“, setzte Even fort und ich hatte echt keine Ahnung, wie mir das entgehen konnte. Was einem so alles erst jetzt alles offenbart wird... Ich lehnte meine Stirn an seine, so dass sich unseren Nasenspitzen berührten und fuhr ganz vorsichtig mit dem Daumen seine Lippen ab. Sie öffneten sich und schnappten nach meinem Damen. Wieder musste ich lächeln, weil mir dadurch wieder bewusst wurde, wie viel es mir bedeutet Resonanz von ihm zu bekommen und wie schlimm es eigentlich war, als ich sie nicht bekam. Kann man da eigentlich sagen, dass man süchtig nach jemandem ist, oder sein kann? So ausgeglichen wie diese Nacht, könnte ab jetzt von mir aus jede Nacht sein. Ich glaube, ich habe schon lange nicht mehr so ruhig schlafen können. Umso störender empfand ich am Morgen den Weckruf meines Handys. Genervt knurrte ich und tastete fahrig nach dem lärmenden Ding, stellte es ab und verkroch mich unter der Decke. Doch.. da war ja noch was... oder viel mehr, jemand. Ich hob die Bettdecke wieder hoch und öffnete verpennt die Augen. Even lag da und grinste mich an. Spontan streckte ich den Kopf zu ihm hinüber, drückte ihm ein Kuss auf den Mundwinkel, zog mich wieder zurück und legte die Decke so über mir zurecht, dass ich darunter noch hervor schauen konnte und der neben mir Liegende auch noch zu sehen war. Ich wartete ab, was er mit der gegebenen Situation anfangen würde. Komm schon, Baby..., grab mich aus, leg mich frei! Du willst es doch auch! Evens Grinsen wurde breiter und auf meiner Stirn bildeten sich so langsam Falten aus Skepsis und Ahnungslosigkeit, bis sich plötzlich flinke Finger unter die Bettdecke geschlichen hatten und mich an meiner empfindlichen Seite kitzelten: „Moah... Eveeen!“, schimpfte ich und wandte mich auf der Matratze, doch er ließ nicht von mir ab, sondern nahm noch die zweite Hand dazu und so flüchtete ich samt Decke aus dem Bett. „So nich!“, drohte ich gespielt und sah ihm dabei zu wie er sich gemächlich auf den Rücken drehte und sprach: „Ich würde ja auch lieber... 'ne andere Variante wählen, um dich morgens abgehen zu sehen, aber ich fürchte für sowas müssen wir den Wecker früher stellen. Das da... war gerade die schnelle, zielführende Methode.“ „Alles Berechnung..“, murrte ich und setzte mich an das Fußende. Even rutschte zu mir heran legte seine Arme um mich und tupfte seine Lippen auf meine Wange. „Du musst nur den Wecker früher stellen...“, hauchte er betörend in mein Ohr, begann dran zu knabbern und eh ich der Verlockung verfallen konnte sprang ich erneut auf: „Ich muss mir was anziehen.“ Even betrachtete mich mit wippenden Augenbrauen: „Besser ist's.“ „Du hattest deine Chance! Ich muss los“, teilte ich ihm entschieden mit, warf die Decke auf ihn zu und suchte mir Sachen aus dem Schrank. „Ich komme gleich mit und bring dich noch zur Bahn“, verkündete Even und damit stieg er ebenfalls aus dem Bett. Ich warf ihm die Klamotten zu, mit denen ich ihn letzte Woche nach dem Kirchenkonzert, auf dem Schulhof aufgegabelt hatte und sprach: „Hier, die hat Tante Eskild für dich mit gewaschen.“ „Tante Eskild?“, wiederholte er belustigt und ich nickte: „Mhm. Wenn Eskild mich Patenkind oder Patenkätzchen nennt oder whatever, dann nenn ich ihn eben Tante Eskild.“ Amüsiert den Kopf schüttelnd, warf er sich nun auch endlich mal in seine Sachen, sodass wir bald aufbrechen konnten. Als wir wenig später auf dem Weg zur Haltestelle waren, liefen wir eher schweigsam nebeneinander her und Even sprach dann doch genau dies an: „Du sagst gar nichts mehr.“ Wir kamen gerade an, als ich gedankenverloren zu ihm hinauf schaute und erklärte: „Ich... vermiss dich nur jetzt schon...“ „Ich komm wieder“, lächelte Even, bevor er nach meiner Hand griff. Aus schierer Gewohnheit sah ich mich um, wer uns dabei sehen könnte. Ein paar Leute standen zwar da, doch ich wich nicht zurück und fasste bewusst fester zu. Kurz bevor die Bahn kommen würde, lehnte ich meinen Stirn an seine Schulter und knurrte unwillig mich von Even trennen zu müssen. Er kraulte nun meinen Hinterkopf: „Ich hol dich morgen nach der Schule ab und dann besorgen wir Vilde den Baum zusammen. Deal?“ Ich musste daraufhin lachen und der vor mir Stehende fragte irritiert nach: „Was ist?“ „Ach, nichts... Ich dachte nur ganz kurz du sagst, wir beide besorgen's Vilde...“, giggelte ich und vernahm Even schmunzeln: „Du bist echt so untervögelt.“ „Ja...“, gab ich zu, denn allein überhaupt auf den Gedanken zu kommen, war schon ziemlich... hart. „Wann bist du morgen fertig?“, wollte er wissen und ich überlegte einen Augenblick: „Wir haben früher Schluss. Denke so gegen 12:35?“ „Okay, bin da“, entgegnete er mir und ich sah ihm ins Gesicht: „Gut, aber... Geh's ruhig an. Ein Tag nach dem anderen, okay?“ Er nickte, ich schaute einen Moment auf den Boden als die Straßenbahn kam und atmete noch einmal tief ein, legte meine Hände an seinen Kopf und... küsste meinen Freund zum Abschied. Vor Fremden. Fremde sind denke ich ein guter Einstieg für sowas. Die sieht man eh nie wieder oder muss sich mit denen irgendwie befassen. „Ruf an, wenn was ist“, bat ich anschließend und löste mich von ihm. „Kann ich auch anrufen, wenn ich einfach nur deine Stimme hören will?“, fragte er als ich einstieg und so lächelte ich: „Wann immer du willst.“ Ein kleines Luftküsschen meinerseits, dann schlossen sich die Türen und das Ding fuhr weiter Richtung Nissen Schule. Seufzend blieb ich, wie meistens, gleich neben der Tür stehen und warf beiläufig ein Auge auf die Leute, die mit mir hier drinnen waren. Die meisten interessierten sich nur für ihren eigenen Kram, nur Einer ganz hinten, der warf mir einen teils angeekelten, teils genervten Blick zu. Mindestens genauso genervt wie er von mir war, drehte ich mich von ihm weg und ignorierte den Typen. Allzu lange würde die Fahrt ja eh nicht dauern. Passiert vermutlich jetzt öfter. Aber anders als früher will ich mich nicht mehr davor verstecken und mir allzu große Gedanken darüber machen was andere von mir denken. Ich muss lernen da drüber zu stehen, denn wer Hass sucht, der findet ihn. Donnerstag, 15.12.2016 – 13:55 Uhr Dass ich Even am liebsten gleich mit in die Schule genommen und niemals aus den Augen gelassen hätte, kann ich nicht leugnen, aber es ist besser für ihn, wenn er sich nicht sofort wieder dem vollen Stress aussetzt. Seine Stimmung blieb zuletzt zwar bisher stabil, aber irgendwas provozieren musste man ja nicht. Ich mag die letzten Tage vor Ferien. Die sind meistens recht gechillt. So begab ich mich in der letzten Pause am heutigen Unterrichtstag zu meinen Bros auf den Schulhof und begrüßte sie: „Hey Boooys!“ „Hallo!“, kam es als erstes von Jonas zurück, welcher sich offenbar freute mich auch in besserer Stimmung zu sehen und so auch Magnus: „Hey, Isak!“ Alle bekamen einen entspannten Handschlag von meiner Seite und Mahdi fragte: „Was geht?!“ „Alles gut“, antwortete ich, eher aus Gewohnheit und Jonas hakte als mein bester Freund natürlich nach: „Alles gut?“ Im Moment war es ja auch so, also nickte ich bestätigend: „Yes.“ „Wie geht’s... 'Evak'?“, wollte es Magnus natürlich genau wissen und ich zuckte mit den Schultern: „Gut... I guess. Wir nehme es Tag für Tag. Minute für Minute...“ Schließlich wusste ich nicht, ob und was der nächste Tag oder die nächste Minute bezüglich Even bringen könnte. Doch Mags hatte offenbar gleich einen Geistesblitz: „Minute für Minute.. Verdammt, hört mal: 'Even und Isak – Minute für Minute.' Das ist die Art von Shit, die du an NRK* verkaufen kannst! Die Leute würden es feiern. Selbst ich würde es gucken!“ Kann es sein, dass sich Magnus gerade um den Vorsitz des Evak-Fanclubs reißt? Aber bei der Vorstellung daran Millionen könnten uns im TV sehen wurde mir ganz komisch: „Nee, dass ist irgendwie abgefuckt darüber nachzudenken.“ „Warum?“, wollte er offenbar ernsthaft wissen und fragte auch gleich: „Weil ihr im Fernsehen fickt? Denkst du nicht, dass ich damit umgehen kann, zwei Jungs ficken zu sehen?“ Er hatte mich wohl für einen Augenblick stutzig gemacht mit dieser Ansage, aber ich klärte ihn auf: „Es ist mehr abgefuckt für mich, wenn du uns ficken siehst, weil das ein totaler Turn-Off ist.“ Unterhalten wir uns jetzt gerade wirklich darüber..? Offensichtlich, denn Magnus ließ nicht locker: „Du denkst ich bin ein Turn-Off?“ Der meint das ernst oder..? Ich grinste ein wenig peinlich berührt von dem Gespräch: „Du bist definitiv kein Turn-On.“ Jonas giggelte, und Mags war noch lange nicht fertig: „Bullshit! Du würdest mich sowas von ficken, wenn du die Chance hättest! Das weiß ich.“ Jetzt geht’s los... „Nein!“, kam es entschieden, aber immer noch grinsend von mir. Magnus schaute in die Runde zu den Anderen: „Okay, Bullshit. Welchen von uns würdest du zu erst vögeln? Mahdi, Jonas oder mich?“ Ich warf einen obligatorischen Blick in selbige Runde und antwortete, was von vornherein klar sein dürfte: „Jonas.“ „Richtig! Das hab ich mir gedacht!“, freute sich Jonas und hob die Hand zum High-Five. Ich schlug ein und wandte mich wieder zu Mags, welcher nicht aufgab: „Okay, dann zwischen mir und Mahdi?“ „Das wärst dann du...“, begann ich und so war er schon fast dabei ebenfalls zu jubeln, doch ich drehte meinen Kopf ein Stück weiter, um meinen Satz zu beenden: „Mahdi!“ „Platz zwei, Bro!“, feierte dieser und auch Jonas lachte, während Magnus so gar nicht darauf klar kam: „Wieso will mich keiner ficken?!“, fragte er nun wieder mich und ich antwortete: „Du bist einfach nur verzweifelt, das ist es.“ „Ich bin nicht verzweifelt! Ich bin sowas von gechillt!“, verteidigte er sich mit einer fassungslosem Gesichtsausdruck. Er hätte nicht fragen sollen... Doch seine Miene erhellte sich gleich wieder als Mahdi die Jungs auf etwas hinwies: „Oh Scheiße, Bro... Da sind die Tanz-Chicks!“ Sie wandten sich alle drei zu den vier Mädels um, die da im Anmarsch waren. Während die Jungs wie paralysiert vor sich hin sabberten, besah ich mir recht gelangweilt den fast im Gleichschritt nahenden Trupp und stellte mal wieder fest: Nee, das ist nix für mich. Wird's wohl auch nicht mehr. Dann blieben sie auch noch direkt vor uns stehen und die eine sprach ausgerechnet mich an: „Hi! Du musst Isak sein, nicht wahr?“ Ich nickte, unschlüssig was das zu bedeuten haben könnte: „Ja?“, und wartete ab was da kommen soll. Die Vier sahen sich an, eh diese Eine weiter sprach: „Wir hörten nur, dass du was mit Even aus dem dritten Jahr hast..“ Ich blinzelte irritiert. „...und wir wollten nur sagen, dass wir das feiern! Es ist echt total süß, wenn zwei Jungs zusammen sind“, setzte sie fort und ich wusste im ersten Moment nicht so wirklich was ich dazu sagen soll. Ganz große Klasse... Ich nickte einfach, da ich es wohlwollend zur Kenntnis nehme, deswegen gefeiert und nicht verprügelt zu werden: „Fett.“ „Und die Tanzgruppe wird ein Weihnachts-Beisammensein am Freitag haben. Ihr könnt einfach vorbeikommen, wenn ihr möchtet“, sprach sie weiter und nein, mir ist der 'Sag verdammt noch mal Ja!'-Blick von Magnus nicht entgangen, doch auch ich musste langsam Prioritäten setzen: „Ich denke nicht, dass ich kann. Weil ich beim Weihnachts-Beisammensein der Kosegruppe sein werde, was auch am Freitag ist. Also... ja...“ Die Jungs und auch die Mädels schienen ein wenig entsetzt und ratlos von meiner Entscheidung. „Das ist blöd, aber... wir sehen uns sicher hier so... ja...“, sprach sie weiter, bevor die Vier von dannen zogen: „Tschüss.“ Ich nickte nur wieder zum Abschied und hörte gleich von einem noch fassungsloseren Magnus: „Was zur Hölle?“ „Bro?“, wandte sich auch Mahdi verständnislos an mich und ich schaute von einem zum anderen: „Was?“ Ich hatte mir schließlich nichts vorzuwerfen. „Weihnachts-Beisammensein mit Kosegruppe?“, fragte Mahdi Kopf schüttelnd und ich bestätigte: „Ja? Ich werd's haben, also ihr seid willkommen, Jungs.“ Eben Jene konnten es wirklich nicht glauben, was ich sagte und die Gesichter dazu waren göttlich! Weshalb ich breit grinsend fortsetzte: „Und ich selbst werd es machen, also könnt ihr einfach vorbei kommen.“ „Was zur Hölle!?“, fasste sich Magnus an den Kopf und Mahdi sprach: „Die Pforten zum Paradies sind weit offen.. und du redest von 'nem Weihnachts-Beisammensein mit Kosegruppe? Man, was zur Hölle?“ Obwohl der letzte Satz in den letzten fünf Minuten so oft fiel und ziemlich gut die allgemeine Fassungslosigkeit über meine Entscheidung zum Ausdruck brachte, hatte ich nicht im geringsten ein schlechtes Gewissen deswegen. Ich meinte das total ernst. Auch wenn ich vor nicht allzu langer Zeit nicht im Traum daran gedacht hätte. Aber im Grunde ging's doch hier nicht wirklich um irgendwelche Kosegruppen-Feiern, sondern weil die Jungs nicht ohne mich zu den Tanz-Chicks können oder sich nicht trauen. Denn sie wollten dahin ohne Zweifel mitgenommen werden und Mädels abschleppen, wenn das eine Option für mich gewesen wäre. Ich schaute schmunzelnd in die Runde, in der nun alle ein wenig verzweifelt aussahen und verkündete: „Jungs, ihr müsst anfangen euch selbst die Chicks aufzureißen.“ Komplett sprachlos ließ ich meine Freunde damit stehen und hörte noch im Gehen wie Magnus vor sich hin meckerte. Sorry. Aber selbst wenn ich zu den Tanz-Chicks gewollt hätte, hätte ich mich mit Vilde anlegen müssen, weshalb ich es wagen würde wegen sowas abzusagen und das... wären die Pforten zur Hölle. Außerdem, wenn Even an dem Abend doch kommen will und es ihm später zu viel werden sollte, dann kann er in mein Zimmer gehen und sich ausruhen. Bei dieser anderen Sache da, wüsste ich nicht mal, ob er mit will und was da abgeht, und überhaupt... Es ist besser, wenn er es ruhig angehen lässt. Evak – So nennt man uns also nun. Wie ich diese beknackten Pärchennamen eigentlich nie ausstehen konnte, aber 'Evak' hört sich irgendwie ganz gut an oder? Als ich am späten Nachmittag zu Hause auf meinem Bett lag und gerade – wie so oft – an Even dachte, rief dieser an. It's magic! Hab ihm einen eigenen Klingelton zugeordnet, daher freute ich mich schon bei den ersten Tönen. Zufrieden grinsend holte ich das Telefon aus der Tasche meines Hoodies und nahm das Gespräch an: „Hallo Baby!“ „Hallo! Was ist los, warum grinst du so?“, fragte er, ebenfalls hörbar grinsend durchs Telefon und ich teilte ihm mit: „Ich hab dir vorhin im Mathe-Unterricht den perfekten Rufton zugeordnet.“ „Und was?“, wollte er wissen und ich begann leise zu singen: „You are my sunshine, my only sunshine. You make me happy when skies are gray. You'll never know dear, how much I love you. Please don't take my sunshine away...“ Totale Stille am anderen Ende der Leitung. Selbst als ich aufgehört hatte zu singen. Weshalb ich verwundert nachfragte: „Even?“ Noch immer nichts. Ich richtete mich besorgt auf, doch dann endlich die Erlösung: „Du weißt... ich würde dich jetzt mehr als nur knutschen, wenn ich bei dir wäre...“ „Würdest du, ja?“, entgegnete ich dem breit lächelnd und er sprach: „Mhm... würde ich...“ „Zu blöd...“, murmelte ich, weil er ja leider nicht bei mir war. Schweigen. Ich hörte ihn jedoch ganz leise atmen. „Weißt du... was ich noch tun würde?“, wollte er wissen und ich überlegte kurz, bevor ich antwortete: „Sag's mir.“ Abermals fiel eine gefühlte Ewigkeit kein Wort. Nur sein Atmen war gerade so zu vernehmen. „Ich würde... dir all deine Klamotten ausziehen und... dich überall küssen...“, raunte er und bei dem Gedanken daran schluckte ich: „Überall?“ „Überall! Wo du willst...“, entgegnete Even mir und ich schmunzelte: „Was wird das jetzt?“ „Wonach sieht's denn aus?“, fragte er und ich vermutete: „Klingt nach... Telefonsex.“ „Nenn es wie du willst“, kam es von ihm und ich seufzte: „Even...“ Ich vermisse dich... Ich brachte es nicht fertig ihm zu sagen, dass ich ihn vermisse. Er sollte zu Hause bei seinen Eltern entspannen und nicht daran denken, wie sehr mich seine Abwesenheit zermürbt. Nichtsdestotrotz war es wenigstens ein Tropfen auf dem heißen Stein, seine beruhigenden leisen Atemgeräusche zu hören, wenn ich sie schon nicht spüren konnte. „Baby?“, ergriff Even das Wort und ich meldete mich: „Hm?“ „Ich muss los... meine Mama will einkaufen... für ihre Betriebs-Weihnachtsfeier. Und da wollte ich mit“, erzählte er und das hieß dann wohl wieder mal Abschied nehmen. „Okay... Viel Spaß dabei“, wünschte ich und rang mir ein Lächeln ab. Auch wenn er es nicht sehen konnte. „Gut... also... ich hol dich morgen nach der Schule ab. 12:35, richtig?“, wollte er wissen und ich antwortete: „Ja...“ „Okay... ich vermiss dich auch... Tschüss“, sprach er leise und ich verabschiedete mich ebenso kaum hörbar: „Tschüss...“ Ich legte auf und starrte an die Decke. Mir war innerlich nach jammern zumute, so schrecklich vermisste ich Even in diesem Augenblick. Kaum hatte ich mich knurrend auf die Seite gerollt, holte ich mir ein Kissen heran, auf welchem Even lag, umklammerte es und hoffte noch irgendwie ihn riechen zu können. Doch leider nicht... Seufzend drehte ich mich wieder auf den Rücken und legte das Kissen unter meinen Kopf. Was fang ich jetzt mit meinem Leben an? Das frage ich mich manchmal echt. Was hab ich gemacht, bevor mir Even begegnet ist? Kein Plan... Aber dann riss ich mich doch mal zusammen und stand mit Schwung vom Bett auf. Ihm geht’s gut, mir geht’s gut... kein Grund dramatisch zu werden. Diese eine verdammte Nacht werde ich überleben! Irgendwie... Mit Hängen und Würgen... Kurz hatte ich die Idee vorher dem Pennen noch was für die Schule zu lernen. Aber erstens: Es sind verdammt noch mal bald Ferien! Zweitens: Mein Hirn ist sowieso vollkommen damit ausgelastet an Even zu denken und somit hätte ich eh kaum eine Chance gegen mich selbst anzukommen. Also produktiv zu sein fällt flach. Drittens: War mir eher nach überschüssiger Energie abbauen. Wenn ich diese schon nicht so abbauen konnte wie ich wolle, im Bett mit Even, dann wenigstens durch ein wenig Sport. Das hat mir auch schon durch wesentlich schlimmere Zeiten geholfen und meine Bauchmuskeln kamen bisher bei Even auch gut an, denk ich... Also... Los geht’s! Diese Nacht war schrecklich. Einsam, kalt... einfach doof. Und ein wenig frustrierend vielleicht. Ich hatte ja gehofft mein Handy würde vorm Schlafen meinen 'Sunshine' noch mal ankündigen, doch leider tat es das nicht. Womöglich war das auch besser so. Dann musste ich diese plötzliche Leere nicht zwei mal ertragen, die ich im Anschluss des Telefongesprächs spürte. Oh Gott... Ich bin sowas von verloren... Echt finster... Aber wenigstens konnte ich halbwegs pennen. Aufstehen klappte daher einigermaßen gut. Ohne Even im Bett war ein entscheidender Grund, nicht aufstehen zu wollen, auch nicht gegeben. Mit halbwegs viel Elan ging's dann auch durch den Schultag, denn jede Stunde, die vorbei zog brachte mich dem baldigen Wiedersehen näher. Die letzte Stunde wollte allerdings so gar nicht vergehen und zur Krönung des ganzen musste ich dann auch noch fünf Minuten länger bleiben, weil man uns auf den letzten Drücker noch die letzten ausgewerteten Tests vor den Weihnachtsferien mitgeben wollte. Eilig packte ich anschließend meinen Krempel zusammen und lief schnellen Schrittes aus dem Raum, über den Flur, die Treppe runter, über den nächsten Flur und endlich raus aus dem Gebäude. Der Schulhof war so gut wie leer und so suchte ich schleunigst nach Even. Ich fand ihn nahe des Eingangstors auf der Rücklehne einer Bank sitzend, die zur Straße hin gestellt war. Mit seiner dunkelgrünen Jacke und der roten Mütze war er leicht, auch von hinten zu erkennen. Ich lief auf ihn zu und sah, dass er gerade dabei war auf seinem Smartphone herum zu tippen, also schmiegte ich mich an seine Kehrseite und legte ich meine Arme um seinen Oberkörper, um ihn an mich zu drücken: „Endlich...!“ „Hallo!“, begrüßte er mich lächelnd und fasste mit leichtem Druck an meinen Unterarm: „Wollte dir gerade schreiben.“ Genüsslich sog ich seinen Duft ein und fühlte mich fast ein wenig wie im Himmel. „Und ich wollte dich gerade küssen...“, flüsterte ich an seinem Ohr, eh ich einen Kuss darauf tupfte und ihn wieder los ließ. „Und das in der Öffentlichkeit! Könnte ich mich glatt dran gewöhnen“, giggelte Even und ich zuckte amüsiert mit den Augenbrauen, als ich um die Bank herum ging und mir der gestrige Tag mit den Tanz-Chicks noch mal in den Sinn kam: „Gewöhn dich dran. Wir haben jetzt einen Fanclub mit Vorsitz und eigener Tanzgruppe. Und 'nen Pärchennamen.“ „Okay?“, kam es etwas irritiert von Even, eh er sein Handy abermals zückte: „Dann ehh... wollen wir unseren Fans mal was bieten oder?“ Er richtete die Kamera seines Telefons auf uns und drückte mir dabei einen Kuss auf die Wange. Ich konnte gar nicht anders als währenddessen grinsen. „So, jetzt kannst du es posten“, teilte er mir mit und reichte mir sein Handy. Wenn er so sehr auf Insta posten will, wieso hat er dann keinen eigenen Account? Wie auch immer. Ich loggte mich von seinem Handy aus auf mein Instagram ein und suchte das Bild hervor, was er eben von uns gemacht hatte und bemerkte: „Jeez, man! Jetzt verrat mir mal, wie du das immer machst?“ „Was denn?“, fragte er unschuldig und ich hielt ihm das Foto vor die Nase: „Kein vernünftiges Bild hinzukriegen.“ Even lachte, als ich moserte: „Mein Kopf sieht riesig aus! Wie wie ein Ballon?!“ „Er ist perfekt, so wie er ist!“, war seine Meinung dazu und ich legte die Stirn skeptisch in Falten. Even deutete erneut auf das Bild: „Posten!“ „Gut... wenn's dich glücklich macht“, murmelte ich und so fasste er mit beiden Händen an meinen Kiefer, stupste mich mit der Nasenspitze an: „Sehr!“ Ich tat was er wollte und zeigte es ihm: „Done.“ Er küsste mich noch einmal, nur diesmal richtig auf den Mund. Ich verharrte noch einen Moment so und genoss seine Zuwendung, bevor ich krächzte: „Du solltest das Tageslicht genießen... Ich schwöre... ich lass dich so schnell nicht mehr aus dem Bett, wenn wir... Du weißt schon...“ Evens Augenbrauen wippten gewitzt nach oben: „Erzähl mir mehr...!“ Ich schaute ihm in die Augen und sprach leise: „Nee, besser nich... Damit tu ich mir gerade keinen Gefallen...“ Der vor mir Stehende seufzte und deutete mit dem Kopf in die Richtung in die wir nun mussten: „Auf geht’s! Ein Baum wartet auf uns.“ „Ob Julian Dahl jetzt eifersüchtig wird?“, fragte ich ihn ernst tuend und Even schaute aufmerksam zu mir: „Wer is'n das schon wieder?“ „Och... mein größter Fan“, erklärte ich kurz und der neben mir Laufende entgegnete dem selbstsicher: „Kann gar nicht sein. Ich bin dein größter Fan.“ „Er stalkt mich auf Insta...“, ergänzte ich also und Even ging scheinbar ein Licht auf: „Ah, stimmt ja.“ Er weiß von Julian Dahl? „Stalkst du schon meine Stalker?“, fragte ich also irritiert und er grinste: „Ja, sicher! Kenne deinen Feind!“ „Na gut, aber... er stalkt mich schon ein Jahr länger als du“, merkte ich an und Even zuckte mit den Schultern: „Und wer von uns beiden hat's geschafft, dich für sich zu gewinnen?“ Bei der Frage wippen seine Augenbrauen wieder mal frech nach oben und ich grinste, als er mich im Laufen näher zu sich zog und mir demonstrativ einen Kuss auf die Wange drückte, bevor er mich wieder entließ. Mit der Straßenbahn ging's Richtung Kielland Platz und als ich die Fülle von Leuten hier und heute in den Abteilen sah, merkte ich an: „Ich glaube nicht, dass wir das Ding mit der Bahn weg kriegen...“ Even sah sich um: „Ich glaube... du hast recht.“ Ein Satz, den ich normalerweise liebend gerne höre, aber nicht bei sowas. Wieso hab ich mich noch mal breitschlagen lassen dieses Teil zu holen? Ach ja... Even hat mich dazu gebracht... Als wir ankamen und in dem Gedrängel erst mal Jemanden suchen mussten, der sich hier irgendwie verantwortlich fühlt, machte ich mir schon Gedanken, ob die Sache hier zu viel für ihn werden könnte. Aber was hätte ich tun sollen? Ihm verbieten mitzukommen? Wohl kaum. Vielleicht müssen wir beide lernen, was geht und was nicht. Der einzige Typ, der gerade frei war, führte uns zu einem handlich verpackten Baum, riss das 'Reserviert'-Schild ab und ließ uns mit dem Ding auch gleich gehen. Immerhin hat Vilde das Teil offensichtlich schon bezahlt und einpacken lassen. Ich hatte schon befürchtet, dass wir erst noch einen aussuchen und in dieses Drahtnetz einwickeln lassen müssen. Zu Fuß, mit dem Baum auf der Schulter, liefen wir nach Hause. Gut, dass ich die meisten Bücher in meinem Spind in der Schule gelassen hab. Nicht, dass ich die auch noch in meinem Rucksack hätte rumschleppen wollen. Nach einer guten Stunde hatten wir es geschafft den Baum vor der Haustür abzuladen. „Ich fass es nicht, was wir hier für Stress haben...“, meckerte ich vor mich hin, blickte in Evens amüsiertes Gesicht und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen: „Was?“ „Du bist heiß, wenn du dich aufregst“, sagte er und ich verdrehte gespielt genervt die Augen, eh ich auf unsere Türklingel drückte. Es dauerte bis jemand den Türöffner betätigte, doch eigentlich hab ich wegen was anderem geklingelt: „Eskild?“ „Ja?“, entgegnete mir genau Derjenige, den ich vermutete hatte und so fragte ich: „Kannst du runter kommen und helfen Vildes Baum hoch zu tragen?“ „Von mir aus...“, kam es mit absoluter Begeisterung von meinem Mitbewohner und so hievten Even und ich das Ding schon mal bis zur Treppe ins Haus. Eskild kam gerade die Stufen runter und schnappte sich den Stamm: „Ich brauch was hartes in der Hand.“ Mit leicht dreckigem Grinsen schaute Even zu mir und sagte: „Gut, dann... werd ich noch mal nach Hause gehen.“ Ich wuchtete die andere Hälfte des Baums auf meine Schulter und fragte ihn: „Kommst du heute Abend?“ Er nickte: „Ich komme. Bis dann.“ Während mein Telefon nun ständig vibrierte, küsste Even mich zum Abschied kurz, doch so schnell kam er nicht davon. Ich packte ihn an seinem dunkelgrauen, mit Baumnadeln bespickten Schal und holte mir, was mir zustand. Einen richtigen Kuss. „Och, Jungs... Ihr könnt später rummachen, ich will hier fertig werden...“, vernahm ich es von Eskild und so entließ ich Even aus meinen Fängen. Dieser begab sich lächelnd zur Haustür: „Tschüss!“, und schloss diese von außen. Ich sah ihm nach und so holte mich mein Mitbewohner mit einem Ruck an dem Baum wieder aus meiner Träumerei zurück. „Ja doch, ja...“, brummte ich und so trugen wir dieses unhandliche Teil hoch in die Wohnung. Fix und fertig überließ ich den Baum seinem Schicksal, und Eskild. Ich weiß schon wieso ich diesen Weihnachtsstress vermeiden wollte. Weil immer alles perfekt sein muss, stresst sich jeder. Während nun Eskild mit dem Baum kämpfte und sich von Linn Verstärkung erhoffte, legte ich schnell noch Lichterketten in die Küche, um sie später aufzuhängen. Jawohl, in der Küche vor den Schränken, an die man womöglich noch mal ran müsste, aber was versteh ich schon von praktischen Sachen? Jedenfalls nahm ich in weiser Voraussicht schnell noch ein paar Gläser und Tassen aus dem Schrank, da auch Glühwein für die Party vorgesehen war. Sie werden es mir danken. Ich begab mich anschließend in mein Zimmer und warf einen Blick auf mein Handy. Die Jungs hatten im Chat geschrieben. Hab weltbeste Idee für ein Business. Investiert jemand Geld?, meldete sich Magnus und Mahdi machte ihm seine Meinung dazu wohl mehr als deutlich: Idiot. Hab absolut kein Geld, teilte Jonas ihm mit und so trug Mags seine Wahnsinns-Idee dennoch vor: Boys, ihr werdet bestimmt ein wenig Cash finden, wenn ich es euch sage. - *drum roll*...... - TUBEWATCHER! Eine App die Youtube-Videos für dich guckt! - Denkt doch an all die Zeit die man spart! Er ist wirklich ein Idiot... Vielleicht sollte er mal seine Zeit darin investieren, 'ne Freundin zu finden, dann beschäftigt er sich damit, statt mit völlig bescheuerten Ideen. Würde die NAV* anrufen, wenn ich du wäre, Mags, brachte ich dem entgegen und fragte auch gleich: Aber kommt ihr heute Abend? - Wohin denn?, wollte er doch tatsächlich wissen und so erklärte ich: Party bei mir, mit Kosegruppe. Er hielt es offenbar noch immer für'n Scherz: Hahaha. Weiß nie, ob du Witze machst, wenn du von diesem Kram redest. Ernsthaft? Na, aber sicher: Ernsthaft. Aber auch Mahdi schien unschlüssig: Weiß nicht, man. - Es ist halt Freitag, meldete sich auch Jonas wieder. Ja, es ist Freitag. Wenn sie was besseres vorhaben, bitte. Ich teilte den Jungs noch mit, dass ich erst mal nicht mehr schreiben kann, weil ich ein Fest zu organisieren habe. Jedoch versuchte ich es noch mal Magnus zu locken: Vilde kommt. Ich legte das Handy ab, pellte mich aus den Klamotten und warf noch mal einen Blick auf den Chat. Ok. Fertig, hatte Mags offenbar nun für Alle entschieden, dass sie auf jeden Fall erscheinen werden. Ich grinste zufrieden und warf das Telefon wieder aufs Bett, eh ich mit meinem Handtuch um die Hüfte ins Bad ging. Die Dusche tat echt gut, auch wenn ich nicht allzu lange Zeit zum Genießen hatte. Vor allem, weil Vilde völlig unverhofft schon viel zu früh auf der Matte stand. Aber was heißt zu früh. Sie hatte ja nicht mal gesagt wann sie kommt, aber vermutlich hatte sie das sowieso mit Eskild abgesprochen und nur ich wusste mal wieder von nichts. Als ich ihre Stimme im Flur hörte, stellte ich das Wasser ab und klemmte mir das Handtuch wieder um die Hüfte, kämmte meine frisch gewaschenen Locken zurück und zog in aller Ruhe mein Programm durch. Meinen Teil mit dem Baum hatte ich erfüllt, für alles andere ist später noch Zeit. Gerade, als ich aus dem Bad kam und eigentlich nur drei Schritte bis in mein Zimmer vor mir lagen, fing mich Vilde punktgenau ab: „Habt ihr noch irgendwo Baumschmuck?“ „Kann ich mir erst mal was anziehen?“, entgegnete ich ihr und sie betrachtete mich von oben bis unten: „Ehh ja... Ich frag einfach Eskild...“ Ja. Der weiß das sicher auch eher als ich. Als ich wenig später vorm Kleiderschrank stand und mein bestes Hemd raus suchte, ertappte ich mich dabei, wie ich drüber nachdachte, ob ich Even in diesem Hemd gefallen könnte. Aber dann dachte ich: Wenn's nach ihm ginge wäre mein bestes Outfit, einfach das Handtuch um meiner Hüfte fallen zu lassen und fertig. Ich legte das Hemd und eine dunkle Jeans zurecht und kramte anschließend nach einer Boxershort die möglichst bequem ist und vielleicht auch ein bisschen 'fick mich' schreit. Wenn Even die heute Nacht zusehen bekommen sollte, dann will ich lieber keine peinliche Unterhose anhaben. Fuck, Isak! Wenn Even bis dahin kommt, dann ist das auch nicht mehr entscheidend, dafür was danach passiert... Ich sollte echt aufhören mir so viele Gedanken zu machen. Später, als ich ins Wohnzimmer trat, schoben Eskild und Linn gerade den Fuß des Baumstamms in die Halterung, damit das Ding auch irgendwann mal steht. Doch wirklich einer Meinung, wie man's denn nun am besten macht, schienen sie nicht. „Du machst das falsch! Ich hab gestern einen Bericht darüber im Fernsehen gesehen“, argumentierte Linn und Eskild feuerte zurück: „Mit Ständern kenn ich mich ja wohl besser aus als du!“ Schmunzelnd lief ich an den beiden vorbei und Linn sah mich hilfesuchend an. Ich hob abwehrend die Arme und sagte: „Ich halt mich da raus.“ Doch Vilde schritt zur Tat und hatte das Problem in wenigen Handgriffen erledigt. „Als würde sie das jeden Tag machen“, kam es staunend von Eskild und Linn brummte: „Hmm... aber er ist schief.“ Damit zerrte sie an dem Baum und schon regte sich Eskild wieder auf: „Was machst du denn da? Jetzt ist er schief!“ Er rückte das Ding also wieder zurück und eh das noch eine Weile weiter gehen würde, merkte ich an: „Wollt ihr euch auch noch umziehen oder bleibt ihr so?“ Beide sahen zuerst zu mir und dann an Linn herab, eh diese sprach: „Ich geh duschen...“ Kaum war die eine meiner Mitbewohnerinnen außer Sicht, tauchte die andere auf. Noora kam schwer beladen mit einigen Einkaufstaschen voll Süßkram, Backzutaten und noch mehr Zeug um die Ecke: „Hi!“ Ich nickte ihr zur Begrüßung zu und baute derweil weiter die Gläser, Becher und Tassen für den Glühwein auf, während Eskild ihr den ganzen Scheiß abnahm. Vilde breitete den Bastelkram auf dem Couchtisch aus, sodass der auch voll gestellt war. Gelassen räumte ich das Feld und ging in die Küche, stellte fest, dass inzwischen jemand einen Schwibbogen auf die Dunstabzugshaube gestellte hatte. Da das Ding bereits angeschlossen war und leuchtete, würde ich einen Scheiß tun und das Gerät noch mal anfassen. Stattdessen brachte ich diese Lichterketten endlich mal an den gewünschten Stellen an, auch wenn ich das vor den Schränken noch immer für 'ne ganz beschissene Idee halte. Gegen sechs Uhr standen auch schon einige der anderen Gäste auf der Matte, der Rest trudelte innerhalb der nächsten Stunde ein, so auch die Jungs. Glücklicherweise haben die Bier mitgebracht. Zwar war Eskild gestern schon Bier und Wein kaufen, aber das würde kaum für alle reichen. Hier waren auch zwei drei Leute, die ich noch nie wirklich zuvor registriert hatte, aber Vilde wird schon wissen wer zu ihrer Kosegruppe gehört. Eva hatte Penetrator-Chris mit im Schlepptau. Ihn hätte ich nun nicht für 'nen Kosegruppen-Fan gehalten. Aber vielleicht liegt ihm ja wirklich was an ihr, wenn er sich das hier freiwillig antut. Linn hatte sich indes sogar ziemlich hübsch gemach und Eskild schoss mit seinem Outfit so ziemlich jeden Vogel ab. Eine engere und noch mehr glitzernde Hose als die, die er gewählt hat, dürfte es in ganz Oslo nicht geben. Die beiden standen mal wieder vor dem Baum, schoben und kippten das Ding hin und her, weil jeder der Meinung war, so wie es der jeweils andere will, ist es schief. Noora, Vilde und die anderen Mädels saßen am Wohnzimmertisch und bastelten da schon Ewigkeiten an zusätzlicher Deko, und wenn Eskild sich nicht gerade mit Linn um den Baum kloppte, hing dieser den ganzen Mist irgendwo in der Wohnung auf. Es weihnachtete also sehr bei uns. Als die Jungs sich über eine Packung M&M’s hermachten, riss ich die fast leere Tüte an mich, eh ich gar nichts mehr davon sehe. Die haben sich die ganze Zeit das Zeug gegenseitig in den Rachen geschossen. Hab's auch probiert, aber ich hab Magnus nur ins Auge getroffen und musste lachen. „Moah, das machst du doch mit Absicht!“, warf er mir giggelnd vor und ich konterte; „Damit du dich bei Vilde ausheulen kannst, wie gemein ich bin?“ „Die Idee ist gar nicht mal so blöd!“, meinte er und ich zuckte mit den Schultern: „Nur gibt’s jetzt keine M&M’s mehr.“ „Mist“, kam es gedämpft von Mags, eh ich meinen Mitbewohner rufen hörte: „Isak? Kümmerst du dich um den Glühwein und machst den warm?“ „Ja, Sir!“, entgegnete ich ihm und begab mich in die Küche. Meine Bros folgten mir und stellten ihr mitgebrachtes Bier auf den Küchentisch: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du das machst...“, merkte Magnus an, während ich den Topf mit dem Glühwein füllte und auf den Herd stellte. Jonas fragte Schulter zuckend: „Wieso nicht? Wenn er Spaß hat.“ Er reichte mir eine der Bierdosen, nachdem ich mich kurzerhand entschlossen hatte noch einer Person zu schreiben, die mir zuletzt sehr geholfen hat: Hey Sonja, wollte nur vielen Dank für deinen Rat sagen und frohe Weihnachten. Ich nahm dankend das mir angebotene Bier an, öffnete es und entgegnete dem: „Ja, aber ich mach das hier nicht wirklich aus Spaß.“ „Warum dann?“, hakte Mahdi interessiert nach und ich zuckte mit den Schultern: „Das weiß ich eigentlich auch nicht so genau... Aber... ich schätze... manchmal muss man einfach Dinge tun, die anderen was bedeuten.“ Sonja schrieb indes zurück: Dir auch frohe Weihnachten. Mit leisem lächeln steckte ich das Telefon wieder weg. „Hmm“, kam es derweil grübelnd von Magnus und ich merkte an: „Niemand hätte euch davon abgehalten, wenn ihr zu den Tanz-Chicks gegangen wärt, wenn ihr es hier so doof findet.“ „Nur, dass die Chicks scharf auf euch Zwei waren und nicht auf uns“, schmunzelte mein bester Kumpel und trank einen Schluck. „Njaaa... kann sein“, grinste ich und schüttelte den Kopf, beim Gedanken an unseren neuerlichen Ruhm. Als der Glühwein wenig später dampfte, schob ich ihn vom Herd und stellte den Topf dann auf den Küchentisch, um die heiße Brühe in Thermoskannen zu füllen. Während ich das tat und die Jungs mich weiter über mein neuerliches Engagement bei Kosegruppen-Veranstaltungen belächelten, kam Vilde in die Küche und trat neben den Ofen. Sofort herrschte Stille und wir beobachteten Magnus, wie er Vilde beobachtete. Sie holte Plätzchen aus dem Ofen und stellte das Blech zum abkühlen oben drauf. Ungewohnt wortlos wie sie kam, ging sie auch wieder und kaum war sie weg, lehnte sich Magnus an den warmen Ofen und riss das Gesprächsthema wieder an sich: „Jungs, ein neuer Plan muss her!“ „Bespring sie doch einfach“, schlug ich, nicht ganz ernst gemeint vor und Jonas stimmte meiner Ansicht wohl zu: „Du hast sie förmlich mit den Augen ausgezogen, man.“ „Stimmt“, nickte ich, belustigt davon, dass ich irgendwo auch meine eigene Unsicherheit und das Anschmachten von Even in Mags Verhalten gerade wieder fand. Besonders die Stelle, als Vilde sich nach dem Backblech bückte und er ihr auf den Arsch geglotzt hat. „Einfach anspringen“, giggelte ich und auch mein bester Freund hatte offenbar diese Gier in den Augen unseres gemeinsamen Bros bemerkt: „Ja es... Das ist total offensichtlich“, bestätigte Jonas und auch ich blieb grinsend bei Meinung, dass er sie einfach anspringen soll: „Das kriegst du hin!“ Daraufhin boxte Magnus mir an den Oberarm. So doll war das zwar nicht, der Arm war immerhin noch dran, aber gerade den rechten brauche ich noch. Vor allem zur Zeit... „Eyy! Ist das ein Fight?“, entgegnete ich ihm darauf hin, amüsiert davon, dass er sich tatsächlich deswegen necken lässt. Während die Jungs ihn fortlaufend bearbeiteten und Magnus sich nicht weiter aus der Ruhe bringen lassen wollte, musste ich aber mal eine Sache erwähnen: „Exakt, das ist die Einstellung.“ An der muss er echt arbeiten, beziehungsweise es beibehalten ruhig zu bleiben, wenn er überhaupt mal jemanden rumkriegen will. Und: „Du kannst Vilde nicht so hart schlagen. Oder sowas in der Art, aber...“ „Nee, was soll ich denn machen?“, fragte Mags vollkommen ernst und Mahdi brachte eine seiner Weisheiten an: „Du bist ein Raubtier und sie ist deine Beute, verstehst du was ich meine?“ „Ja!“, stimmte ich Mahdi belustigt zu. Er muss sich da einfach mal ranpirschen. „Sie... sie ist was?“, hakte Magnus nach und Mahdi wiederholte: „Sie ist deine Beute. Du bist das Raubtier. Du bist der Löwe, und sie ist wie ein Zebra.“ „Ohh“, kam es von mir. Denn, Okay, er soll sie nicht gleich zerfleischen, aber abwarten und nichts tun...? Das bringt ihn auch nicht zum Ziel. Vilde wird jedenfalls nie zum 'Raubtier' und ihn jagen. Bei Even und mir war das ja eine völlig andere Sache. Wir haben uns irgendwo gegenseitig verfolgt und wieder versteckt, deswegen auch ziemlich lange im Kreis gedreht. „Aber du kannst da kein großes Ding draus machen, weil deine Beute wegrennen wird“, erklärte Jonas ihm, Mags nickte mehr oder weniger verstehend, eh er beichtete: „Jungs, mal ganz ehrlich... ich bin echt nervös...“ „Du solltest... Liebst du sie oder was?“, brach ich meinen ersten Satz ab und hakte nach, da es doch etwas unerwartet kam, das zu hören und er eierte rum: „Ich weiß nicht, kann sein.“ „Oh?“, entwich es mir noch überraschter und Jonas glaubte wohl ebenfalls seinen Ohren nicht: „Nein!?“ „Jo, ich denke schon“, grinste er und durch die Küche ging ein allgemeines: Ohh und Oyy! Mags'chen ist verliebt! „Was, wenn sie nicht Ja sagt?“, wollte er nun wieder sehr ernst wissen und von Mahdi kam, wie so oft, ein ganz cooles: „So ist das Leben.“ Doch Magnus war die Sache wohl doch zu wichtig: „Was sind Hinweise dafür?“ Doch statt ihn sich mit allem Wenn und Aber befassen zu lassen, wie ich es bei Even tat, ließ ich nun auch mal eine Weisheit aus meiner Erfahrung droppen: „Es ist ist nicht das Ende von allem, wenn das nichts wird. Denk nur daran, dass es was positives ist, wenn es was wird. Also...“ „Ist verdammt peinlich, wenn ich da stehe und sie Nein sagt...“, kam es von ihm und Jonas begann: „Ja, aber dann ist es so...“ Doch ich war mit meinen Tipps und Tricks noch nicht fertig und unterbrach ihn: „Du kannst sie nicht direkt fragen: Yo, wollen wir rummachen?“ „Mach dich locker, lächel ein bisschen, sag: Hallo“, schlug nun Mahdi vor und Magnus fragte: „Soll ich sie anfassen?“ „Wenn's gewünscht ist“, erläuterte er ihm und schon schaute Magnus an sich herab: „Seh ich in dem Teil gut aus?“ Ich persönlich würd sowas nicht anziehen, aber er kann's tragen. Mahdi und ich nickten den Pullover ab und Jonas war der Meinung: „Er sieht ein bisschen groß aus.“ Magnus zupfte an dem Ding herum und erzählte gerade, dass er's zu groß gekauft hätte, aber der alberne Fetzen ist ja sowieso modisch ganz weit vorne, mit dem Weihnachtsprint. Mags suchte nun sein Bier, um sich Mut anzusaufen, doch etwas anderes erlangte nun meine Aufmerksamkeit. Ich sah im Augenwinkel, dass jemand in die Küche kam und wippte freudig mit den Augenbrauen, als ich Even sah und die Jungs ihn begrüßten: „Hallo!“ Er entgegnete dem ebenfalls ein: „Hallo“, schenkte mir ein Lächeln und lehnte sich nun auch an die warme Ofentür, während Magnus etwas an meine rechte Seite herum rutschte. Ein Hauch von Evens betörendem Duft schwebte nun in diesem Raum und stellte mich sozusagen auf die Probe. „Bleib einfach total cool“, sprach Jonas und cool bleiben war im Moment auch 'ne Herausforderung für mich, wenn es um Even ging. Ich musste selber ziemlich doll grinsen, weil er endlich hier war und nun in die Runde fragte: „Was geht?“ Ich zeigte auf den neben mir Stehenden und antwortete meinem Freund: „Wir... helfen Magnus Vilde zu vögeln.“ Even nickte, ebenfalls breit grinsend: „Ich verstehe. Wie läuft's damit?“ „Er sollte nicht so verzweifelt sein, dann kriegt er's hin“, kam es nun von Mahdi und eh ich auch nur irgendwas dazu sagen konnte, moserte Magnus: „Es ist verdammt unmöglich nicht verzweifelt zu sein, wenn ich nicht verstehe was es bedeutet verzweifelt zu sein. Wie soll ich-..“ „Okay, stell dir nur jemanden vor, den du als cool ansiehst, so ein laid-back Typ. Und dann tu so, als wärst du er. Versuch diese Person zu sein“, erklärte Jonas und Mahdi verwies auf selbigen. Ja gut, Jonas ist ein wirklich beispielhafter und cooler laid-back Typ. Aber Magnus wird das wohl nie werden, oder nicht allzu bald. Und Mags selbst hatte natürlich gleich sehr viel 'coolere' Typen vor Augen: „James Bond!“ Ich glaube echt nicht, dass diese James Bond Masche was für ihn ist und dass die bei Vilde zieht. Aber Okay, von mir aus... Jonas nickte die Sache ebenfalls ab, doch Even hatte auch etwas beizutragen: „Weißte was, Magnus? Ich denke, du sollte einfach mehr du selbst sein. Bring Verzweiflung auf ein ganz neues Level.“ Mahdi war wenig begeistert von dem Vorschlag: „Ja, ja, ja, der ist auf irgendwas.“ Magnus grübelte angestrengt, Jonas hielt sich zurück und Even lächelte wissend, weshalb ich nachhakte: „Was meinst du?“ Er wandte sich zu Magnus und sagte: „Ja, zeig ihr wie verzweifelt du eigentlich bist!“ Ich fand den Vorschlag zwar eigenwillig, aber möglicherweise gar nicht mal so unnütz. Immerhin wäre er ganz er-selbst und aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das immer der bessere Weg ist, und auch Mahdi stimmte inzwischen mehr oder weniger zu: „Lass alles raus!“ „Verzweiflung auf einem ganz neuen Level. Verdammt, das mach ich! Tschüss! Reden später“, verkündete Mags und schon rauschte er samt seinem Bier zielstrebig aus der Küche. Jonas und Mahdi liefen hinterher: „Das muss ich sehen!“ „Wow...“, kam es unschlüssig von mir und Even schmunzelte, als die Jungs uns verließen. Er stemmte sich dann vom Ofen ab, kam zu mir hinüber und fasste an meine Hüfte. „Hallo!“, bekam ich, wie immer, meine Extra-Begrüßung und so raunte ich zurück: „Hallo.“ Samt obligatorischem Küsschen. Nun war ich wirklich zufrieden mit der Welt und fragte ihn deshalb auch: „Wie geht’s dir?“ „Mir geht’s gut“, antwortete er und lehnte sich neben mich an den Spülschrank. „Mhm“, nickte ich, denn er sah wirklich gut aus. „Ich.. hab mit meiner Mama gesprochen...“ begann er und sah bedeutungsvoll zu mir, als er fortsetzte: „Uuund... die Sache ist die, dass sie mich nervt, weil sie dich unbedingt treffen will.“ „Oh...hm... “, entwich es mir etwas überrascht, mit dünner Stimme. Okay... Das kam jetzt unerwartet. „Also... was sagst du dazu, wenn wir morgen vorbei schauen?“ Morgen schon..? Das ist nicht viel Zeit, um sich mental vorzubereiten. „Ja“, kam es etwas überfordert von mir, obwohl ich mir das nicht anmerken lassen wollte und Even hakte vorsichtig nach: „Ja?“ „Ja, ja“, bestätigte ich, eh ich doch noch Nein sagen könnte und er fragte: „Du denkst nicht, dass es peinlich ist?“ Peinlich nicht... ich hab nur ein klein wenig Panik. Panik, was falsch zu machen. Same shit as always... Also antwortete ich ihm: „Nein, ich find nichts mehr peinlich.“ „Okay“, lächelte er zufrieden. Ich musste kurz blinzeln, um sicher zu gehen, dass ich gerade nicht träume, weil ich hier eben sehr spontan zu gesagt hatte. Nicht meine Art eigentlich, aber ich denke es ist wichtig. Wichtig für sie und deshalb auch für ihn, letztlich also auch für uns. Even widmete sich seinem Telefon, welches er schon die ganze Zeit in der Hand hielt und schrieb augenscheinlich seiner Mutter, um uns für morgen anzukündigen. Aber... heißt das dann nicht auch, dass er heute Nacht nicht nach Hause geht und tatsächlich bei mir bleibt? Bei dem Gedanken und vor allem mit dem Duft in der Nase, wurde mir schon wieder ein wenig kribbelig. Aber hey, wenn er glücklich ist... bin ich's auch. Weshalb ich anmerkte: „Solange du lächelst und...“ „Das kann ich machen“, vernahm ich es von ihm und so setzte ich grinsend fort: „Und trag Klamotten...“ Zumindest vorerst. Später helf ich dir gern, die wieder los zu werden... Evens Augenmerk löste sich von seinem Handy, er zuckte mit den Augenbrauen und musste dann doch drüber lachen. „Dann ist das Leben gechillt“, beendete ich meinen Satz und betrachtete den umwerfend sexy Typen direkt neben mir, den ich am liebsten gleich auffressen könnte, wie er seine Nachricht abschickte. Nun sah er wieder zu mir und gelobte: „Ich verspreche, ich werde Klamotten tragen.“ Er küsste mich zur Untermalung seiner Aussage. Und eigentlich wollte ich mehr. Viel mehr... Doch Even zog sich mit vielen kleinen verspielten Küssen zurück und bremste mich sachte mit einem kurzen Nasenstupsen aus. Vermutlich auch besser so. Wenn ich einmal in Fahrt bin, wer weiß, ob ich mich selbst stoppen könnte. Oder wollte.. Und wir haben ja auch noch Gäste... Das kommt nicht so gut, wenn er Gastgeber sich verpisst und... naja was immer er dann tun würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekäme... „Hallo“, hörte ich mit einem mal Sana schmunzeln. Ich war irgendwie etwas erleichtert, dass mich jetzt etwas oder viel mehr jemand davon abhält, darüber nach zu denken, was ich jetzt am liebsten mit Even alles anstellen würde. „Sana!“, entgegnete ich ihr also und sie wandte sich auch gleich an den neben mir Stehenden: „Hii.“ „Hi“, kam es auch von ihm und ich wollte wissen: „Ihr kennt euch, oder?“ „Kosegruppe“, erwähnte sie und ich stellte sie vor als meine: „Biologie-Partnerin. Und Freundin.“ Was irgendwie schon komisch ist, wenn ich daran zurück denke, wie wir zwei einfach zusammen gewürfelt worden sind und anfangs keiner den anderen so wirklich ausstehen konnte. Sana widersprach nicht und Even wollte auch gleich wissen: „Ja? Wie gut ist Isak eigentlich in Biologie?“ Er sah mich so ein klein wenig provokant an. Als würde er nicht am besten wissen, wie gut meine Bio-Kenntnisse sind. Vor allem die Anatomischen... Sana verzog gespielt grübelnd die Miene: „Er ist brauchbar.“ Mir entgleiste das Gesicht: „Huh?“ „Kann man sagen...“, murmelte sie und ich moserte lachend: „Sana, das ist so ein Bullshit! Ich hab dir geholfen eine fucking 2 zu kriegen, während ich das ganze Jahr auf 1 stand!“ Sie lächelte zufrieden mit ihrem Scherz und sagte: „Ich hab für dich ein Weihnachtsgeschenk mitgebracht.“ Sie überreichte mir ein kleines Päckchen und ich nahm es an, verwundert darüber, überhaupt etwas zu bekommen: „Für mich? Was ist das?“ „Mach's doch auf“, forderte sie, ich stellte mein Bier weg und murmelte gespannt: „Okayyy, vielleicht werd ich es mal auf machen...“ Was ich dann auch tat und lachen musste, als ich erkannte was es war und mit dem guten Stoff in der Hand wedelte: „Die zehn Prozent!“ Hätte nicht gedacht, dass der Shit noch existiert. „Vielen Dank“, grinste ich und auch Even meldete sich zu Wort: „Was'n cooler Biologie-Partner.“ Ich musste lachen und fragte sie: „Hast du es nie irgendwie gebraucht?“ Even nahm mir das Tütchen aus der Hand und Sana antwortete: „Ich brauch es doch jetzt, oder nicht?!“ „Stimmt“, giggelte ich und so verließ sie uns wieder, während Even sehr interessiert an der Tüte roch und schüttelte, gerade im Begriff war sie zu öffnen und ich ihm den Shit eilig aus den Fingern nahm: „Du wirst nichts davon kriegen.“ Er schenkte mir einen vorwurfsvollen Blick und ich erklärte: „Das ist nicht gut für dich.“ Gespielt genervt drehte er den Kopf weg und schaute dann doch wieder bittend zu mir. Ich blieb bei meiner Meinung, weshalb er mich leicht schubste: „Für dich ist das auch nicht gut.“ „Ach.. Für mich ist das total Okay, aber für dich nicht“, warf ich einfach mal neckend in den Raum und bemerkte sehr wohl wie Even mir wieder gefährlich nahe kam, als er fragte: „Willst du mir jetzt sagen was Okay für mich ist?“ Da ich wusste, dass er ein wenig seine Probleme damit hat, versuchte ich das ganze auf der lockeren Art beizubehalten: „Natürlich! Das ist mein Job.“ „Du hast'n Job?“, hakte er nach und ich nickte: „Es ist sozusagen mein Job. Darum mach ich das ja, weißt du? Ich fand dieses Poster... in Løkka, da stand: 'Even Bech Næsheim braucht eine Kontaktperson und Freund.'“ Ich war mir etwas unsicher, wie er es aufnehmen würde, nachdem ich ihm das Hanf weggenommen habe, doch er strahlte förmlich, als er fragte: „Und dann haste dich gleich beworben?“ Er kam mir mal wieder so verlockend nah, dass ich gar nicht anders konnte als: „Ja. Ich dachte: Heilige Scheiße, der ist heiß!“ Ich konnte gerade so den Satz zu Ende bringen, eh er seine Lippen wieder auf die meinen presste und mich zu küssen begann. Für einen Augenblick hatte ich die winzige Hoffnung, er würde jetzt vielleicht den kurzen stürmischen Kuss ausweiten und doch ein kleeein wenig mehr wollen, aber er bremste uns wieder etwas aus, was mich aber nicht daran hinderte ihn dicht bei mir zu halten. „Das war nett“, flüsterte er, während meine Finger sachte über sein Schlüsselbein strichen und ich dem leise entgegnete: „Ja..“ „Du bist so nett“, wiederholte er sich lächelnd und legte seine Hand an meinen Hals, um mit seinem Daumen über meine Wange zu fahren und anschließend durch mein Haar zu streichen. „Ich hätte es ja gratis gemacht, aber...“ „Du wurdest bezahlt?!“, spielte er geschockt tuend mit und ich strich ihm nun meinerseits durchs Haar: „Ja, deine Mutter, bezahlt mir 500 die Woche.“ Er schob mich ein Stück von sich weg: „What?!“ „Ja“, bestätigte ich grinsend und begann: „Kein Wunder, dass...“, doch Even schien langsam echt verunsichert und fiel mir ins Wort: „Verarscht du mich?“ Und so begann ich meinen Satz von neuem: „Kein Wunder, dass sie mich 'treffen' will!“ „Was zu Hölle!?“, entwich es ihm noch entsetzt, dann er forderte: „Ich krieg was von dem Geld!“ „Nein!“, lehnte ich grinsend ab und er nickt: „Doch!“ „Das ist mein Geld. Du wirst nichts davon kriegen!“, verdeutlichte ich gespielt ernst und Even wusste sich scheinbar nicht anders zu helfen, als mich wieder mit seinen Küssen zu locken. Gerade, als ich an seinen Kopf fasste, um mir zu holen wonach es mir gerade gelüstete, fing er an mich an meinen empfindlichen Seiten zu kitzeln und sprach an meinen Lippen: „Gib mir! Komm schon!“ „Nein!“, kam es entschieden von mir, doch er ließ nicht locker: „Doch! Komm schon!“ „Ich würde dir was anderes geben...“, lenkte ich beschwichtigend ein und Even hörte tatsächlich auf mich zu kitzeln: „Was denn?“ „Mhmm... einen Platz in meinem Bett heute Nacht?“, flüsterte ich und er grübelte gespielt: „Hmmmm. Den hab ich schon!“ „Nicht, wenn ich dich auf dem Sofa schlafen lasse!“, konterte ich und er setzte wieder seinen vorwurfsvollen Blick auf: „Das würdest du tun?“ „Wenn du mich weiter kitzelst? Ja“, flüsterte ich an seinen Lippen und stellte mich nun direkt vor ihn, so dass er zwischen mir und der Arbeitsplatte 'gefangen' war. Even küsste mich wieder kurz und raunte dann ebenso leise: „Wenn ich dasmeiner Mama sage...“ „Dann hab ich verkackt... Und bin meinen Job los. Willst du das?“, spielte ich das Spiel lachend weiter, er stupste Kopf-schüttelnd seine Nasenspitze an meine und machte dabei ein verneinendes Geräusch. Aber schön zu sehen, wie sich Even wieder so herrlich hat hochnehmen lassen. So ein wenig veräpplen schadet ihm ganz sicher nicht. Apropos veralbern: „'Bring Verzweiflung auf ein ganz neues Level'?“, fragte ich einen Moment später skeptisch nach und er nickte: „Ja.“ „Du meintest das wirklich ernst?“, hakte ich nach und er bestätigte: „Oh ja!“ „Woher hast du das?“, wollte ich wissen und er zuckte mit den Schultern: „Persönliche Erfahrung.“ „Wie das?“, schmunzelte ich und er erzählte: „Die Sache... mit den Papierhandtüchern aufm Klo? Als wir uns das erste mal unterhalten haben?“ „Ja, das war echt bekloppt!“, giggelte ich, knutschte den vor mir Stehenden und ergänzte im Flüsterton: „Aber süß...“ „Das war pure Verzweiflung“, gestand er grinsend und ich stutzte: „Echt?“ Even lächelte, als er erklärte: „Ja. Ich hab ewig überlegt, wie schaffe ich es dich anzusprechen. Wie erwische ich dich auf dem richtigen Fuß. Und... ja, ich war verzweifelt! Irgendwas musste ich ja tun, um mir deine Aufmerksamkeit zu sichern. Uuund... ich dachte: Fuck it, jetzt gehste all in.“ Ich schüttelte ungläubig den Kopf, legte meine Stirn an seine und grinste bei der Erinnerung daran. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass sowas wirklich klappt...“, ergänzte er und ich flüsterte: „Wie du siehst..“ „Willst du dir das reinziehen?“, fragte ich leise lachend, beim Gedanken an Magnus' Vorhaben und verwies mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer. Even zuckte mit den Schultern: „Warum nicht.“ Seufzend löste ich mich von ihm und lief vorweg durch den dunklen Flur, stoppte kurz vor der offenstehenden Tür zum Wohnzimmer und deutete ihm an ruhig zu sein. Da sich unweit vor uns bestimmt gleich dramatische Ereignisse anbahnen würden. Löwe Magnus pirschte sich gerade an seine Beute an, die noch nichts ahnend am Wasserloch trank, oder viel mehr einen Schluck vom Glühwein nahm und mit einer selbstgebastelten Kugel zum Baum ging. Das Raubtier schlich hinterher und beobachtete seine Beute dabei, wie sie den Baumschmuck aufhing. „Wir kommen genau richtig“, flüsterte ich Even zu und dieser legte von hinten seine Arme um mich, den Kopf auf meine Schulter und sprach in ebenso gedämpften Ton: „Jeez. Ist das spannend!“ „Psst! Sonst erschreckt sich das Zebra!“ „Huh?“, kam es irritiert von dem hinter mir Stehenden und ich legte abermals meinen Finger deutend auf meine Lippen, eh ich seinen Kopf zu kraulen begann und Magnus sein erstes Wort wagte: „Hallo.“ Oh, es spricht! „Hi“, piepste Vilde und Mags grinste die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd. Komm schon, Bro! Zeig dich von deiner besten Seite! „Magst du Katzen?“, fragte er sie und ich musste leise lachen. „Ja, sehr“, antwortete sie ihm und so langsam glaubte ich fast daran, dass der Katzenknutscher doch noch die Katze seines Lebens finden könnte. „Läuft gut“, merkte ich flüsternd an und Even schmiegte als Resonanz darauf seine Wange an meine. „Ich auch“, ließ er sie wissen, dann wurde es kurz beunruhigend still. „Miau“, machte Vilde und Magnus schien das Geräusch zu gefallen: „Was war das?“ „Nichts“, kam es daraufhin schüchtern von ihr, doch Mags war heiß auf mehr. „Ja, mach das noch mal!“, forderte er und nun musste sogar Even ein Lachen unterdrücken. „Miau!“, kam es erneut von Vilde und ich raunte meinem Freund zu: „Die passen zusammen wie die Faust aufs Auge.“ Jetzt wurde es spannend. Magnus machte ein wild entschlossenes Gesicht und schien sichtlich zu überlegen, eh er doch glatt: „Ich hab noch nie gevögelt und ich will echt vögeln“, einfach so raus haute. „What!?“, entwich es mir fassungs- und stimmlos. „Warte ab, der zieht das durch!“, flüsterte Even an meinem Ohr und ich schüttelte nur mit dem Kopf: „Das klappt niemals...“ Verdutzt schaute Vilde ihr Gegenüber an und sprach dann, völlig überraschend für mich: „Du kannst mich gern vögeln.“ Sie lächelte in ihrer süßlichen Art und Mags stand der Schock über seinen Erfolg ins Gesicht geschrieben, als er immerhin: „Danke“, sagen konnte und die beiden sich küssten. Even seufzte gespielt mitgerissen: „Hach... Wie im Film!“ Mir stand der Mund offen: „Ich kann nicht glauben, dass das funktioniert...“ „Wieso nicht?“, giggelte er und ich erklärte ihm wieso: „Ich hätte ihm eine reingehauen..!“ Er trat neben mich und fragte: „Ah ja? Und wenn ich das gebracht hätte?“ Ich schaute an dem nun neben mir Stehenden hinunter, wieder rauf und sah seine Augenbrauen gewitzt wippen. Ich gab mich geschlagen und brummte: „Shit...Ja.. Dann ich hätte das gleiche gesagt wie Vilde...“ Even lachte, als hätte er's genau gewusst: „Siehst du.“ Er drückte mir einen Kuss auf meine skeptisch in Falten gelegte Stirn und sprach: „Ich hol mir mal eine Tasse Glühwein.“ Während ich noch immer im Türrahmen stand, rief Eskild in die Runde: „Sooo, alle mal zusammenstellen! Wir machen jetzt ein Gruppenfoto!“ Seufzend verdrehte ich die Augen und beobachtete wie sich die Leute hier nach und nach positionierten, wie Vilde von ihren Freundinnen aus Magnus Armen gerissen wurde und mein Mitbewohner seine altertümliche Digital-Kamera so aufbaute, dass sie etwas erhöht auf einem Schrank lag und er zudem den Selbstauslöser einstellen wollte. Even kam gerade mit seinem Glühwein und meinem Bier wieder und stellte beides neben der Tür ab, als er die Kamera witterte und schob mich ein Stück in deren Richtung. Nicht wirklich willig, ließ ich es trotzdem mit mir machen und spürte abermals wie er seine Arme um mich legte. „Lächeln, Baby!“, raunte er an meinem Ohr, bevor er mir einen Kuss auf den Hals gab und mich damit wieder zum Grinsen brachte. Eskild hatte inzwischen auch seine Steinzeittechnik soweit in Gang gebracht, dass sie den Selbstauslöser startete. „In 30 Sekunden macht die Kamera 3 Bilder. Also alle fein grinsen!“ Mahdi stand etwas Abseits und so wurde er von meinem Mitbewohner gefragt: „Und was ist mit dir?“ „Bin nicht in der Kosegruppe“, antwortete er und Eskild zerrte ihn vor die Linse: „Das hat mich auch nicht gehindert!“ Dabei setzte er sich halb auf Magnus' Schoß, doch der hatte offenbar nur Augen für Vilde, als der Blitz sich dann drei mal auslöste. Even zuliebe habe sogar ich brav gelächelt. Zur Belohnung reichte er mir meine Bierdose und lief dann weiter zu Eskild, um sich gleich mal die Fotos zeigen zu lassen und um eine Kopie davon zu erfragen. Während sich meine bessere Hälfte also unters Volk mischte, erspähte ich Eva allein am Couchtisch sitzen und beschloss relativ spontan das Gespräch mit ihr zu suchen. Ich näherte mich ihr und sprach sie an: „Hi.“ „Hallo du“, entgegnete sie mir und so fragte ich: „Kann ich hier sitzen?“ „Ja, absolut“, antwortete sie mir und so ließ ich mich neben ihr nieder, stellte mein Bier auf den Tisch und hörte sie sagen: „Ich sitze hier mit meinem Engel.“ Ich schaute auf das grüne Glitzerding: „Ja“, und sie fragte auch gleich: „Sieht's gut aus?“ „Sehr gut“, schmeichelte ich ihren Künsten ein wenig, auch wenn ich null Plan von Bastelkram hab. „Wie geht’s dir so?“, fragte sie mich und ich musste schmunzeln, weil mir eines bewusst wurde: „Lange her, dass wir geredet haben.“ „Ja, ist verdammt lange her, dass wir geredet haben“, bestätigte sie lächelnd und ich gestand: „Ist irgendwie komisch. Wir haben immer zusammen rumgehangen... und jetzt sehen wir uns nur noch in der Schule...“ „Ja...“, vernahm ich es von ihr und so setzte ich fort: „Und wir nur so: 'Hi', und dann...“ „Wir sollten mehr zusammen abhängen. Absolut!“, unterbrach sie mich und ich stimmte zu: „Sollten wir! Wir müssen mal was machen, weil... ich ganz ehrlich die Zeit vermisse, als wir...“ „Als wir zusammen abhingen“, ergänzte sie meinen begonnen Satz und ich sprach weiter: „Sekundarschule, und die Sommerferien.... vor Nissen. Da war nur so viel Drama.“ Ich musste lachen, als ich mich daran erinnerte. In der Zeit war ich das erste mal mit Sara zusammen und die Sache mit Eva und Jonas und dieser Ingrid kam erst so richtig ins Rollen. Drama pur... Auch Eva schien in Erinnerungen zu schwelgen und kam gleich mal auf die Gegenwart zurück: „Aber... Hallo? Du hast 'nen Freund!“ Ich nickte grinsend: „Yes. Hab ich.“ Wir schauten beide zu eben jenem und der half gerade Eskild dabei einen Mistelzweig über der Tür anzubringen. „Er ist total toll!“, merkte sie an und wieder nickte ich: „Ist er.“ „You lucky pig. You better watch out for me! I might steal him“, kam es von ihr, was vielleicht auch eine selbstkritische Anspielung darauf sein könnte, wie das damals mit ihr und Jonas seinen Anfang nahm. Was mich auch gleich zu einem Punkt brachte: „Ich hab da... über eine Sache nachgedacht...eigentlich...“ „Was denn?“, hakte sie nach und ich schaute prüfend zu ihr, bevor ich erläuterte: „Nee, es war nur... eh... Ich wollte nur Sorry sagen, wegen dem Scheiß, den ich letztes Jahr verbockt habe. Als ich... das zwischen euch kaputt gemacht hatte. Das war nicht Okay, was ich tat. Hab darüber nachgedacht...“ Eva lächelte, Gott sei dank, und antwortete: „Du hast nichts abgefuckt, zwischen mir und Jonas. Das waren ich und Jonas, die das mit uns abgefuckt haben.“ Schon möglich... Hatte das noch nicht so gesehen. „Kann sein, ja... Ich hab das Gefühl, dass ich dich dazu gebracht hab, und... als ich dir sagte, ich hätte Gefühle für dich, war das nicht wahr“, gestand ich weiterhin und erneut lachte sie: „Du... das hab ich raus gefunden.“ „Ja?“, hakte ich etwas irritiert nach und sie nickte: „Ja.“ Okay. War das doch so offensichtlich? „Ich bin fertig damit, und du solltest das auch sein. Ganz im ernst“, versicherte Eva mir und ich schaute nachdenklich wieder zu ihr: „Mhm.“ „Können wir stattdessen mal über deinen neuen Freund reden? Ist er der Mann deines Lebens?“, wollte sie nun wissen und ich entgegnete dem aufrichtig und sachlich: „Das weiß ich nicht.“ Ich hab das nicht gesagt, weil ich keine Zukunft für uns sehen würde oder es mir nicht wünschen würde, dass es so wäre. Ganz im Gegenteil. Es war nur mehr so, dass ich mich selbst daran halten wollte, was ich Even sagte, als es ihm sehr schlecht ging: Dass keiner weiß, was die Zukunft für uns bereit hält und man sich nicht so sehr auf das konzentrieren sollte was alles irgendwann sein könnte, oder auch nicht sein könnte. Sondern mehr darauf, was uns das Hier und Jetzt bringt. „Tust du nicht?“, fragte sie mich und ich hakte nach: „Ist das wichtig?“ „Nein... Aber... Es läuft doch mit euch?“, vernahm ich es interessiert von ihr und ich nickte entschieden: „Ja, ja, ja! Jetzt ist es verdammt gut, aber... vor einer Woche war es echt schlecht. Also... es ist ein wenig auf und ab.“ „Stressig“, kam es verständnisvoll von Eva und ich nickte, auch wenn ich mich vielleicht nicht ganz so ausgedrückte hatte, wie ich wollte: „Ja, oder... wie auch immer. Die Sache ist die, dass es so gut ist, wenn es gut ist... ist irgendwie auch der Grund, dass es so schlimmist, wenn es schlimm ist... Wenn das Sinn macht?“ Bin nicht wirklich gut darin, jemandem zu erklären was ich fühle oder denke. Und vielleicht war es auch nur jetzt beim ersten mal so schlimm für mich. Auch die ganze Geschichte davor, weil es alles neu war und zeitweise einfach zu viel für mich. Ich hab nicht gewusst was ich tun sollte und mich hatte das alles so sehr erschreckt. Tut es noch immer, eigentlich. Erst einmal etwas Stabilität reinbringen würde uns sicher helfen. Dennoch wird wohl immer ein Rest Unsicherheit im Spiel bleiben, an der wir beide nichts ändern können. Daher erläuterte ich weiter: „Und.... es kann morgen plötzlich alles vorbei sein. Aber... ich bin so verdammt glücklich, dass ich ihn getroffen habe.“ „Mhm... Weil... dir das die Gewissheit gab, dass du... Jungs magst?“ Komisch, das gefragt zu werden. Ich versuchte dennoch eine ehrliche Antwort darauf zu finden: „Ja... oder nein, mehr weil... ich ein Fake vorher war.“ Eva sah zu mir und ich daraufhin zu ihr, bevor ich weiter ins Detail ging: „Ja, ich... hab.. Ich meine, ich hab nur zu Hause rumgelegen, Narcos geschaut, und Gaming und so... Ich bin fertig damit. Ich will, dass mein Leben real ist. Auch wenn es bedeutet, dass es manchmal total schreckliche Zeiten sein können. Es ist so viel besser als... wie vorher ein Fake zu sein und langweilig.“ Ich sah zu Eva hinüber und man konnte ihr ansehen, dass sie drüber nachdachte was ich sagte und sie war wohl auch meiner Ansicht: „Gut gesagt.“ Da ich gerade so schön in Fahrt war mit Weisheiten um mich zu werfen, brachte ich noch eine an: „Es ist ein wenig Klischee, aber... du weißt nie wer morgen stirbt, weißt du. Und... Egal, ob du an Allah, Jesus oder... Evolutionstheorien, oder... Paralleluniversen glaubst, da ist... Da ist nur eine Sache, eigentlich... die wir alle sicher wissen...“ Ich machte eine weitere gedankenvolle Pause in meiner Rede, auch weil ich Evens Stimme vernahm, als ich ihn jubeln hörte: „Beautiful!“ und er den Mistelzweig zurecht rückte, den Eskild inzwischen endlich am Türrahmen angebracht hatte und dieser vor Begeisterung mit seinem glitzernden Hintern wackelte. Während Even zu mir sah und breit zu grinsen begann, dann regelrecht auffordern zu dem Zweig da oben blickte und wieder zurück zu mir schaute, fragte mich Eva: „Was denn?“ Ich musste jedoch schmunzeln, als ich meinen Freund und meinen Mitbewohner mit dem Zweig da stehen sah. Unter anderem diesen Beiden verdanke ich es, dass mir das Leben so viel wertvoller erscheint und vor allem: „Das Leben ist... jetzt!“ Damit erhob ich mich vom Boden und lief besonnen aber zielstrebig zu Even hinüber, zog ihn am Shirt direkt unter diesen Mistelzweig und fasste an seinen Kopf, lächelte glücklich und küsste ihn so ziemlich das erste mal vor breitem Publikum. Vor Freunden. Was mir bedeutsamer erschien, als die Fremden gestern an der Straßenbahnhaltestelle. „Wuuhuuu!“, hörte ich als erstes Evas Stimme und sie applaudierte auch gleich, riss damit so ziemlich jeden hier im Raum mit sich, bis alle Blicke auf uns gerichtet waren. Es war mir nun vielleicht doch ein wenig peinlich soviel Aufmerksamkeit zu kriegen, aber Evens Gesicht strahlte so sehr, als ich es zwischen zwei Küssen sah, dass ich auch gar nicht anders konnte, als meine Arme um seinen Nacken zu legen und mein ebenfalls breites Grinsen ein wenig scheu zu verstecken. Nur für einen Moment. Das ist eben alles noch ungewohnt. Doch ich nahm meinen Mut zusammen, löste mich von ihm und nickte trotz heißem Kopf so selbstbewusst wie möglich in die Runde: „Ja, ja, ja, ja... Nur kein Neid!“ Ich nahm Evens Hand und zog ihn mit mir zum Sofa hinüber, schnappt mir unterwegs meine fast leere Bierdose und trank diese aus. Er setzte sich hin und ich fragte ihn: „Willst du auch noch was vom Glühwein?“ Meine offizielle bessere Hälfte nickte und wollte dennoch kaum meine Hand los lassen. Ich drückte diese daher noch einmal und setzte mich dann doch in Bewegung. Die Thermoskannen standen mittlerweile im Wohnzimmer auf einem Klapptisch an der Seite, wo ich auch die Tassen dafür abgestellt hatte. Ich nahm eine Kanne und stelle fest, dass diese leer war. Doch mir hielt jemand die andere unter die Nase: „Glühwein?“ Ich schaute auf. Chris. Blick-fick-Chris um genau zu sein. „Ja, danke“, entgegnete ich ihr und hielt ihr zwei Tassen hin. „Das Ouija-Board hatte recht, hm?“, fragte sie mich einen Moment später und ich hatte absolut keine Ahnung was sie von mir wollte: „Huh?“ „Ach... vergiss. Ihr seid süß zusammen. Echt süß“, ließ sie mich wissen und so musste ich lächeln: „Vielen dank.“ Als die Tassen gefüllt waren und ich gehen wollte, sprach sie noch: „Ach ja... die Sache damals... mit dem Löffel... Sorry. Ich wusste ja nicht, dass.. du...“ Never mind... Ich wusste es ja selbst irgendwie auch nicht...oder wollte es nicht wissen... Daher schüttelte den Kopf: „Alles gut.“ Mit meinen heißen Getränken begab ich mich zurück zum heißen Even, welcher es sich unweit neben mir auf dem Sofa mehr als bequem gemacht hatte. „Löffel?“, fragte er irritiert, als ich die Tassen abstellte und seufzte: „Unwichtig.“ Ich hatte auch mit der Sache abgeschlossen, doch Jonas hatte wohl noch immer seine Freude dran, denn dieser hatte offenbar ebenfalls alles mitbekommen und setzte sich gerade auf das andere Sofa. In gedämpfter Lautstärke erzählte er meinem Freund was damals passiert ist: „Wir saßen im Flur in der Schule und da kam sie die Treppe runter, hat gleich ein Auge auf Isak geworfen und leckte an einem Löffel herum... so wie sie wohl gern an Isak herum geleckt hätte.“ Even nickte verstehend, sah zu mir und raunte: „Kann ich durchaus nachvollziehen. Ich hätte dich auch ablecken wollen...“ Nach dem Satz drehte ich meinen Kopf zu ihm und flüsterte in sein Ohr: „Nur... dass ich dich auch gelassen hätte...“ Flüchtig drückte ich ihm einen Kuss auf den Hals und lehnte mich nach vorn, schnappte mir eine Tasse, pustete und schlürfte das süffige Getränk. Das ist ein verfluchter Drahtseilakt. Ich wollte nicht weg von Even, aber ich konnte mich ihm auch kaum zuwenden, ohne ständig daran zu denken was man alles anstellen könnte, wenn wir jetzt alleine wäre und... Fuck! „Wie läuft's bei Magnus?“, fragte ich und grätschte damit meinen eigenen Gedanken dazwischen. Jonas schaute hinüber in die Ecke, wo die beiden standen und sich gegenseitig die Zunge in den Hals steckten: „Jo... läuft.“ Auch da kann man nicht wirklich hinsehen, wenn man sowieso schon kribbelig ist. Weshalb ich schleunigst weg sah und mich räusperte: „Süß... die Beiden....“ Plötzlich strich eine Hand an meinem Rücken hinauf und verschaffte mir eine Gänsehaut, eh Even sprach: „Nicht so süß wie wir.“ „Stimmt“, entgegnete ich dem und schlürfte eilig, ohne vorher zu pusten, die heiße Brühe, verbrannte mir natürlich den Mund und fluchte: „Shit...!“ Die Hand an meinem Rücken massierte nun meine Schulter und ich wünschte einmal mehr, dass die Feier hier bald ein Ende nehmen würde. Dann würde ich Even in mein Zimmer zerren und es könnte mir verdammt egal sein, ob ich mit 'ner Latte rumrenne oder nicht. Aber auf Publikum steh ich dabei echt nicht... Das ist sowas von frustrierend! Stunden später, so gegen ein Uhr nachts, war es dann so weit. Ich war angetrunken und konnte in dem Zustand wenigstens Evens Nähe einigermaßen ertragen und so langsam machten sich dann auch mal die ersten Leute hier vom Acker. Nicht, dass ich meine Freunde nicht gern um mich hätte, aber trotz Alkohol kam ich immer weniger damit klar, dass Even zwar da ist, ich ihn dennoch nicht anfassen kann. Können vielleicht schon, aber das machte es absolut nicht einfacher seiner Wirkung auf mich widerstehen zu können. Ich war zwischenzeitlich sogar so am 'durchdrehen', dass ich mich selbst zwang darüber nachzudenken, was seine Mutter morgen von mir wollen könnte. Ob sie mich wirklich mögen wird, wie Even vor einigen Wochen sagte, oder ob sie vielleicht denkt, ich hab ihren Sohn umgedreht und ob sie mich folglich dessen als Hindernis für potenzielle Enkelkinder sieht oder... was auch immer. Even hatte weder jetzt, noch die ganze Zeit zuvor viel von ihr erzählt und mich vor 'ner Stunde, als ich das letzte mal fragte, mit: 'Du triffst sie ja morgen', abgespeist. Dann wollte er mich abermals mit Schultermassagen dazu bringen, dass ich mich entspanne und alles locker sehe und schon trieben mich diese Berührungen wieder in den Wahnsinn. Ein schierer Teufelskreis! Frage mich ernsthaft wie andere frisch Verliebte das aushalten. Aber wahrscheinlich vögeln die einfach wie die Wilden... Gnaahhh! Abrupt stand ich auf und lief schnurstracks ins Bad, klatschte mir eiskaltes Wasser ins Gesicht und sah mein Spiegelbild. Nach vorn gebeugt schaute ich mich ganz aus der Nähe an und sprach mit mir selbst: „Reiß dich verdammt noch mal zusammen, Kumpel..!“ Nach einer weiteren Ladung eiskaltes Wasser trocknete ich mein Gesicht nur grob ab, begab mich zurück ins Wohnzimmer und setzte mich aufs Sofa, ließ bewusst etwa 20 Zentimeter Abstand zwischen mir und Even, doch der interessierte sich so gar nicht für meine Bemühungen. Seine Finger griffen zu mir hinüber streichelten zärtlich mein Haar und auch meinen Hals. „Du bist ja ganz feucht“, sprach er leise und fing mit dem Handrücken die einzelnen Tropfen an meinem Hals auf. Ich musste seine Hand da wegnehmen. Ich musste. Also tat ich dies schleunigst und drückte ihm entschuldigend einen Kuss auf die Finger: „Ich geh was zum Knabbern suchen...“ Wenn ich schon nicht das vernaschen kann, was ich wollte... Mein Weg führte mich in die Küche, da im Wohnzimmer inzwischen alle Fressalien vernichtet schienen und so durchwühlte ich die Schränke, fand natürlich nichts und fauchte: „Gibt's denn hier keine verdammten Chips mehr?!“ Als ich die Schranktür zu donnerte trat Eskild hinein: „Wow, was geht denn mit dir?“ Er stellte leere Tassen neben dem Spülbecken ab und warf mir seinen 'Sag mir was los ist und dein Guru wird helfen'-Blick zu. „Nichts!“, knurrte ich und setzte dann fort: „Dabei kannst du mir diesmal wirklich nicht helfen...“ „Sicher? Worum geht’s denn?“ Ich bin verdammt noch mal so heftig untervögelt, dass ich kaum mehr klar denken kann, geschweige denn, dass ich mich noch dran erinnern könnte, was mich früher am Durchdrehen gehindert hat. Aber das werde ich ihm ganz sicher so nicht sagen! „Bin ein nur wenig gestresst...“, murmelte ich und Eskild schien einen Moment drüber nachzudenken, eh er sich äußerte: „Wenn du dich hinlegen und irgendwie 'ne Runde entspannen willst... oder so, ich kann deine Feier auch ganz übernehmen. Macht mir nichts aus.“ Ich überlegte was ich mit diesem Angebot anfangen könnte. Zumindest könnte ich mich in mein Zimmer zurück ziehen und wäre keine Gefahr mehr. Weder für mich, noch für Schranktüren. „Das würdest du tun?“, hakte ich skeptisch nach und er nickte: „Sicher. Wenn's dir hilft.“ Ich ließ mir den Gedanken noch mal durch den Kopf gehen und fasste einen Entschluss. „Danke!“, entgegnete ich meinem Mitbewohner und lief los, zurück zur Couch und beugte mich zu Jonas runter: „Ich... leg mich hin... Mir ist... komisch.. irgendwie.“ „Okay?“ kam es überrascht von ihm, eh er anmerkte: „Aber... du warst doch vorhin total gut drauf und... total gechillt?“ „Ja.. ich... ja... hab vielleicht zu viel Alkohol getrunken“, murmelte ich und reichte ihm meine Hand: „Reden wann anders... Tschüss.“ „Jo, Okay. Ich geh dann auch“, teilte er mir mit und ich zuckte mit den Schultern: „Du kannst gern bleiben.“ „Nee, die Turteltauben sind auch gerade weg und Mahdi wollte sowieso noch mal wegen einer anderen Party los“, sprach er und erhob sich. Per Handschlag verabschiedeten wir uns und so suchten meine Augen nach Even. Der war nicht mehr da wo ich ihn zurückgelassen hatte und mal wieder verschwunden. Wenn man drei Minuten nicht hinsieht... „Wo ist er hin?“, fragte ich meinen besten Freund und dieser zuckte mit den Schultern, als er sich seine Jacke über warf: „Vielleicht aufs Klo? Hat sich nicht bei mir abgemeldet.“ Verwirrt sah ich mich erneut im Raum um und sah ihn noch immer nicht. Weshalb ich in den Flur ging und an der Badezimmertür klopfte: „Even?“ Nichts, keine Reaktion. Wo zur Hölle...? Mit mulmigem Gefühl klinkte ich an der Wohnungstür. Sie war nicht verschlossen und im Treppenhaus brannte Licht. Ich bekam es mit der Angst zu tun und lief auf Socken die Stufen hinab, öffnete die Haustür und sah mich in beiden Richtungen auf der Straße um. Nichts. Kein Even. Es war saukalt und es regnete. Panik stieg in mir auf und so hetzte ich die Treppen wieder hoch, wollte meine Schuhe und meine Jacke holen, als ich in meinem Zimmer Licht brennen sah. Sogleich ging ich hinüber und warf einen Blick rein. „Moah... erschreck mich nie wieder so!“, moserte ich und ließ alles fallen. Even stand von meinem Bett auf und so überwand ich die kurze Distanz zwischen uns, warf mich ihm an den Hals und atmete erleichtert durch. „Was ist los?“, fragte er verunsichert, ich schüttelte mit dem Kopf und seufzte: „Ach...“, eh ich gestand: „Ich dreh nur langsam durch. Das ist los...“ „Dachte du wärst.. abgehauen..“, sprach ich leise und Even kraulte meinen Hinterkopf: „Magnus hat sich nur für den weltbesten Rat bedankt... und dann hab ich die Zwei zur Tür gebracht. Hab gehört, dass du... dich hinlegen wolltest, als ich an der Küche vorbei kam... und hier im Zimmer gewartet.“ Er hatte kaum den Satz zu Ende gebracht, da hatte ich schon meine Lippen auf die seinen gepresst. Wir waren beide etwas überrascht von meinem spontanen überschwänglichen Kuss, weshalb wir auch beide anschließend nach Luft schnappten. Ich lehnte meine Stirn an seine und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch das war vorher ja schon kaum möglich. Sofort löste ich mich von ihm und ging zurück zur Tür, schloss diese ab und flog auf dem Rückweg beinahe über eine mir unbekannte Tasche. „Was zum...“, fluchte ich leise und schob das Ding mit dem Fuß ganz aus dem Weg. „Da sind ein paar Sachen von mir drin-...“, wollte Even erklären, doch von mir aus könnten da jetzt auch Leichenteile oder Mafia-Geld drin sein, es wäre im Moment sowas von egal. Ich wollte nur noch eines: Even. Ich fasste an seinen Kopf und begann ihn zu küssen, als gäbe es kein Morgen mehr. Der vor mir Stehende ließ sich auch drauf ein und erwiderte. Genüsslich griff eine meiner Hände sein Haar und die andere legte sich seitlich an seinen Hals. An die andere Seite schmiegte ich meine Gesicht und sog ganz bewusst seinen Geruch ein, der mich schon den ganzen Abend um den Verstand brachte. Ich wollte ihn am liebsten fressen, also knabberte ich nun ziemlich heftig an seinem Hals herum. Vielleicht war ich da etwas zu grob am Werk und das würde einen Knutschfleck hinterlassen. Aber mir war im Moment echt nicht mehr zu helfen. Even dagegen befreite sich nicht oder schubste mich auf Abstand. Er schien es willig über sich ergehen zu lassen und tat nun mehr als ich erwartet hätte, er öffnete die Knöpfe meines Hemdes und wirkte etwas nervös. Ich bremste mich bei meinem Tun selbst, lehnte meine Stirn wieder an die seine und beobachtete, was er vor hatte: „Sei zärtlich... das ist mein bestes Hemd...“ Als er es endlich auf hatte und mir den Stoff über die Schulter streifte, küsste er mich wieder und zwar mit dem Feuer, dass ich von ihm gewohnt bin. Weshalb er sich auch gleich mal von seiner Hoodie-Jacke und dem T-Shirt verabschieden konnte. Beides landete unbeachtet auf dem Boden. Meine Handflächen fuhren über seinen nun freigelegten Oberkörper und mein Blut staute sich merklich da, wo es jetzt am meisten Spaß haben wollte. Genau aus dem Grund wollte ich meine Hose so schnell wie möglich los werden und beeilte mich da raus zu kommen. Even tat es mir gleich und war schneller damit fertig als ich. Seine Hände fassten eine an meinen Schulter und die andere an meine Hüfte, schoben mich rückwärts auf mein Bett und auf jenes ließ ich mich nur zu gern fallen. Ich hievte mich etwas weiter mittig auf die Matratze und konnte es kaum erwarten, dass er zu mir kommt. Viel zu langsam kroch er auf mich zu und begab sich über mich. Nicht mal als er sich zwischen meine Beine drängte war da kein Grund für mich irgendwie zu stoppen. Ganz im Gegenteil. Als er sich ablegte und ich sein Gewicht auf mir spürte, entwich mir ein Seufzen voller Erregung. Gott! Ich hätte alles mit mir machen lassen! Alles, verdammt! Während wir ziemlich heftig rummachten und ich nicht wusste, was ich zuerst wollen könnte, schien Even einen Plan zu haben, denn er hob sich wieder ein Stück an und löste seine Lippen von den meinen. Sein Mund wanderte tiefer und tupfte kleine Küsse viel zu sachte auf meine Brust. „Baby...“, knurrte ich ungeduldig und fasste abermals in sein Haar am Hinterkopf. Daraufhin spürte ich wie der über meine Nippel zu lecken begann und ein wenig knabberte. „Fuck..!“, entwich es mir unterdrückt, eh mir im nächsten Moment die Luft wegblieb. Denn Even's Hand fuhr in meine Shorts, schob diese etwas nach unten und begann meinen Schwanz zu streicheln. Er sorgte dafür, dass ich beinahe vergessen hatte zu Atmen. Es dauerte nicht lange, da wanderte sein Kopf ebenfalls noch weiter runter und seine Lippen und seine Zungen verschafften mir und meinem besten Stück unvergleichliche Glücksgefühle. Blöderweise hatte ich nur viel zu kurz etwas davon, denn so kribbelig wie ich ohnehin schon die ganze Zeit war, kam ich leider viel zu schnell. Im letzten Augenblick presste ich meinen Unterarm an meinen Mund, damit niemand hören würde wie erleichtert ich nun war. Ich nahm den Arm wieder weg und hechelte nach Sauerstoff. Even legte sich relativ ruhig neben mir ab und streichelte mein Gesicht. „Oh, verdammt...“, schnaufte ich völlig fertig und sah zu dem neben mir Liegenden: „Willst du..? Ich meine... kannst du... wieder...?“ Er schüttelte den Kopf leicht und lächelte: „Nicht so richtig.“ Ich musste meine verstreuten Hirnzellen erst mal wieder zusammen sammeln und fragte daher etwas verwirrt: „Wieso... hast du dann...?“ Schließlich hätte er das nicht tun müssen, vor allem wenn er selber noch nicht kann. Even grinste: „Machst du Witze?“ Ich hatte keine Ahnung wie er nun darauf kam, das ich hierbei scherzen würde, also zuckte ich mit den Schultern: „Nein?“ „Du schleichst die ganze Zeit um mich herum, wie eine rollige Katze... Wie könnte ich das denn bitte ignorieren?“, kam es ein wenig belustigt von ihm. Ziemlich baff schaute ich ihn an: „So offensichtlich..?“ Even drückte mir einen Kuss auf die Wange: „Ja, ich merke das... Und irgendwas musste ich doch unternehmen, oder nicht?“ Ich drehte mich ihm zu und konnte nun etwas ruhiger seine Küsse erwidern. „Hat's denn geholfen?“, wollte er unsicher grinsend wissen und ich ließ mir einen Augenblick Zeit, eh ich antwortete: „Ein Tropfen auf dem heißen Stein,“ „Immerhin“, entgegnete er mir, dann drehte er sich auf den Rücken und sah an die Decke. Gemächlich legte ich mich halb auf ihn drauf und hörte ihn sagen: „Ich... hatte eigentlich gehofft, wir könnten reden...“ Oh... Wenn jemand sagt er will 'reden', dann heißt das meistens nichts gutes... „Okay, aber... können wir vielleicht Katzen aus dem Spiel lassen? Und überhaupt, was hat jetzt das Eine mit dem Anderen zu tun?“ Even schmunzelte und stellte eine Gegenfrage: „Hast du schon mal mit jemandem ernsthafte Gespräche führen können, der...“ Er unterbrach seinen Satz, schaute zu mir und grinste dreckig. „Ja, ja...“, murmelte ich, denn er hatte ja recht... Ich konnte ja kaum mehr meinen eigenen Gedanken zuhören, weil ich nur noch an das Eine denken konnte... Ich räusperte mich verlegen und fragte dann: „Worüber wolltest du denn reden..?“ Even begann meinen Kopf zu kraulen und ließ sich verdammt viel Zeit, bevor er mit der Sprache rausrückte: „Ich... wollte mich eigentlich noch mal entschuldigen... für den Stress, den ich verursacht habe... und wohl auch noch verursachen werde...“ „Denk nicht drüber nach“, bat ich und er flüsterte: „Ich kann meine Gedanken nicht abstellen...“ „Dann... versuch ich eben, dich auf andere Gedanken zu bringen“, warf ich ein und fuhr demonstrativ mit den Fingerspitzen sachte über Evens Brustbein. Er lächelte und fasste nach meiner Hand: „Ich bin offen dafür.“ „Und ich erst...“, raunte ich und tupfte ein paar kleine Küsse auf seine unbedeckten Oberkörper. Wo wir schon bei Entschuldigungen waren: „Entschuldige, schon mal im Voraus, dass ich... mich in letzter Zeit manchmal nicht ganz im Griff hab. Ich weiß nicht wieso, ich...“, und brach mitten im Satz ab. Wie sollte ich ihm erklären, dass ich meine Emotionen die letzten Wochen nur schwer beherrschen kann? Dass ich mich abreagieren muss, wenn ich geladen bin, was ich vorher alles halbwegs gechillt wegstecken konnte. Genauso wie ich es mir nicht anmerken lassen hab, wenn ich Angst oder Panik hatte. Oder neuerdings auch mal flennen muss, wo ich früher nie geheult hab oder nicht mal mehr meine Triebe zurückhalten kann, womit ich vorher kein all zu großes Problem hatte. Okay, damals hat Even auch nicht permanent dafür gesorgt, dass ich ihn vögeln wollte. Anyway... „Ja... es ist verdammt beschissen die Kontrolle über sich zu verlieren...“, fasste ich also zusammen und er schmiegte seine Wange an meinen Kopf: „Wem sagst du das...“ Stimmt, gerade Even müsste ich nicht erklären wie machtlos man sich dabei fühlen kann... „Ich pass auf dich auf“, versprach ich und hörte ihn ebenfalls leise sagen: „Und ich auf dich...“ Auch eine Art, wie man jemandem sagen kann, wie viel er einem bedeutet. „Auf dich muss man ja auch aufpassen! Zwei Sekunden nicht hingesehen und schon willst du dir einen Joint drehen!“, warf ich ihm gespielt vor, wie er sich vorhin einfach meine 10% von Sana unter den Nagel reißen wollte. Even seufzte: „Ich hab eh keine Blättchen hier. Außerdem... gibt's da verschiedene Hanfsorten.“ „Ah ja?“, kam es unwissend von mir und er bestätigte nickend, bevor er fachmännisch erklärte: „Jo... Es gibt Sorten, die haben mehr CBD und welche, die haben mehr THC.“ „Hmm. Okay“, entgegnete ich dem, nicht wirklich schlauer als vorher und Even grinste hörbar, bevor er die Sache näher ausführte: „Die CBD-haltigen Sorten kaufe ich und die haben wir beide auch geraucht. Die entspannen eher, als dass sie aufputschend wirken, wie die THC-haltigen Sorten. Ist 'ne gute Ergänzung, um entspannt zu bleiben... wenn das Leben aufregend wird.“ Ich hob den Kopf an und sah dem bei mir Liegenden prüfend in die Augen: „Und... du willst mich nicht zufällig gerade wieder verarschen?“, hakte ich skeptisch nach und er schüttelte den Kopf: „Nein, eigentlich nicht. Ich meine das ernst.“ „Hmm... weil... Sonja sagte, du solltest nicht kiffen...“, murmelte ich und Even seufzte etwas genervt: „Sonja sagt viel, wenn der Tag lang ist. Und... sie hat nie gefragt, warum ich das Zeug rauche. Sie 'wusste' nur, es sind Drogen. Und Drogen sind nicht gut für Leute mit psychischen Problemen.“ Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass das alles so unbedenklich ist, aber: „Wenn du... glaubst, dass dir das wirklich hilft... und es dir besser geht, dann... Dann mach's...“ Even schaute mir in die Augen und reckte mir seinen Kopf entgegen, ich rutschte etwas hoch und stupste ihn mit der Nasenspitze an: „Ich meine es so... Wenn denkst, dass es mehr Nutzen als Schaden hat... dieses DCB-Zeug zu rauchen, dann...“ „CBD“, korrigierte mich Even und grinste dabei. „What ever!“, rollte ich mit den Augen. „Nett von dir“, grinste er und küsste mich kurz, bevor er tief durchatmete und sprach: „Aber eigentlich... hab das nur wegen dir gemacht.“ „Wegen mir?“, kam es entsetzt von mir und so richtete ich mich auf. „Ja! Nur wegen dir war ich so aufgeregt. Was glaubst du wieso ich beim ersten Kose-Treffen mit 'nem Joint aufgekreuzt bin?“ „Ich weiß nicht. Vielleicht wolltest du cool wirken oder... dir den ganzen Unsinn da erträglicher machen... Was zur Hölle weiß ich schon...“, zählte ich Möglichkeiten auf, doch Even sprach mit rauer leiser Stimme: „Nur, um deine Anwesenheit erträglicher zu machen...“ „Bin ich so unerträglich oder was?“, giggelte ich und er konterte: „Du hast mich verdammt nervös gemacht.“ „Echt?“, hakte ich ungläubig nach, denn davon hab ich nicht viel gemerkt. Vielleicht war ich auch nur selbst zu sehr damit beschäftigt, mich in Even zu verlieben. Er nickte nun: „Ja... Ich hab mir an dem Abend vorgenommen: Heute ist es soweit. Heute sprech ich ihn an... Und hab vor lauter Aufregung zwei von den Dingern geraucht, bevor ich den Laden überhaupt betreten konnte...“ „Und am Ende hast du Papierhandtücher für dich sprechen lassen“, merkte ich neckend an und er lächelte: „Mein Plan ging auf. Das war alles, was wichtig war.“ „Du hast also alles geplant“, entgegnete ich dem und fragte dann ergänzend: „Und unsere zukünftigen Dates hast du auch schon geplant?“ „Nein. Ich bin nicht gut darin zu planen. Dafür bin ich zu spontan. Aber... wir haben schließlich noch ein Date offen“, sprach er und ich fragte irritiert: „Haben wir?“ „Ja!? Kino? Einen 'Scheißfilm' gucken?“, erinnerte er mich an unser Gespräch, als wir vor Wochen nach der Poolsache auf meinem Bett lagen, gekifft und über Filme geredet hatten. „Stimmt. Erfahr ich irgendwann mal, welchen Film du gemeint hast?“, wollte ich wissen und Even neckte mich: „Mhmm, mal sehen!“ Ich zwickte ihn sachte in die Seite dafür, doch er lachte nur und drückte mir dann einen Kuss auf die Stirn. Nachgiebig ließ ich mich von dem Kraulen an meinem Nacken wieder mal einwickeln und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab. Mann hörte zwischenzeitlich immer mal Stimmen im Flur vor der Zimmertür, von den Leuten, die sich wohl gerade auf den Heimweg machten. Als es nun ruhiger wurde, flüsterte ich: „Versprich mir, dass du mehr schlafen wirst.“ „Wie könnte ich, wenn ich dich neben mir liegen sehe?“, kam es von ihm und ich murrte: „Ich meine es ernst.“ „Ich auch“, vernahm ich es von Even und brummte daher: „So kommen wir nicht weiter... Okay was muss ich tun, damit du mehr schläfst?“ Es kam keine Antwort, also sprach ich den ersten Gedanken aus, der mir in den Sinn kam: „Muss ich... dafür sorgen, dass du völlig fertig bist und keinen Bock mehr hast mich anzusehen?“ Even fing an zu lachen: „Da haste dir aber 'ne Menge vorgenommen.“ „Man, ich meine das verdammt ernst!“, meckerte ich und wieder sagte er: „Ja, ich auch.“ „Och... Even...“ Manchmal glaube ich fast, er versteht nicht, dass ich mir Sorgen um ihn mache, oder vielmehr wie sehr ich mir einen Kopf um sein Wohlergehen mache. Und dass das kein Joke für mich ist. Doch er lenkte endlich ein: „Ich versprech's dir, ich versuch es. Vielleicht hilft ja mehr Tee trinken.“ „Mit K.-o.-Tropfen?“, versuchte ich es nun meinerseits mit ein wenig schwarzem Humor und Even schmunzelte: „Damit ich nichts mitkriege, wenn du über mich herfällst? Nee, das will ich nicht verpassen.“ „Du kannst echt über alles Jokes machen, oder?“, stellte ich fest, auch wenn ich es eher als Frage formuliert hatte. Even zuckte mit den Schultern: „Das hab ich dir doch gesagt.“ Wieder lachte er und sagte dann beschwichtigend: „Ich hab gehört Tee soll entspannen.“ „Dann trink den Tee aber, nachdem wir... fertig sind!“, forderte ich mit dem nötigen Ernst und mein Freund fragte äußerst amüsiert: „Uhh... hat da jemand Angst, er 'kommt' zu kurz?“ „Okay, das ist nun wirklich nicht witzig! Du willst mich nicht erleben, wenn ich...“ „Total untervögelt bist? Hab ich schon... und ich denke, ich kann mit dieser gefährlichen Situation ganz gut umgehen!“, kam es belustigt von Even und somit ließ er mir keine andere Wahl. „Jetzt reicht's!“, drohte ich und schwang mich auf ihn drauf, doch dieser Kerl sah einfach viel zu sexy aus, wie er da lag... so einladend... mit seinen nun völlig zerwühlten Haaren... „Ach, fuck it..!“ Meine Rache musste wohl erst mal warten. * Brunost (Brauner Käse) klingt bissel eklig wer es nicht kennt, aber das Zeug ist deshalb braun, weil die Milch (bzw. der enthaltene Milchzucker) so verarbeitet wird, dass sie einen süßliche karamellartigen Geschmack hat. Sieht also ein wenig aus wie ein Karamellklumpen. Ist mit Marmelade also durchaus kombinierbar. * Yahtzee ist ein Würfelspiel, manche kennen es unter 'Kniffel'. Kann man real oder am PC spielen. Man hat 5 Würfel und muss entweder alle Würfel mit der selben Augenzahl erwürfeln oder eben in einer Reihe. Wer's genauer wissen will: Google weiß Rat. :D * Saint Lucia Tag, wird in den nordischen Ländern mehr oder weniger gefeiert. Eigentlich gedacht für Mädchen, die sich weiße Kleider anziehen, neuerlich manchmal auch Jungs. * Karl Johans gate (deutsch „Karl-Johann-Straße“), formlos „Karl Johan“ genannt, ist die Haupt- und Prachtstraße der Innenstadt von Oslo. Sie trägt ihren Namen nach dem schwedisch-norwegischen König Karl III Johan. * Je suis krill – franz. für: Ich bin Krill – Ref.: von Je Suis Charlie Das ist Krill: https://de.wikipedia.org/wiki/Krill * NRK ist der Sender der Skam gezeigt und produziert hat. * NAV ist die Norwegische Arbeits- und Wohlfahrtsverwaltung. (Arbeids- og velferdsforvaltningen, Norge) Das ist die öffentliche Wohlfahrtsbehörde, die Programme wie Arbeitslosengeld, Renten, Kindergeld und mehr verwaltet. - Und mit 'Ait' vermute ich, ist Alright gemeint, schwer zu sagen... * Bild der Weihnachtsfeier: https://i.pinimg.com/originals/11/7e/0b/117e0b9c7c0b08a1d0eee511733dbe59.jpg ***EDIT: Einige wenige Clips funktionieren (derzeit und auf unbestimmte Zeit) auf der Skam Hauptseite daher verlinke ich sie hier: http://skam.p3.no/2016/12/12/drittsekken/ Aber hier ein kleiner Bonus auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=qpTDxLjMmg0 Mal wieder eine Nachwort von mir zum eigentlich letzten Kapitel der 3. Staffel. Erstmal: Das Kapitel hier ist wieder mal neuer Rekord was die Wörterzahl betrifft - ca. 36.000 - und ich hoffe es ist trotzdem nicht zu lang geworden. Ich hoffe ich hab die gröbsten Schreibfehler ausradiert schaue dennoch später noch mal drüber. Sorry, dass es so lange gedauert hab, bzw. ich jetzt erst dazu kommen werde zu antworten, auf Kommentare oder Nachrichten, ich hab gerade soviel um die Ohren, das suckt ein wenig... Ich hol's aber nach! (Und ja, ich weiß 'Weihnachtsbeisammensein' klingt irgendwie blöd, aber ne gut klingende richtige Übersetzung dafür fiel mir irgendwie nicht ein.) Ich hätte aber schon Bock, die 4. Staffel bzw. alles was bis dahin so passiert oder viel mehr passiert sein kann, fortzusetzen. Auch wenn Isak in der 4. nicht mehr Haupt-Charakter ist, aber Evak wird ja nebenher weiter erzählt. Dachte da so an das Treffen mit Evens Mutter, Weihnachten/Silvester, Evens Geburtstag später und all das bis, bzw, dann ab der 4. Staffel weiter zu führen. Außerdem mehr über die bipolare Störung und wie die beiden mit der Sache umgehen zu erzählen. Uuund ich will noch (weiterhin) ein paar ungeklärte, unangesprochene oder offene Dinge 'beenden' die auch in der Serie nicht ganz klar wurden... also man dürfte gespannt sein! Also... lasst es mich bitte wissen was ihr darüber denkt. ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)